"Außerdem studierte er abstruse Bücher, die aus chaldäischen Bibliotheken
gestohlen worden waren, wenn Fafhrd auch aus langer Erfahrung wusste,
dass der Mausling selten über das Vorwort hinauskaum (obwohl er oft die
letzten Kapitel aufrollte und neugierig hineinschaute und beißende Kritik
äußerte)."

Fritz Leiber, Das Spiel des Adepten


Samstag, 27. Oktober 2018

Strandgut der Woche

Donnerstag, 25. Oktober 2018

Let Me Tell You Of The Days Of High Adventure (2)

Robert E. Howards "Sword Women" Red Sonya & Dark Agnes


Muss ich denn alle Männer in Frankreich töten,
um ihnen Respekt beizubringen?
Agnes de Chastillon in Blades for France

1984 erschien bei DAW Books die erste Sword & Sorceress - Anthologie, Beginn einer langlebigen und ziemlich erfolgreichen Reihe, die nach dem Willen von Herausgeberin Marion Zimmer Bradley dem Mangel an starken Frauenfiguren in der Sword & Sorcery entgegenwirken sollte.
In ihrem einführenden Essay The Heroic Image of Women: Woman as Wizard and Warrior ging sie u.a. auch kurz auf die bekanntesten bisher vorhandenen Heldinnen des Subgenres ein. Neben Catherine L. Moores Jirel of Joiry erschien ihr dabei vor allem eine erwähnenswert: 
Mitunter fanden sich weibliche Charaktere, die durchaus selbstständig wirkten. Robert E. Howard, der Schöpfer von "Conan der Barbar", schuf auch die Rote Sonya, jene Heldin, die mitansehen musste, wie ihre Mutter vergewaltigt und ermordet wurde; und die sich fortan einem Mann nur dann hingab, wenn er sie mit dem Schwert bezwingen konnte. (1)
Der Witz ist, dass Zimmer Bradley hier nicht die Hintergrundsgeschichte von Howards Red Sonya beschreibt, sondern die der Comics-Heldin Red Sonja. Und selbst dabei unterläuft ihr ein Fehler, denn wie wir in The Day of the Sword {erstmals veröffentlicht in Nr. 3 von Kull and the Barbarians [September 1975]} erfahren, war es nicht Sonjas Mutter, sondern sie selbst, die von einem Söldner vergewaltigt wurde. (2)

Sicher ein etwas peinlicher Faux-pas, aber auch ein deutlicher Beleg dafür, wie stark die wirkliche Red Sonya im allgemeinen Bewusstsein durch die Gestalt von Marvels "She-Devil With A Sword" verdrängt wurde, obwohl die beiden so gut wie nichts miteinander zu tun haben. 

Allerdings dürfte Red Sonja selbst, fünfundvierzig Jahre nach ihrem ersten Auftritt, für viele hinter ihrem eigenen Klischee verschwunden sein. Denn selbst wer nie einen der alten Marvel- oder der neuen Dynamite-Comics in der Hand gehabt hat, wird doch sofort wissen, wovon die Rede ist, wenn der Begriff "Chainmail Bikini" fällt. Und es ist ja auch gut nachvollziehbar, warum Sonjas spärliche Kostümierung, die mit ihrem dritten Auftritt in Band 1 von The Savage Sword of Conan (August 1974) zum festen Bestandteil der Figur wurde, gerne als Paradebeispiel für die sexualisierte Darstellung von Frauen in der Fantasykunst verwendet wird. (3) Dennoch fände ich es etwas unfair, sie auf diesen Aspekt zu reduzieren. Eine kürzliche Lektüre der fünfzehn zwischen 1977 und 1979 erschienenen Comics hat mir jedenfalls ziemlich viel Spaß gemacht.
Die Plots sind zugegebenermaßen völlig hanebüchen, und nicht wenige Handlungsstränge verlieren sich nach ein-zwei Heften im erzählerischen Nirvana. Alles in allem wirken die Comics eher wie eine Aneinandereihung nur lose miteinander verknüpfter Szenen. Aber dafür erfreuen sie mit zum Teil wunderhübsch bizarren Settings wie dem Singing Tower in Nr. 6 oder dem Baum-Palast der Zauberin Apah Alah in Nr. 10 & 11. Wie es unsere Heldin an diese Örtlichkeiten verschlägt, macht zwar selten Sinn, aber wen interessiert das schon, wenn dort ein Pandämonium grotesker Kreaturen und ordentlich viel Monsteraction auf sie warten? Garniert wird das Ganze mit einem grandios pompösen Sprachstil. Und Red Sonja selbst ist einfach eine ziemlich coole Figur.
Der größte Schwachpunkt ist, dass die Macher es sich nicht verkneifen konnten, in der zweiten Hälfte der Serie mit dem Magier-Muskelmann-Thronprätendenten Summaro eine Art "Love Interest" für die Kriegerin einzuführen. Eine höchst unglückliche Entscheidung, selbst wenn der Kerl weniger unsympathisch gewesen wäre, als er es ist. Der beste Beleg hierfür sind die letzten beiden Hefte. Nachdem die Serie den lästigen Burschen endlich losgeworden ist und Red Sonja zu ihrem alten Ich als umherwandernde Söldnerin und Glücksritterin zurückgefunden hat, bekommen wir nämlich noch einmal zwei großartig durchgeknallte Abenteuer mit menschenfressenden Monsteraustern, vampirischen Königen, einem Bösewicht in Mohnblumenmaske und reihenweise hinterhältigem Mannsvolk serviert, das auf Red Sonjas Klinge verröcheln darf. Es ist ein Jammer, dass die Serie gerade dann eingestellt wurde, als sie dabei war, wieder an Fahrt aufzunehmen.
Als Red Sonja vier Jahre später zurückkehrte, hatte sie ihren Chainmail Bikini gegen eine blaue Tunika eingetauscht. Ein begrüßenswerter Kleiderwechsel, ließe sich argumentieren, doch leider verschwand mit der absurden Kostümierung auch ein Gutteil des durchgeknallten Pulp-Spaßes. Die nur aus zwei Heften bestehende zweite Red Sonja - Reihe besitzt durchaus ihren Charme, und als Geschichte ist sie sicher sehr viel besser durchstrukturiert {über weite Strecken allerdings auch viel schlampiger gezeichnet}, aber ich zumindest habe den schlichten Irrsinn der ursprünglichen Serie schmerzlich vermisst.

Wie man sieht, hat mich die Recherche für diesen Blogpost wieder einmal auf wilde Abwege geführt. Versuchen wir also, zum eigentlichen Thema zurückzukehren.
Als Red Sonja in Nr. 23 von Conan the Barbarian eingeführt wurde, ging es den Marvel-Machern im Grunde bloß darum, dem Cimmerier eine ebenbürtige weibliche Figur an die Seite {oder nicht selten auch entgegen} zu stellen. Wenn man dabei irgendwie an Robert E. Howard anknüpfen konnte, um so besser. Und gab es da nicht tatsächlich diese rothaarige Teufelin Sonya von Rogatino?
Autor Roy Thomas, der für die Conan-Comics verantwortlich war, schreibt in seiner Einführung zu Marvel Feature: Red Sonja #1: 
In 1972 or thereabouts, a splendid little out-of-print volume titled The Conan Swordbook was published by Mirage Press, featuring articles on Conan and related subjects which had originally appeared in Amra, an award-winning fanzine from George Schithers [...] The Swordbook spotlighted an article called "Conan on Crusade", written by a fan named Allan Howard (presumably no relation to REH) and dealing with the Conan-like-heroes of several swashbuckling, sorcery-less tales by the master. One of these was "The Shadow of the Vulture." Allan Howard opined as how Red Sonya of Rogatine "would have made a fit companion for Conan." He went even further, to suggest that "in fact, she might have been a bit too much for him."
Later that year, while then Conan-artist Barry Smith and I were working out the details of the seven-issue epic which has since been called "The Hyrkanian War" or "The War of the Tarim," I suggested to Barry that we adapt "Shadow" into the proceedings [...] Barry enthusiastically concurred, and Red Sonja (the "j" looked more exotic to me; still does) became a part of the Conan comics canon forever after
Ende 1932 geschrieben erschien The Shadow of the Vulture erstmals im Januar 1934 in The Magic Carpet, dem Nachfolger von Oriental Stories. Es handelt sich um eine von Robert E. Howards historischen Abenteuergeschichten, mit denen wir uns im letzten Beitrag ja bereits kurz beschäftigt hatten. Angesiedelt ist sie allerdings nicht in der Ära der Kreuzzüge, sondern während der Belagerung von Wien durch die Osmanen im Jahr 1529. 
Wie vielleicht nicht anders zu erwarten, wird der Türkenkrieg als ein Ringen zwischen Europa und Asien, die furchtbare Endschlacht um Wien als ein "Armageddon of races" beschrieben. Doch Howard stellt dabei die im Westen damals wohl allgemein übliche Sichtweise insofern auf den Kopf, als bei ihm nicht der Islam, sondern das Abendland die Barbaren repräsentiert:
[T]hat stubborn Frankistan which had for centuries sporadically poured forth hordes chanting and pillaging into the East, whose illogical and wayward peoples had again and again seemed ripe for Moslem conquest, yet who had always emerged, if not victorious, at least unconquered.
Wie in vielen seiner Geschichten steht im Hintergrund auch hier das Motiv des Ringens zwischen einer dekadent und hochmütig gewordenenen Zivilisation und den ungezügelten Barbaren, die sie schließlich zu Fall bringen werden. Dabei gehört Howards Sympathie stets der barbarischen Seite. Doch auf diese fragwürdige Geschichtsphilosophie wollen wir jetzt nicht weiter eingehen. Für die eigentliche Handlung ist sie sowieso ohne Belang.
Der Protagonist der Geschichte ist der deutsche Ritter Gottfried von Kalmbach. Zwar keine ganz so grimmige Gestalt wie Cormac FitzGeoffrey, ist doch auch er alles andere als ein strahlender Recke. Howard selbst hat ihn in einem Brief an Lovecraft einmal so beschrieben:
A more dissolute vagabond than Gottfried never weaved his drunken way across the pages of a popular magazine: wastrel, drunkard, gambler, whore-monger, renegade, mercenary, plunderer, thief, rogue, rascal I never created a character whose creation I enjoyed more. (4)
Einst Mitglied des Johanniterordens, der auch beim Kampf um Rhodos 1522 dabei war, wurde Gottfried aufgrund seiner übergroßen Vorliebe für Wein, Weib und Gesang später aus dessen Reihen verbannt. In der Schlacht bei Mohács 1526 zeichnete er sich erneut durch seinen Heroismus aus. Doch als er zusammen mit den übrigen Mitgliedern einer österreichischen Gesandtschaft am Hof von Sultan Süleyman dem Prächtigen eine denkbar erniedrigende Behandlung erfährt, hat er endgültig die Nase voll davon, sein Leben für irgendwelche Herzöge und Könige aufs Spiel zu setzen. Schließlich hat jeder der Gesandten zweihundert Dukaten als "Abschiedsgeschenk" des Sultans erhalten: "[M]ay the devil bite me if I draw sword for any man while I have a penny left. I'm for the nearest Christian tavern, and you and the Archduke may go to the devil." Unglücklicherweise hat Süleyman noch eine Rechnung mit Gottfried offen. Der Ritter hat ihm bei Mohács eine Wunde beigebracht, und der Sultan ist nicht geneigt, eine derartige Beleidigung zu vergessen. Also schickt er Mikhal Oglu, seinen führenden Profischlächter, aus, damit er ihm den Kopf des Ritters bringt. Als die Osmanen und mit ihnen auch Oglu und seine wilde Hordein Österreich einfallen, hat der gute Gottfried seine zweihundert Dukaten bereits versoffen {er neigt dazu, gleich ganze Dörfer zum fröhlichen Umtrunk einzuladen}. Angesichts der brandschatzenden türkischen Truppen bleibt ihm nicht viel anderes übrig, als nach Wien zu fliehen. Dort angekommen reiht er sich allerdings nicht sofort in die Phalanx der Verteidiger ein, sondern organisiert sich erst einmal wieder ausreichend Alkohol, um sich erst in düstere Melancholie, dann in wilde Wut zu saufen.

Auf den Mauern der belagerten Stadt begegnet er schließlich zum ersten Mal Red Sonya, die gerade dabei ist, eine Kanone abzufeuern.
It was a woman, dressed as von Kalmbach had not seen even the dandies of France dressed. She was tall, splendidly shaped, but lithe. From under a steel cap escaped rebellious tresses that rippled red gold in the sun over her compact shoulders. High boots of Cordovan leather came to her mid-thighs, which were cased in baggy breeches. She wore a shirt of fine Turkish mesh-mail tucked into her breeches. Her supple waist was confined by a flowing sash of green silk, into which were thrust a brace of pistols and a dagger, and from which depended a long Hungarian saber. Over all was carelessly thrown a scarlet cloak.
In einem ersten Handgemenge mit angreifenden Janitscharen rettet Sonya ihm wenig später das Leben. Auf seine Dankesbezeugungen reagiert sie mit rüdem Spott. Einer der dabeistehenden Landsknechte kommentiert: 
Eh, she's a devil, that one! She drinks the strongest head under the table and outswears a Spaniard. She's no man's light o' love. Cut-slash-death to you, dog-soul! There's her way.  
Wir erfahren kaum etwas über Sonyas Vergangenheit, außer dass sie von sich behauptet, die Schwester von Roxelane zu sein, der Favoritin Süleymans, die sie hasst und verachtet. 
Um ehrlich zu sein, bleibt sie in vielerlei Hinsicht etwas blass. Wir sehen die Ereignisse nie durch ihre Augen, ihre Gefühle, Gedanken und Motivationen bleiben uns weitgehend verschlossen. Sie ist extrem selbstbewusst, leidenschaftlich und spottlustig, liebt Fluchen und Trinken nicht weniger als Gottfried und besitzt einen leicht grausamen Zug. Viel mehr lässt sich über ihren Charakter nicht sagen.
Wenn Red Sonya dennoch eine recht eindrucksvolle Figur ist, dann liegt das vor allem an all dem, worauf Robert E. Howard in seiner Geschichte verzichtet. Die Kriegerin gerät nie in die Lage des Opfers. Gottfried darf zu keinem Zeitpunkt den "Retter" spielen, während Sonya ihn gleich dreimal vor dem Tod bewahrt. Wenn die beiden nach anfänglichen Querelen schließlich doch noch Freunde werden, dann nicht, weil sein "rauer Männercharme" über ihren "Amazonenstolz" siegen würde. Nachdem sie ihn aus dem Stadtgraben gefischt hat, erklärt sie ganz einfach: 
"Come let's go to the Walloon's tavern and drink ale."
"Why did you pull me out of the moat?" he asked.
"Because a great oaf like you never can help himself. I see you need a wise person like me to keep life in that hulking frame."
"But I thought you despised me!"
"Well, a woman can change her mind, can't she?" she snapped.
Beide sind in gewisser Hinsicht Außenseiter, und das führt sie schließlich zusammen. So zumindest habe ich ihre Beziehung interpretiert. Und auch wenn ein verräterischer Kaufmann Sonya einmal als Gottfrieds "mistress" bezeichnet, finden sich in der Erzählung eigentlich keinerlei Belege dafür, dass diese Beziehung romantischer oder sexueller Natur wäre. Zugegeben, Howard selbst verwendet den Begriff "Geliebte" in dem oben zitierten Brief, aber ich ziehe es vor, mir Gottfried und Sonya einfach als Freunde und Kampfgefährten vorzustellen. Und nichts in The Shadow of the Vulture steht einer solchen Sichtweise entgegen.

Wenn man ausschließlich Robert E. Howards Conan-Stories kennt, wird es einen möglicherweise etwas überraschen, dass derselbe Autor eine Figur wie Red Sonya geschaffen hat. Der Cimmerier ist schließlich ganz ohne Zweifel ein Macho allererster Ordnung, und sein Hang zu sexueller Aggressivität gehört zu den Elementen, die einem bei der Lektüre seiner Abenteuer am übelsten aufstoßen. Selbst wenn in Red Nails mit der Kriegerin Valeria eine Figur eingeführt wird, die oberflächlich betrachtet gewisse Ähnlichkeiten mit Sonya aufweist, wird diese am Ende der Erzählung doch zu einer Damsel-in-Distress erniedrigt. (5)
  
Aber Howard war in dieser Hinsicht einfach eine widersprüchliche Persönlichkeit. 
Einerseits war er sicher alles andere als frei von männlichem Chauvinismus, hatte eine sehr traditionelle Vorstellung von "Männlichkeit" und pflegte selbst ein entsprechendes Image. Allerdings war seine Obsession für Boxen und körperliche Ertüchtigung auch eine Art Überlebensstrategie inmitten all der Roughnecks der texanischen Ölboom-Stadt Cross Plains, unter denen ein junger Mann wie er, der seine Nase am liebsten in Bücher steckte und seinen Lebensunterhalt mit der Schreibmaschine verdiente, automatisch ein Außenseiter und "Freak" sein musste, das natürliche Ziel von Spott, Verachtung und vielleicht auch direkteren Formen von Gewalt.
Andererseits dürfte gerade dieses Außenseitertum mit ein Grund dafür gewesen sein, warum Howard mitunter überraschend egalitäre Vorstellungen in Bezug auf Frauen vertreten konnte. Sein Biograph Mark Finn erwähnt eine Anekdote, die sich in Zusammenhang mit dem Magazin The Junto abgespielt habe, einer Publikation, die ein Kreis literarisch Interessierter, zu denen auch Howard gehörte, zwischen 1928 und 1930 zu ihrem eigenen Vergnügen herausgab:
Clyde Smith entreated Harold Preece to write a denouncement of women and run it in The Junto in an effort to draw Robert out. "Women: A Diatribe" went on to assert that there was no such thing as an intellectual woman. Robert, instead of agreeing with Preece, fired a return volley, extolling the virtues of everyone from Sappho of Greek antiquity to the early Gnostics with their proto-feminist slant. Robert, while holding a quaint set of Texan ideals about how to treat a lady, was surprisingly egalitarian when it came to women. (6)
Zu diesem Zeitpunkt war das für ihn freilich noch eine rein akademische Frage. Das änderte sich im Herbst 1934, als er mit der eigenwilligen jungen Lehrerin Novalyne Price zusammenkam. Mark Finn schreibt über sie:
Novalyne was slim and vivacious, dark-haired and dark-skinned with smiling eyes and a sense of style. She carried much more personality in her girlish frame than her nice clothes and good manners suggested. Novalyne was a lady, but she was also a Texas lady, reared by a pair of strong, independent women, her mother and her grandmother. Novalyne was passionate, intelligent, quick-witted, and had a mouth like a merchant marine when she was angry. She didn't like anyone telling her what she could or could not do, either. (7)
Die Aufs und Abs dieser auf lange Sicht nicht unbedingt glücklichen Beziehung zu beschreiben, ist hier nicht der richtige Ort. Aber es ist durchaus denkbar, dass Novalyne Price das Vorbild für Robert E. Howards zweite Sword & Sorcery - Heldin gewesen ist Dark Agnes de Chastillon. 
Sicher können wir uns dabei allerdings nicht sein. Robert schrieb zwei Kurzgeschichten und ein unvollendet gebliebenes Fragment über Agnes' Abenteuer im Frankreich des 16. Jahrhunderts, doch wann genau dies geschah, ist unbekannt. Er reichte keine der Stories bei einem der Pulpmagazine ein, für die er schrieb. Veröffentlicht wurden sie erstmals im Verlauf der 70er Jahre, in gesammelter Form dann 1977 in The Sword Woman bei Zebra Books. (8)
Was wir wissen ist bloß, dass er eine Kopie von The Sword Woman an C.L. Moore schickte, deren erste Jirel of Joiry - Geschichten Black God's Kiss und Black God's Shadow im Oktober bzw. Dezember 1934 in Weird Tales erschienen waren. In einem Brief vom Januar 1935 zeigte sich Moore begeistert von der Story und erkundigte sich, ob Howard noch mehr über Dark Agnes geschrieben habe.
Natürlich ist immer mal wieder die Vermutung aufgestellt worden, Jirel könnte eine der Inspirationen für Howard gewesen sein, doch angesichts der undurchsichtigen Sachlage gilt auch dafür immer noch, was Leigh Brackett in ihrem Vorwort für den 1977er-Sammelband geschrieben hat: "at this late date it is impossible to say which character was first conceived, or whether indeed there was any connection between them at all ". (9) Auch muss hinzugefügt werden, dass Howards Geschichten in ihrem Charakter kaum Ähnlichkeit mit denen C.L. Moores besitzen.

The Sword Woman ist sicher die gelungenste und interessanteste der drei Geschichten. Howard widmete sie "Mary Read, Grainne O'Malley, Jeanne Laisné, Lilliard von Ancrum, Anne Bonny und all den anderen weiblichen Haudegen, guten wie bösen, tapferen wie fröhlichen, die die Jahrhunderte unsicher machten". Sie erzählt Dark Agnes' "Origin Story" und ist, wie auch die anderen beiden, überraschenderweise in der 1. Person verfasst. Anders als im Falle von Red Sonya bekommen wir die Welt hier also aus der Perspektive der Frau zu sehen und erhalten unmittelbaren Einblick in ihre Gedanken und Gefühle. Der historische Hintergrund ist sehr viel weniger "episch" als in The Shadow of the Vulture. Alle drei Geschichten tragen eher den Charakter von Mantel & Degen - Abenteuern.
Agnes wächst als Tochter eines ehemaligen Söldners unter ärmlichsten Verhältnissen in dem kleinen Dorf La Fere auf. Als ihr gewalttätiger und dem Suff ergebener Vater sie verheiraten will, ist der Moment der Rebellion gekommen. Ihre Schwester hat ihr einen Dolch zugesteckt, im Glauben, Selbstmord sei die einzige Fluchtmöglichkeit für eine Frau, doch Agnes jagt die Klinge stattdessen dem feist grinsenden Bräutigam ins Herz und setzt sich in die Wälder ab. Sie begegnet dem umherwandernden Spitzbuben Etienne, der auf den ersten Blick erstaunlich freundlich und hilfsbereit wirkt. Doch dann muss sie feststellen, dass der Kerl sie in Wirklichkeit an ein Bordell verhökern will. Wenig später hat Etiennes Kompagnon Thibaut auch schon sein Leben auf Agnes' Klinge ausgehaucht und der Gauner selbst ist von der jungen Frau halbtot geprügelt worden. Da sie ihn zuvor unwissentlich an seine aristokratischen Feinde verraten hatte, verschont Agnes den um sein Leben bettelnden Etienne und beschließt sogar, ihn in Sicherheit zu bringen und seine Genesung abzuwarten, bevor sie weiterzieht. Als der berühmte Söldnerführer Guiscard de Clisson zufällig in dem Wirtshaus aufkreuzt, in dem die beiden Unterschlupf gefunden haben, versucht Agnes bei ihm anzuheuern, wird jedoch spöttisch zurückgewiesen, was ihr Anlass für den folgenden wütenden Monolog gibt:
Ever the man in men! Let a woman know her proper place: let her milk and spin and sew and bear children, not look beyond her threshold or the command of her lord and master! Bah! I spit on you! There is no man alive who can face me with weapons and live, and before I die, I’ll prove it to the world. Women! Cows! Slaves! Whimpering, cringing serfs, crouching to blows, revenging themselves by – taking their own lives, as my sister urged me to do. Ha! You deny me a place among men? By God, I’ll live as I please and die as God wills, but if I’m not fit to be a man’s comrade, at least I’ll be no man’s mistress. So go ye to hell ... and may the devil tear your heart!
Hier zeigt sich auf sicher etwas plakative, aber doch recht beeindruckende Weise, dass sein unversöhnlicher Hass auf jede Form von Autorität Robert E. Howard schließlich soweit geführte hatte, dass er sich sogar in die Rebellion einer Frau gegen eine patriarchalische Ordnung einfühlen konnte.
Interessanterweise ist es Dark Agnes und nicht Red Sonya, die eine Art Keuschheitsgelübde ablegt. Was Sinn macht. So gut wie jeder Mann, dem sie in den Geschichten begegnet, betrachtet sie primär als Sexobjekt. Die meisten spielen sogar ganz unverhüllt mit dem Gedanken, die junge Frau zu vergewaltigen. Sex erscheint in Agnes' Welt als ein Werkzeug zur Unterwerfung der Frau. Kein Wunder also, dass sie sich jeder sexuellen Beziehung verweigert.
Nachdem sie ein kleines Blutbad unter einer vierköpfigen Gaunerbande veranstaltet hat, die dem immer noch bettlägerigen Etienne an den Kragen wollte, revidiert Guiscard seine herablassende Einschätzung und beginnt sie im Fechten und anderen Kampfkünsten zu unterrichten. Die Verwandlung des rebellischen Bauernmädchens Agnes in die tödliche Glücksritterin Dark Agnes ist abgeschlossen.  
Als eine Verkettung unglücklicher Umstände zur Ermordung Guiscards führt, tut sich Agnes am Ende der Geschichte mit dem "geläuterten" Etienne zusammen, um auf neue Abenteuer auszuziehen verfolgt von dem Profikiller des verräterischen Duc d'Alençon.

Blades for France ist ein unmittelbares Sequel zu The Sword Woman, in dem Agnes und Etienne in höfische Intrigen verwickelt werden und es mit maskierten Verschwörern {unter denen sich auch erwähnter Killer befindet}, glücklosen Piraten und englischen Agenten zu tun bekommen. Agnes lässt erneut reihenweise großmäulige Männer über die Klinge springen und bleibt eine ebenso einnehmende Figur wie in ihrem Debüt. Der Plot allerdings ist doch reichlich verworren.
Am schwächsten ist ohne Zweifel die unvollendet gebliebene Geschichte Mistress of Death, die Gerald W.  Page fertigschrieb und 1971 in der Januar/Februar - Ausgabe seines Magazins Witchcraft & Sorcery herausgab. Am interessantesten ist vielleicht noch, dass Howard mit ihr phantastische Elemente in die Welt von Dark Agnes einführte, was einmal mehr zeigt, wie fließend die Übergänge zwischen historischer Abenteuergeschichte und Sword & Sorcery zu diesem Zeitpuntk noch waren. Leider müssen wir zugleich miterleben, wie sich unsere Heldin auf der letzten Seite plötzlich schutzsuchend in die Arme eines Mannes wirft – wenn auch nur für einen kurzen Moment. Gut möglich allerdings, dass wir diesen Verrat an Dark Agnes' Charakter nicht Howard, sondern Page zu verdanken haben. Ich habe keine Möglichkeit festzustellen, welche Teile des veröffentlichten Textes von welchem Autor stammten.    



(1) Marion Zimmer Bradley: Das heroische Image von Frauen: Die Frau als Zauberin und Kriegerin. In: Dies. (Hg.): Schwertschwester. S. 9.
(2) Michael Penkas versucht sich in diesem Artikel für Black Gate an einer interessanten Neuinterpretation von Red Sonjas problematischem "Schwur".
(3) Das Design stammte von dem spanischen Comic-Künstler Esteban Maroto. Die Leserschaft bekam Red Sonja in dieser Kostümierung zum ersten Mal in der dritten Ausgabe von Savage Tales (Februar 1974) zu sehen. Es hat zwar immer mal wieder kurzlebige Kostümwechsel gegeben, aber im Großen und Ganzen ist die Kriegerin ihrem unpraktischen Outfit bis auf den heutigen Tag treu geblieben. Dessen Absurdiät wurde in den Comics allerdings von früh an immer mal wieder ironisch kommentiert.
(4) Zit. nach: Mark Finn: Blood & Thunder. The Life & Art of Robert E. Howard. S. 148.
(5) Red Nails wäre übrigens eine der Primärquellen, falls ich jemals dazu kommen sollte den prätentiös betitelten Artikel "Robert E. Howards Männlichkeitswahn und die Angst vor der weiblichen Homosexualität" zu schreiben, der seit Jahren in meinem Hirnkasten herumspukt.
(6) Mark Finn: Blood & Thunder. The Life & Art of Robert E. Howard. S. 141.
(7) Ebd. S. 182.
(8) Eine deutsche Übersetzung von Eduard Lukschandl erschien im selben Jahr zusammen mit The Shadow of the Vulture in der Terra Fantasy - Reihe unter dem Titel Horde aus dem Morgenland.
(9) Zit. nach: Ryan Harvey: Howard’s Forgotten Redhead: Dark Agnes

Samstag, 20. Oktober 2018

Strandgut der Woche

Dienstag, 16. Oktober 2018

Let Me Tell You Of The Days Of High Adventure (1)

Von Khlit dem Kosaken zu Robert E. Howards ersten Helden

Das Bild, das viele heutzutage von den frühen Tagen der Sword & Sorcery haben, wird vermutlich ganz von der muskelbepackten Gestalt Conans des Cimmeriers dominiert. Und dabei dürfte diese weniger von Robert E. Howards Kurzgeschichten oder seiner Novelle The Hour of the Dragon geprägt sein, als vielmehr von John Milius' 1982 in die Kinos gelangtem Conan the Barbarian mit Arnold Schwarzenegger im Lendenschurz (1) sowie von Frank Frazettas ikonischen Gemälden, vor allem vielleicht von seinem berühmt-berüchtigten Cover für den 1966 von L. Sprague de Camp herausgegebenen Sammelband Conan the Adventurer inklusive aller damit verbundener Konotationen. (2)

*Völlig* falsch wäre dieses Bild zwar nicht, aber meiner Ansicht nach doch *sehr* eindimensional. Und da ich die Sword & Sorcery immer mal wieder gerne als das Subgenre der Fantasyliteratur bezeichne, das meinem Herzen am nächsten steht, möchte ich versuchen, einen kleinen Beitrag zu einer etwas differenzierteren Sichtweise zu leisten. Conan selbst werde ich dabei erst einmal ganz bewusst außenvorlassen. Mir schweben eher Blogposts zu solchen Themen vor wie Robert E. Howards "Sword Women" Red Sonya und Dark Agnes; Clark Ashton Smiths Beiträgen zur Sword & Sorcery; Fritz Leibers Adept's Gambit und der Geburt von Fafhrd & The Gray Mouser; Clifford Ball als einem der frühesten Nacheiferer Howards; Henry Kuttners Elak of Atlantis; sowie Catherine L. Moores Geschichten über die amazonenhafte Jirel of Joiry.

Beginnen aber will ich heute mit einem Blick zurück auf die Vor- und Frühgeschichte des Subgenres.

Mir ist verschiedentlich die These untergekommen, Lord Dunsanys 1908 in The Sword of Welleran herausgegebene Erzählung The Fortress Unvanquishable, Save For Sacnoth könne als die erste Sword & Sorcery - Story der Literaturgeschichte angesehen werden. Ich habe keine Ahnung, wer diese Ansicht zum ersten Mal formuliert hat. Möglicherweise geht sie auf die von L. Sprague de Camp 1967 herausgegebene Anthologie The Fantastic Swordmen zurück, die Dunsanys Geschichte neben Stories wie Henry Kuttners Dragon Moon und Michael Moorcocks The Singing Citadel stellte. Matthew David Surridge schreibt in einem seiner stets lesenwerten Essays für Black Gate über Dunsanys Werk:
Besides the plot elements I mentioned above, it also has a number of other fantasy staples; a semi-sentient sword, a scene where the great sword is forged, an evil giant spider, great abysses, vampires, even, unusual for Dunsany, the temptation of the male hero by a harem of sinister women [...] For me, all this adds up, and it feels like sword-and-sorcery, particularly compared to Dunsany’s other work
All das ist zweifelsohne richtig, dennoch fällt es mir schwer, The Fortress Unvanquishable, Save For Sacnoth als ein frühes Beispiel der Sword & Sorcery zu betrachten. Der poetisch-traumhafte und zugleich leicht ironische Tonfall der Geschichte erinnert mich so gar nicht an die eher "erdige" Atmosphäre, die ich mit dem Subgenre verbinde. Ihr Questencharakter und die deutlich dem Märchen entlehnten Elemente rücken sie für mich, wenn überhaupt, dann eher in die Nähe der High Fantasy. Lord Dunsany gebührt ganz sicher ein hervorragender Platz in den Annalen der phantastischen Literatur, aber dies ist meiner Ansicht nach nicht die Traditionslinie, in die man ihn stellen sollte. (3) In einem Brief an H.P. Lovecraft vom Oktober 1930 schrieb Robert E. Howard zwar, "I have read ... some of ... Dunsany...", und zwei Jahre später räumte er ihm einen Platz unter seinen Lieblingsdichtern ein, aber weder in Stil noch Inhalt scheint mir Howards eigene Fantasy groß von ihm beeinflusst worden zu sein.

Die Sword & Sorcery ist ein Kind der Pulps, und wenn wir ihre Vorläufer finden wollen, ist dies der Ort, an dem es zu suchen gilt.

Uns Freunden & Freundinnen des Phantastischen passiert es all zu leicht, den Status jener Magazine zu überschätzen, die den Genres gewidmet waren, die uns so am Herzen liegen. Doch wenn man den Pulpmarkt als Ganzes betrachtet, waren Publikationen wie Weird Tales, Wonder Stories oder Astounding relativ kleine Mitbewerber um die Gunst der lesenden Massen. Der unangefochtene Platzhirsch der Ära war jedenfalls das im Oktober 1910 erstmals erschienene Magazin Adventure, das auf eine dem heutigen Leser geradezu provokant erscheinende Weise den Eskapismus zu seinem höchsten und einzigen Ziel erklärt hatte: (4)
It is published in the hope and belief that hundreds of thousands of men and women will be glad to have a magazine wherein they can satisfy their natural and desirable hunger for adventure. (...)
If you care for stirring stories (and who does not?) – if you wish to get away for a brief time from the hard grind of the daily mill so that you can come back to it again with new zest, so that you can walk through the knotty problems and nagging limitations with renewed courage – get a copy of Adventure.
Adventure's meteoritenhafter Aufstieg zum "No. 1 Pulp" (Time Magazine, 1935) begann, nachdem Arthur Sullivant Hoffman 1912 die Leitung übernommen hatte. Dem energischen und eigenwilligen Hoffman gelang es mit regelmäßigen Kolumnen wie The Camp-Fire, in der sich Autoren wie Leser vorstellen konnten und ein Forum für Austausch und Kommunikation erhielten, ein gut vernetztes Fandom zu schaffen. Ab 1919 entstanden auf Hoffmans Initiative hin erst in den USA, dann auch in einer ganzen Reihe anderer Länder sog. "Camp-Fire Stations", Fanclubs mit offiziellen Mitglieder-Buttons. 1924 erreichte Adventure den Höhepunkt seiner Popularität. Das Magazin erschien dreimal im Monat in einer Auflage von mehreren Hunderttausend.
Solche organisatorischen Methoden, mit denen eine treue Leserschaft an das Magazin gebunden wurde, hätten natürlich nicht fruchten können, wenn Hoffman nicht zugleich einen festen Stamm talentierter Autoren für das Magazin zusammengestellt hätte. Neben Talbot Mundy,  H. Bedford-Jones, Hugh Pendexter, Gordon Young, W.C. Tuttle und T.S. Stribling gehörte zu diesem auch Harold Lamb. Und er war es, der den wohl bedeutendsten Ahnherrn der Sword & Sorcery schuf Khlit den Kosaken.

Sein erster Auftritt im November 1917 in der Kurzgeschichte Khlit ist noch nicht sonderlich bemerkenswert. Wir werden zwar mit dem Charakter bekannt gemacht, doch so richtig abenteuerlich geht es noch nicht zu. Das ändert sich ein wenig im Januar 1918, wenn der Kosake sich in Wolf's War aufmacht, um ganz auf sich allein gestellt die Angebete seines Adoptivsohns Menelitza aus den Fängen des Tatarenkhans Mirai zu befreien. Doch erst die dritte Geschichte Tal Taulai Khan (Februar 1918) bildet den wirklichen Startschuss für die Saga von Khlit, "dem Wolf", dem "Kosaken mit dem Krummschwert". Anders als man vielleicht erwarten würde, haben wir es bei Khlit nämlich nicht mit einem jugendlichen Heißsporn, sondern mit einem in Ehren ergrauten Krieger zu tun, der dank seines Kampfgeschicks und seiner Schläue schon viele Schlachten überlebt hat. Und als die junge Garde den alten "Wolf" ins Kloster abschieben will, verlässt der tief gekränkte Khlit seine Heimat an den Ufern des Dnjepr und beginnt ein unstetes Wanderleben, das ihn nach einem kurzen Abstecher an den Hof des Großkhans in den nächsten sechzehn Geschichten kreuz und quer durch Asien führen wird. 
Aus eigener Leserfahrung ist mir von diesen allerdings bloß noch die vierte Khlit-Story Alamut (August 1918) bekannt. Mal sehen, ob und wann es mir gelingen wird, die 2006 herausgegebene vierteilige Gesamtausgabe von Lambs Kosaken-Geschichten (Wolfs of the Steppes; Riders of the Steppes; Warriors of the Steppes; Swords of the Steppes) in die Finger zu bekommen. Die folgende Einschätzung stützt sich deshalb zu einem Gutteil auf sekundäre Quellen, vor allem auf diesen Artikel von Howard Andrew Jones, der für die 2006er-Edition verantwortlich war.
Was genau verbindet die Khlit-Stories in meinen Augen mit der Sword & Sorcery?
Da wäre zuerst einmal ihr Charakter als actionreiche Abenteuer vor einem exotischen Hintergrund, der auf die Leserschaft der Zeit kaum weniger phantastisch gewirkt haben muss als Howards Hyborian Age, Kuttners Atlantis oder Leibers Nehwon. Wirklich übernatürliche Elemente tauchen zwar nicht auf, aber einige der Bösewichter, wie der Astrologe Rashideddin in Alamut, geben zumindest vor, Zauberer zu sein, und sind von einer entsprechenden Aura umgeben.
Sehr viel wichtiger jedoch ist die Gestalt des Helden. Sieht man von seinem fortgeschrittenen Alter ab, ist Khlit, "der Wolf", in vielem ein typischer S&S - Protagonist: Ein stolzer und grimmiger Außenseiter und Underdog, der sich keiner Autorität beugt, und rastlos durch fremde Länder streift, stets auf der Suche nach Kampf und Abenteuer, wobei er nicht selten mit den Reichen und Mächtigen aneinandergerät. Sicher, anders als Conan, Fafhrd oder der Gray Mouser ist der Kosak kein Gauner und Dieb, sondern leiht seinen Schwertarm all denen, die in seinen Augen seine Unterstützung verdient haben. Doch zum einen ist eine kriminelle Karriere kein sine qua non für einen waschechten S&S-Helden {oder eine -Heldin}. Zum anderen wäre es falsch, Howards oder Leibers manchmal ziemlich amoralische Helden als unverbesserliche Egoisten darzustellen, die stets nur auf ihren eigenen Vorteil aus wären. Auch sie sind mitunter zu selbstlosem Heroismus fähig, auch wenn dies im allgemeinen sicher nicht ihre Hauptmotivation darstellt.
Einer der interessantesten Aspekte von Lambs Geschichten ist, dass Khlits vorausschauende Klugheit für seine Siege oft mindestens so wichtig ist wie sein Kampfgeschick. Immer wieder gelingt es ihm, seine Gegner auszutricksen, was häufig zu einer ziemlich überraschenden Wende am Ende einer Geschichte führt und verhindert, dass diese einen gar zu formelhaften Charakter annehmen. Aber auch diese taktische Schläue ist etwas, das der "Wolf" mit vielen S&S-Helden teilt. Selbst Conan war nie der tumbe Schlagetot, als der er so oft karrikiert wird.
Eine weitere sehr sympathische Facette von Harold Lambs Khlit-Geschichten ist, dass ihr Held im Laufe seiner vielen Reisen und Abenteuer allmählich lernt, einige seiner ursprünglichen, tief verwurzelten Vorurteile gegenüber Vertretern anderer Kulturen und Religionen zu überwinden. Er beginnt die Saga als unversöhnlicher Tatarenhasser und fanatischer "Verteidiger der orthodoxen Kirche" {auch wenn er nicht viel für Priester und Mönche übrig hat und seine Zeit selten mit Gebeten verschwendet}, um zu seinen Gefährten schließlich Mongolen, Hindus und vor allem den heroischen Muslimkrieger Abdul Dost zu zählen, den Lamb in vier Geschichten seinem Kosaken an die Seite stellt. Erste Anzeichen für diese Entwicklung zeigen sich bereits in Alamut. Khlit ist nicht eben begeistert, sich mit dem Tataren Toctamish zusammentun zu müssen, und die beiden lassen keine Gelegenheit ungenützt, einander zu beleidigen. Doch als der Kosake miterleben muss, wie Toctamish von Rashideddins Handlangern zu Tode gefoltert wird, kann er nicht anders, als tiefen Respekt für die unerschütterliche Loyalität des Tataren zu empfinden. In derselben Geschichte wird Khlit, der für Vertreterinnen des anderen Geschlechtes bislang kaum mehr als Verachtung übrig hatte, zum ersten Mal mit einer selbstbewussten, willensstarken Frau konfrontiert, deren Mut und Intelligenz ihm schließlich gleichfalls seinen Respekt abtrotzt. In der Tat ist die junge Perserin Berca das eigentliche Hirn und der treibende Wille hinter dem Sturz der Assassinenfestung, auch wenn sie dabei natürlich auf Khlits Unterstützung angewiesen ist. Der Kosake wird auf seinen Reisen noch mehrfach Frauen dieses Typs begegnen. 

Robert E. Howard bekam seine erste Ausgabe von Adventure im Jahr 1921 in die Finger. Die Familie war anderthalb Jahre zuvor nach Cross Plains gezogen. Der Ölboom hatte der texanischen Kleinstadt ein gewaltiges Bevölkerungswachstum, eine ganze Reihe neuer Hotels und Gaststätten, eine Handelskammer (Chamber of Commerce) und ein neues Gefängnis beschert. Was er ihr nicht gebracht hatte, war eine öffentliche Bücherei oder einen Buchladen. Um seine unersättliche Leselust zu befriedigen, war der fünfzehnjährige Robert, von gelegentlichen Bücherkäufen im 35 Meilen entfernten Brownwood abgesehen, ganz auf die Magazine angewiesen, die im Cozy Drug Store zum Verkauf angeboten wurden. Zwölf Jahre später schilderte er seine erste Begegnung mit Adventure in einem Brief an Lovecraft so:
I well remember the first [magazine] I ever bought. I was fifteen years old; I bought it one summer night when a wild restlessness in me would not let me keep still, and I had exhausted all the redaing material in the place. I'll never forget the thrill it gave me. Somehow it never had occured to me before that I could buy a magazine. It was an Adventure. I still have the copy. After that I bought Adventure fo many years, though at times it cramped my resources to pay the price. It came out three times a month, then ... I skimped and saved from one magazine to the next; I'd buy one copy and have it charged, and when the next issue was out, I'd pay for the one for which I owed, and have the other one charged, and so on. So I generally owed for one, but only one. (5)
Im selben Jahr schickte der junge Bob seine erste selbstgeschriebene Story an Adventure. Wie wohl nicht anders zu erwarten, wurde sie abgelehnt, und trotz anhaltender Versuche sollte es Howard auch in den weiteren fünfzehn Jahren seines all zu kurzen Lebens nie gelingen, eines seiner Werke in dem Magazin unterzubringen.
Harold Lamb wurde rasch einer von Howards absoluten Lieblingsautoren. Der Einfluss, den vor allem seine Kosaken-Geschichten auf den großen Pionier der Sword & Sorcery hatte, wurde von diesem Jahre später in gewisser Weise literarisch gewürdigt, indem er in Devil in Iron die Position eines "hetman of the Kozaki who dwell along the Zaporoska river" zu einer der vielen Stationen in Conans abenteuerlicher Laufbahn machte. (6) Freilich erhielten diese "Kosaken" bei ihm einen etwas anderen, dem Geist der Conan-Stories entsprechenden Charakter:
On the broad steppes between the Sea of Vilayet and the borders of the easternmost Hyborian kingdoms, a new race had sprung up in the past half-century, formed originally of fleeing criminals, broken men, escaped slaves, and deserting soldiers. They were men of many crimes and countries, some born on the steppes, some fleeing from the kingdoms in the West. They were called kozak, which means wastrel. Dwelling on the wild, open steppes, owning no law but their own peculiar code, they had become a people capable even of defying the Grand Monarch.
Doch mit Conan wollten wir uns ja vorerst noch nicht beschäftigen.
Im Herbst 1924 gelang es Howard zum ersten Mal, eine seiner Stories an den Mann zu bringen. Der Käufer war Weird Tales - Boss Farnsworth Wright, die Geschichte Spear and Fang ein kleines, actiongeladenes Steinzeitabenteuer mit Höhlenmenschen und Neandertalern – eine Spielart des Phantastischen, die sich Anfang des Jahrhunderts eine Zeit lang großer Beliebtheit erfreut hatte, man denke z.B. an Jack Londons Roman Before Adam (1906/07). Weird Tales sollte für einige Jahre zu Howards wichtigstem {eigentlich zu seinem beinah einzigen} Abnehmer werden.
Es folgten The Hyena – ein übernatürliches Afrikaabenteuer mit viel Geschwafel über "Rasseinstinkt" und ähnlichen Blödsinn – und The Lost Race. In letzterer bekommen wir es erstmals mit Howards sehr eigener Interpretation des Volks der Pikten zu tun – ein Motiv, das auch in seinen Sword & Sorcery - Geschichten immer wieder auftauchen würde, uns für en Moment aber nicht weiter beschäftigen soll.
Für uns interessanter wird es erst wieder mit In the Forest of Villefere. Die Story selbst ist zwar nicht viel mehr als eine leidlich spannende, ziemlich kurze Werwolfgeschichte, aber im September 1925 {inzwischen waren endlich auch die ersten Schecks von Weird Tales bei ihm eingetroffen} schrieb Howard eine Fortsetzung mit dem Titel Wolfshead, die seine erste Coverstory bei WT werden sollte. In einem Brief an seinen Freund Clyde Smith erzählt er:  
After reading it, I'm not altogether sure I went off my noodler when I wrote it. I sure mixed slavers, duelists, harlots, drunkards, maniacs and cannibals reckless. The narrator is a libertine and a Middle ages fop; the leading lady is a harlot, the hero is a lunatic, one of the main characters is a slave trader, one a pervert, one a drunkard, no they're all drunkards, but one is a gambler, one a duelist and one a cannibal slave. (7)
Ich bin mir nicht ganz sicher, wann genau die Geschichte spielen soll. Irgendwann in der frühen Neuzeit vermutlich. Der Erzähler Pierre, ein französischer Söldner, wird von dem portugiesischen Edelmann und Sklavenhändler Dom Vincente in dessen afrikanische Privatkolonie eingeladen, wo sich bereits eine illustre Gesellschaft von zwielichtigen Haudegen und Abenteurern versammelt hat:
Dom Vincente, of course, I knew, as I had been intimate with him for years; also his pretty niece, Ysabel, who was one reason I had accepted his invitation to come to that stinking wilderness. Her second cousin, Carlos, I knew and disliked a sly, mincing fellow with a face like a mink's. Then there was my old friend, Luigi Verenza, an Italian; and his flirt of a sister, Marcita, making eyes at the men as usual. Then there was a short, stocky German who called himself Baron von Schiller; and Jean Desmarte, an out-at-the-elbows nobleman of Gascony; and Don Florenzo de Seville, a lean, dark, silent man, who called himself a Spaniard and wore a rapier nearly as long as himself.
Zu der Gruppe gehört außerdem der düster und schwermütig anmutende De Montour, der Protagonist von In the Forest of Villefere. Es dauert nicht lange, und eine Reihe bestialischer Morde trüben die feucht-fröhliche Atmosphäre, während sich zugleich unter den "Eingeborenen" eine aufrüherische Stimmung breit zu machen scheint.

Wolfshead ist noch keine lupenreine Sword & Sorcery - Story, aber ich finde man kann sie durchaus als eine Vorstufe hin zu dem Subgenre betrachten. Howard fügt dem historischen Setting ein phantastisches Element hinzu und bevölkert es mit einer Schar wenig vertrauenserweckender, trink- und rauflustiger Gesellen, in denen wir dennoch irgendwie die "Helden" der Geschichte sehen sollen. Für einen echten S&S - Protagonisten ist der gute Pierre allerdings noch etwas zu inaktiv – er ist mehr Zeuge der Handlung, als dass er sie selbst vorantreiben würde. Und De Montour ist eine zu tragische Gestalt, um als wirklicher "Held" durchgehen zu können {vor allem, wenn man das wenig befriedigende "Happy End" ignoriert}.

Doch wie auch immer man Wolfshead selbst einschätzen will, mir scheint die Story ein erster Beleg dafür zu sein, dass sich die Sword & Sorcery aus der historischen Abenteuergeschichte entwickelt hat. Noch sehr viel deutlicher wird dies im Falle von Solomon Kane, der nun ganz ohne Zweifel ein echter S&S-Held ist und seinen ersten Auftritt drei Jahre später in Red Shadows haben würde. Die Geschichten um den grimmigen Puritaner, der sich selbst für das Werkzeug von Gottes Zorn und Gerechtigkeit hält, teilen mit Wolfshead das frühneuzeitliche Setting, die Vermischung von Historie und Phantastik sowie recht oft auch die afrikanische Kulisse. Doch da ich mich vor drei Jahren in diesem Blogpost schon einmal etwas ausführlicher mit Kane beschäftigt habe, will ich an dieser Stelle nicht weiter auf ihn eingehen.
Ebenso verzichte ich erst einmal darauf, The Shadow Kingdom und die Gestalt von König Kull unter die Lupe zu nehmen, obwohl es sich bei diesem um den anerkanntermaßen ersten hundertprozentigen Sword & Sorcery - Helden handelt. Doch ich denke, es macht wenig Sinn, sich mit Kull auseinanderzusetzen, ohne dabei den Bogen zu  Conan zu spannen, ist er doch dessen unmittelbarer Vorgänger. Schließlich handelt es sich bei The Phoenix on the Sword dem Debüt des Cimmeriers – um eine überarbeitete Fassung der Kull - Geschichte By This Axe I Rule.
Stattdessen will ich abschließend noch einen kurzen Blick auf Hawks of Outremere werfen, eine von Robert E. Howards während der Kreuzzüge angesiedelten Abenteuergeschichten, in der der wenig ritterliche Held Cormac FitzGeoffrey seinen ersten Auftritt hat.

Im Herbst 1930 wandte sich Farnsworth Wright an Howard mit dem Auftrag, Beiträge für sein neues Magazin Oriental Stories zu schreiben. Erwünscht waren vor allem "historical tales – tales of the Crusades, of Genghis Khan, of Tamerlane, and the wars between Islam and Hindooism." (8) Für den geschichtsbegeisterten Howard genau das richtige Ding.
Direkter als irgendwo sonst eiferte er bei diesem Unternehmen dem von ihm bewunderten Harold Lamb nach, hatte dieser doch gleichfalls eine ganze Reihe historischer Abenteuergeschichten geschrieben, die vor dem Hintergrund der Kreuzzüge spielten. 
Was jedoch nicht bedeuten soll, dass Howard versucht hätte, Stil und Geist von Lambs Durandal - Zyklus nachzuahmen. Er verlieh den Stories von Beginn an eine sehr viel düsterere Atmosphäre. Die Ära der Kreuzzüge erscheint bei ihm nicht in einem verklärenden Licht. Statt ritterlicher Romantik bekommen wir es mit viel Blut, Schmutz und Leid zu tun. Seine Helden sind keine edlen Recken, sondern illusionslose Abenteurer oder zynische  Söldner. Cormac FitzGeoffrey ist ein exemplarischer Vertreter dieser Gattung und wird wohl nicht zu Unrecht oft als ein weiterer direkter Vorläufer zu Conan betrachtet.
FitzGeoffrey was clean-shaven and the various scars that showed on his dark, grim face lent his already formidable features a truly sinister aspect. When he took off his plain visorless helmet and thrust back his mail coif, his square-cut, black hair that topped his low broad forehead contrasted strongly with his cold blue eyes. A true son of the most indomitable and savage race that ever trod the bloodstained fields of battle, Cormac FitzGeoffrey looked to be what he was a ruthless fighter, born to the game of war, to whom the ways of violence and bloodshed were as natural as the ways of peace are to the average man.
Son of a woman of the O'Briens and a renegade Norman knight, Geoffrey the Bastard, in whose veins, it is said, coursed the blood of William the Conqueror, Cormac had seldom known an hour of peace or ease in all his thirty years of violent life. He was born in a feud-torn and blood-drenched land, and raised in a heritage of hate and savagery.
Dem Kreuzzug hat er sich nur deshalb angeschlossen, weil ihm im Irland permanenter Klanfehden der Boden allmählich zu heiß unter den Füßen geworden ist. Ewiger Außenseiter unter Gälen wie Normannen und Angelsachsen bedeuten ihm die traditionellen feudalen Hierarchien nichts. Stolz erklärt er inmitten des Schlachtgetümmels gegenüber Richard Löwenherz: "I am Cormac FitzGeoffrey and I have no master". Dass er ein mit heidnischen Runen geschmücktes Wikingerschwert führt, ist selbstverständlich kein Zufall. Der einzige höhere Wert, den dieser grimmige Krieger anerkennt, ist persönliche Loyalität. Und so startet er in Hawks of Outremer einen blutigen und rücksichtslosen Ein Mann - Rachefeldzug, nachdem er erfahren hat, dass sein Freund Gerard de Gissclin – ein idealistischer junger Edelmann ermordet wurde.  

Damit soll's für dieses Mal genug sein. Die enge Beziehung, die zwischen historischer Abenteuergeschichte und früher Sword & Sorcery besteht, wird uns allerdings auch in Zukunft noch weiter beschäftigen, sei es im Fall von Red Sonya und Dark Agnes, C.L. Moores Jirel of Joiry oder dem ersten Auftritt von Fritz Leibers Fafhrd und dem Gray Mouser.



(1) Ich bin mir der Ironie bewusst, dass der Titel dieser Blogpostreihe selbst aus dem Streifen stammt. Aber die Eröffnungssequenz von Conan the Barbarian, unterlegt mit der grandiosen Musik von Basil Poledouris, ist in ihrem absurden Pathos einfach so verdammt cool. ;-)
(2) Frazettas Werk ist längst zu einer Art Klischee geworden, wobei ich mich frage, wieviele andere Fantasygemälde denn tatsächlich ein vergleichbares Figurentableau darstellen.
(3) Anlässlich seines 135. Geburtstags habe ich mich vor fünf Jahren mal etwas ausführlicher über den guten Mann ausgelassen.
(4) Zit. nach: Richard Bleiler: A History of Adventure Magazine.
(5) Zit. nach: Mark Finn: Blood & Thunder. The Life & Art of Robert E. Howard. S. 51.
(6) So beschreibt Conan seine damalige Position in The Hour of the Dragon. Der Name des Flusses ist vermutlich als eine Anspielung auf den "Zaporogian Siech", die ukrainische Heimat von Khlit, gedacht.
(7) Zit. nach.: Ebd. S.98.
(8) Zit. nach: Ebd. S. 145..