Die Kampagne sollte die epische Saga einer Heldengruppe erzählen, deren Mitglieder zwar die verschiedenen D&D-Klassen vertreten, zugleich aber ausgearbeitete Figuren mit eigener Hintergrundsgeschichte und distinkten Charakterzügen sein würden.
Harold and I spent one afternoon describing Krynn and its people and creatures to Larry Elmore [...] We particularly concentrated on the characters, since these were one of the most important elements in the game. Larry was so excited by the concept that he went home and in one weekend –
on his own time –
produced the four original Dragonlance paintings portraying the major characters and events. (6)
Als wäre eine zwölfteilige RPG-Kampagne nicht schon ehrgeizig genug gewesen, hatte Tracy Hickman außerdem die Idee, Dragonlance von Anfang an zu einer Art "multimedialem Franchise" zu machen. Neben den Modulen sollte außerdem eine Roman-Trilogie erscheinen, die die selbe Geschichte erzählen würde, sowie ein eigener Kalender und ein Brettspiel.
Letztenendes war es wohl vor allem Harold Johnson, der das Management von dem Projekt zu überzeugen vermochte. Dass ihm dies gelang, mag auch etwas mit der allgemeinen Situation zu tun gehabt haben, in der TSR sich zu diesem Zeitpunkt befand.
1982 war das Jahr des großen Überschwangs. Seit 1979 waren Umsatz und Profit des Unternehmens rasend schnell von $2,2 Millionen & $160.000 auf $20,8 Millionen & $1,8 Millionen angewachsen. In der Chefetage gab man sich der berauschenden Vorstellung von einem schier endlos expandierenden Absatzmarkt hin. In einem Artikel, der Anfang Januar 1983 im Wall Street Journal erschien, verkündete Gary Gygax voller Überzeugung: "Sales will continue to almost double in each of the next two years". (7) Niemand im Management besaß wirkliche Erfahrung im Leiten eines solchen Unternehmens. Und alles spricht dafür, dass sie nicht wirklich wussten, wie sie mit den Millionen umgehen sollten, die ihnen urplötzlich zur Verfügung standen.
Eine Folge davon war das sprunghafte Anwachsen des Design-Teams. Jon Peterson fasst die bei TSR vorherrschende Stimmung in seinem Buch Game Wizards so zusammen: "Why not hire as many as you can, if limitless growth was just around the corner?" (8) Ein Gutteil der "Project Overlord" - Truppe (Hickman, Niles, Grubb) gehörte zu diesem neuen Schub.
Doch vor allem versuchte TSR, sich geschäftlich weiter aufzufächern. Einige dieser Unternehmungen waren naheliegend: Merchandise und Miniaturen. Andere klingen eher kurios: so der Erwerb der "Greenfield Needlewomen" oder der Versuch, eine D&D - Radioshow auf die Beine zu stellen. Außerdem erwarb TSR das altehrwürdige SFF-Magazin Astounding Stories und übernahm mit SPI ("Simulations Publications, Inc.") eines der Traditionsunternehmen der amerikanischen "Wargaming" - Industrie.
In diesem Kontext erschien vermutlich selbst ein so ehrgeiziges Projekt wie
Dragonlance deutlich weniger spektakulär und riskant, als man annehmen sollte. Tracy Hickman hat
einmal erzählt: "
We proposed the series to the company
originally as something of a 'stop-gap' measure: it was supposed
to be a project to do until the next 'big thing' came along."
Die Ironie besteht darin, dass die "offizielle" Entwicklungsphase von Dragonlance parallel zur hereinbrechenden Krise von TSR verlief, die das Unternehmen in kürzester Zeit an den Rand des Abgrunds brachte. Und am Ende erwies sich die Saga nicht als "'stop-gap' measure", sondern als eines der wenigen zukunftsweisenden Projekte der Ära.
Doch darauf werden wir später noch zurückkommen. Jetzt wollen wir erst einmal einen Blick in TSRs Buchabteilung werfen. Denn mit der mussten Hickman und Johnson ja eine Kooperation beginnen, nachdem "Project Overlord" den Segen der Chefetage erhalten hatte.
Der allererste D&D-Roman war bereits 1978 bei
Athenaeum Press erschienen. Und geschrieben hatte ihn niemand anderes als Andre Norton, nachdem Gary Gygax sie zwei Jahre zuvor zu einer Spielrunde eingeladen hatte. Allerdings ist
Quag Keep eher ein Kuriosum und hat nur wenig mit der späteren Flut an Tie-in - Novels zu tun. In dem Roman
geht es nämlich um eine Rollenspielgruppe, deren Mitglieder sich in Greyhawk in Gestalt ihrer Figuren wiederfinden und dort Abenteuer erleben. Thematisch hat es also mehr mit Joel Rosenbergs späterer
Guardians of the Flame - Reihe (und in gewisser Hinsicht auch mit der D&D - Cartoon - Serie) zu tun.
Ein Auszug aus
Quag Keep war vorab in
Dragon #12 (Februar 1978) abgedruckt worden. Auch zuvor schon waren auf den Seiten des Magazins Geschichten namhafter Autoren erschienen. Gardner F. Fox mit seinen Abenteuern des Kriegers Niall "of the Far Travels" überrascht vielleicht nicht wirklich, denn der Gute war ja ein
notorischer Vielschreiber in bester Pulp-Tradition. Wirklich bemerkenswert fand ich hingegen, dass hier im
Dezember 1977 auch zum allerersten Mal Fritz Leibers Fafhrd & The Grey Mouser - Story
Sea Magic erschienen war. Dennoch gab es anfangs keine konkreten Pläne, ins "Literaturgeschäft" einzusteigen, obwohl auch Gygax selbst sich gern als Schriftsteller versuchte.
Die eigentliche Entstehung von TSR's Buchabteilung ist aufs engste mit den Namen zweier Frauen verbunden: Rose Estes und Jean Black.
Nach
einer Zeit als "
a hippie, a student, a newspaper reporter, and an advertising copy writer" sowie einer gescheiterten Ehe war Rose Estes 1977 mit ihren drei Kindern im ländlichen Wisconsin gelandet. Eher durch Zufall hatte sie einen Marketing-Job bei dem damals noch sehr bescheidenen Unternehmen TSR angenommen. Sie war zwar ein passionierter Fantasy-Fan, wurde aber nie zur Rollenspielerin. Im Zuge ihrer zahlreichen Tätigkeiten war sie auch an der Öffentlichkeitsarbeit beteiligt, mit der TSR ab 1979 auf die hereinbrechende "Satanic Panic" zu reagieren versuchte. Teil dessen war die Gründung eines eigenen "Education Department", das Materialien für den Schulunterricht entwickeln sollte. TSR wollte sich damit als ein besonders "verantwortungsbewusstes" Unternehmen präsentieren, dem "die Zukunft von Amerikas Jugend" am Herzen lag. Über eine gemeinsame Bekannte hatte Estes kurz zuvor Jean Blashfield Black kennengelernt, die äußerst geeignet erschien, diese Abteilung zu führen. Immerhin hatte sie in leitender Position an der Produktion der zwanzigbändigen
Young People's Science Encyclopedia (1962) sowie der
Enyclopedia of Aviation and Space Sciences –
Above and Beyond (1967) –
mitgewirkt. Dennoch erwies sich das "Education Department" schon bald als eine Totgeburt. Zwar entstanden unter der Ägide von Black und James Ward tatsächlich drei "Abenteuermodule für den Schulunterricht", doch gelang es nicht, diese auch zu vermarkten. Zumal das Management sich weigerte, weitere professionelle Mitarbeiter*innen für das Projekt einzustellen.
Erneut war es Rose Estes, die Schwung in die Sache brachte.
Ungefähr zur selben Zeit packte sie nämlich erneut ihre Hippie-Wanderlust. Sie nahm sich den Sommer frei und folgte einem Wanderzirkus durch die Weiten Amerika. In Decorah (Iowa) angekommen, fiel ihr dabei in einem Waschsalon (!) zufällig ein "Choose Your Own Adventure" - Buch in die Hände. "
I realized within a few pages, it was
exactly what TSR needed to do to make people understand D&D ". Was folgte, schildert Cecilia D'Anastasio in ihrem Artikel
Dungeons & Dragons Wouldn't Be What It Is Today Without These Women so:
Pushing aside her traveling circus
adventure, Estes and her children drove back to Lake Geneva,
Wisconsin and dropped the book on the desk of the head of sales. He
gave it, and her, no thought for weeks, she said. She continued to
remind him about the book, and he continued to ignore her, until
finally, she remembers, he told her to write it herself if she cared
so much. “I’d never written fiction. But I was so mad – Don’t
tell me I can’t do something – so I did it. I wrote the
book, longhand on legal pads. I took it back and gave it to him.”
Later, after a meeting with a publishing company, Estes’
choose-your-own-adventure book was allegedly touted as an upcoming
product. “The [head of sales] came back and casually dropped a pile
of legal pads on my desk. He said, ‘Write three more.’ So I did.
Und so entstanden D&D's
Endless Quest - Bücher. Die ersten vier, alle von Rose Estes geschrieben, erschienen 1982 und erwiesen sich als ein echter Verkaufsschlager. Die Serie wurde bis 1987 fortgesetzt und umfasste schließlich sechsunddreißig Bände. (9) 1983 entstand außerdem das etwas kuriose Spin-Off
Heartquest, eine Mixtur aus "Choose Your Own Adenture" und Romance Novel, mit der man vor allem ein weibliches Publikum ansprechen wollte. (10)
Der Erfolg der Endless Quest - Bände führte dazu, dass sich das "Eductation Department" in eine Buchabteilung verwandelte. Und diese erhielt Ende 1982 / Anfang 1983 (?) Zuwachs durch eine neue Editorin. Margaret Weis hatte sich eigentlich für einen Posten als "Games Editor" beworben, aber da ihre bisherige Berufserfahrung nichts mit Spielen, aber dafür um so mehr mit Verlagswesen zu tun hatte, nahm Jean Black sie stattdessen in ihr kleines Team auf. Eine folgenschwere Entscheidung für das weitere Schicksal von Dragonlance.
Geboren und aufgewachsen in Independence (Missouri) hatte Margaret Weis schon von jungen Jahren an davon geträumt, einmal Schriftstellerin zu werden. 1970 machte sie ihren Bachelor - Abschluss in Literatur und "Creative Writing" an der University of Missouri, doch vorerst eröffneten sich ihre keine Möglichkeiten, ihrer wahren Leidenschaft nachzugehen. Sie arbeitete als Korrektorin, dann Lektorin bei einem kleinen Verlag in Kansas City, bis sie 1972 eine Anstellung bei
Herald House im heimatlichen Independence fand. Dort legte sie in den folgenden zehn Jahren eine recht beachtliche Karriere hin. Dabei erhielt sie auch erstmals die Gelegenheit, selbst Bücher zu schreiben. Wenn auch nicht die Romane, die vorerst bloß als Manuskripte in ihrer Schreibtischschublade liegen blieben. Dafür erschienen über die Jahre eine ganze Reihe von Kinder- und Jugendbüchern aus ihrer Feder. Angefangen mit einer Biographie von Jesse und Frank James bis zu Sachbüchern über "
computer graphics, robots and the history of Thanksgiving" sowie "
an adventure book written at a 2nd-grade reading level (intended for prisoners)". (11) Eine Anzeige im
Publisher's Weekly führte sie schließlich zu TSR.
Dort arbeitete Weis anfangs an der Endless Quest - Serie mit und schrieb auch einen eigenen Band (The Endless Catacombs). Doch schon bald wurde es ihre wichtigste Aufgabe, zusammen mit Tracy Hickman eine ungefähre Handlungsstruktur für die geplanten Dragonlance - Romane zu entwickeln. Es dauerte nicht lange und der allgemeine Enthusiasmus, der im Entwicklungsteam von "Project Overlord" herrschte, hatte auch sie gepackt. Wie sie später einmal erzählt hat:
Although I can remember being a bit intimidated by the people on the design team, particularly Michael Williams' red suspenders, Doug Niles's full beard, and Tracy's havit of talking with his feet propped up on the desk, I was soon enthralled with this world these people had created. I moved into Krynn, lock, stock and barrel (12)
Ähnlich wie bei Gygax' zeitgleichem Herzensprojekt, dem geplanten D&D - Film, für den James Goldman (
The Lion in Winter [1968];
Robin and Marian [1976]) das Drehbuch schreiben sollte, wollte TSR auch für die
Dragonlance - Romane anfangs einen namhaften Autor gewinnen, der nach den Vorgaben von Hickman & Weis die eigentlichen Bücher schreiben würde. Wen genau man dabei im Visier hatte, scheint unbekannt zu sein. Dass man damit scheiterte, hatte Margaret Weis
zufolge hauptsächlich zwei Gründe: "
[T]hey couldn't afford it for one, and
for two none of the really big people wanted to write books and
characters they didn't have the copyright on" Dennoch wandte man sich zuerst einmal an einen (oder mehrere?) professionelle(n) Schriftsteller. Doch die Ergebnisse waren unbefriedigend. Hickman und Weis gelangten mehr und mehr zu der Überzeugung, dass es an ihnen sei, die Bücher selbst zu schreiben: .
I worked with Tracy, and the more we
worked with the project, the more it became obvious to us that we
were the people to write the books – mainly because we loved the
game while this other author didn't – plus the fact he wasn't doing
a very good job. So we got together one weekend and wrote the
prologue for the first five chapters of DragonLance.
Jean Black zeigte sich beeindruckt von der Leseprobe, die die beiden ihr vorlegten, und so erhielten sie den offiziellen Auftrag, die Romane zu schreiben, die schließlich unter dem Titel Dragonlance: Chronicles erscheinen würden. Der erste Band Dragons of Autumn Twilight entstand parallel zu den entsprechenden Abenteuermodulen und orientiert sich inhaltlich sehr eng an Dragons of Despair (DL1) und Dragons of Flame (DL2). Doch schon bald realisierten Weis und Hickman, dass diese Herangehensweise ihnen nicht nur ein übergroßes Figurenensemble aufzwang, sondern ihnen auch erzählerisch zu große Einschränkungen auferlegte. Weshalb im zweiten Teil Dragons of Winter Night die Heldengruppe aufgespalten wird und der Handlungsverlauf sich stärker vom Inhalt der entsprechenden Module entfernt.
Während das Dragonlance - Team munter an seinem Weltenbau herumbosselte und Weis/Hickman ihrer Saga literarische Gestalt zu verleihen begannen, geriet TSR in eine immer tiefere Krise. Die in Aussicht gestellte alljährliche Verdoppelung der Verkaufszahlen hatte sich rasch als eine euphorische (Selbst)Illusion entpuppt. Viele der im "Jahr des Überschwangs" gestarteten Versuche, sich geschäftlich weiter aufzufächern, erwiesen sich schon bald als Fehlinvestitionen. Gygax' Traum von Hollywood rückte in immer weitere Ferne. Und im Management trieb der Nepotismus zum Teil groteske Blüten. Im Rechnungsjahr 1983 fuhr TSR zum ersten Mal Verluste in Höhe von $69.000 ein. Vor allem aber geriet das Unternehmen in immer größere Abhängigkeit zu den Banken, die es mit den nötigen Krediten versorgten und die auf tiefgreifendene Umstrukturierungen drängten. Es kam zu Umwälzungen in der Chefetage und Massenentlassungen. Zwischen 1983 und 1984 schrumpfte der feste Mitarbeiterstab von 400 auf 167 Angestellte. Das Erscheinungsjahr von Dragonlance, 1984, markierte das zehnjährige Jubiläum von TSR und war zugleich in den Worten von Jon Peterson das "cursed year" des jungen Unternehmens.
Inwieweit dies die Umstände beeinflusste, unter denen die Saga ans Licht der Öffentlichkeit trat, kann ich nicht beurteilen. Fakt ist jedenfalls, dass die Entscheidungsträger in der Konzernleitung dem Projekt, nun da es soweit war, mit großer Skepsis begegneten. Die ursprünglich auf zwölf Module angelegte Kampagne war bereits auf (vorerst) vier eingeschrumpft worden. Wie Doug Niles, der
Dragons of Flame geschrieben hatte,
berichtet: "
I think the company wanted a plan so
they could kill the module line after four adventures if it fizzled
out."
DL4 (
Dragons of Desolation) war als vorläufiges Finale angelegt, mit dem die eigentliche Saga zwar nicht beendet, den Spieler*innen aber ein befriedigender Abschluss geboten wurde. Das Roman-Projekt wurde mit mindestens ebenso großer Vorsicht, wenn nicht offenem Misstrauen, gehandhabt. Margaret Weis
erzählt: "
All we got were people continually
telling us it would fail, so in the end TSR only wanted to print
30,000 copies – but the minimum print run they could do was 50,000,
and they had to settle for the larger run."
Entsprechend zurückhaltend gestaltete sich auch die offizielle PR. Im Januar und Februar 1984 erschienen unscheinbare, kleine Anzeigen im
Dragon Magazine, die aus nicht viel mehr als dem
Dragonlance - Logo und dem Schriftzug "
coming soon!" bestanden. In der
Märzausgabe wurde dann Margaret Weis' Kurzgeschichte
The Test of the Twins abgedruckt. Dem folgte im April eine einseitige farbige Anzeige, die Clyde Caldwells Cover-Illustraton für das inzwischen erschienene Modul
Dragons of Despair zeigte. Im
Mai, dem Erscheinungsmonat von
Dragons of Flame, gab es schließlich noch Roger E. Moores Story
A Stone's Throw Away, mit der der Leserschaft die neue "Rasse" der Kender vorgestellt wurde. Danach wurde es erst einmal wieder still um die Saga, bis im
November ein längerer Beitrag im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von
Dragons of Autumn Twilight erschien. Doch
Chronicles: a novel idea beschäftigt sich hauptsächlich mit der Frage, was DMs und Spieler*innen für ihre Kampagne aus den Romanen beziehen könnten und wirkt deshalb beinahe wie ein "Rechtfertigungsversuch" für deren Existenz.
Wie schon während der Entwicklungsphase war es auch jetzt vor allem der Enthusiasmus des Teams, der Schwung in die Sache brachte. Mit der Gründung der "Weis and Hickman Traveling Road Show" startete man unabhängig vom Management eine eigene PR-Kampagne, die vor allem aus dramatisierten Lesungen bestand:
They enlisted the help of some friends, including Terry Phillips, whose whispery, raspy version of Raistlin Majere inspired the authors' portrait of the mage. Gary Pack played Tanis, Doug Niles was Flint, Tracy was Fizban the Fabulous, Laura Curtis [Hickman] played Bupu and Tika, and Harold Johnson portrayed Sturm Brightblade. Janet Pack was drawn in to play Tasslehoff, and other people were grabbed as they became available. (13)
Den vorläufigen Höhepunkt bildete die GenCon im August 1984. Die hauseigene Convention in Wisconsin war traditionell der Ort, an dem TSR einem breiteren Publikum seine Neuerscheinungen präsentierte. In diesem Jahr wirkte sie dabei in Jon Petersons Worten wie eine Vorwegnahme dessen, "
what a post-Gygax TSR might look like" (14). Bewusst geplant war das wohl nicht, auch wenn es symptomatisch erscheint, dass Gygax zu keiner der offiziellen Verantstaltungen als Gast eingeladen worden war. Aber im Rückblick wirken so Sachen wie Ed Greenwoods Spielrunde "
Into the Forgotten Realms" und das "
Dragonlance Interactive Theater" in der Tat wie Zeichen eines Zeitenwandels.
Das folgende Jahr sah die Veröffentlichung des ersten
Dragonlance - Kalenders, der zweiten Charge an Modulen (DL6 - DL10) sowie des Rests der
Chronicles - Trilogie,
Dragons of Winter Night (April) und
Dragons of Spring Dawning (November). Das Projekt hatte sich sehr schnell als voller Erfolg erwiesen und ebnete den Weg für eine der wichtigsten (und profitabelsten) künftigen Entwicklungen TSRs. Um noch einmal
Game Wizards zu zitieren: "
If the company showed any fresh promise in this diffuclt times, the move into fantsy novels, ones with tie-ins to the gaming portfolio, was probably it." (15) Die
Chronicles verkauften sich so gut, dass Weis und Hickman umgehend an das Schreiben einer zweiten Trilogie, der
Legends, gehen konnten, deren Bände im Verlaufe des nächsten Jahres erscheinen würden. Bis 1987 sollen sich die Bücher insgesamt zwei Millionen Mal verkauft haben. (16)
Der Erfolg der Dragonlance - Romane und der mächtige Impuls, der damit der weiteren Entwicklung von TSR's Buchabteilung gegeben wurde, führte erst einmal dazu, dass Gary Gygax sich einen lange gehegten Wunsch erfüllen und sein Debüt als Romanautor feiern konnte. Aber die Umstände, unter denen das geschah, sahen sicher anders aus, als er sich das vorgestellt hatte. Im Oktober 1985 erschien Saga of Old City als erster Teil einer Greyhawk Adventures - Buchreihe. Am 22. desselben Monats trat jene schicksalshafte Vorstandssitzung zusammen, in deren Verlauf Lorraine Williams, die Gygax zur Rettung des Unternehmens an Bord geholt hatte, überraschend offenlegte, dass sie sich hinter dessen Rücken die Mehrheit der Anteile gesichert hatte. Gygax verlor seinen Führungsposten und (für immer) die Kontrolle über D&D. Ein Jahr später verließ er TSR.
Wenn wir versuchen wollen, Dragonlance im Kontext der amerikanischen Fantasyliteratur (und ihrer Rückwirkung auf D&D) einzuordnen, ist ein kurzer Blick in Gygax' ersten Roman recht erhellend. Denn obwohl Saga of Old City sein Erscheinen im Grunde den Chronicles verdankte, verkörpert das Buch in gewisser Weise eine ältere Entwicklungsstufe.
Gygax hatte schon seit längerem mit der Idee gespielt, einen eigenen Roman zu schreiben. Und Gord the Rogue, der Held von
Saga of Old City (und einer ganzen Reihe weiterer Bücher), war zwischenzeitlich sogar mal als Protagonist für ein Filmprojekt der DDEC (17) im Gespräch gewesen. Wie der Name schon vermuten lässt, handelt es sich um einen nachgerade archetypischen Sword & Sorcery - Helden. Gord ist ein Gauner aus den Slums von Greyhawk City, der erst zum erfolgreichen Meisterdieb, dann zum epischen Heroen aufsteigt. Im Vorwort zu seiner in
Dragon #100 (August 1985) veröffentlichten Kurzgeschichte
At Moonset Blackcat Comes gesteht Gygax ganz offen ein, dass Gord und sein barbarischer Kumpel Chert mehr als nur ein bisschen dem Vorbild von "
Fritz Leiber's famous characters Fafhrd and the Gray Mouser" verdanken. Dies war die Spielart der Fantasy, auf der D&D ursprünglich in erster Linie beruht hatte. Schon das Vorwort zur
allerersten Ausgabe des Regelwerks (1974) erwähnte als Vorbilder neben Leiber "
Burroughs' Martian adventures", "
Howard's Conan saga" und "
the de Camp and Pratt fantasies". Tolkien hingegen wurde nicht genannt. Bis einschließlich Nr #27 (Juli 1979) wurde
Dragon als "
The Magazine of Fantasy, Sword & Sorcery, and Science Fiction Game Playing" verkauft. Und noch die Einleitung zum
Dungeon Masters Guide (1979)
bezeichnet AD&D ausdrücklich als "
sword & sorcery role playing gaming". Darin spiegelte sich etwas von Gygax' persönlichen Vorlieben wieder. Wie er in einem in
Dragon #95 (März 1985)
erschienenen Artikel über seine prägenden Leseerlebnisse erzählt:
Somewhere I came across a story by
Robert E. Howard, an early taste of the elixir of fantasy to which I
rapidly became addicted. Even now I vividly recall my first perusal
of Conan the Conqueror, Howard's only full-length novel. After I
finished reading that piece of sword & sorcery literature for the
first time, my concepts of adventure were never quite the same again.
In einem
Interview mit
TheOneRing bezeichnete er sich als "
a Swords & Sorcery novel fan from
way back – I read my first Conan yarn about 1948, was a fan and
collector of the pulp SF and fantasy magazines since 1950".
Doch natürlich war er damit nicht allein. Als Kyle Gray in ihrem Artikel
Points to ponder (
Dragon #39 [Juli 1980]) Beispiele
für schwertschwingende Heldinnen aus der Fantasyliteratur aufzählte,
griff sie dabei sicher nicht zufällig ausschließlich auf die S&S zurück: Jirel
of Joiry, Dark Agnes, Red Sonja sowie "
Roland Green's Gwyanna of his Wandor series". Kein Wort von
Éowyn. Soweit meine beschränkten Kenntnisse mir erlauben, darüber ein Urteil abzugeben, scheint der Geist der Pulp-Phantastik in einem Gutteil des frühen D&D sehr präsent gewesen zu sein. Ein besonders schönes Beispiel dafür sind die drei Module von Tom Moldvay, die 1981/82 erschienen, und die ich gerne als sein "Pulp-Trio" bezeichne. Sie alle greifen sehr deutlich auf entsprechende Motive zurück:
The Isle of Dread (zusammen mit David "Zeb" Cook geschrieben) enthält viel
Lost World und
King Kong (inklusive Dinos);
The Lost City bedient sich bei Robert E. Howards Conan-Stories
The Slithering Shadow &
Red Nails und besitzt außerdem einen cthulhuiden Monstergott;
Castle Amber schließlich quillt über vor literarischen Bezügen, vor allem auf Clark Ashton Smiths Averoigne-Geschichten und das Werk Edgar Allan Poes. (18) Moldvay war 1979 von seinem Freund Lawrence Schick an Bord geholt worden, nachdem dieser die Leitung von TSRs neu gegründetem Design Department übernommen hatte. Seit den Mitt - 70ern hatten die beiden eine eigene Kampagnenwelt entwickelt, die in abgewandelter Form nun mit dem Expertenset von 1981 zur "Known World" von D&D wurde (später Mystara genannt). Wie man
diesem Artikel von Schick und
diesen Q&As entnehmen kann, ließen sie sich dabei u.a. von Howards Hyborian Age und Lovecrafts Cthulhu-Mythos inspirieren.
Abgesehen von den persönlichen Vorlieben einzelner Autoren und Designer, entsprach dies auch dem allgemeineren Bild der amerikanischen Fantasy der 70er Jahre. Trotz der Tolkienbegeisterung der späten 60er war die Sword & Sorcery eindeutig das dominierende Subgenre. Parallel dazu erlebten eine ganze Reihe alter Pulp-Autor*innen ein Revival. Das änderte sich sehr deutlich im darauffolgenden Jahrzehnt. Der High Fantasy - Boom begann zwar schon 1977 mit der Veröffentlichung von Terry Brooks' Sword of Shannara, aber es dauerte eine Reihe von Jahren, bis er sich allgemein durchsetzte.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Gygax' Artikel The Influence of J.R.R. Tolkien on the D&D and AD&D games mehrere Monate nach der Veröffentlichung von Dragons of Autumn Twilight erschien. In ihm erklärte er, dass der Lord of the Rings keinen signifikanten Einfluss auf die Entstehung von D&D gehabt habe, und erklärte alle tolkienschen Versatzstücke, die dennoch ihren Weg in das Regelwerk gefunden hatten, mit Marketinggründen:
The seeming parallels and inspirations
are actually the results of a studied effort to capitalize on the
then-current craze for Tolkien's literature. Frankly, to attract
those readers – and often at the urging of persons who were
playing prototypical forms of D&D games – I used certain
names and attributes in a superficial manner, merely to get their
attention!
Der Artikel endet mit der apodiktischen Erklärung: "[I]t is well nigh impossible to recreate any Tolkien-based fantasy while remaining within the boundaries of the game system." Doch Dragonlance war im Grunde genau das! RPG-Kampagne wie Romane stellten in gewisser Weise die Anpassung von D&D an den High Fantasy - Boom der 80er Jahre dar. Zur selben Zeit versuchte TSR zwar auch noch mit Modulen wie Conan Unchained! (1984) und Conan Against Darkness! (1984) sowie dem Conan - RPG (1985) von David Cook an den Erfolg von John Milius' Conan the Barbarian (1982) anzuknüpfen, aber die Zukunft lag eindeutig in Krynn.
Und mit Tracy Hickman hatte man genau den richtigen Mann, um diese Wende in die Wege zu leiten. Dieser besitzt nämlich eine sehr spezielle, stark von seinen religiösen Überzeugungen geprägte Sicht auf das Genre. Für ihn
ist Fantasy "
a moral medium". Was genau er darunter versteht, wird deutlich, wenn man seinen Essay
Ethics in Fantasy: Morality in D&D liest, eine sehr eigene Antwort auf die Satanic Panic der 80er Jahre. Dort teilt er die phantastische Literatur in drei Kategorien ein. Cyberpunk sei "
clearly counter-moral" mit seiner "
depressing view of society and the future". Das Subgenre findet deshalb keine Gnade unter seinem strengen Auge. Die Science Fiction im allgemeinen steht in der Mitte. Sie bezeichnet er als "
amoral", da sie sowohl eine anti-moralische als auch eine moralische Sichtweise zum Ausdruck bringen könne. Doch sein Favorit ist eindeutig die Fantasy, denn ihr genuines Thema sei der Kampf zwischen Gut und Böse und damit eine klare moralische Einteilung der Welt. Natürlich meint er damit vor allem die High Fantasy –
oder "
epic fantasy" wie er sich ausdrückt.
Fantasy [...] and particularly epic
fantasy has traditionally dealt with the conflicts of good and evil
in fairly clear terms. Theirs little doubt about who's wearing the
white hats in the Lord of the Rings.
Die Sword & Sorcery mit ihren nicht selten etwas anrüchigen Held*innen bewegte sich hingegen von Anfang an eher in einer moralischen Grauzone.
Da die Protagonist*innen der
Chronicles zugleich als Spielercharaktere in einer D&D - Kampagne fungierten, entsprechen sie nicht unbedingt den üblichen Konventionen der High Fantasy. Das gilt vor allem für die Kerntruppe der "Innfellows" –
den grummeligen alten Zwerg Flint Fireforge, die ungleichen Zwillingsbrüder Caramon und Raistlin Majere, den stets frohgemuten Tasslehoff Burrfoot, den altmodisch-"ritterlichen" Sturm Brightblade und den nur zögerlich seine Anführerrolle akzeptierenden Tanis Half-Elven. Als wanderlustige Abenteurer, von denen sich einige zwischenzeitlich auch schon mal als Söldner verdingt haben, besitzen sie beinahe so etwas wie eine "Sword & Sorcery - Vergangenheit". Schankmädchen Tika gehört gleichfalls zu dieser Kategorie. Allerdings fällt auf, dass der obligatorische "Dieb" der Gruppe (schließlich sollten alle Charakterklassen vertreten sein), kein Gauner und Halunke ist, sondern der Kender Tas (in der deutschen Übersetzung Tolpan), Angehöriger eines Volkes, das von unzähmbarer Neugier getrieben ständig irgendwelche intereressanten Gegenstände "mitgehen" lässt, ohne dabei das Gefühl zu haben, einen Diebstahl zu begehen. Auch wenn dieses Verhalten hauptsächlich dazu dient, irgendwelche "humorvollen" Verwicklungen zu initiieren, scheint mir seine "Unschuld" außerdem ein hilfreicher Kniff zu sein, damit die Figur nicht mit der "moralischen Ordnung" der Erzählung in Konflikt gerät. (19) Denn nicht nur gesellen sich der Gruppe bald schon Figuren wie die "Barbarenprinzessin" (und von den Göttern auserwählte) Goldmoon und ihr Geliebter Riverwind sowie die aristokratischen Elfen Laurana und Gilthanas hinzu. Unsere Held*innen finden sich außerdem sehr rasch in einen gewaltigen Krieg zwischen den Mächten des Guten und des Bösen verwickelt, in dem ihnen eine zentrale Rolle zukommt und von dessern Ausgang das Schicksal der Welt abhängt. Immerhin sind nicht nur die Drachen, die seit langem nur noch als Gestalten aus Sage und Mythos galten, nach Krynn zurückgekehrt. Takhisis, Königin der Finsternis und höchste Göttin des Pantheons des "Bösen", hat vor, die Welt in körperlicher Form zu betreten und dort persönlich ihre Herrschaft aufzurichten.
Nun hege ich schon seit längerem den Verdacht, dass der High Fantasy - Boom
der 80er Jahre in vielem ein Rückschritt war und darin allgemeinere gesellschaftliche Entwicklungen widerspiegelte. Um diese
These wirklich
belegen zu können, müsste ich freilich erst einmal sehr viel mehr epische Fantasy
der Zeit lesen. Und das wird mit ziemlicher Sicherheit nie geschehen. Ich bewege mich hier also auf extrem unsicherem Boden. Dennoch dachte ich mir, es könnte interessant sein, einige meiner dahingehenden Gedanken, soweit sie mit D&D und Dragonlance zu tun haben, hier kurz auszuführen.
Die 80er Jahre waren eine Ära der allgemeinen Reaktion. Dem Niedergang der rebellischen Massenbewegungen der 60er/70er und einer Reihe militanter Klassenkämpfe folgte der Gegenangriff der herrschenden Elite an allen Fronten –
ökonomisch, politisch, ideologisch, kulturell. Dazu gehörte auch der Aufstieg des christlichen Fundamentalismus zu einer politisch einflussreichen Kraft.