daz im diu werlt des lobes jach,
des fröute er sich sêre
und gelobte dur ir êre,
er wolde vasten alle tage,
unz er von sehene ald von sage
vernæme ein niuwez mære
dâvon ze sagene wære.
Der Stricker, Daniel von dem Blühenden Tal (75-82)*
In den Artusromanen des Mittelalters ist es üblich, dass die Ritter nach jeder bestandenen Aventuirefahrt an den Königshof zurückkehren und dort von ihren Erlebnissen erzählen. Wie angekündigt, werde ich es bei meiner eigenen Queste durch die Fährnisse der vier Staffeln von Merlin ähnlich halten und nach jeder bestandenen Teiletappe vor meine Hofgesellschaft treten, um ihr von meinen Abenteuern zu berichten. So lauscht denn, edle Damen und ruhmreiche Ritter, und erfahrt, was mir auf meiner ersten Aventuire begegnet ist.**
Zu Beginn sei noch einmal betont, dass die Welt, in der Merlin spielt, weder das mittelalterliche Britannien noch der Kosmos der mittelalterlichen Artusdichtung ist, sondern eine Provinz von Fantasyland, vergleichbar dem Universum von Xena oder Sinbad. Deshalb ist es auch völlig in Ordnung, dass in Uthers Reich Schwarze wie Weiße leben, Tee getrunken wird, die christliche Religion scheinbar keine Rolle spielt, die künftige Königin Guinevere die Tochter eines Schmieds und Kammerdienerin ist, und Morgana mit dem Schwert umzugehen versteht. Jede Kritik, die sich gegen solche 'unrealistischen' Züge der Serie richtet, basiert auf falschen Voraussetzungen. Merlin will nichts anderes sein als Fernseh-Fantasy für die ganze Familie. Als solche ist die Serie vielleicht kein Meisterwerk, erweist sich in der ersten Staffel aber als unterhaltend, sympathisch und leidlich intelligent.
Die Grundidee ist – wenn auch von Smallville inspiriert – recht originell.*** Statt einmal mehr die Geschichte von der Tafelrunde zu erzählen, widmet sich die Serie der Jugendzeit von Merlin und Arthur, bevor letzterer den Thron von Camelot bestiegen hat. Irgendwelche Rücksichten auf die authentische Artusüberlieferung werden dabei nicht genommen, gewisse Grundkenntnisse jedoch vorausgesetzt. Wenn ein kleiner Junge Mordred heisst, sollte z.B. klar sein, dass von ihm nichts gutes zu erwarten ist. Eher ein Witz für die Eingeweihten ist es hingegen, wenn der Hofgenealoge den Namen Geoffrey of Monmouth trägt. Neckisch auch der Einfall, ganz nebenbei einige der bekanntesten Ritter der Tafelrunde wie Bedivere und Owein über die Klinge springen zu lassen – lange bevor es eine Tafelrunde überhaupt gibt.
Für alle, die die Serie gar nicht kennen, eine kurze Zusammenfassung der Grundidee:
Arthurs tyrannischer Vater Uther Pendragon herrscht über ein Reich, in dem das Praktizieren von Zauberei unter Androhung der Todesstrafe verboten ist. Merlin, der von dem Hofmedikus Gaius unter seine Fittiche genommen wird, ist deshalb gezwungen, sein angeborenes magisches Talent verborgen zu halten. Gleichzeitig versuchen ihn sowohl Gaius als auch ein in einer Höhle unter Camelot gefangen gehaltener Drache davon zu überzeugen, es sei sein Schicksal, dafür zu sorgen, dass Arhur eines Tages ganz Albion unter seiner gerechten Herrschaft vereinigt. Nachdem er das Leben des arroganten Kronprinzen gerettet hat, wird Merlin zu dessen Leibdiener ernannt und befindet sich damit in der idealen Position, um ihn und das Reich vor immer neuen Anschlägen diverser Feinde zu bewahren. Hauptgegenspielerin in der ersten Staffel ist dabei die Zauberin Nimue, die in gewisser Weise für den Tod von Arthurs Mutter und damit auch für Uthers blindwütigen Hass auf alle Magie verantwortlich ist.
Die Serie lebt in erster Linie von ihren charismatischen Hauptdarstellern Colin Morgan als Merlin und Bradley James als Arthur, die offenbar mit viel Spaß bei der Sache waren, was sich auch auf die Zuschauer überträgt. Die Beziehung dieser beiden Charaktere bildet das Herz von Merlin. Arthur wirkt zu Beginn wie der typische eingebildete Adelssprössling, und wir können nur zu gut verstehen, dass unser Held sein angebliches Schicksal und seine Rolle als Leibdiener keineswegs begeistert umarmt. Allerdings wird ihm relativ bald bewusst, dass der Prinz neben seinen unerträglichen Eigenschaften auch sehr positive Anlagen besitzt: Er verfügt über ein ausgeprägtes Pflichtbewusstsein und einen scharfen Sinn für Gerechtigkeit. Auch verbirgt sich unter seiner extremen Arroganz ein mitfühlendes Herz. Und so entwickelt Merlin schon bald ein Gefühl ehrlicher Freundschaft für Arthur. Auch der Prinz sieht in ihm nach und nach mehr einen Vertrauten als einen bloßen Lakaien. Dennoch bleibt die kuriose 'Herr - Diener' - Beziehung, in der der 'Diener' zugleich der magische Schutzengel des 'Herren' ist, das Kernelement der Serie. Auf ihr basiert ein Großteil des Humors von Merlin.
Was die übrigen Darsteller und Darstellerinnen angeht, so ist es stets ein Vergnügen, Anthony Head (Buffys Giles) in Aktion zu erleben, dessen Uther die wohl komplexeste Figur der Serie ist: Gequält von Trauer und Schuldgefühlen, oft selbstherrlich und leicht erzürnbar, meist unfähig, seine wahren Gefühle für die ihm nahestehenden Menschen zu zeigen, wirkt er zugleich hassenswert und mitleidserregend. Angel Coulby als Morganas Kammerdienerin und Vertraute "Gwen" Guinevere sowie Richard Wilson als Merlins humorvoll-väterlicher Mentor Gaius hinterlassen gleichfalls einen im Großen und Ganzen positiven Eindruck. Am schlechtesten schneidet in der ersten Staffel eindeutig Katie McGrath als Morgana ab, was aber nicht allein ihre Schuld, sondern auch die der Drehbuchschreiber sein könnte, denen es schwergefallen zu sein scheint, dem Charakter der künftigen großen Gegenspielerin, die hier noch ganz Sympathieträgerin ist, eindeutige Gestalt zu verleihen.
Von Anfang an besonders gut gefallen hat es mir, dass Merlin im Unterschied zu so vielen Vertretern der 08/15-Fantasy die Realitäten einer feudalen Ständegsellschaft nicht einfach ignoriert. Auch wenn die Darstellung naiv und ziemlich oberflächlich ist, lässt sie doch keinen Zweifel an der Ungerechtigkeit dieser Ordnung und an der von ihr hervorgerufenen Verzerrung zwischenmenschlicher Beziehungen. Im Falle von Merlin und Arthur löst sich dieser Konflikt meist in humorvollen Wortgeplänkeln auf, doch bei jemandem wie Lanzelot, dessen ganzer Lebensinhalt darin besteht, ein Ritter zu werden, was ihm als einem Mann aus einfachen Verhältnissen unter den gegebenen Umständen für immer verwehrt bleiben muss, werden auch ernstere Töne angeschlagen (Ep. 5: "Lancelot"). Und auch wenn wir mit Arthur den kommenden 'guten König' vor uns haben, erleben wir ihn doch vor allem als hochmütigen jungen Mann, der ganz selbstverständlich erwartet, dass alle Welt seinen Launen gehorchen und ihm stets zu Diensten sein muss. Außerdem sitzt mit Uther nach wie vor ein wahrer Despot auf dem Thron von Camelot, der scheinbar bedenkenlos Tausende von Menschen während seines Kreuzzugs gegen die Zauberei in den Tod geschickt hat. Das gibt auch den meisten Bösewichtern eine zumindest im Ansatz nachvollziehbare Motivation. So wenn Nimue Uther gegenüber erklärt, sie habe unzählige geliebte Personen von seiner Hand sterben sehen, nun werde sie dafür sorgen, dass er mit Arthur den Menschen verliert, der ihm am meisten bedeutet (Ep. 13: "Le Morte d'Arthur"). Ebenso werden Morganas erste Schritte auf dem Weg zur Gegenspielerin von ihrem berechtigten Abscheu vor der Härte und Grausamkeit des Königs motiviert. Ihr erster, noch halbherziger und letztlich von ihr selbst abgebrochener Versuch, ihren Vormund zu ermorden, geschieht in Reaktion auf die Hinrichtung von Gwens Vater, der ungerechtfertigterweise des Hochverrats und der Konspiration mit Zauberern angeklagt wurde (Ep. 12: "To Kill the King").
Gleichfalls recht ansprechend fand ich den Umgang der ersten Staffel mit dem Motiv von Schicksal und Vorherbestimmung. Merlin ist zwar der typische auserwählte Fantasyheld, der eine Bestimmung zu erfüllen hat, die die Weisen bereits vor Jahrhunderten in den Sternen, ihren Kristallkugeln oder im Kaffeesatz vorhergesehen haben, aber er sperrt sich sehr deutlich dagegen, seine Entscheidungen in allen Fällen von diesem angeblichen Schicksal abhängig zu machen. Gaius und der Drache spielen die klassische Rolle des Mentoren, dessen Autorität in der 08/15-Fantasy für gewöhnlich so gut wie unangreifbar ist. Doch immer dann, wenn sie etwas von ihm verlangen, was seinem Gewissen oder seinen eigenen Wertvorstellungen widerspricht, verweigert Merlin ihnen den Gehorsam. Am offensichtlichsten wird dies, wenn der Drache von ihm verlangt, nicht das Leben des kleinen Druidenjungen Mordred zu retten, da dieser eines Tages für den Tod Arthurs verantwortlich sein werde. Dem hält Merlin entgegen, dass die Zukunft nicht in Stein gemeißelt sei, und er nicht tatenlos mit ansehen könnee, wie ein unschuldiges Kind ermordet wird (Ep. 8: "The Beginning of the End"). Wir als Zuschauer wissen natürlich, dass Mordred wohl auch in dieser Version der Artusgeschichte tatsächlich einen entscheidenden Beitrag zum Untergang Camelots leisten wird, doch sollte man daraus nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass der Drache in diesem und ähnlichen Punkten recht hat. Würde Merlin seinen Befehlen folgen, so hätte dies Auswirkungen, die möglicherweise viel verheerender wären als alles, was ein Mordred in Zukunft anstellen kann. Merlins Charakter würde sich tiefgreifend verändern. Er würde von einem mitfühlenden Menschen zu einem bloßen Werkzeug des 'Schicksals', und wie könnte er dann noch seine eigentliche Aufgabe erfüllen, dem von Standesdünkeln verblendeten Arthur die Augen für den Wert echter Menschlichkeit zu öffnen? Ob der hier gegebene Ansatz zu einer kritischen Behandlung des in der Fantasy so verbreiteten Motivs des Auserwähltseins im weiteren Verlauf der Serie ausgebaut wird oder nicht, werden wir noch sehen.
Trotz dieser positiven Eindrücke, besitzt die erste Staffel auch ziemlich deutliche Schwächen. Im Einzelnen genommen sind die Episodenabenteuer soweit in Ordnung. Okay, die miese Tricktechnik vergällt einem das Vergnügen an dem Greif in Ep. 5: "Lancelot", und ich persönlich empfinde eine tiefe Abneigung gegen alle Rip-Offs von Akira Kurosawas Die sieben Samurai wie in Ep. 10: "The Moment of Truth". Doch davon einmal abgesehen, besitzen sie alle ihren Unterhaltungswert. Das Problem liegt eher in der Gesamtstruktur der Staffel. Mein erster Eindruck war der, dass die Drehbuchschreiber sich nicht sicher gewesen wären, ob es noch eine zweite geben würde, und deshalb möglichst viel bereits in diese hineinstopfen wollten. So werden uns alle möglichen Ansätze zu epischen Handlungsbögen geliefert ("Lancelot", "The Beginning of the End", Excalibur", "The Moment of Truth", "To Kill the King"), die sich jedoch entweder als bloße Red Herrings erweisen oder nicht konsequent weitergeführt werden. Im Ganzen gesehen hinterlässt die erste Staffel deshalb den Eindruck einer äußerst ruckligen Fahrt. Immer wieder wird aufs Gaspedal getreten, nur um im nächsten Augenblick die Bremse zu ziehen. Man könnte dies für das nicht seltene Erste Staffel - Anfänger - Syndrom halten. Oft dauert es ja ein bisschen, bis eine TV-Serie den richtigen Rhytmus gefunden hat. Doch wie wir bald schon sehen werden, hat man darin wohl eher die ersten Anzeichen für ein sehr viel grundsätzlicheres Problem zu sehen, das in der Struktur von Merlin selbst angelegt ist. Darüber will ich mich ausführlicher jedoch erst im nächsten Post äußern.
Die Grundidee ist – wenn auch von Smallville inspiriert – recht originell.*** Statt einmal mehr die Geschichte von der Tafelrunde zu erzählen, widmet sich die Serie der Jugendzeit von Merlin und Arthur, bevor letzterer den Thron von Camelot bestiegen hat. Irgendwelche Rücksichten auf die authentische Artusüberlieferung werden dabei nicht genommen, gewisse Grundkenntnisse jedoch vorausgesetzt. Wenn ein kleiner Junge Mordred heisst, sollte z.B. klar sein, dass von ihm nichts gutes zu erwarten ist. Eher ein Witz für die Eingeweihten ist es hingegen, wenn der Hofgenealoge den Namen Geoffrey of Monmouth trägt. Neckisch auch der Einfall, ganz nebenbei einige der bekanntesten Ritter der Tafelrunde wie Bedivere und Owein über die Klinge springen zu lassen – lange bevor es eine Tafelrunde überhaupt gibt.
Für alle, die die Serie gar nicht kennen, eine kurze Zusammenfassung der Grundidee:
Arthurs tyrannischer Vater Uther Pendragon herrscht über ein Reich, in dem das Praktizieren von Zauberei unter Androhung der Todesstrafe verboten ist. Merlin, der von dem Hofmedikus Gaius unter seine Fittiche genommen wird, ist deshalb gezwungen, sein angeborenes magisches Talent verborgen zu halten. Gleichzeitig versuchen ihn sowohl Gaius als auch ein in einer Höhle unter Camelot gefangen gehaltener Drache davon zu überzeugen, es sei sein Schicksal, dafür zu sorgen, dass Arhur eines Tages ganz Albion unter seiner gerechten Herrschaft vereinigt. Nachdem er das Leben des arroganten Kronprinzen gerettet hat, wird Merlin zu dessen Leibdiener ernannt und befindet sich damit in der idealen Position, um ihn und das Reich vor immer neuen Anschlägen diverser Feinde zu bewahren. Hauptgegenspielerin in der ersten Staffel ist dabei die Zauberin Nimue, die in gewisser Weise für den Tod von Arthurs Mutter und damit auch für Uthers blindwütigen Hass auf alle Magie verantwortlich ist.
Die Serie lebt in erster Linie von ihren charismatischen Hauptdarstellern Colin Morgan als Merlin und Bradley James als Arthur, die offenbar mit viel Spaß bei der Sache waren, was sich auch auf die Zuschauer überträgt. Die Beziehung dieser beiden Charaktere bildet das Herz von Merlin. Arthur wirkt zu Beginn wie der typische eingebildete Adelssprössling, und wir können nur zu gut verstehen, dass unser Held sein angebliches Schicksal und seine Rolle als Leibdiener keineswegs begeistert umarmt. Allerdings wird ihm relativ bald bewusst, dass der Prinz neben seinen unerträglichen Eigenschaften auch sehr positive Anlagen besitzt: Er verfügt über ein ausgeprägtes Pflichtbewusstsein und einen scharfen Sinn für Gerechtigkeit. Auch verbirgt sich unter seiner extremen Arroganz ein mitfühlendes Herz. Und so entwickelt Merlin schon bald ein Gefühl ehrlicher Freundschaft für Arthur. Auch der Prinz sieht in ihm nach und nach mehr einen Vertrauten als einen bloßen Lakaien. Dennoch bleibt die kuriose 'Herr - Diener' - Beziehung, in der der 'Diener' zugleich der magische Schutzengel des 'Herren' ist, das Kernelement der Serie. Auf ihr basiert ein Großteil des Humors von Merlin.
Was die übrigen Darsteller und Darstellerinnen angeht, so ist es stets ein Vergnügen, Anthony Head (Buffys Giles) in Aktion zu erleben, dessen Uther die wohl komplexeste Figur der Serie ist: Gequält von Trauer und Schuldgefühlen, oft selbstherrlich und leicht erzürnbar, meist unfähig, seine wahren Gefühle für die ihm nahestehenden Menschen zu zeigen, wirkt er zugleich hassenswert und mitleidserregend. Angel Coulby als Morganas Kammerdienerin und Vertraute "Gwen" Guinevere sowie Richard Wilson als Merlins humorvoll-väterlicher Mentor Gaius hinterlassen gleichfalls einen im Großen und Ganzen positiven Eindruck. Am schlechtesten schneidet in der ersten Staffel eindeutig Katie McGrath als Morgana ab, was aber nicht allein ihre Schuld, sondern auch die der Drehbuchschreiber sein könnte, denen es schwergefallen zu sein scheint, dem Charakter der künftigen großen Gegenspielerin, die hier noch ganz Sympathieträgerin ist, eindeutige Gestalt zu verleihen.
Von Anfang an besonders gut gefallen hat es mir, dass Merlin im Unterschied zu so vielen Vertretern der 08/15-Fantasy die Realitäten einer feudalen Ständegsellschaft nicht einfach ignoriert. Auch wenn die Darstellung naiv und ziemlich oberflächlich ist, lässt sie doch keinen Zweifel an der Ungerechtigkeit dieser Ordnung und an der von ihr hervorgerufenen Verzerrung zwischenmenschlicher Beziehungen. Im Falle von Merlin und Arthur löst sich dieser Konflikt meist in humorvollen Wortgeplänkeln auf, doch bei jemandem wie Lanzelot, dessen ganzer Lebensinhalt darin besteht, ein Ritter zu werden, was ihm als einem Mann aus einfachen Verhältnissen unter den gegebenen Umständen für immer verwehrt bleiben muss, werden auch ernstere Töne angeschlagen (Ep. 5: "Lancelot"). Und auch wenn wir mit Arthur den kommenden 'guten König' vor uns haben, erleben wir ihn doch vor allem als hochmütigen jungen Mann, der ganz selbstverständlich erwartet, dass alle Welt seinen Launen gehorchen und ihm stets zu Diensten sein muss. Außerdem sitzt mit Uther nach wie vor ein wahrer Despot auf dem Thron von Camelot, der scheinbar bedenkenlos Tausende von Menschen während seines Kreuzzugs gegen die Zauberei in den Tod geschickt hat. Das gibt auch den meisten Bösewichtern eine zumindest im Ansatz nachvollziehbare Motivation. So wenn Nimue Uther gegenüber erklärt, sie habe unzählige geliebte Personen von seiner Hand sterben sehen, nun werde sie dafür sorgen, dass er mit Arthur den Menschen verliert, der ihm am meisten bedeutet (Ep. 13: "Le Morte d'Arthur"). Ebenso werden Morganas erste Schritte auf dem Weg zur Gegenspielerin von ihrem berechtigten Abscheu vor der Härte und Grausamkeit des Königs motiviert. Ihr erster, noch halbherziger und letztlich von ihr selbst abgebrochener Versuch, ihren Vormund zu ermorden, geschieht in Reaktion auf die Hinrichtung von Gwens Vater, der ungerechtfertigterweise des Hochverrats und der Konspiration mit Zauberern angeklagt wurde (Ep. 12: "To Kill the King").
Gleichfalls recht ansprechend fand ich den Umgang der ersten Staffel mit dem Motiv von Schicksal und Vorherbestimmung. Merlin ist zwar der typische auserwählte Fantasyheld, der eine Bestimmung zu erfüllen hat, die die Weisen bereits vor Jahrhunderten in den Sternen, ihren Kristallkugeln oder im Kaffeesatz vorhergesehen haben, aber er sperrt sich sehr deutlich dagegen, seine Entscheidungen in allen Fällen von diesem angeblichen Schicksal abhängig zu machen. Gaius und der Drache spielen die klassische Rolle des Mentoren, dessen Autorität in der 08/15-Fantasy für gewöhnlich so gut wie unangreifbar ist. Doch immer dann, wenn sie etwas von ihm verlangen, was seinem Gewissen oder seinen eigenen Wertvorstellungen widerspricht, verweigert Merlin ihnen den Gehorsam. Am offensichtlichsten wird dies, wenn der Drache von ihm verlangt, nicht das Leben des kleinen Druidenjungen Mordred zu retten, da dieser eines Tages für den Tod Arthurs verantwortlich sein werde. Dem hält Merlin entgegen, dass die Zukunft nicht in Stein gemeißelt sei, und er nicht tatenlos mit ansehen könnee, wie ein unschuldiges Kind ermordet wird (Ep. 8: "The Beginning of the End"). Wir als Zuschauer wissen natürlich, dass Mordred wohl auch in dieser Version der Artusgeschichte tatsächlich einen entscheidenden Beitrag zum Untergang Camelots leisten wird, doch sollte man daraus nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass der Drache in diesem und ähnlichen Punkten recht hat. Würde Merlin seinen Befehlen folgen, so hätte dies Auswirkungen, die möglicherweise viel verheerender wären als alles, was ein Mordred in Zukunft anstellen kann. Merlins Charakter würde sich tiefgreifend verändern. Er würde von einem mitfühlenden Menschen zu einem bloßen Werkzeug des 'Schicksals', und wie könnte er dann noch seine eigentliche Aufgabe erfüllen, dem von Standesdünkeln verblendeten Arthur die Augen für den Wert echter Menschlichkeit zu öffnen? Ob der hier gegebene Ansatz zu einer kritischen Behandlung des in der Fantasy so verbreiteten Motivs des Auserwähltseins im weiteren Verlauf der Serie ausgebaut wird oder nicht, werden wir noch sehen.
Trotz dieser positiven Eindrücke, besitzt die erste Staffel auch ziemlich deutliche Schwächen. Im Einzelnen genommen sind die Episodenabenteuer soweit in Ordnung. Okay, die miese Tricktechnik vergällt einem das Vergnügen an dem Greif in Ep. 5: "Lancelot", und ich persönlich empfinde eine tiefe Abneigung gegen alle Rip-Offs von Akira Kurosawas Die sieben Samurai wie in Ep. 10: "The Moment of Truth". Doch davon einmal abgesehen, besitzen sie alle ihren Unterhaltungswert. Das Problem liegt eher in der Gesamtstruktur der Staffel. Mein erster Eindruck war der, dass die Drehbuchschreiber sich nicht sicher gewesen wären, ob es noch eine zweite geben würde, und deshalb möglichst viel bereits in diese hineinstopfen wollten. So werden uns alle möglichen Ansätze zu epischen Handlungsbögen geliefert ("Lancelot", "The Beginning of the End", Excalibur", "The Moment of Truth", "To Kill the King"), die sich jedoch entweder als bloße Red Herrings erweisen oder nicht konsequent weitergeführt werden. Im Ganzen gesehen hinterlässt die erste Staffel deshalb den Eindruck einer äußerst ruckligen Fahrt. Immer wieder wird aufs Gaspedal getreten, nur um im nächsten Augenblick die Bremse zu ziehen. Man könnte dies für das nicht seltene Erste Staffel - Anfänger - Syndrom halten. Oft dauert es ja ein bisschen, bis eine TV-Serie den richtigen Rhytmus gefunden hat. Doch wie wir bald schon sehen werden, hat man darin wohl eher die ersten Anzeichen für ein sehr viel grundsätzlicheres Problem zu sehen, das in der Struktur von Merlin selbst angelegt ist. Darüber will ich mich ausführlicher jedoch erst im nächsten Post äußern.
* "Als König Artus sah, dass ihn die Welt dafür [für die Gründung der Tafelrunde] rühmte, freute er sich sehr und gelobte um ihrer [der Ritter] Ehre Willen, stets zu fasten, bis er mit eigenen Augen oder durch Erzählungen eine Neuigkeit erfahre, von der zu erzählen es wert wäre."
** Um ehrlich zu sein, ich bin bereits in der dritten Staffel, doch ich möchte es bei der ursprünglichen Idee 1 Staffel = 1 Post belassen.
*** Dass irgendeiner der Macher die 1980 ausgestrahlte ZDF-Serie Merlin mit Tommi Ohrner gekannt hat, scheint mir unwahrscheinlich. Genaueres hierüber zu erfahren, wäre aber sehr interessant.
** Um ehrlich zu sein, ich bin bereits in der dritten Staffel, doch ich möchte es bei der ursprünglichen Idee 1 Staffel = 1 Post belassen.
*** Dass irgendeiner der Macher die 1980 ausgestrahlte ZDF-Serie Merlin mit Tommi Ohrner gekannt hat, scheint mir unwahrscheinlich. Genaueres hierüber zu erfahren, wäre aber sehr interessant.
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