Ich finde es immer ziemlich ärgerlich, wenn Frankenstein als eine Warnung vor der angeblichen Hybris des modernen Menschen interpretiert wird. Oft geschieht dies dann auch noch mit einer deutlich religiösen Konnotation (‘Gott spielen’). Dass ein solches Element in Mary Shelleys Roman vielleicht auch vorhanden ist, will ich überhaupt nicht leugnen. Schließlich standen die Romantiker dem Glauben der Aufklärer an die Allmacht der Vernunft eher skeptisch gegenüber. Doch als eine radikale Absage an den Fortschrittsglauben war das Buch sicher nicht gedacht. Immerhin widmete es die Schriftstellerin ihrem Vater William Godwin, und hatte dieser in der ersten Auflage seiner Inquiry Concerning Political Justice nicht sogar die These aufgestellt, der von Staat und Privateigentum befreite Mensch der Zukunft werde in der Lage sein, körperliche Unsterblichkeit zu erlangen? Ich liebe die Universal-Horrorfilme der 30er Jahre, zu deren Glanzstücken James Whales Frankenstein (1931) und Bride of Frankenstein (1935) mit dem unsterblichen Boris Karloff gehören. Doch leider waren es vermutlich gerade sie, die die quasireligiöse und antiwissenschaftliche Interpretation der Geschichte um Victor Frankenstein und seine Kreatur ins kollektiven Bewusstsein eingebrannt haben.
Um so erfreulicher finde ich es, dass man in Jeff & Ann VanderMeers stets lesenswerter Weird Fiction Review jetzt eine völlig andere (und meiner eigenen Sichtweise sehr viel näherstehende) Interpretation des Monsters aus der Feder von Hal Duncan, dem Autor von The Book of All Hours, finden kann.
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