"Außerdem studierte er abstruse Bücher, die aus chaldäischen Bibliotheken
gestohlen worden waren, wenn Fafhrd auch aus langer Erfahrung wusste,
dass der Mausling selten über das Vorwort hinauskaum (obwohl er oft die
letzten Kapitel aufrollte und neugierig hineinschaute und beißende Kritik
äußerte)."

Fritz Leiber, Das Spiel des Adepten


Freitag, 6. April 2012

Victoriana, Vulgaria & Transylvania


Nach der actionmäßig aufgemotzten Rückkehr von Sherlock Holmes soll nun also ein weiterer literarischer Held des viktorianischen Englands seine filmische Wiederauferstehung erleben: H. Rider Haggards Großwildjäger und Abenteurer Allan Quatermain. Mit einem Budget von 30 Mio. $ wollen Sonar Entertainment & Ecosse Films eine TV-Serie um den Helden von King Solomon’s Mine etc. produzieren. Mal sehen, was dabei rauskommen wird. War die letzte filmische Inkarnation Quatermains nicht Richard Chamberlain als müder Indiana Jones -Abklatsch?

Doch nur die Ruhe, so schlimm wird’s schon nicht werden. Wenn ich allerdings lese, dass es in der geplanten Serie um "verlorene Stämme, verschollene Schätze und afrikanischen Aberglauben" gehen soll (wie Stefan Holzhauer auf PhantaNews schreibt), dann kommen mir Bedenken ganz anderer Art. Muss ein neuer Quatermain nicht zwangsläufig einmal mehr das kolonialistische Bild Afrikas als ‘schwarzem Kontinent’ heraufbeschwören? Lässt sich die Geschichte vom ‘großen weißen Jäger’ überhaupt erzählen, ohne dabei in rassistische Klischees zu verfallen? Schon allein der Begriff ‘afrikanischer Aberglaube’ lässt mich erschauern, und vor meinem inneren Augen erscheint das Bild betrügerischer Hexen und Schamanen, die die Leichtgläubigkeit der ‘naiven Neger’ ausnutzen, nur um von dem aufgeklärten (aber nichts desto weniger natürlich christlichen) englischen Gentleman entlarvt und besiegt zu werden. Brrr ... Nichts gegen eine kritische Lektüre von H. Rider Haggards Abenteuerschinken – sie haben ihre starken Seiten –, aber brauchen wir so was wirklich als Fernsehserie? Wie wär’s denn stattdessen mal mit einer Verfilmung von Charles R. Saunders’ Imaro oder Dossouye?*

Der neue Quatermain ist bloß ein Beispiel für die anhaltende Begeisterung für alles Viktorianische. Ein weiteres präsentiert sich uns in Gestalt der Royal Honour Society, eines von Sony Pictures geplanten Films über die fiktiven Abenteuer von Jules Verne, H.G. Wells und Robert Louis Stevenson. Über den Inhalt des Entwurfs von Ernest Lupinacci, der als Ausgangspunkt für den Streifen dienen soll, ist nichts weiter bekannt. Giant Freakin Robot schreibt: "What form that adventure will take is anyone’s guess at this point, but it’s being billed a feature in the vein of The League of Extraordinary Gentlemen only, presumably, good." Und Stefan Holzhauer fügt hinzu: "Es würde mich doch sehr wundern, wenn der Film keine Steampunk-Ansätze hätte."
Mich auch, bloß fürchte ich, dass das genau die Art von Steampunk werden wird, die ich eher nicht mag. Man nehme drei berühmte Schriftsteller des 19. Jahrhunderts und mache sie zu Geheimagenten Ihrer Majestätet, füge ein paar oberflächliche Versatzstücke aus ihren phantastischen Werken bei, gebe eine ordentliche Dosis Steampunk-Maschinerie mit riesigen Zahnrädern und zischenden Dampfkesseln hinzu und verrühre das Ganze zu einer ebenso actionreichen wie hirnlosen Abenteuerstory, garniert mit ein paar pseudoviktorianischen Klischees. Wenn’s hochkommt bauen wir dann noch eine protofeministische Suffragette und Abenteuerin in die Handlung ein, damit die Geschichte nicht gar zu konservativ daherkommt.
Ich fände das weiter nicht schlimm, wenn man sich dabei nicht der Namen dreier Autoren bedienen würde, die eine Reihe ganz und gar nicht hirnloser Bücher geschrieben haben. Worin soll der Reiz bestehen, Verne, Wells und Stevenson in einer Geschichte zu erleben, die weder mit ihrem Leben noch mit ihren Werken irgendetwas zu tun haben wird? Dass der große Kritiker des Viktorianismus H.G. Wells dabei aller Voraussicht nach in einen typischen viktorianischen Gentleman verwandelt werden wird, fällt angesichts der offensichtlichen Banalität des Projektes kaum mehr ins Gewicht.

Eher bizarr mutet es an, dass es seit Juli 2011 ein Biopic über Joanne K. Rowling gibt, das nun als DVD auf den deutschen Markt kommt. Wie vulgär und selbstverliebt ist das denn?! Die Autorin hat es nicht nur geschafft, mit ihren Potter-Büchern zu einer der reichsten Frauen Großbritanniens zu werden, sie schlägt auch noch aus dem Prozess des Reichwerdens Profit. Denn abgesehen von ihrem kometenhaften kommerziellen Aufstieg dürfte ihre Lebensgeschichte wenig interessantes zu bieten haben. J.K. ist halt vor allem eine wirklich clevere Geschäftsfrau.

Habe ich also schon wieder bloß zu meckern? Nicht ganz! Dank Black Gates’s Goth Chick Sue Granquist ist mir der Trailer zu Hotel Transylvania unter die Augen gekommen – ein Film von Sony Pictures Animation & Columbia, der diesen Herbst ins Kino kommen soll.
Graf Dracula hat mit dem namengebenden Hotel eine Zufluchtsstätte für alle Kreaturen der Nacht in unserer so gar nicht monsterfreundlichen Welt geschaffen. Zum 118. Geburtstag seiner Tochter Mavis hat er nun einige VIPs der internationalen Monstergemeinde um sich versammelt, als plötzlich der menschliche Reisende Jonathan vor der Tür steht. In der Folge muss der Graf nicht nur dafür sorgen, dass das Geheimnis seiner Gäste gewahrt bleibt, er sieht sich zudem vor die Aufgabe gestellt, zu verhindern, dass sich Mavis in den jungen Kerl verliebt.


Okay, mit einer ordentlichen Portion Klischees werden wir auch hier zu rechnen haben, aber die Skelette unter der Dusche sind doch wirklich klasse.

* Kein wirklich ernstgemeinter Vorschlag. Zum einen kann ich mir nur schwer vorstellen, dass das heute wirklich jemand machen würde, zum anderen möchte ich nach dem letztjährigen Conan lieber erst mal keine weiteren Sword & Sorcery - Filme sehen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen