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Omnibusausgabe von 1987 mit einem Cover von Dino Marsan. |
Skalpell und Katzenklaue
Seiten
gestohlen worden waren, wenn Fafhrd auch aus langer Erfahrung wusste,
dass der Mausling selten über das Vorwort hinauskaum (obwohl er oft die
letzten Kapitel aufrollte und neugierig hineinschaute und beißende Kritik
äußerte)."
Fritz Leiber, Das Spiel des Adepten
Donnerstag, 18. Juli 2024
Allerlei magische Schwerter und ein Fantasy-Heist
Montag, 20. Mai 2024
Mehr Demokratie(n) in der Fantasy?
Ich begann diesen Beitrag vor drei Monaten zu schreiben, kurz nachdem Markus Mäurer auf Mastodon und Bluesky die folgende Frage gestellt hatte:
Wer kann mir (relativ klassische) Fantasy-Romane nennen, die in einer Sekundärwelt spielen und in denen Demokratie herrscht? Kein gerechter König, kein obskur berufener Rat der Weisen, keine Händlergilde, sondern wirklich demokratisch gewählte Volksfantasyvetreter. Mir will gerade keiner einfallen.
Ich fühlte mich dadurch an eine Diskussion erinnert, die im Frühjahr 2023 (damals noch auf Twitter) aufgekommen und in der es ebenfalls um die Frage gegangen war, warum es in der "klassischen" Fantasy so selten demokratische Staaten gibt und ob es nicht an der Zeit sei, dies zu ändern. Anlass waren die Krönungsfeierlichkeiten für Charles IIII. gewesen, die die (britische) Monarchie eine Zeit lang zum politischen Tagesthema gemacht und mit ihrem abstrusen Pomp zugleich die Absurdität des Fortlebens eines solchen feudalen Reliktes demonstriert hatten.
Fiction about kings and queens is not necessarily royalist fiction any more than fiction about anarchists is likely to be libertarian fiction. [...] It depends what use you make of such characters in a story and what, in the final analysis, you are saying.
It was Sir Walter that made every gentleman in the South a Major or a Colonel, or a General or a Judge, before the war; and it was he, also, that made these gentlemen value these bogus decorations. For it was he that created rank and caste down there, and also reverence for rank and caste, and pride and pleasure in them.Twain sah in der Ritterromantik eine direkte Reaktion auf den Freiheitsgeist der Französischen Revolution:
Then comes Sir Walter Scott with his enchantments, and by his single might checks this wave of progress and even turns it back; sets the world in love with dreams and phantoms; with decayed and swinish forms of religion; with decayed and degraded systems of government; with the silliness and emptiness, sham grandeurs, sham gauds, and sham chivalries of a brainless and worthless long-vanished society. (2)
For Americans there is an element of the romantic and the exotic about titles of nobility, about Baron Soandso, or Count Thisandsuch [...] In reality, the feudal landlords were vicious bloodsuckers – when not for personal reasons, than simply because of the nature of the property relations that ultimately defined everyone’s life. What I am not about to do is suggest that American fantasy writers ignore the exotic and romantic elements – your readers have them in their heads, and unless you see your job as primarily pedagogical (which I do not), what is in the reader’s head is key: it is easier to play with the reader’s head if you work with what you know is rattling around in there.What I want to point out is that the tension between the actual nature of the nobility and this sense of the romantic and exotic is something that, if we’re aware of it, we can play with to produce interesting effects. Just a few subtle hints about the reality, while still permitting the swirling capes and Byronic posturing, can really bring home the world and the character, and add a sense of depth. That is, be aware of the reality and of the feelings of the reader.
[Die Hauptstadt] Tyrsis war die Wegkreuzung der vier Länder, und durch seine Mauern und Landschaften strömten Angehörige aller Nationen, die den Einwohnern Gelegenheit gaben, zu sehen und zu begreifen, dass die Unterschiede in Gesicht und Körper bei den einzelnen Rassen unwichtig waren. Die Menschen hatten gelernt, die innere Person zu beurteilen. Ein riesiger Berg-Troll wurde nicht angestarrt und seiner bizarren Erscheinung wegen gemieden; Trolle kamen oft in dieses Land. Gnomen, Elfen und Zwerge aller Arten und Gattungen zogen regelmäßig hindurch, und wenn sie Freunde sein wollten, wurden sie willkommen geheißen. Balinor lächelte, als er von dieser neuen, sich ausbreitenden Erscheinung sprach, die endlich überall in den Ländern die Oberhand zu gewinnen schien, und er empfand Stolz darüber, dass sein Volk zu den ersten gehörte, die alte Vorurteile fallen ließen und nach gemeinsamen Grundlagen für Verständnis und Freundschaft suchten.Soweit stellt das einen durchaus interessanten, wenn auch erzählerisch wenig überzeugend umgesetzten, Gegenentwurf zu Tolkien dar. Aber dann geht Brooks noch einen Schritt weiter und erklärt das Reich zu einer konstitutionellen Monarchie:
Callahorn war eine der wenigen aufgeklärten Monarchien der Welt [...] Theoretisch eine Monarchie, beherrscht von einem König, bestand die Regierung auch aus einer parlamantarischen Körperschaft, deren Repräsentanten vom Volk gewählt wurden und für die Verabschiedung der Gesetze verantwortlich waren.
Ökonomisches Denkens bin ich nicht unfähig oder unkundig, und ich denke, soweit es die "Sterblichen" betrifft, Menschen, Hobbits und Zwerge, sind die Situationen so angelegt, dass ökonomische Wahrscheinlichkeit gegeben ist und sich ausführen ließe: Gondor hat genug Lehensgüter und Ländereien in städtischem Besitz mit guten Wasser- und Straßenverbindungen, um seine Bevölkerung zu versorgen; und offenbar hat es viele Industrien, die allerdings kaum erwähnt werden. (12)Für die uns beschäftigende Frage ist dieser Faktor von vorrangiger Bedeutung. Denn das oft gehörte Argument, in der Fantasy sei "alles möglich", gilt bei diesem Weltenmodell nur in sehr eingeschränkter Form, wenn das Ganze wirklich "in sich schlüssig" sein soll. Wenn in einer solchen Sekundärwelt eine Demokratie auftaucht, würde ich mich deshalb automatisch fragen: Wie hat eine solche Staatsordnung hier entstehen können? Auf welcher materiellen, sozialen und ökonomischen Grundlage basiert sie? Welche Schichten oder Klassen haben sie erkämpft? Und bei einer traditionell pseudo-mittelalterlichen oder von anderen vormodernen Kulturen inspirierten Fantasywelt würde ich schwerlich eine befriedigende Antwort auf diese Fragen erhalten können.
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Das "Lange Parlament", dessen Zusammentreten 1640 den Beginn der Englischen Revolution markierte |
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Die Gerichtsverhandlung gegen Louis Capet (Louis XVI.) vor dem Nationalkonvent von 1792 |
Etwas ähnliches ist auf ähnliche Weise sicher auch in der "klassischen" Fantasy machbar. Und ich denke, es wäre gar nicht so schlecht, wenn sich die Autor*innen dabei gleichfalls von den realen Klassenkämpfen der Vergangenheit inspirieren ließen. Das Material ist reichhaltig, vielfältig, in allen Kulturkreisen anzufinden und (soweit ich das beurteilen kann) von der Fantasy bislang nur wenig genutzt. Eine eingehendere Beschäftigung mit diesen historischen Episoden könnte u.a. dazu beitragen, den entsprechenden Erzählungen eine größere soziale Konkretheit zu verleihen. Statt eines Kampfes um abstrakte Ideale, Konflikte, die im realen Leben der Betroffenen verwurzelt sind, den sozialen Verhältnissen entspringen, unter denen sie existieren. Dabei zugleich aktuelle politische Fragen unserer Zeit zu berühren, sollte durchaus möglich sein. Vorausgesetzt man hält es nicht für notwendig, dabei gar zu direkt und unverhüllt vorzugehen.
Natürlich will ich damit nicht sagen, dass alle Welt nun "klassische" Fantasy über Bauernaufstände und Zunftrevolten schreiben solle. Zumal die erfolgreiche künstlerische Darstellung einer Revolution eine ziemlich schwierige Angelegenheit ist. Gar zu schnell driftet man dabei ins Romantisierende oder Pathetische ab. (19) Mich irritiert zwar schon, dass "politische Kämpfe" in der Fantasy immer noch viel zu oft aus dem Machtgerangel und den Intrigen aristokratischer Häuser und Sippen zu bestehen scheinen. Und ich würde mir durchaus wünschen, dass wir zur Abwechselung statt der "Politik der Herrschenden" auch einmal die "Politik der Beherrschten" zu sehen bekämen. Aber das kann ja sehr unterschiedliche Formen annehmen und der offene Aufstand muss dabei nicht notwednigerweise im Zentrum stehen. Mein ganz persönlicher Traum ist es immer noch, mich irgendwann einmal daran zu versuchen, Sword & Sorcery in der Ära des Großen Bauernkrieges (1525) zu schreiben. Dabei hätten mein Held und meine Heldin in ihrer Vergangenheit zwar auf unterschiedliche Weise Kontakt zu den revolutionären Bewegungen der Zeit gehabt, doch würde ich sie garantiert nicht an der Spitze aufständischer Bauernhaufen irgendwelche Klöster oder Burgen erstürmen lassen. Mir würde es mehr um die allgemeine Atmosphäre einer gesellschaftlichen Umbruchszeit gehen.
(1) Brief an Szabó Szentmihályi [Oktober 1971]. In: J.R.R. Tolkien: Briefe. Nr. 329. S. 539.
(2) Mark Twain: Life on the Mississippi. Kapitel XLVI. S. 314f.
Montag, 29. April 2024
Die Urbanisierung der Fantasy
[W]ithdrawing from the Industrial Revolution and Modern Times, the fantasy story is often set in a green, under-populated world of towns and small cities surrounded by wilderness, beyond which the exact and intricate map in the frontispiece does not go. This certainly appears to be a return to the world of the folktale.
I think they [...] imply that modern humanity is in exile, shut out from a community, an intimacy, it once knew. They do not so much lament, perhaps, as remind. The fields and forests, the villages and byroads, once did belong to us, when we belonged to them. That is the truth of the non-industrial setting of so much fantasy. It reminds us of what we have denied, what we have exiled ourselves fromAuch wenn sie klugerweise auf gar zu starre Definitionen verzichtet, stellt sie doch die vorsichtige These auf, das eigentliche Objekt der Fantasy sei nicht der Mensch:
I venture a non-defining statement: realistic fiction is drawn towards anthropocentrism, fantasy away from it. Although the green country of fantasy seems to be entirely the invention of human imaginations, it verges on and partakes of realms in which humanity is not lord and master,is not central, is not even important.Gerade hierin erblickt Le Guin das besondere "utopische" Potential der Fantasy. Denn im Unterschied zu allen anderen Literaturformen sei es ihr dadurch besonders gut möglich, uns Bewohner*innen einer zunehmend "homogenisierten" Welt das Gefühl zu vermitteln,
that there is somewhere else, anywhere else, where other people may live another kind of life. The literature of imagination, even when tragic, is reassuring, not necessarily in the sense of offering nostalgic comfort, but because it offers a world large enough to contain alternatives, and therefore offers hope.
Wir sollten von neuem das Grün ansehen und von neuem überrascht (aber nicht geblendet) werden durch Blau, Gelb und Rot. Wir sollten dem Kentauren und dem Drachen begegnen und dann vielleicht plötzlich, wie die Schafhirten des Altertums, der Schafe, Hunde und Pferde gewahr werden – und der Wölfe. Diese Heilung zu erzielen, helfen uns die Märchen.
so zu sehen, wie sie uns zugedacht sind (oder waren) – als von uns selber unabhängige Dinge. In jedem Falle müssen wir unsere Brillen putzen, damit die Dinge frei werden vom trüben Schleier der Abnutzung und Gewöhnung – frei von unserem Besitz. [...] Verblaßt oder zur schlechten Gewohnheit geworden ist uns dasjenige, das wir rechtlich oder seelisch in Besitz genommen haben. Von diesen Gesichtern sagen wir, wir würden sie kennen. Sie sind gleichsam zu etwas geworden, das uns einmal durch sein Glitzern, seine Form oder Farbe gereizt hat, auf das wir die Hände gelegt, das wir erworben, in der Truhe weggeschlossen und dann nicht mehr angeschaut haben. [...] Die schöpferische Phantasie [...] kann die Truhe aufbrechen und alle Wertsachen, die darin weggeschlossen waren, davonfliegen lassen wie Vögel aus dem Käfig. Aus allen Juwelen werden Blumen und Flammen, und wir erfahren, daß alles, was wir besaßen (oder wußten), stark und gefährlich war, frei und ungezähmt, daß es nicht wirklich sicher an der Kette lag – ebensowenig eins mit uns wie unser eigen. (1)
ansehnlicher Leute voll,und die Tische der Geldwechslersind ganz mit Münzen bedeckt.Er sah die Plätze und Straßenvoll von guten Arbeitern,die verschiedene Handwerke ausübten:jene polierten Schwerter,die einen walkten Tücher, andere webten,jene hechelten, diese schoren sie,andere schmolzen Gold und Silber,und machten gute und schöne Waren davon,machten Pokale und Schalenund emailliertes GeschmeideRinge, Gürtel und Schließen.Man hätte glauben und sagen können,dass in der Stadt immerzu Markt sei,so sehr war sie des Reichtums vollan Wachs, an Pfeffer, Scharlachröte,an kleinen grauen Pelzenund aller Art von Waren. (2)
Auf dem Gipfel des Berges erbauten die Elben schöne Häuser von strahlendem Weiß -- aus Marmor und Steinen, gerochen in den Bergen Valinors, die wunderbar glitzerten, aus Silver und Gold und einem Stoff von großer Härte und klarer durchsichtiger Weiße, den sie aus Muscheln herstellten, die sie im Tau Silpions auflösten; und die weißen Straßen dort, gesäumt von dunklen Bäumen, wanden sich in anmutigen Biegungen oder stiegen über Fluchten zierlicher Treppenstufen von den Ebenen Valinors zum höchsten Kôr hinauf; und alle diese strahlenden Häuser waren übereinander geschachtelt, bis man das Haus Inwes erreichte, das am höchsten lag und einen schlanken silbernen Turm hatte, der wie eine Nadel himmelwärts aufschoss, und darin war eine weiße Lampe mit durchdringendem Strahl, der die Düsternis der Bucht erhellte, doch jedes Fenster in der Stadt auf dem Berg von Kôr blickte hinaus auf das Meer.Üneraus schöne und zierliche Springbrunnen gab es dort, und Dächer und Turmspitzen bestanden aus hellem Glas und Bernstein, von Palurien und Ulmo gemacht, und Bäume standen dicht auf den weißen Mauern und Terassen, und ihre goldenen Früchte leuchteten kräftig. (7)
Die breiten Straßen von Gondolin waren mit Steinen gepflastert, mit Marmor eingefasst, und schöne Häuser und Höfe inmitten von blumenhellen Gärten säumten sie, und viele Türme erhoben sich gegen den Himmel, erbaut aus weißem Marmor und mit wundervollen Steinmetzarbeiten verziert. Plätze gab es, wo Springbrunnen waren und Vögel im Geäst uralter Bäume sangen, doch auf dem größten aller Plätze stand der Palast des Königs, und dessen Turm war der höchste der Stadt, und die Springbrunnen, die vor seinen Toren spielten, schossen mehr als einhundertfünfzig Fuß hoch in die Luft und fielen in einem klingenden Kristallregen nieder (8)Das sind weniger Städte als vielmehr Paläste mit den Dimensionen von Städten.
In jeder Straße kamen sie an irgendeinem großen Haus oder Hof vorbei, über dessen Türen oder gewölbten Torwegen viele schöne Buchstaben von seltsamer und altertümlicher Form eingemeißelt waren: Namen, vermutete Pippin, von großen Männern und von Sippen, die einst hier gewohnt hatten; doch nun waren sie still, und kein Schritt hallte über das breite Pflaster, keine Stimme war in den Hallen zu hören, kein Gesicht blickte aus der Tür oder den leeren Fenestern. (9)In der Logik der Erzählung ist das natürlich (auch) dem drohenden Belagerungszustand geschuldet, aber das ändert nichts an dem Eindruck, den solche Schilderungen bei den Leser*innen hinterlassen.
became acquainted with and sometimes friendly to, whores, bootleggers, gamblers, dope fiends, and yoggs, besides the general riff-raff drillers, tool dressers and roustabouts. (15)
It may sound fantastic to link the term "realism" with Conan; but as a matter of fact – his supernatural adventures aside – he is the most realistic character I ever evolved. He is simply a combination of a number of men I have known, and I think that's why he seemed to step full-grown into my consciousness when I wrote the first yarn of the series. Some mechanism in my sub-consciousness took the dominant characteristics of various prizefighters, gunmen, bootleggers, oil field bullies, gamblers, and honest workmen I had come in contact with, and combining them all, produced the amalgamation I call Conan the Cimmerian. (16)
I lost the job because I wouldn't kow-tow to my employer and 'yes' him from morning til night. That's one reason I was never very successfull in working for people. So many men think an employee is a kind of servant. I'm good natured and easy going, I detest and shrink from rows of all sort, but there's no use in a man swallowing everything. (17)Und auch die Arbeit als "Soda Jerk", so lehrreich sie in mancher Hinsicht auch gewesen sein mochte, war ihm letztenendes eine unerträgliche Qual. Und machte es ihm unmöglich, seinen wahren Interessen zu folgen. Um noch einmal die Erlebnisse von Steve Costigan in Post Oaks and Sand Roughs zu zitieren:
He did not read or write, scarcely had time to answer his correspondence. He had absolutely no time for recreation or even rest. All during the day he would dash back and forth behind the fountain which he had grown to hate. Scoring drinks and waiting on customers, doing many things he was not paid to do. At night he staggered home to fall into his bed and sleep the sodden sleep of utter exhaustion. He went to bed fatigued, and he woke up fatigued ... worse still was the mental effect of taking orders and occasional insults from the scum of the earth. (18)Dieser verhassten "Zivilisation" stellte er in Conan den Vertreter eines von individueller Freiheit geprägten "Barbarentums" entgegen.
He (Conan) slunk along alleys and shadowed plazas until he came to the district which was his destination -- the Maze. Along its labyrinthian ways he went with the certainty of familiarity. It was indeed a maze of black alleys and enclosed courts and devious ways; of furtive sounds, and stenches. There was no paving on the streets; mud and filth mingled in an unsavory mess. Sewers were unknown; refuse was dumped into the alleys to form reeking heaps and puddles. Unless a man walked with care he was likely to lose his footing and plunge waist-deep into nauseous pools. Nor was it uncommon to stumble over a corpse lying with its throat cut or its head knocked in, in the mud. Honest folk shunned the Maze with good reason. (19)
"Perhaps", the big man agreed, "but big or little, they all have a way of beginning in Lankhmar."Nun könnte man einwenden, dass der Mouser als Waisenkind aus den Slums der Bettlerstadt Tovilys zwar ohne Zweifel eine "urbane" Figur ist. Aber Fafhrd ist doch ein Barbar aus dem eisigen Norden. Entspricht er also nicht eher dem Conan-Archetyp? Nicht wirklich. Ich würde sogar soweit gehen, in ihm den ersten echten Anti-Conan zu sehen. Denn wie wir in The Snow Women erfahren, war er keineswegs glücklich in seiner Heimatgesellschaft, die von einem verknöcherten und unbarmherzigen Konservatismus beherrscht wird, gegen den der junge Fafhrd instinktiv aufbegehrte. Dabei erschien ihm die "Zivilisation" als ein aufregendes Reich der Freiheit. Diese naive Illusion zerschlägt sich zwar schnell, nachdem er zusammen mit der Schaustellerin und Diebin Vlana in Lankhmar angekommen ist. Und in späteren Geschichten wirft er sich manchmal recht gerne in die Conan-Pose und lässt abfällige Bemerkungen über die "dekadente Zivilisation" fallen. Aber wie der Mouser ihm (gleichfalls in The Swords of Lanhhmar) auf humorvolle Weise unter die Nase reibt, ist er in Wirklichkeit längst Teil dieser "verweichlichten und verkommenen" Welt geworden:
"Civilization!" the big man snarled. "I sometimes wonder --""-- why you climbed south over the Trollstep Mountains and got your beard trimmed and discovered that there were girls without hair on their chests", the small man finished for him.
And so Fafhrd and the Gray Mouser are at a standstill: civilization balanced against barbarism, tradition against freedom, individuality and progress opposed by conformity and compromise. How can one break free? What is the moral center of Leiber's universe, if not barbarism's stifling traditions or civilization's decadent freedoms? (20)Doch wenn das ein wenig erfreuliches Bild zu sein scheint, liegt das meiner Ansicht nach an der falschen Perspektive. Leibers Werk funktioniert eben nicht gemäß des howard'schen Gegensatzes. Er spielt mit diesem, weist ihn letztendlich aber zurück. Leiber sucht kein Ideal -- weder in den schneeverwehten Weiten der Eisöde, noch in den verwinkelten Gassen von Lankhmar. (Ebensowenig übrigens in irgendeiner göttlichen oder mythischen Weltordnung à la Tolkien). Aber das macht ihn nicht zynisch oder hoffnungslos.
Hoffentlich wird es mir irgendwann noch einmal gelingen, mich hier etwas ausführlicher über Fritz Leibers Fahfhrd & The Gray Mouser Stories auszulassen. Für den Moment muss das leider genügen. Sonst schläft dieser Blog doch noch ganz ein.
EDIT: Es ist heute vielleicht nur noch schwer nachvollziehbar, was für eine Pionierleistung Fritz Leibers "Urbanisierung der Fantasy" war. Das folgende Zitat aus einem Interview, das Karen Meisner 2011 anlässlich des Erscheinens der Urban Fantasy - Anthologie Welcome to Bordertown für Strange Horizons mit Holly Black, Terri Windling und Ellen Kushner führte, mag helfen, dies zu verdeutlichen. Kushner beschreibt dort die Lage des Genres zu Beginn der 80er Jahre:
I remember when I was a young writer and editor, the fashion in fantasy (except for Fritz Leiber) was for everything to be very rustic and rural and pastoral. And nostalgic for ye olde; everyone in those stories wore hanging sleeves! Tolkien had sold a lot of books, so that became the stamp and pattern. I remember feeling vague discomfort with the material because my life wasn't his life -- taking long long walks through the countryside, and all that.
Autoren wie Scott Lynch (Gentleman Bastards) und Saladin Ahmed (Throne of the Crescent Moon) sehen sich ganz bewusst in der von Leiber begründeten Tradition. Und Steven Brust (Vlad Taltos) hat einmal erklärt:
Mr. Leiber can reasonably be considered the man who invented the field where I make my living. [...] Howard invented *something* that contributed to the whole thing, but it isn't the special place where I work. Howard's world remained fundamentally rural; Leiber incorporated the urban, which had not been done before.
(1) J.R.R. Tolkien: Über Märchen. In: Ders.: Die Ungeheuer und ihre Kritiker. S. 187ff.
(2) Zit. nach: Jacques Le Goff: Das Hochmittelalter. S. 82f.
(3) Wenn Rudolf von Ems in seinem um 1220 entstandenen Guten Gerhard erstmals einen (Kölner) Kaufmann zum Helden eines höfischen Romans macht, spiegelt sich darin zwar ohne Zweifel die wachsende Bedeutung der Stadtwirtschaft wider. Doch beruht die moralische Vorbildlichkeit Gerhards bezeichnenderweise gerade darin, dass er sich nicht "wie ein Händler" verhält, sondern auf besonders vollkommene Weise feudale Tugenden wie die milte ("Freigebigkeit") an den Tag legt und ganz im Interesse von Adeligen wie dem englischen Kronprinzen Wilhelm handelt. Er ist der Großkaufmann, wie die Aristokraten ihn sich wünschten.
(4) Zit. nach: Humphrey Carpenter: J.R.R. Tolkien. Eine Biographie. S. 193.
(5) "[D]ie Haltung der 'Dienstbarkeit', die vollkommene Unterwerfung des ritterlichen 'Knechts' unter das Wünschen und Wollen der Dame". (J.R.R. Tolkien: Sir Gawain und der Grüne Ritter. In: Ders.: Die Ungeheuer und ihre Kritiker. S. 118).
(6) Entwurf eines Briefes an einen Leser des Herr der Ringe (ca. 1963). In: J.R.R. Tolkien: Briefe. Nr. 244. S. 423f.
(7) J.R.R. Tolkien: Das Buch der Verschollenen Geschichten. Bd. 1. S. 144f.
(8) J.R.R. Tolkien: Das Buch der Verschollenen Geschichten. Bd. 2. S. 176.
(9) J.R.R. Tolkien: Der Herr der Ringe. Bd. 2. S. 21.
(10) Brief an Naomi Mitchison [25. April 1954]. In: J.R.R. Tolkien: Briefe. Nr. 144. S. 230.
(11) J.R.R. Tolkien: Der Herr der Ringe. Bd. 2. S. 44.
(12) Zauberwelten. Herbst 2021. S. 31.
(13) Beowulf. V. 20-24.
(14) J.R.R. Tolkien: Der kleine Hobbit. S. 257; 250; 251; 253; 254; 255; 256; 249; 255; 291; 301.
(15) Zit. nach: Todd B. Vick: Rogues & Renegades. The Life and Legacy of Robert E. Howard. S. 83.
(16) Zit. nach: Mark Finn: Blood & Thunder. The Life & Art of Robert E. Howard. S. 172.
(17) Brief an Talman vom September 1931. Zit. nach: Ebd. S. 97.
(18) Zit. nach: Ebd. S. 99f.
(19) Robert E. Howard: Rogues in the House,
(20) Brian Murphy: Flame and Crimson: A History of Sword-and-Sorcery. S. 119.