"Außerdem studierte er abstruse Bücher, die aus chaldäischen Bibliotheken
gestohlen worden waren, wenn Fafhrd auch aus langer Erfahrung wusste,
dass der Mausling selten über das Vorwort hinauskaum (obwohl er oft die
letzten Kapitel aufrollte und neugierig hineinschaute und beißende Kritik
äußerte)."

Fritz Leiber, Das Spiel des Adepten


Montag, 9. September 2013

Kleiner Einblick in ein Hollywood-Hirn

Einen erstaunlichen Mangel an Professionalität an den Tag legend, hat sich Drehbuchschreiber und Produzent Roberto "Bob" Orci letzte Woche auf trekmovie.com dazu hinreißen lassen, Kritiker von Star Trek Into Darkness als "shitty fans" und "morons" zu beschimpfen. Nachzulesen sind seine Ausfälle in den Kommentaren zu Joseph Dickersons Artikel Star Trek is broken -- Here are ideas on how to fix it.
Durch einen Beitrag von Emily Asher-Perrin auf den Zwischenfall aufmerksam geworden, habe ich mir nicht die Mühe gemacht, die unzähligen Kommentare durchzulesen, in deren Mitte sich boborcis Ausfälle finden. Persönlich stehe ich allen Versuchen, Star Trek zu "reparieren", sehr skeptisch gegenüber. Auch muss ich zugeben, dass ich selbst so meine Probleme mit dem Fandom habe. Keins von beidem spielt jedoch eine Rolle, wenn es um Orcis Äußerungen geht. Denn diese interessieren mich weniger als Beiträge zu einer Diskussion über die Zukunft des Franchises. Was ich an ihnen faszinierend finde, ist vielmehr, dass sie uns einen kleinen Einblick in das Denken eines relativ einflussreichen Mitglieds der Filmindustrie eröffnen. Orci ist schließlich nicht irgendwer. Der Hollywood Reporter nahm ihn 2007 in seine Liste der "50 mächtigsten Latinos von Hollywood" auf (wenn auch bloß auf Platz 35). Ein Artikel im Forbes Magazine vom Mai 2011 feiert ihn und seinen Kumpel Alex Kurtzman als "Hollywood's Secret Weapons". Der Grund hierfür ist simpel: Die von ihnen geschriebenen bzw. produzierten Filme "have booked a total $3 billion at the box office in six years." Das Paar selbst habe in den letzten zwölf Monaten schätzungsweise 10 Mio. Dollars verdient. Braucht es noch weitere Argumente? Vor diesem Hintergrund halte ich es für naheliegend, in der aggressiven Arroganz, mit der Orci auf seine Kritiker reagiert, etwas symptomatischeres zu sehen, als bloß den Ausdruck einer unreifen Persönlichkeit.
Hören wir uns den guten Herrn mal im O-Ton an:
I think the article above is akin to a child acting out against his parents. Makes it tough for some to listen, but since I am a loving parent, I read these comments without anger or resentment, no matter how misguided.
Having said that, two biggest Star Treks in a row with best reviews is hardly a description of “broken.” And frankly, your tone and attidude make it hard for me to listen to what might otherwise be decent notions to pursue in the future. Sorry, Joseph. As I love to say, there is a reason why I get to write the movies, and you don’t. (310)
don’ take me too seriously. if you’ve been on this board for the lar 5 years (as I have beeb) you know that twice a year I explode at the morons. today, there seemed to be a congregation, so it seemed like a good time.you are the most listened to fans ever. That doesn’t mean you will get is to do what you want. just means what I said: I listened. Then we decided, having heard as many opinions as possible. To paraphrase of one of my great and beloved heroes, George W. Bush, “we’re the deciders…. (398)
Was für ein eingebildetes Arschloch! Doch fürchte ich, dass die Mentalität, welche Orcis herablassendem und selbstherrlichem Tonfall zugrundeliegt, in den Chefetagen der amerikanischen Filmindustrie heutzutage ziemlich weit verbreitet sein dürfte. Es ist die Mentalität des Blockbuster-Kinos, welches keineswegs – wie oft behauptet – "dem Publikum gibt, was das Publikum will", sondern dieses vielmehr als bloßen Konsumentenpöbel betrachtet, der zu fressen hat, was man ihm vorsetzt. Was natürlich nicht ausschließt, dass man Marktforschung betreibt ("I listened"). Durch geschickte Manipulationen möglichst viele "Zielgruppen" ("demographics") einzufangen, gehört vielmehr zur hohen Kunst des Blockbustertums.
Doch nicht nur die Zuschauerinnen & Zuschauer, auch der Film als Kunstform wird mit offener Verachtung behandelt. Natürlich hat Orci recht, wenn er schreibt: "[T]here is a reason why I get to write the movies, and you don’t." Bloß ist dieser Grund nichts, worauf man stolz sein sollte. Ein kurzer Blick in seine Filmographie zeigt, dass Oberflächlichkeit, Konformismus und Fantasielosigkeit die einzigen Merkmale sind, durch die sich seine Werke bis heute ausgezeichnet haben. Selbst wenn man gnädigerweise darüber hinwegsieht, dass er an Michael Bays Magnum Opus der cineastischen Scheiße Transformers 2 mitgewirkt hat, wofür er eigentlich ein paar Jahre in der Schamecke verdient hätte, findet sich da nichts, was es ihm erlauben würde, derart hochmütig aufzutreten: The Island (2005), The Legend of Zorro (2005), Mission Impossible III (2006), Transformers (2007), Watchmen (2009), Star Trek (2009), Cowboys & Aliens (2011), People Like Us (2012).
Nicht wenige der in Hollywood tätigen Künstler & Künstlerinnen geben zumindest hin und wieder zu verstehen, dass sie nicht damit zufrieden sind, bloß Blockbuster zu drehen oder in ihnen mitzuwirken. Orci scheint nicht zu dieser Kategorie zu gehören, obwohl er sich offenbar einbildet, dass der sentimentale Streifen People Like Us seine kleine Rebellion gegen die Studios darstelle. Doch selbst dann noch wirkt es auf den ersten Blick unverständlich, dass ein solches Oeuvre ausreichen soll, um ein derart aufgeblasenes Ego hervorzubringen. Auf den ersten Blick, denn dann fällt einem wieder der Forbes - Artikel ein ... "a total $3 billion at the box office in six years" ... Leute wie Orci glauben offenbar, dass kommerzieller Erfolg ("two biggest Star Treks in a row") der ultimative Maßstab für filmerische Qualität sei. In Anbetracht des aktuellen Zustands unserer Kultur und Gesellschaft kein Wunder, aus der Sicht eines echten Freundes der Filmkunst jedoch nichts weiter als ein Beweis für bodenlose Dummheit.

PS: Dass Orci in seinen Kommentaren mehrfach betont, Star Trek Into Darkness zeichne sich durch seine "social commentaries" aus, finde ich beinahe lustig. Welche Art sinnvoller gesellschaftlicher Kommentare können aus der Feder eines Mannes stammen, der George W. Bush – einen der größten Kriegsverbrecher unserer Zeit – als "one of my great and beloved heroes" bezeichnet? Der gute alte Gene Roddenberry würde im Grabe rotieren, wenn man ihn nicht im Weltraum beigesetzt hätte ...

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