"Außerdem studierte er abstruse Bücher, die aus chaldäischen Bibliotheken
gestohlen worden waren, wenn Fafhrd auch aus langer Erfahrung wusste,
dass der Mausling selten über das Vorwort hinauskaum (obwohl er oft die
letzten Kapitel aufrollte und neugierig hineinschaute und beißende Kritik
äußerte)."

Fritz Leiber, Das Spiel des Adepten


Samstag, 27. Juni 2015

Strandgut der Woche

Mittwoch, 24. Juni 2015

Grandioser Spaß in verstrahlten Wüsten

Nachdem sich unser letzter Ausflug in die grünen Wälder von Filmfantasyland als ein eher unerfreuliches Erlebnis herausgestellt hat, dachte ich mir, wir könnten es zur Abwechselung ja mal mit den atomar verseuchten Wüsten des Postapokalyptischen Films versuchen. Schließlich erfreute sich der – spätestens nach dem Erfolg von Mad Max 2: The Road Warrior (1981) in den 80er Jahren mindestens ebenso großer Beliebtheit wie das Barbarengenre. Eher zufällig fiel meine Wahl dabei auf Robert Hayes' ultrabilligen Flick She-Wolves of the Wasteland aus dem Jahre 1988, auch bekannt als Phoenix the Warrior.

    

Was soll ich sagen, ich war selbst etwas überrascht, aber der Streifen ist wirklich ein Riesenspaß! Vorausgesetzt man teilt meine Liebe zu absurdem B-Movie-Trash.
Daneben ist er der letzte Film, in dem Persis Khambatta mitgewirkt hatden meisten vermutlich vor allem als Lt. Ilia aus Star Trek: The Motion Picture (1979) bekannt. Für mich Grund genug, diese Besprechung mit einem kurzen Abriss von Leben und Werk der indischen Schauspielerin zu beginnen.

Als Tochter eines parsischen Ehepaares aus der Mittelklasse am 2. Oktober 1948 in Mumbai/Bombay geboren, gelangte Persis Khambatta bereits im Alter von vierzehn Jahren zu landesweiter Bekanntheit, als die beliebte Seifenmarke Rexona mit ihrem Konterfei beworben wurde. Sie startete eine Karriere als professionelles Model und gewann 1965 den Titel der Femina Miss India. Als solche nahm sie an dem in Florida stattfindenden Miss Universum - Wettbewerb teil. Bei dieser Gelegenheit soll ihr die Rolle in einem James Bond - Film angeboten worden sein (You Only Live Twice oder On Her Majesty's Secret Service?), doch sie lehnte ab, hatte sie ihrer Mutter doch versprochen, nach Abschluss des Wettbewerbs umgehend in die Heimat zurückzukehren. Ihr Einstieg ins Filmgeschäft fand deshalb erst 1967 und in Bollywood statt. Ihr Auftritt als Cabaret-Sängerin Leela in Bambai Raat Ki Bahon Mein (Bombay By Night) von Khwaja Ahmad Abbas erregte zwar Aufsehen, doch der Mangel an Professionalität, der ihrer Meinung nach in der indischen Filmindustrie jener Zeit herrschte, ließ sie anderswo nach Karierechancen Ausschau halten. Sie ging nach Deutschland, wo sie 1969 in Kobi Jaegers Kamasutra mitspielte einem Film, der heute höchstens noch aufgrund der Musik von Can bekannt sein dürfte. Bald darauf siedelte sie nach London über, wo sie weiter als Model arbeitete, zugleich Schauspielunterricht nahm und in einigen Theateraufführungen mitwirkte. Nachdem sie kleinere Rollen in Ralph Nelsons The Wilby Conspiracy (1975) und Michael Andersons Conduct Unbecoming (1975) gespielt hatte, versuchte sie in Hollywood Fuß zu fassen. 1977 spielte sie die indische Prinzessin Siri in dem TV-Film The Man with the Power {der übrigens nichts mit der Outer Limits - Episode des gleichen Titels zu tun hat}, doch der wirkliche Durchbruch gelang ihr erst, als sie von Gene Roddenberry und seinem Team unter unzähligen Bewerberinnen für die Rolle der Lt. Ilia ausgewählt wurde. Zu diesem Zeitpunkt war der Plan, eine weitere Star Trek - Serie (Phase II) zu produzieren, noch nicht gestorben, und so schien sich für Persis Khambatta die Möglichkeit eröffnet zu haben, über Jahre hinweg eine führende Rolle in einer prestigeträchtigen TV-Serie zu spielen. Immerhin hatte Paramount vorgehabt, Phase II zum Zugpferd für ihren geplanten neuen Fernsehkanal zu machen. Als es schließlich doch nicht dazu kam, und das Projekt in Reaktion auf den gewaltigen Erfolg von Star Wars und Close Encounters of the Third Kind stattdessen in einen Kinofilm umgewandelt wurde, war Khambatta zugleich begeistert und etwas enttäuscht: "I was thrilled, because I like the big screen and I could then move on to the next thing. It was the biggest break for me. In a way, though, I wish it had been a TV series because then you are working for five years." Ich selbst halte Star Trek: The Motion Picture (1979) bei all seinen unleugbaren Schwächen übrigens für einen recht interessanten Film, und sein kommerzieller Erfolg war seinerzeit gewaltig. Für Persis Khambatta hätte der Streifen – sollte man meinen der Start einer großen Hollywoodkarriere werden müssen. Doch es kam anders. Zwar trat sie 1981 mit Nighthawks noch einmal in einem großen Blockbuster auf, doch schon ein Jahr später begann ihre Übersiedelung in das Universum der B-Movies mit ihrer Rolle in dem legendären Eighties-Action-Schlock Megaforce. Dem folgte 1983 Warrior of the Lost World, 1985 First Strike und 1988 schließlich She-Wolves of the Waste Land. Dass sie zur selben Zeit auch in einer winzigen Nebenrolle in My Beautiful Laundrette (1985) von Stephen Frears & Hanif Kureishi zu sehen war, halte ich für ein faszinierendes kleines Detail. Ebenso, was man in Kuldip Singhs für den Independent verfassten Nachruf auf die 1998 verstorbene Schauspielerin lesen kann: "In the United States, [Persis Khambatta]  used her film success to campaign hard for ethnic minority actors to play ethnic roles, which were being cornered by white men in dark make-up."

Doch genug über die Karriere von Persis Khambatta Was genau hat man denn nun von She-Wolves of the Wastland zu erwarten?

Nach einem alles verheerenden bakteriologischen und atomaren Weltkrieg ist nicht nur die Zivilisation wie wir sie kennen zusammengebrochen, sondern auch der männliche Teil der Bevölkerung vollständig ausgerottet worden. Über die ausschließlich von Frauen bewohnten Wüsteneien der neuen Barbarei herrscht die greise "Reverend Mother" (Sheila Howard), deren gentechnische Experimente offenbar zur Entstehung der zum Zeitpunkt der Handlung lebenden Generation geführt haben, und die mit Hilfe ihrer brutalen Handlangerin Cobalt (Persis Khambatta) alle beseitigen lässt, die sich ihrem Willen zu widersetzen wagen. Als die junge Keela (Peggy McIntaggart), eines der Objekte ihres Zuchtprogramms, mit einem männlichen Embryo schwanger wird und aus ihrem Labor entkommt, schickt die "Reverend Mother" ihr deshalb augenblicklich Cobalt und ihren Trupp schießwütiger Killerinnen hinterher. Nicht so sehr, weil sie etwas gegen die Geburt eines männlichen Kindes hätte, als vielmehr, weil sie ihr unnatürlich langes Leben dem Aussaugen der Lebenskraft anderer Menschen verdankt, und Männer sind offenbar besonders nahrhaft. Mehr noch – wie es aussieht, ist sie ohne das Kind dazu verurteilt, in absehbarer Zukunft zu sterben. Ziemlich ärgerlich also, dass es der werdenden Mutter mit Hilfe der umherwandernden Kriegerin Phoenix (Kathleen Kinmont) gelingt, ihren Scherginnen zu entkommen, wenn auch unter massiven Kollateralschäden {der Ausrottung einer kleinen Kolonie "freier Frauen" (?)}. Als sich einige Jahre später Phoenix, Keela und der kleine Junge auf ihrer Suche nach einem sicheren Zufluchtsort gezwungen sehen, erneut den Herrschaftsbereich der "Reverend Mother" zu betreten, ist der Ärger vorprogammiert ...

Wer sich jetzt denkt: Das klingt ja wie absoluter Nonsense, der hat natürlich vollkommen recht. Doch gerade dass der Plot so hanebüchen ist, trägt viel zum Spaß bei, den man mit diesem Flick haben kann.

Es ist sicher nicht ganz falsch, in der postapokalyptischen Mode der 80er Jahre zumindst auch eine Reaktion auf die gesellschaftlichen Entwicklungen der Zeit zu sehen. Nach den großen Massenkämpfen der 60er und 70er Jahre, in deren Verlauf die arbeitende Bevölkerung der USA noch einmal eine Reihe politischer, sozialer und wirtschaftlicher Zugeständnisse hatte erringen können, setzte Ende der 70er Jahre unter Jimmy Carter der Gegenangriff der herrschenden Elite ein. Die 80er erlebten deren uneingeschränkten Triumph während der Präsidentschaft von Ronald Reagan. Derweil der Zerfall der alten Kernindustrien der USA immer schneller voranschritt, was katastrophale Folgen für große Teile der Bevölkerung hatte, wurden an der Spitze der Gesellschaft und in der oberen Mittelklasse immer obszönere Bereicherungsorgien gefeiert. Wer nicht zur schmalen Schicht der Nutznießer dieser Entwiclung gehörte, hatte wenig Grund, hoffnungsvoll in die Zukunft zu schauen. Zugleich beschwor der von Reagan neu entfachte Kalte Krieg den Alptraum eines drohenden Atomkriegs herauf. Die Furcht vor dem nuklearen Holocaust war vermutlich nie so stark und weitverbreitet wie in diesem Jahrzehnt.

Auch wenn etwas von dem allgemeinen Gefühl dieser Zeit in ihnen mitschwingen mochte, versuchte die überwältigende Mehrheit der postapokalyptische Filme natürlich nicht, sich ernsthaft mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Sie waren als bloße Unterhaltungsfilme konzipiert, nicht als actionangereicherte Versionen von  Konstantin Lopuschanskis Pisma myortvogo cheloveka / Briefe eines Toten (1986). Doch immer dann, wenn sie den Eindruck etwas größerer Ernsthaftigkeit zu erwecken versuchten, endeten sie beinah ausnahmslos in einer wenig ansprechenden Mischung aus misanthropem Pessimismus und Vigilante-Verherrlichung. {Letzteres selbst aufs engste verbunden mit jenem ultraindivudalistischen Ethos, das in der Reagan-Ära zum höchsten Ideal der amerikanischen Gesellschaft erklärt worden war.}

So gesehen finde ich es äußerst begrüßenswert, wenn ein Flick wie She-Wolves of the Wasteland die Kulisse der postapokylptischen Ödlande dazu benutzt, uns ganz einfach sexy Ladies mit coolen Knarren zu präsentieren, die sich wilde Schießereien liefern, mit umgebauten Dune-Buggies durch die Wüste preschen, Wellblechhütten in die Luft jagen oder in einer ärmlichen Gladiatoernarena gegeneinander antreten. Die Absurdität des Plots erhöht noch den trashigen Charme des Spektakels und verhindert zugleich, dass man auf die verrückte Idee verfallen könnte, hinter dem Ganzen verberge sich irgendeine ernstgemeinte Idee über die Gesellschaft oder die menschliche Natur.         

Und noch aus einem anderen Grund, finde ich den Nonsense-Charakter von She-Wolves of the Wasteland sehr erfreulich. Wäre die Story etwas logischer und in sich schlüssiger aufgebaut gewesen, hätte die Gefahr bestanden, dass ein Szenario im Stile von "Männermordendes Matriarchat muss von einem Bündnis aus rebellierenden Frauen und unterdrückten Männern gestürzt werden, um die 'natürliche Ordnung der Dinge' wieder herzustellen" dabei herausgekommen wäre. Ein Szenario, das sich meines Wissens nach zumindest in einigen B-Movies der Zeit findet. Nicht so in Phoenix. Zwar bekommen wir ein-zweimal zu hören, dass offenbar "die Männer" für die Große Katstrophe verantwortlich gemacht werden, doch dieses Motiv wird nie weiter ausgeführt. Die "Reverend Mother" ist keine fanatische "Männerhasserin", vielmehrt kennt sie im Stile der allermeisten B-Movie - Bösewichter nur ein Ziel: Macht {und vielleicht noch Unsterblichkeit}. Wenn sie mit Hilfe ihres Zuchtprogramms dafür gesorgt hat, dass es keine Männer mehr gibt, so nicht weil sie etwas gegen diese hätte, sondern weil sie auf diese Weise ihre Kontrolle über die postapokalyptische Welt aufrechterhalten kann: Da biologische Fortpflanzung nicht mehr möglich ist, hängt das Überleben der Menschheit ganz von ihr und ihren Genlabors ab. {Hier unterstelle ich dem Film vermutlich bereits eine größere Logik als er besitzt, aber was soll's ...}
In diesem Zusammenhang finde ich es recht interessant, was Norbert Aichele in einem Artikel für den Zauberspiegel über den Streifen geschrieben hat:
Gleichwohl sollte man diese Mär von der Erde, auf der nur noch Frauen leben, vergessen (Ich mag den Film, aber das ist eine andere Sache). Plötzlich taucht doch noch ein Mann auf und schwängert eine Frau. Die Herrscherin dieser Endzeitwelt (Persis) will das Kind töten, um dessen Lebensenergie zu ziehen.      
Übergehen wir den Punkt, dass Persis Khambattas Cobalt nicht die die Herrscherin ist, und konzentrieren wir uns auf die Sache mit dem (letzten) Mann und dem Schwängern.
Von einem Flick wie She-Wolves of the Wasteland hätte man eine Story, wie Aichele sie beschreibt, erwarten können, weshalb es mich auch nicht wundert, dass seine Erinnerung ihm in diesem Punkt einen Streich gespielt hat. Dass es in Wirklichkeit nicht zu besagter Schwängerung kommt, finde ich um so bezeichnender.
In der Tat begegnen unsere Heldinnen irgendwann dem namenlosen "letzten Mann auf Erden". Sobald dies geschieht, befürchtet man natürlich augenblicklich, dass dieser den Part  des Haupthelden übernehmen werde und Phoenix sich von nun mit der Rolle der "Frau an seiner Seite" begnügen müsstte. Ebenso naheliegend ist die Vermutung, das die beiden zu einem Paar werden oder wenigstens Sex miteinander haben. Doch nichts von dem geschieht. Phoenix bleibt unangefochten die Heldin der Geschichte.
Schon etwas in die Jahre gekommen und mit Schnauzbart und schütterem Haupthaar sieht der "letzte Mann" (James Emery) nicht nur nicht aus wie ein Held, er ist auch keiner. Es braucht ziemlich lange, bis die Frauen ihn dazu überreden können, ihnen im Kampf gegen die "Reverend Mother" beizustehen, und auch dann erweist er sich als wenig hilfreich. Seine größte Heldentat besteht darin, ein Auto zu fahren. Seine Rolle in den Kämpfen und Feuergefechten ist bestenfalls marginal. Verglichen mit ihm ist selbst die kurz mal auftauchende Gladiatorin Neon (Laurie de Nuccio) eine größere Hilfe. Und was den Sex angeht, so ist Phoenix im ersten Moment zwar durchaus daran interessiert, es mal mit einem Mann zu versuchen, und greift dem von ihr k.o.-geschlagenen Kerl herzhaft zwischen die Beine, doch verliert sie schon bald jedes Interesse an ihm. Stattdessen kommt es zu einer Beziehung zwischen Keela und dem "letzten Mann", die erstaunlich zurückhaltend und sympathisch in Szene gesetzt ist.
Überhaupt ist der Film, anders als man es vielleicht erwarten würde, fast ganz frei von Sexploitation-Elementen. Einzige Ausnahme bildet eine relativ frühe Szene, die ganz augenscheinlich keinen anderen Zweck erfüllt, als uns im pseudoerotischen Soft-Porno-Stil ein paar nackte Frauen beim Baden/Duschen in einem Wasserfall zu zeigen. Irgendwie merkwürdig, dass es keine weiteren Szenen dieser Art gibt, hatten die Macher doch offenkundig nicht grundsätzlich etwas dagegen, ihr Publikum auf diese Weise zu unterhalten.

Nicht unerwähnt bleiben darf auch die Sequenz, in der unsere Heldinnen in die "Bad Lands" vorzustoßen versuchen, die zwischen der Domäne der "Reverend Mother" und dem rettenden Land an der Küste liegen. Hier nämlich geht der Streifen urplötzlich dazu über, auf parodistische Weise Planet of the Apes (1968) und Beneath the Planet of the Apes (1970) zu zitieren. Das gilt nicht nur für die zur Abschreckung an der Grenze drapierten gekreuzigten Leichen, sondern auch für die Musik, die mit einemmal experimentell und "spooky" zu wirken versucht – selbstverständlich ohne dabei auch nur im Entferntesten an die Qualität von Jerry Goldsmiths grandiosem Soundtrack heranzureichen. Die Mutanten, die alsbald auftauchen, beten statt einer Atombombe einen Fernsehapparat an und besingen in ihren Hymnen u.a. die Flintstones, die Jetsons und die Sesame Street. Als Parodie bewegt sich das zugegebenermaßen auf dem Niveau von The Ice Pirates (1984) oder Galaxina (1980), aber mir hat's trotzdem Spaß gemacht.

Was jedem, der sich in die atomar verseuchten Wüsteneien von Phoenix begeben will, allerdings von vornherein klar sein sollte, ist, dass der Flick ganz offensichtlich "für eine Handvoll Dollars" gemacht wurde. Als Drehorte konnte man sich nicht mehr leisten als ein aus ein paar windschiefen Hütten bestehendes Dorf, eine stillgelegte Fabrik und die Wüste. Auch darf man keine ausufernden Verfolgungsjagden und Materialschlachten à la Mad Max erwarten die meisten Explosionen erinnern eher an neckische Feuerwerkerei. Und von schauspielerischen Leistungen wollen wir lieber gar nicht erst reden.

Wenn ich erklären soll, warum She-Wolves of the Wasteland dennoch so ein Heidenspaß für mich gewesen ist, erscheint es mir am sinnvollsten, wieder auf Persis Khambatta zurückzukommen. Mein Eindruck ist, dass sie ein äuérst lockerer und humorvoller Mensch gewesen sein muss. Natürlich kann man es bedauern, dass sie nie wirklich die Chance erhielt, eine Karriere in den höheren Sphären von Hollywood zu machen, und sich stattdessen mit der Halbwelt des Grindhouse-Kinos begnügen musste. Sie selbst jedoch scheint mir dieser wenig glücklichen Wendung mit der Einstellung begegnet zu sein, nicht zu verzweifeln, sondern das Beste für sich dabei herauszuholen. Sie war Co-Produzentin von She-Wolves of the Wasteland, und hatte ganz offensichtlich einen Riesenspaß, die psychopathische Bösewichtin zu geben, die ihren Opfern hysterisch lachend die Ohren abschneidet, um sie ihrer stets wachsenden Sammlung beizufügen. Es ist eine Freude, mitzuerleben, wie gnadenlos überdreht sie ihre Rolle als Cobalt spielt. Keine Frage Ms. Khambatta war vollauf bewusst, in was für einem Schlock sie da mitwirkte, und sie genoss es in vollen Zügen. Wer mit einer vergleichbaren Einstellung an She-Wolves of the Wasteland heranzugehen vermag, den erwarten großartige fünfundachtzig Minuten.

Montag, 22. Juni 2015

Strandgut der Woche

Fyren

Dank Mike Davis und der Lovecraft eZine bin ich gestern auf einen feinen kleinen Horrorkurzfilm aus Schweden mit dem Titel Fyren ("Der Leuchtturm") gestoßen, der 2010 auf dem H.P. Lovecraft Film Festival in Portland mit dem Brown Jenkins Award ausgezeichnet wurde.
Der 1979 geborene Regisseur und Schauspieler Robert O. Olsson entdeckte Anfang der 2000er seine Liebe zum Werk des alten Gentlemans und hat seitdem eine kleine Reihe von Filmen mit lovecraftianischen Motiven gedreht. Zuerst den Kurzfilm 13: de mars 1941 (2004), der offenbar von The Statement of Randolph Carter inspiriert wurde, dann Kammaren (2007) "a longer short and like a mix of Lovecraft and a swedish Evil Dead"  –, und schließlich Fyren (2010).
Der Film besticht nicht nur durch eine dichte Atmosphäre und eine größtenteils sehr ansprechende Cinematographie, Olsson ist es außerdem gelungen, seinem Werk ein authentisch anmutendes lovecraftsches Flair zu verleihen. In den 20er oder 30er Jahren des 20. Jahrhunderts angesiedelt und in Schwarz-Weiß gedreht, besitzt der Film mit Philip (Jonas Nilsson) einen Protagonisten, der direkt einer der Erzählungen des Gentlemans von Providence entsprungen sein könnte. Ein studierter junger Mann aus besseren Kreisen, den es in ein eher hinterwäldlerisch anmutendes Milieu verschlägt, wo ihn seine unstillbare Neugier schließlich dazu treibt, ein fürchterliches Geheimnis zu lüften, das überraschenderweise in einer {allerdings nur leicht angedeuteten} Beziehung zur Geschichte seiner eigenen Familie steht.
Kritisch anzumerken hätte ich eigentlich nur dreierlei:
Musik und Soundtrack sind äußerst wirkungsvoll, doch hat es mich ein wenig irritiert, dass wir jedesmal, wenn Philip sich im Leuchtturm befindet, im Hintergrund ein Geräusch zu hören bekommen, das wie das Knarren von Mast und Takelage eines Segelschiffes klingt. Zuerst dachte ich mir, es handele sich dabei um eine, angesichts der Qualität des Films kaum vorstellbare Schludrigkeit. Dann kam mir die Idee, das Geräusch solle vielleicht ganz bewusst das Bild eines Schiffes heraufbeschwören und müsse im Zusammenhang mit der Geschichte und dem Schicksal des alten Leuchtturmwärters (Kjell Kvarnevik) gesehen werden. Die letztere Erklärung würde mir sehr gut gefallen, doch bin ich mir nicht sicher, ob dies in der Tat die Intention von Olsson und seinem Sound Editor Jimi Vix gewesen ist.
Dann wäre da die Szene von Philips Flucht aus dem Leuchtturm, in der der Film plötzlich in den "Shaky Cam" - Stil verfällt. Eine inzwischen vielleicht oft etwas vorschnell verdammte Technik, die richtig eingesetzt durchaus effektvoll sein kann, hier jedoch eher irritierend, weil ästhetisch fehlplatziert wirkt.
Und schließlich haben wir da noch die "Deep Ones". Olsson hätte lieber darauf verzichten sollen, uns die Kreaturen in voller Lebensgröße zu zeigen. Das ihm zur Verfügung stehende Budget erlaubte keine aufwendigen Masken oder Trickeffekte, und so erinnern die Gestalten eher an die zurückgekehrten Toten aus Herk Harveys Low-Budget-Klassiker Carnival of the Souls (1962) oder an irgendwelche B-Movie-Zombies, und weniger an Lovecrafts grausige Kreaturen aus der Tiefe des Meeres.
Doch all das sind bloß kleinere Kritikpunkte. Ingesamt gesehen hat mir Fyren sehr gut gefallen.        



Links: Robert P. Olssons IMDB-Seite und sein Youtube-Kanal.

Montag, 15. Juni 2015

Expeditionen ins Reich der Eighties-Barbaren (XIV): "Deathstalker"

Nach einer dreimonatigen Pause ist es wieder soweit. Wir futtern unsren Frühstücks-Stew, gürten unsere Schwerter, werfen uns die Bärenpelze über die Schultern, rücken die Hörnerhelme zurecht und brechen einmal mehr auf in die wüsten und wunderlichen Gefilde des Sword & Sorcery - Films der 80er Jahre.  Unser Weg wird uns dabei in das Argentinien des Jahres 1983 führen, wo wir der ersten Inkarnation von Roger Cormans Conan-Klon "Deathstalker" begegnen und zugleich dem Beginn von Lana Clarksons kurzer Fantasykarriere beiwohnen werden.

Wie ich in einer früheren Episode unserer barbarischen Expeditionen schon einmal kurz erwähnt habe, wandten sich 1982 die argentinischen Filmemacher und Produzenten Héctor Olivera und Alejandro Sessa an Corman und boten ihm an, gemeinsam Low Budget - Filme in ihrer Heimat zu drehen.
Auf den ersten Blick schien die Kooperation zwischen Oliveras Aries Cinematográfica Argentina und Cormans Concorde-New Horizons den Bedürfnissen beider Parteien auf perfekte Weise gerecht zu werden.
Unter den Verhältnissen von Hyperinflation und allgemeiner ökonomischer Stagnation, wie sie zu dieser Zeit in Argentinien herrschten, erwies es sich als immer schwieriger, die einheimische Filmproduktion am Laufen zu halten. Die 1956 von Olivera und Fernando Ayala gegründete Produktionsfiirma Aries war zwar ein ziemlich erfolgreiches Unternehmen, hatte aber nicht weniger stark als ihre kleineren Konkurrenten mit diesen Problemen zu ringen. Das Anlocken ausländischer Investitionen schien einen Ausweg aus dieser Misere zu eröffnen.
Wie erfolgreich diese Strategie letztlich wirklich gewesen ist, kann ich nicht beurteilen, doch drehte Héctor Olivera in den folgenden Jahren eine Reihe ziemlich interessanter Filme – u.a. No habrá más penas ni olvido / Funny Dirty Little War (1983) und La noche de los lápices / Night of the Pencils (1986) –, in denen er sich mit der Ära des Guerra Sucia ("Dirty War"), den Verbrechen der rechtsextremen Terrororganisation Alianza Anticomunista Argentina (AAA) und der Militärdiktatur von Jorge Rafael Videla auseinandersetzte. {1983 war das Jahr des Übergangs von der Juntaherrschaft zur parlamentarischen Demokratie}. Er selbst hat erklärt, dass die Finanzierung dieser Projekte nur über die Produktion kommerziell ausgerichteter Streifen möglich gewesen sei, zu denen ohne Zweifel auch die gemeinsam mit New Horizons gedrehten Flicks gehörten.
Ein weiterer möglicher Gewinn bestand in der Erfahrung, die die einheimische technische Crew während der gemeinsamen Arbeit mit den Amerikanern sammeln konnte. Wie es der argentinische Filmemacher und Kulturwissenschaftler Octavio Getino ausgedrückt hat:
U.S. co-productions are a business and I think that is fine. This helps us because it makes our film crews undergo some technical gymnastics (gimnasia técnica) in film production. Some money stayed in the country too, but fundamentally it was in the experience.
Roger Corman seinerseits sah sich zu Beginn der 80er Jahre gleichfalls vor recht massive Probleme gestellt. Die goldene Ära des Exploitation-Kinos in den USA war zu Ende. Low Budget - Filme, wie er sie produzierte, hatten auf dem amerikanischen Markt einen immer schwereren Stand. Hauptgrund hierfür war die Entstehung des Blockbuster - Formats. Der Genrefilm wurde mehr und mehr von großen Hollywood-Produktionen dominiert, deren kostspieligen Spektakeln ein Indie-Produzent wie Corman nichts entgegensetzen konnte. 1982 verkaufte er seine alte Firma New Worlds {zu sehr günstigen Konditionen**} und gründete ein Jahr später Concorde und New Horizons. Der alte Schlaufuchs hatte recht früh erkannt, welche Möglichkeiten der aufblühende Videomarkt bot, und konzentrierte sich in der Folge beinah ausschließlich auf diesen Sektor. Dennoch war der Druck, die Produktionskosten möglichst niedrig zu halten, noch einmal deutlich gestiegen. Filme in Ländern wie Mexiko, den Philippinen oder eben Argentinien zu drehen, schien da eine verlockende Option, waren die Gehälter für technisches Personal und Nebendarsteller dort doch deutlich geringer.
Aber auch wenn beide Seiten bis zu einem gewissenn Grad von dem Deal profitieren konnten, bedeutete das noch lange nicht, dass man sich auf Augenhöhe begegnet wäre. Wie Production- und Kostümdesignerin María Julia Bertotto später einmal erzählt hat:
It was a great experience to work on multiple films here during that time. The only problems we faced were a lack of experience and professionalism by the U.S. crew. Corman would send down these young arrogant men to work in special effects. They felt uncomfortable working in collaboration with the Argentine crew, despite the fact that many of us spoke English. They essentially gave orders and refused to hear our suggestions. It was as though they had preconceived notions of Argentina and thought we were 'Indians with feathers on our heads.'***
Bertotto war eine große Bewunderin von Roger Corman gewesen, in dem sie eine Art Auteur des Independent-Films gesehen hatte. Und auch wenn es ihr großes Vergnügen bereitete, an einigen der Fantasystreifen, die Aries & New Horizons zwischen 1983 und 1987 produzierten, mitzuwirken, war es insgesamt doch eine ernüchternde Erfahrung.
Der Fairness halber sollte man allerdings hinzufügen, dass der Corman, den sie kennenlernte, nicht mehr der Filmemacher und Produzent der 60er und frühen 70er Jahre war, den sie so verehrt hatte. Die Zeiten, als es es zu den Markenzeichen vieler Corman-Produktionen gehört hatte, Exploitation mit inhaltlich und ästhetisch ernsthafteren und originelleren Elementen zu verbinden, als unter seiner Ägide z.B. Stephanie Rothman Filme wie The Student Nurses oder The Velvet Vampire {den ich hier besprochen habe} hatte drehen können, waren längst vorbei.
Der große alte Schlockmeister wird gerne mit den Worten zitiert, ein Filmemacher müsse zu 40% Künstler und zu 60% Geschäftsmann sein.
I think one of the reasons movies are the quintessential modern art form is that it is partially a business. The director needs a crew – the writer, the producer, etcetera – and to have that, he needs money. In order to create art today, you have to compromise your art somewhat and be a businessman.
Anfang der 80er Jahre ging Corman in seiner Kompromissbereitschaft sehr viel weiter, als er es zehn Jahre zuvor getan hatte. Unter den Verhältnissen eines schrumpfenden Marktes für B-Movies der klassischen Sorte trat auch bei ihm das Profitmotiv immer deutlicher an die erste Stelle. Deathstalker ist dafür ein gutes Beispiel.



Was mich überrascht hat, ist, dass tatsächlich eine Art von Kontinuität zwischen diesem Flick und Deathstalker 3 (1988) besteht. Wer hätte das gedacht?! Nicht, was den Plot angeht, aber doch im Charakter unseres "Helden". Wer meine Besprechung des zweiten Sequels kennt, wird sich allerdings denken können, dass mich diese Entdeckung nicht eben glücklich gestimmt hat ...
Yep, der gute "Deathstalker" war von Anfang an ein eingebildetes Arschloch. In der Gestalt von Rick Hill fehlt ihm freilich noch jene spezifische, selbstgefällig grinsende Schleimigkeit, die ihn später einmmal auszeichnen würde. In Muskelmasse und schauspielerischer Tumbheit eher seinem Vorbild Arnie-Conan nachgebildet, ist Hills Original deshalb weniger enervierend, wenn auch nicht wirklich sympathischer, als John Allen Nelsons Interpretation des schwertschwingenden Glücksritters.

Doch schauen wir uns zuerst einmal die Story an, die aus der Feder unseres alten Freundes Howard R. Cohen stammte:

Alltag in Filmfantasyland. Wie in so vielen Provinzen hat auch in der von Deathstalker bewohnten ein böser Zauberer die Macht an sich gerissen. Der alte König hat zusammen mit seinen letzten Getreuen eine Art "Hof im Exil" auf einer Waldlichtung eingerichtet, wo er Freund Deathstalker anfleht, seine gerade entführte Tochter Codille (Barbi Benton) aus den Klauen des fiesen Munkar (Bernard Erhard) zu befreien und den Hexer nach Möglichkeit nebenbei gleich ins Jenseits zu befördern. Doch Deathstalker ist keiner von diesen altmodischen Helden, die sich für Ruhm und Ehre in Gefahr begeben. Er kämpft und tötet, um zu überleben – oder weil's ihm Spaß macht, der Film scheint sich da nicht so sicher zu sein. Auch die alte Hexe Toralva (Verónica Llinás) – offenbar eine gute Bekannte unseres "Helden" mit einer irritierenden Vorliebe für kryptische Reden – tut sich anfangs etwas schwer damit, Deathstalker dazu zu überreden, das Land von Munkars Tyrannei zu befreien. Allerdings hat sie einige etwas überzeugendere Argumente als der greise Exkönig. Sie versucht gar nicht erst, an seine "Ehre" zu appellieren, sondern stellt ihm absolute Macht in Aussicht, wenn er die "drei Mächte der Schöpfung" – ein Schwert, ein Amulett und einen Kelch – wiedervereinigt. Die magische Klinge liegt in einer nahegelegenen Höhle, die anderen beiden Artefakte befinden sich unglücklicherweise in Munkars Händen. Absolute Macht? Das scheint schon eher nach dem Geschmack unseres passionierten Totschlägers zu sein. Er bemächtigt sich des Schwertes – wobei er nebenbei den in einen Kobold verwandelten Abenteurer Salmaron  (Augusto Laretta) von seinem Fluch befreit und als Sidekick gewinnt – und macht sich auf zu Munkars Burg. Unterwegs sammelt er außerdem noch den jungen Krieger Oghris (Richard Brooker) und die extrem leicht bekleidete Amazone Kaira (Lana Clarkson) ein. Munkar derweil hat ein großes Turnier organisiert, auf dem die besten Kämpfer des Landes um das Privileg kämpfen sollen, sein Nachfolger zu werden. {In Wahrheit bloß ein perfider Plan für die elegante Ausrottung aller möglichen Herausforderer des üblen Zauberers}. Für Deathstalker und Kumpanei die ideale Gelegenheit, in die Festung des Fieslings vorzustoßen.

Der Plot ist mehr als löchrig und löst sich im letzten Drittel zunehmend in Wohlgefallen auf, aber natürlich schaut man sich einen S&S-Flick der 80er Jahre auch nicht wegen des Plots an. Leider jedoch hat Deathstalker auch sonst nicht eben viel zu bieten.

Ja, die Szene, in der unser "Held" in Salmarons Höhle kriecht, dem armen Kerl in Koboldsgestalt begegnet, sich mit einem putzigen Troll herumprügelt und sich schließlich auf unerklärliche Weise für kurze Zeit in ein Kind verwandelt {notwendige Voraussetzung für das Brechen des Fluches}, ist recht neckisch. Und Munkars monströses Schoßtier, das in einer Truhe haust und mit Augäpfeln und abgeschnittenen Fingern gefüttert werden muss, stiehlt seinem Meister, der für einen bösen Schwarzmagier leider ziemlich blass bleibt, regelmäßig die Show. Doch ansonsten? Okay, wenn ein schweinsgesichtiger Oger während der großen Party in Munkars Burg für einen Moment nachdenklich einen gebratenen Schweinekopf betrachtet, um anschließend herzhaft hineinzubeißen, musste ich kurz kichern. Und die nonchalante Selbstverständlichkeit, mit der unser "Held" jeden, der ihm in die Quere kommt, massakriert und bei jeder sich bietenden Gelegenheit, Köpfe rollen lässt, ist auf ihre Art auch recht amüsant. Einige der Kampfszenen machen durchaus Spaß {das fürchterlich unecht wirkende "Kling-Klang" der Schwerter ist großartig!}, und hie und da zeigen Regisseur James Sbardellati {der auch schon an Don Coscarellis Beastmaster mitgearbeitet hatte} und Kameramann Leonardo Rodríguez Solís Funken echter Inspiration mit interessanten Einstellungen und Kamerafahrten. Doch darüberhinaus hat der Streifen eigentlich nur noch eins zu bieten: Nackte Brüste. Verdammt viele nackte Brüste ...

Deathstalker ist ein von Roger Corman produzierter Low Budget - Flick. Dass die Handlung alle zehn Minuten unterbrochen wird, um uns ein paar halbnackte Frauen zu zeigen, kommt da nicht eben unerwartet. Ebensowenig, dass zu den Unterhaltungen auf erwähnter Party eine kleine "Mud Wrestling" - Einlage gehört. Und auch, dass sich im Vergleich zu Kairas Leder-BH selbst Red Sonjas berühmter Chainmail-Bikini wie eine Vollkörperrüstung ausnehmen würde, hat mich nicht wirklich überrascht. Wer mit derlei Sexploitation-Kram Probleme hat, sollte sich von einem Gutteil des Sword & Sorcery - Films der 80er Jahre besser fernhalten.    
Was mich denn aber doch etwas erstaunt und unangenehm berührt hat, ist die massive Präsenz von sexueller Gewalt in Deathstalker. Der Film beginnt damit, dass eine Horde mutierter Waldschrate {keine Ahnung, was die Kerle wirklich seien sollen} einen Typen überfällt, der offenbar ein junges Mädchen geraubt hat und gerade dabei ist, sie zu vergewaltigen. Kaum ist der Kampf entbrannt, da schnappt sich einer der hässlichen Gesellen die Entführte und schleppt sie fort, ganz offensichtlich mit der Intention, sich seinerseits an ihr zu vergreifen. Schließlich taucht Freund Deathstalker auf und metzelt beide Parteien ab, nur um sich anschließend gleichfalls über die junge Frau herzumachen.
Diese höchst unappetitliche Sequenz setzt den Ton für die ersten sechzig Minuten des Films. Immer wieder müssen wir Frauen als hilflose Opfer männlicher Gewalt erleben. Auch wenn der Streifen keine einzige Darstellung einer vollzogenen Vergewaltigung enthält {anders als etwa Sorceress}, ist die angedrohte oder angedeutete Vergewaltigung doch schier omnipräsent. Munkar hat die öffentliche Vergewaltigung von Codille durch den schweinsköpfigen Oger sogar als Hauptattraktion für seine Party vorgesehen! Im Grunde wird dies einzig durch Kairas Eingreifen verhindert. Der olle Deathstalker hätte einfach zugeschaut!
Apropos Kaira: Wie der Film mit der Figur der Kriegerin umspringt, ist ähnlich problematisch. Sie wird als die archetypische stolze Amazone eingeführt, die sich niemals einem Mann unterordnen würde. Doch schon in der ersten Nacht macht sich Deathstalker über sie her und selbstverständlich gibt sie sich ihm ohne zu zögern hin. Natürlich wäre es falsch, Sex und Unterwerfung automatisch miteinander gleichzusetzen, aber die Szene ist ganz klar darauf angelegt, zu zeigen, dass keine noch so starke und selbstbewusste Frau der "rauen, unverfälschten Männlichkeit" unseres Helden widerstehen kann. Deathstalker "nimmt" sich Frauen, und diese wollen ohne Ausnahme "genommen" werden. Tags darauf gilt sein Interesse dann übrigens ausschließlich der Prinzessin. Wie gesagt: Deathstalker ist ein Arschloch ...
Es hilft auch nicht gerade, dass der Streifen zugleich immer mal wieder mit pubertären Witzeleien aufwartet. Nicht dass er je den Schmierigkeitsgrad von Sorceress erreichen würde, aber kombiniert mit der allgegenwärtigen sexuellen Gewalt hinterlässt der "Humor" einen nicht bloß peinlichen, sondern wirklich unangenehmen Eindruck. Seinen Höhepunkt erreicht das Ganze, wenn Munkar einem seiner Gefolgsleute das Aussehen der Prinzessin verleiht, damit er/sie mit Deathstalker herumflirten und ihn in einem geeigneten Moment ermorden kann. Der Anschlag misslingt natürlich und vor meinem inneren Auge erschien bereits die Szene, in der der unglückliche Attentäter in weiblichem Körper von unserem "Helden" vergewaltigt wird. Ganz so weit kommt es dann allerdings doch nicht, denn offensichtlich hält der Verwandlungszauber nicht besonders lange an, vor allem nicht "unter der Gürtellinie" ... Ich überlasse es meinen Lesern & Leserinnen, sich diese Szene auszumalen ...

Was soll ich sagen? Ich kann niemandem guten Gewissens empfehlen, sich diesen Flick einmal anzuschauen. Die paar unterhaltsam trashigen Momente, die er enthält, können weder den über weite Strecken unangenehmen Vibe, noch die schiere Ödnis der Story aufwiegen. Einen Gedanken, der mir während der anderthalb Stunden, die ich mit Deathstalker verbracht habe, gekommen ist, möchte ich zum Abschluss aber doch noch zum Besten geben:

Der "Held" dieses Films ist zutiefst unsympathisch, aber wenn man es recht bedenkt, finden wir vieles von dem, was ihn zu einem wenig ansprechenden Charakter macht, auch in Robert E. Howards Conan. Der olle Cimmerier war ebenfalls kein "Ritter ohne Furcht und Tadel", sondern handelte meist aus selbstsüchtigen Motiven. Auch kannte er gleichfalls keinerlei Skrupel, wenn es darum ging, Menschen zu massakrieren. Und wenn es um Frauen ging, legte auch "Two Gun" Bobs barbarischer Held sehr häufig eine – vorsichtig ausgedrückt  – "sexuelle Aggressivität" an den Tag. Es lässt sich nicht leugnen, dass Deathstalker in mancherlei Hinsicht dem Archetyp des Sword & Sorcery - Helden ziemlich gut entspricht, was diesen Archetyp nicht besonders gut aussehen lässt. Kurz gesagt: In ihm finden die problematischsten Charaktereigenschaften dieses Heldentypus eine gerade aufgrund ihrer groben Zeichnung recht anschauliche Verkörperung.
Natürlich war schon Howards Conan mehr als nur das gewesen, und die Sword & Sorcery als literarisches Genre hatte sich in dem halben Jahrhundert, das zwischen der Veröffentlichung der ersten Conan-Story The Phoenix on the Sword und der Produktion von Deathstalker verstrichen war, ja auch weiterentwickelt. Dennoch könnte einen Roger Cormans trashiger Barbarenflick dazu anregen, einmal wieder einen etwas kritischeren Blick auf einige der Grundbestandteile des Genres zu werfen. So könnte er dann doch noch eine nützliche Funktion erfüllen. 



* Zit. nach: Tamara L. Falicov: U.S.-Argentine Co-productions, 1982-1990: Roger Corman, Aries Productions, "Schlockbuster" Movies, and the International Market
** "I had no particular reason to sell, other than that in 1982 a group of Hollywood lawyers who had decided that they wanted to have a film company approached me, and offered to buy the company. I said to them, 'I have no reason to sell this company, but on the other hand any company is for sale.' And they offered me more money than I thought the company was worth, so I sold it". (Interview mit M.J. Simpson)
*** Zit. nach:  Tamara L. Falicov: U.S.-Argentine Co-productions, 1982-1990:

Strandgut der Woche

Sonntag, 7. Juni 2015

"Come with me, abandon sanity!"

Meine Lieblingsfilme von Stuart Gordon sind ganz ohne Frage Re-Animator (1985) und The Black Cat (2007). Die beiden  repräsentieren für mich zugleich die zwei Pole von Gordons filmerischem Schaffen. Auf der einen Seite das großartig groteske, völlig überzogene und einmalig unterhaltsame Gore-Fest, auf der anderen die erstaunlich zurückhaltend inszenierte, feinfühlige und humane Verschmelzung von Edgar Allan Poes Kurzgeschichte mit Elementen aus dem realen Leben des großen Meisters des Makabren. {Dass der wunderbare Jeffrey Combs in beiden die Hauptrolle spielt, ist ein zusätzlicher Bonus.}

Die meisten anderen Werke Gordons, die ich kenne {und es ist mir immer noch nicht gelungenen, endlich einmal From Beyond [1986] anzuschauen}, scheinen mir irgendwo zwischen diesen beiden Extremen angesiedelt zu sein. Und das bedeutet leider auch, dass keines von ihnen die Qualität der vorgenannten Filme erreicht. Sie verfügen weder über die fröhliche Hemmungslosigkeit von Re-Animator, noch über die Sensibilität und Ernsthaftigkeit von The Black Cat. Sie sind weder Fleisch noch Fisch. Was nicht heißen soll, dass sie wirklich schlechte Filme wären. Ich habe mich von ihnen allen mehr oder minder gut unterhalten gefühlt. Aber auch wenn ich z.B. allen Horror- und Lovecraft-Fans durchaus empfehlen würde, sich bei Gelegenheit einmal Dagon (2001) anzuschauen, funktioniert der Streifen für mich doch weder als überdrehte Horrorgroteske à la Re-Animator, noch kann er als eine wirklich ernstzunehmende Adaption von Shadow over Innsmouth gelten. Er liegt vielmehr irgendwo dazwischen, und das ist ein Problem.

Vor kurzem nun hatte ich zum ersten Mal die Gelegenheit, Stuart Gordons Verfilmung von Lovecrafts The Dreams in the Witch House zu sehen. Der gut fünfzigminütige Streifen war sein Beitrag zur ersten Staffel von Mick Garris' TV-Anthologie Masters of Horror (2005), zu der neben ihm u.a. Don Coscarelli, Tobe Hooper, Dario Argento, Joe Dante, John Carpenter und Larry Cohen Episoden beisteuerten.



Den Auftakt zu der Serie bildet Coscarellis äußerst beeindruckender und verstörender Streifen Incident On and Off a Mountain Road. Im Anschluss daran muss Gordons als zweite Episode ausgestrahlte Lovecraft-Adaption beinah automatisch etwas harmlos und uninteressant wirken. Dennoch besitzt sie ohne Zweifel ihren bescheidenen Charme.

Es war vermutlich eine weise Entscheidung, gar nicht erst zu versuchen, die unirdischen Dimensionen visuell darzustellen, in die es den Mathematikstudenten Walter Gilman in Lovecrafts Geschichte verschlägt.   
Gilman’s dreams consisted largely in plunges through limitless abysses of inexplicably coloured twilight and bafflingly disordered sound; abysses whose material and gravitational properties, and whose relation to his own entity, he could not even begin to explain. He did not walk or climb, fly or swim, crawl or wriggle; yet always experienced a mode of motion partly voluntary and partly involuntary. [...]
The abysses were by no means vacant, being crowded with indescribably angled masses of alien-hued substance, some of which appeared to be organic while others seemed inorganic. A few of the organic objects tended to awake vague memories in the back of his mind, though he could form no conscious idea of what they mockingly resembled or suggested. [...]
All the objects
organic and inorganic alike – were totally beyond description or even comprehension. Gilman sometimes compared the inorganic masses to prisms, labyrinths, clusters of cubes and planes, and Cyclopean buildings; and the organic things struck him variously as groups of bubbles, octopi, centipedes, living Hindoo idols, and intricate Arabesques roused into a kind of ophidian animation. [...] The shrieking, roaring confusion of sound which permeated the abysses was past all analysis as to pitch, timbre, or rhythm; but seemed to be synchronous with vague visual changes in all the indefinite objects, organic and inorganic alike. 
Die Visualisierung einer solchen Welt jenseits aller menschlichen Erfahrung wäre, wenn überhaupt, dann nur in einem filmischen Stil möglich gewesen, der weniger stark dem "Naturalismus" verhaftet ist als Stuart Gordons. Lovecrafts Wortmagie hätte durch eine entsprechende Bild- und Tonmagie ersetzt werden müssen, die stärker darauf ausgerichtet gewesen wäre, eine bestimmte Atmosphäre heraufzubeschwören, und weniger, eine konkrete Wirklichkeit wiederzugeben
Es hat mich darum weder sonderlich überrascht noch enttäuscht, dass wir Gilmans nächtliche Reisen in die bizarren Gefilde jenseits der dreidimensionalen Welt nicht zu sehen bekommen. Allerdings büßt die Story dadurch einen Gutteil ihres spezifisch lovecraftianischen Flairs ein. Der alte Gentleman benutzte Elemente der neuenglischen Hexenfolklore (der Schwarze Mann, der Teufelspakt, die Walpurgisnacht etc.) als bloße Ausgangspunkte, um eine seiner Geschichten des "kosmischen" Grauens, der Konfrontation des Menschen mit einem in seiner Fremdartigkeit und Unmenschlichkeit Wahnsinn hervorrufenden Universums, zu erzählen. Davon hat sich in Gordons Adaption wenig erhalten. Zwar spielt auch bei ihm das Motiv einer inneren Verwandtschaft zwischen moderner Physik, höherer Mathematik und nichteuklidischer Geometrie einerseits und uralter Hexenkunst andererseits eine Rolle, doch Gilman wird zu keinem Zeitpunkt mit einer Wirklichkeit konfrontiert, die sich auf fundamentale Weise von der Welt menschlicher Erfahrungen unterscheidet. Zugleich wurden sämtliche Bezüge zu den Göttern des Cthulhu-Mythos (Nyarlathotep, Azathoth) gestrichen, und vielleicht nicht zufällig ist die kurze Szene, in der Gilman im Necronomicon herumblättert, eine der wenigen Momente, in denen der Films ins Farcenhafte abdriftet. In gewisser Weise kommt es damit zu einer Umkehrung des lovecraftschen Ansatzes. Gordon seinerseits benutzt die Story des alten Gentleman als bloßen Ausgangspunkt, um eine eher konventionelle Geschichte von Hexerei und Teufelskult zu erzählen.
Als solche funktioniert der Streifen freilich ganz gut. Und die sich nur zaghaft entwickelnde und dann blutig zerstörte Beziehung zwischen Gilman und seiner Zimmernachbarin Francis verleiht ihm außerdem eine angenehm menschliche Note, vor allem da Ezra Godden und Chelah Horsdal den beiden eine sympathische Unsicherheit und Ungeschicklichkeit im Umgang miteinander verleihen. Sie wirken wie zwei Menschen, denen es schwerfällt, soziale Kontakte zu knüpfen, und die sich gerade deshalb zueinander hingezogen fühlen.
Leider ist Brown Jenkin – der monströse Vertraute der alten Hexe Keziah – nicht so gruselig, wie er es sein sollte. Doch in Anbetracht des garantiert nicht eben üppigen Budgets haben Gordon und Makeup - Künstler Howard Berger vermutlich das Beste geleistet, was man in dieser Hinsicht erwarten darf.

Viel mehr will mir zu dem Filmchen eigentlich nicht einfallen. Ordentlich gemacht, aber nicht sonderlich inspiriert oder originell, bietet Stuart Gordons Dreams in the Witch House eine Dreiviertelstunde angenehmer Horrorunterhaltung, von der einem jedoch vermutlich nichts länger in der Erinnerung haften bleiben wird. 

Eine letzte kleine Anmerkung: Ich bin mir nicht ganz sicher, was ich über die Einfügung eines erotischen Elements in Gilmans Träume von Keziah denken soll. Mein Grund dafür ist weniger, dass in Lovecrafts Werken Erotik so gut wie keine Rolle spielt. Vielmehr habe ich das Gefühl, dass die Verknüpfung der Hexenfigur mit Sinnlichkeit/Sex/Verführung allmählich etwas arg überstrapaziert ist.
Freilich hat die H.P. Lovecraft Historical Society in ihrer 2013 veröffentlichten Rockoper Dreams in the Witch House offenbar ganz denselben Weg beschritten, wie sich unschwer aus folgendem Video erkennen lässt, dem ich den Titel für diesen Post entnommen habe und mit dem ich ihn nun auch beschließen will:



Strandgut der Woche