"Außerdem studierte er abstruse Bücher, die aus chaldäischen Bibliotheken
gestohlen worden waren, wenn Fafhrd auch aus langer Erfahrung wusste,
dass der Mausling selten über das Vorwort hinauskaum (obwohl er oft die
letzten Kapitel aufrollte und neugierig hineinschaute und beißende Kritik
äußerte)."

Fritz Leiber, Das Spiel des Adepten


Montag, 30. April 2012

Von Mönchen, Heroen und nationalen Chauvinisten

Es ist eine traurige Tatsache, dass die Heldenepik scheinbar überall auf der Welt besonders gerne für nationalistische Propaganda missbraucht wird. Unsere hauseigenen Verwurstungen des Nibelungenliedes durch völkische, kaiserliche und nazistische Parteigänger sind wohl allgemein bekannt. Vor einiger Zeit habe ich hier bereits kurz auf das üble Spiel hingewiesen, dass die Hindu-Chauvinsten mit dem Ramayana treiben. Jetzt möchte ich einen Blick nach Sri Lanka werfen.

Wie in Indien kommt die politische Rechte auch hier häufig in religiösem Gewande daher. Der singhalesische Nationalismus ist von seinem Zwillingsbruder, dem buddhistischen Fundamentalis-mus, kaum zu trennen. An der Spitze der rechtsextremen Jathika Hela Urumaya (‘Partei des nationalen Erbes’) stehen buddhistische Mönche. Die Wurzeln dieser Verbindung reichen zurück bis zur buddhistischen Erneuerungsbewegung des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Mit der Verfassungsreform von 1972, die den Buddhismus zur Staatsreligion erklärte, machte sich der Staat diese Ideologie offiziell zu eigen. Ihr bisher blutigstes Produkt war der über zwanzigjährige Bürgerkrieg gegen die tamilische Seperatistenbewegung LTTE (‘Liberation Tigers of Tamil Eelam’), der mit dem antitamilischen Pogrom vom ‘Schwarzen Freitag’ 1983 begann und mit der endgültigen Niederlage der Tiger im Mai 2009 endete. Die Tamilen, die den Norden und Osten der Insel bewohnen und mehrheitlich Hindus sind, sind die bevorzugten Opfer der singhalesisch-buddhistischen Rechten, aber auch Muslime und Christen bekommen immer wieder ihren Hass zu spüren. Kernstück ihrer Ideologie ist das Prinzip der dharmadwipa (‘Insel des Dharma’ = der buddhistischen Lehre). Danach ist Sri Lanka so etwas wie ein Gelobtes Land des Buddhismus, und die heiligste Pflicht der Singhalesen besteht in der Verteidigung und Verbreitung der Lehre des Erhabenen. Als literarische Grundlage muss dafür regelmäßig das im 4. Jahrhundert entstandene Mahavamsa herhalten, und das hat dieses Stück Weltliteratur wirklich nicht verdient.

Genaugenommen ist das Mahavamsa kein Heldenepos, sondern eine Verschronik des Königreichs Lanka von der singhalesischen Landnahme durch den legendären Vijaya bis zur Regierungszeit Mahasenas. Aber wie wir noch sehen werden, trägt eine der zentralen Erzählungen deutlich heldenepische Züge. Das in Pali verfasste Werk stellt eine faszinierende Mischung aus Mythen, Legenden, geschichtlichen Überlieferungen und märchenhaften Anekdoten dar. Der Bericht gruppiert sich vor allem um zwei Könige: Um Devanampiya, unter dessen Herrschaft der Buddhismus auf der Insel eingeführt wurde, und um den Heroen Dutthagamani. Nebenbei gewährt uns das Epos auch einen interessanten Einblick in Kultur, Gesellschaft und Religion der alten Singhalesen, so etwa in das komplexe Bewässerungssystem, das den großflächigen Reisanbau, auf dem ihre Gesellschaft basierte, überhaupt erst ermöglichte.

Mahanama, der Verfasser des Epos, war ein buddhistischer Mönch und eine entsprechend große Rolle spielt die Religion des Erhabenen in seinem Werk. So beschäftigen sich die Kapitel II bis V überhaupt nicht mit Sri Lanka, sondern behandeln die frühe Geschichte des Buddhismus von Siddharta Gautama bis zum indischen Maurya- König Ashoka und den drei großen Konzilien, auf denen die Reinheit der Lehre sichergestellt werden sollte.
Das Mahavamsa ist allerdings bemüht, von Anfang an eine besonders enge Verbindung zwischen dem Buddha und dem Inselreich herzustellen. So berichtet das erste Kapitel von drei wundersamen Reisen Gautamas nach Sri Lanka, "[f]or Lanka was known to the Conqueror as a place where his doctrine should (thereafter) shine in glory." Um die Insel für die Lehre zu gewinnen, drängt er zuerst die dort lebenden Yakkhas (1) zurück, indem er sie in Angst und Schrecken versetzt, schlichtet dann einen Krieg zwischen zwei Naga-Königen (2) und heiligt schließlich durch seine Anwesenheit eine Reihe von Orten, die später zu Zentren des Buddhismus werden sollen.
Um die besondere Verbindung zwischen Sri Lanka und dem Buddha noch stärker hervorzuheben, wird die Ankunft Vijayas und der Singhalesen auf den Tag von Gautamas paranirvana, seinen Todestag also, verlegt. An eben diesem Tag unterstellt Gautama die Singhalesen und Lanka auch der besonderen Obhut Sakkas, des Königs der Götter: "When the Guide of the World, having accomplished the salvation of the whole world and having reached the utmost stage of blissful rest, was lying on the bed of nibbana; in the midst of the great assembly of gods, he, the great sage, the greatest of those who have speech, spoke to Sakka who stood there near him: ‘Vijaya, son of king Sihabahu, is come to Lanka from the country of Lala, together with seven hundred followers. In Lanka, o lord of gods, will my religion be established, therefore carefully protect him with his followers and Lanka.’" Außerdem bestimmt er schon jetzt die Überführung von Reliquien und eines Ablegers des Bodhi-Baumes (3) nach Lanka, sowie die Art der Wunder, die sich dabei ereignen werden.

Den ersten Schwerpunkt legt das Mahavamsa auf die Regierungszeit König Devanampiyas und die Einführung des Buddhismus auf der Insel durch Mahinda, einen Sohn Ashokas. Dabei erfährt die Verbindung zwischen Sri Lanka und der buddhistischen Lehre noch einmal eine weitere Vertiefung, wenn Mahinda dem König in Kapitel XV erzählt, dass vor Gautama bereits die ersten drei Buddhas des gegenwärtigen Weltzeitalters die Insel besucht und dort eine Reliquie sowie einen Ableger ihres jeweiligen Bodhi-Baumes zurückgelassen hätten. Auf diese Weise erscheint die Bekehrung Sri Lankas zum Buddhismus nur als Wiederherstellung eines zwischenzeitlich verlorengegangenen Zustandes.
Die Ankunft der Missionare gleicht einer zweiten Landnahme, wenn die Wahrsager Devanampiyas von den Mönchen sagen: "The earth is occupied by these (bikkhus); they will be lords upon the island." Ganz in diesem Sinne läßt Devanampiya den aus Indien überführten Bodhi-Baum bei seiner Ankunft zum König salben. Das bedeutet allerdings nicht, dass Sri Lanka nun eine buddhistische Theokratie geworden wäre. Die Mönche üben zwar großen Einfluß auf die Könige aus, die Herrschaft verbleibt jedoch in den Händen der Monarchen. Kapitel XXXIII berichtet zwar von dem Versuch der Mönchsgemeinschaft, sich auch in die Thronfolge einzumischen und einen ihr genehmen Prätendenten auf den Thron zu heben, doch dieser Vorstoß scheitert, und die Mönche müssen sich König Lanja Tissa unterwerfen. Allerdings stellt für das Mahavamsa die Förderung des Buddhismus die vornehmste Aufgabe eines jeden singhalesischen Königs dar. So gibt die Chronik für jeden König genau an, welche Klöster und Heiligtümer er errichten und welche Schenkungen er der Mönchsgemeinschaft zukommen ließ. Ebenso ist es Aufgabe des Herrschers, Häretiker zu bekämpfen und sie aus dem Land zu vertreiben.

Seinen Höhepunkt erreicht das Mahavamsa mit der Erzählung von König Duttaghamani.
In den Augen der singhalesisch-buddhistischen Chauvinsten ist er der große Nationalheld, und jeder aufrechte singhalesische Politiker sollte seinem Vorbild nacheifern. Das Epos feiert ihn vor allem als den Bezwinger der damilas, die zu dieser Zeit einen Großteil der Insel beherrschten, als Vereiniger des Reiches und Erbauer des Großen Stupa von Anuradhapura. Die Nationalisten identifizieren die damilas der Chronik mit den heutigen Tamilen und benutzen die Geschichte von Duttaghamanis Kriegszügen auf diese Weise für ihre antitamilische Propaganda. Aber auch wenn diese Gleichsetzung korrekt seien sollte (4), bietet das Mahavamsa eigentlich wenig Stoff für eine Verteufelung der Tamilem. Es werden zwar einzelne Übergriffe der damilas auf buddhistische Heiligtümer erwähnt, ihr König Elara ist aber keineswegs ein blutrünstiger Tyrann, sondern vielmehr ein Ausbund an Gerechtigkeit und die vielleicht sympathischste Herrschergestalt der gesamten Chronik. Kapitel XXI erzählt in einer Reihe kleiner, märchenhafter Anekdoten von dem peniblen Rechtsempfinden des Königs, der seinen einzigen Sohn hinrichten lässt, weil dieser mit seinem Streitwagen ein Kalb getötet hat, und sogar einer Vogelmutter Gerechtigkeit widerfahren lässt, deren Kinder von einer Schlange gefressen wurden. Obwohl er kein Buddhist ist, erweist sich seine Tugendhaftigkeit als so groß, dass er mit ihrer Hilfe sogar eine Dürre zu beenden und Regen herbeizurufen vermag. Nicht gerade ein ideales Feindbild.

Das für mich faszinierende an der Erzählung von Duttaghamani ist, dass das Mahavamsa mit seinem Auftreten zu einem Stück heroischer Dichtung wird. Die Vorstellung einer buddhistischen Heldenepik mag auf den ersten Blick absurd erscheinen. Das liegt zum einen an der bei uns weitverbreiteten, romantisch verklärten Sicht auf den Buddhismus als einer pazifistischen Religion. Andererseits scheint das buddhistische Ethos mit seiner Betonung von Selbstzucht, Mäßigung und Mitgefühl dem Ethos des Heroischen – dem Stolz und der Maßlosigkeit, der Todesverachtung und Kampfeslust des Helden – in der Tat diametral entgegengesetzt zu sein. Und wirklich hat man beim Lesen des Mahavamsa das Gefühl, einen klassisch heroischen Stoff vor sich zu haben, der nachträglich 'buddhisiert' wurde. Ich habe allerdings keine Ahnung, ob dem wirklich so ist.

Duttaghamani ist der Sohn des Königs Kakavanna, der über die Provinz Rohana herrscht. Obwohl er die Wiedergeburt eines heiligen Mönches ist, verdeutlicht bereits seine Geburtsgeschichte, dass hier ein Krieger zur Welt kommen soll. Seine Mutter hat nämlich recht ungewöhnliche Wünsche für ihr Kindbett. Sie verlangt nicht nur nach einer gewaltigen Honigwabe als Kissen, sondern wünscht auch das Wasser zu trinken, mit dem das Schwert gewaschen wurde, welches König Elaras obersten Krieger enthauptet hat. Schon vor seiner Geburt besteht damit eine tödliche Feindschaft zwischen Duttaghamani und den damilas.
Am Tag seiner Geburt führt eine Elefantenmutter ihr Junges aus dem Dschungel und lässt es bei den Menschen zurück. Das Tier wächst zu dem gewaltigen und furchteinflößenden Kriegselefanten Kandula heran.
Schon als zwölfjähriger Junge ist Duttaghamani von der Idee besessen, die damilas zu vernichten, und mit sechszehn Jahren ist er "vigorous, renowned, intelligent and a hero in majesty and might."  Ihm zur Seite stehen die zehn gewaltigsten Krieger Lankas, die in Kapitel XXIII eingehend beschrieben werden. Doch Kakavanna fürchtet um das Leben seines Sohnes und untersagt ihm deshalb, gegen König Elara in den Krieg zu ziehen. Dreimal bittet der Held seinen Vater um die Erlaubnis zum Kampf, dreimal wird sie ihm verweigert. Schließlich schickt der zornige Duttaghamani seinem Vater Frauenschmuck mit der beleidigenden Botschaft: "If my father were a man he would not speak thus: therefore shall he put this on." Die hochfahrende Art des Prinzen und die Verhöhnung des (scheinbaren) Feiglings sind typisch für die heroische Dichtung. Vorerst bringt ihm die Beleidigung des Vaters allerdings das Exil ein.

Nach dem Tod Kakavannas kommt es zum Krieg zwischen Duttaghamani und seinem Bruder Tissa. Als unser Held inmitten des Schlachtgetümmels mit seinem Pferd über den Elefanten Kandula springt und dabei seinen Bruder mit dem Speer verletzt, wendet sich der Elefant von Tissa ab und unterwirft sich Duttaghamani. Damit hat der Held seine Überlegenheit unter Beweis gestellt. Er bezwingt die Armee seines Bruders in einem blutigen Kampf und versöhnt sich schließlich mit dem gedemütigten Tissa.
Auf Kandula reitend und umgeben von den zehn Helden kann Duttaghamani nun endlich an der Spitze seines gewaltigen Heeres gegen die damilas ziehen. Dieser Feldzug trägt von Anfang an die Züge eines buddhistischen Kreuzzugs. Duttaghamani läßt eine Reliquie in den Schaft seines Speeres einarbeiten und wird von fünfhundert Mönchen begleitet. Die himmlischen Mächte greifen direkt in das Geschehen ein, als sich die Rüstungen der singhalesischen Krieger durch ein Wunder feuerrot verfärben, damit sie im Schlachtgetümmel Freund und Feind auseinanderhalten können.
Während der Eroberung von Vijitanagara stellen insbesondere Nadhimitta und Suranimila, zwei der Zehn Helden, ihre heroischen Qualitäten unter Beweis. Nachdem es Kandula endlich gelungen ist, das eiserne Tor der Stadt zu durchbrechen, verzichten die beiden darauf, dem Elefanten zu folgen, und schlagen stattdessen eigenhändig zwei weitere Breschen in den Befestigungswall. Ihren Höhepunkt erreicht die heldenepische Erzählung aber naturgemäß mit der Entscheidungsschlacht zwischen Duttaghanami und Elara vor den Toren der Hauptstadt. Zuerst bezwingt Suranimila den größten Krieger der damilas, Dighajantu:
"When the mighty (warrior) had in this manner scattered also the other bodies of troops, he charged at the body of troops with which king Gamani stood. But when he began to attack the king, the mighty warrior Suranimila insulted him, proclaiming his own name. Dighajantu thought: `I will slay him,' and leaped into the air full of rage. But Suranimila held the shield toward him as he alighted (in leaping). But Dighajantu thought: `I will cleave him in twain, together with the shield,' and struck the shield with the sword. Then Suranimila let go the shield. And as he clove (only) the shield thus released Dighajantu fell there, and Suranimila, springing up, slew the fallen (man) with his spear. Phussadeva [einer der Zehn Helden] blew his conch shell, the army of the Damilas was scattered; nay, Elara turned to flee and they slew many Damilas. The water in the tank there was dyed red with the blood of the slain, therefore it was known by the name Kulantavapi."

Duttaghamani setzt dem fliehenden Elara nach und erschlägt ihn eigenhändig. Damit ist die Schlacht entschieden.
Dass der siegreiche König seinen gefallenen Gegner mit einer würdevollen Beisetzung ehrt, entspricht durchaus noch den Gepflogenheiten heldenepischer Dichtung:
"When he had thus been victorious in battle and had united Lanka under one rule he marched, with chariots, troops and beasts for riders, into the capital. In the city he caused the drum to be beaten, and when he had summoned the people from a yojana around he celebrated the funeral rites for king Elara. On the spot where his body had fallen he burned it with the catafalque, and there did he build a monument and ordain worship. And even to this day the princes of Lanka, when they draw near to this place, are wont to silence their music because of this worship."
Doch was dann folgt, ist ein Schlag ins Gesicht des heroischen Geistes. Duttaghamani wird nämlich auf einmal von Gewissensbissen geplagt:
"Sitting then on the terrace of the royal palace, adorned, lighted with fragrant lamps and filled with many a perfume, magnificent with nymphs in the guise of dancing-girls, while he rested on his soft and fair couch, covered with costly draperies, he, looking back upon his glorious victory, great though it was, knew no joy, remembering that thereby was wrought the destruction of millions (of beings)."
An dieser Stelle tritt der Konflikt zwischen heroischem und buddhistischem Ethos offen zutage. Doch, und das macht den Text so interessant, der Konflikt führt nicht zu einem offenen Bruch in der Erzählung, die beiden gegensätzlichen Wertsysteme werden vielmehr miteinander versöhnt. Um diese schier unmöglich erscheinende Aufgabe zu bewältigen, greifen nun acht Arahants [Heilige] in die Handlung ein. Von der Mönchsgemeinschaft beauftragt, suchen sie den König auf, um seine moralischen Bedenken zu zerstreuen. Duttaghamani ist fest davon überzeugt, für immer seinen Seelenfrieden eingebüßt zu haben: "’How shall there be any comfort for me, O venerable sirs, since by me was caused the slaughter of a great host numbering millions?’" Die Antwort der acht Arahats muss für alle, die den Buddhismus für eine friedvolle und humane Religion halten, erschüttern:
"’From this deed arises no hindrance in thy way to heaven. Only one and a half human beings have been slain here by thee, O lord of men. The one had come unto the (three) refuges, the other had taken on himself the five precepts Unbelievers and men of evil life were the rest, not more to be esteemed than beasts. But as for thee, thou wilt bring glory to the doctrine of the Buddha in manifold ways; therefore cast away care from thy heart, O ruler of men!’"
Der Eroberungskrieg gegen einen tugendhaften König, dem Abertausende damilas zum Opfer gefallen sind, ist offenbar dadurch gerechtfertigt, dass er dem höheren Ruhm der buddhistischen Lehre diente. Damit erweist sich das buddhistische Ethos praktisch als noch unmenschlicher als das heroische. Dieses ehrt und betrauert den erschlagenen König zumindest als würdigen Gegner. Die religiöse Sichtweise hingegen beraubt den Feind seiner Menschlichkeit. Er ist ein Ungläubiger und darum nicht mehr wert als ein Vieh. Die einzigen wirklichen Opfer des Krieges sind zwei Anhänger Duttaghamanis, da diese ja gläubige Buddhisten waren.

Wie man sich denken kann, leiten die singhalesischen Chauvinisten aus dieser Passage ihre Ideologie vom ’gerechten Krieg’ (dharma yuddhaya) ab, mit dem sie den Vernichtungskrieg gegen die LTTE legitimierten. (5) Aus diesem Geist heraus feierte z.B. der Mönch Sobitha Thera, Führer der rechtsradikalen Jathika Sangha Sabha (‘Nationaler Mönchsrat’), den obersten Strategen des Bürgerkriegs, General Ratwatte, an dessen Geburtstag 1998 als einen modernen Duttaghamani und forderte die Fortsetzung des Krieges ‘bis zum vollständigen Sieg’. (6) Nach dem Sieg über die LTTE feierten zahlreiche buddhistische Gemeinschaften Präsident Mahinda Rajapakse als einen ‘neuen König’ in der Nachfolge Duttaghamanis und verliehen ihm Titel wie Vishvakeerthi Sinhaladheeswara (‘Allumfassender Glorreicher Oberherr der Singhalesen’), Shree Wickrema Lankadheeswara (‘Heldenhafter Kriegsherr von Lanka’) und Raajavamsa Vibhooshana Dharamadveepa Chakravarti (‘Königlicher Weltherrscher der glorreichen Insel des Dharma’). (7)

An den heldenepischen Teil der Duttaghamani-Geschichte schließt sich ein ausführlicher Bericht über den Bau des Großen Stupa von Anuradhapura an, mit dem der König seine Rolle als Beschützer und Förderer des dharma unter Beweis stellt. Dieser Teil des Mahavamsa ist es, der am ehesten der Untermauerung der dharmadwipa-Ideologie dienen kann. Für den Verfasser des Epos ist die Errichtung des Heiligtums nämlich ein Ereignis von weltumspannender, ja geradezu kosmischer Bedeutung. Die Materialien, die Duttaghamani für den Bau des Stupa benötigt Ziegelsteine, Gold, Silber, Perlen, Korallen und Juwelen   werden auf Anweisung des Götterkönigs Sakka von den Himmlischen auf die Insel getragen. Die Reliquien, die in das Monument versenkt werden sollen, müssen zuvor auf recht abenteuerliche Weise aus dem Unterwasserpalast der Nagas entwendet werden. Am wichtigsten jedoch ist der Umstand, dass Zehntausende von Mönchen aus allen Ländern des Buddhismus kommend in Anuradhapura zusammenströmen, um dem Ereignis beizuwohnen. Das Eingreifen der Götter und mehr noch die Anwesenheit der fremdländischen Mönche machen deutlich, dass der Bau des Stupa mehr ist als ein frommer Akt Duttaghamanis oder ein Symbol für die Vereinigung Sri Lankas unter buddhistischer Herrschaft. Er betrifft vielmehr die gesamte buddhistische Ökumene. Dadurch bekommt Sri Lanka eine außergewöhnliche Stellung innerhalb der buddhistischen Welt zugesprochen.
Hier mögen die Ursprünge der dharmadwipa-Idee liegen. Sie auf die Politik der Gegenwart anzuwenden, ist freilich in etwa so, als würde man sich in Deutschland oder Frankreich heute auf die Reichsideologie des Mittelalters berufen.

Allen Freunden und Freundinnen heroischer Dichtung und jedem, der sich für die buddhistische Kultur Südasiens interessiert, kann ich die Lektüre der 'Großen Chronik' von Lanka jedenfalls nur wärmstens empfehlen.

(1) Der Nama Yakkha bezeichnet in den buddhistischen Palitexten eine Klasse nichtmenschlicher Lebewesen, die häufig als Naturgeister auftreten und den Menschen überwiegend wohlgesonnen sind. Ab und an werden sie aber auch als dämonische Menschenfresser beschrieben.
(2) Die Nagas sind Schlangendämonen.
(3) Der Bodhi-Baum ist der heilige Baum, unter dem Gautama saß, als er die Erleuchtung erlangte. Jeder Buddha besitzt seinen eigenen Bodhi-Baum.
(4) Die Religionswissenschaftlerin Tessa Bartholomeuz zieht diese Identifikation in ihrem Aufsatz In Defense of Dharma: Just-War Ideology in Buddhist Sri Lanka in Zweifel: "It is important to note that, whatever the Mahavamsa's meaning of the Pali word damila, the Sinhala word for Tamil is demala, while twentieth-century Sinhala interpreters of Dutugemunu's war against damilas translate damila as Tamil, demala."
(5) Für eine genaue Analyse dieser buddhistischen Kriegsideologie vgl. Tessa Bartolomeuz' Buch In Defense of Dharma.
(6) Vgl.: Bartholomeuz' Aufsatz.
(7) Siehe hier

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