"Außerdem studierte er abstruse Bücher, die aus chaldäischen Bibliotheken
gestohlen worden waren, wenn Fafhrd auch aus langer Erfahrung wusste,
dass der Mausling selten über das Vorwort hinauskaum (obwohl er oft die
letzten Kapitel aufrollte und neugierig hineinschaute und beißende Kritik
äußerte)."

Fritz Leiber, Das Spiel des Adepten


Mittwoch, 23. Mai 2012

This Town Needs an Enema !



Im Gefolge von Joss Whedons Avengers* tauchen überall in der phantastischen Netzgemeinde wieder einmal Posts über das Superhelden - Genre auf. Über den Film selbst kann ich aus meinem kinolosen Exil heraus nichts sagen, aber obwohl ich mit Whedons Post-Buffy-Oeuvre nur sehr unvollständig vertraut bin, traue ich es ihm zu, einen amüsanten und spannenden Streifen produziert zu haben. Jedenfalls sind die Avengers bei so unterschiedlichen Leuten wie Dan & Kyra von FerretBrain, Jim Moon von Hypnogoria und Mike & Jay von RedLetterMedia gut angekommen, und glücklicherweise scheint Whedon darauf verzichtet zu haben, den Nolan zu machen. Sein Film nimmt sich selbst offenbar nicht gar zu ernst.
Was mich bei Durchsicht einiger der erwähnten Posts allerdings wieder einmal erstaunt hat, ist die absolut unkritische Sicht auf das Genre, die dort gepflegt wird. Niemand scheint auf die Idee zu kommen, dass dem Typus des Superhelden per se etwas Problematisches anhaften könnte.

Ich will gleich vorwegschicken, dass ich kein Comicleser bin. Meine Ansichten stützen sich fast ausschließlich auf die filmischen Varianten, ‘Sekundärliteratur’ und den gesunden Menschen-verstand. Der Superheld** ist bekanntlich ein Kind der Goldenen Ära der amerikanischen Pulps, seine direkten Vorläufer waren Figuren wie The Shadow oder Doc Savage. Es scheint mir kaum besonders weit hergeholt zu sein, in ihm den ins Groteske überzogenen Ausdruck des extremen Individualismus zu sehen, der schon immer ein Kernbestandteil der quasioffiziellen Ideologie der US-Gesellschaft war.
Welche Problematik damit gegeben ist, zeigt sich bereits bei DC’s Erstgeborenem – Superman. Wie nicht wenige SciFi-Begeisterte ihrer Zeit, hegten auch die Schöpfer des ‘Man of Steel’, Jerry Siegel und Joe Shuster, Sympathien für die politische Linke. Superman sollte die Werte des New Deal verkörpern: Demokratie und soziale Gerechtigkeit. Gleichzeitig ist er so etwas wie die wandelnde Realisierung des Amerikanischen Traums: Der Immigrant, der sich vollkommen integriert und sich dank seines Fleißes eine respektable Stellung in der Gesellschaft erworben hat (seinen Job beim Daily Planet verdankt Clark Kent ja nicht seinen Superkräften). Der Widerspruch ist eklatant. Denn wenn die 1930er Jahre etwas gezeigt hatten, dann dass das Ethos des Individualismus – der 'American Way of Life' – nicht der Weg zu mehr sozialer Gerechtigkeit ist. Alle progressiven Reformen der Roosevelt-Ära waren vielmehr das Ergebnis von Massenkämpfen, insbesondere von militanten Streikbewegungen. Man könnte beinah so weit gehen, in Superman den Ausdruck einer ganz spezifischen Schwäche zu sehen, an der ein Großteil der amerikanischen Linken jener Jahre litt. Viele Radikale glaubten nämlich, dass ihre Ideale sich mit einem ungebrochenen US-Patriotismus vereinbaren ließen, ja dass sie bloß der konsequente Ausdruck der ‘amerikanischen Werte’ seien. Hatte nicht selbst der Chef der US-Stalinisten Earl Browder 1936 verkündet: ‘Communism is the Americanism of the Twentieth Century’?

Ein Kommunist ist der Mann aus Stahl natürlich nie gewesen, und auch seine ursprüngliche Verbindung zu ‘linken’ Werten sollte sich im Laufe seines weiteren Lebens schon recht bald verflüchtigen. Dennoch verdeutlichen die Umstände seiner Geburt meiner Meinung nach ziemlich gut eines der Probleme, die unauflöslich mit dem Typus des Superhelden verbunden sind. Die ihm zugrundeliegende ultraindividualistische Ideologie, der Glaube an die überragende Bedeutung ‘außergewöhnlicher Persönlichkeiten’, macht es letztlich unmöglich, ihn zum Träger wirklich fortrschrittlicher Ideen zu machen. Mehr noch, jedem Versuch, im Rahmen einer Superhelden-Story Elemente der gesellschaftlichen, ja selbst der individuell-menschlichen Wirklichkeit zu behandeln, sind damit äußerst enge Grenzen gesetzt.
Freilich kann man versuchen, den Superhelden zu einer konzentrierten Verkörperung des Heroismus der ‘einfachen Bevölkerung’ zu machen, ihm also eine Art Stellvertreterfunktion zuzuweisen. In gewisser Weise hat genau dies Sam Raimi mit seinen ersten beiden Spiderman-Filmen versucht.*** Aber auch wenn dies den Streifen einen gewissen Charme verleiht, insbesondere wenn man sie mit den meisten anderen Superheldenflicks des letzten Jahrzehnts vergleicht, wiederholt sich dabei doch nur das Problem, das schon Siegel und Shuster mit ihrem Superman hatten. Peter Parker ist zwar eine sehr viel menschlichere und 'realistischere' Figur als Clark Kent, aber letztlich bleibt doch auch er der heroische Einzelkämpfer.

Es ist nicht weiter verwunderlich, dass Superhelden beinahe von Anfang an in den Dienst rechter Propaganda gestellt wurden. Das bekannteste Beispiel aus der Frühzeit des Genres ist sicher Captain America. 1940/41 ganz bewusst als Vehikel für die Kriegspropaganda geschaffen, wobei wie so oft ‘Patriotismus’ und Profitinteressen Hand in Hand gingen. In den Worten von Zeichner Jack Kirby "Everybody was patriotic, and it was ridiculous not to do Captain America because there was an idea that would have been bought by everybody, so Joe [Simon] and I did that. Our job was to sell comic books, and we did." Dass der frühe Captain America reichlich Nazis vermöbelt, macht ihn nicht zu einer sympathischeren Gestalt. Die US-Regierung stellte ihre Intervention in den 2. Weltkrieg zwar als einen Kreuzzug für die Freiheit dar, und viele Amerikaner – Soldaten wie Zivilisten – waren von einem ehrlichen Hass auf den Faschismus beseelt, doch spätestens ein Blick auf den Pazifikkrieg macht den imperialistischen Charakter des Unternehmens offenkundig. Entsprechend treiben Chauvinismus und Rassismus immer dann besonders hässliche Blüten, wenn Captain America gegen die ‘Japse’ ins Feld zieht. 1954 erlebte die Figur eine kurzlebige Wiederauferstehung als 'Captain America, Commie Smasher'.
Joe Johnstons Film aus dem letzten Jahr versucht zwar die Figur etwas dem 'liberalen' Zeitgeschmack anzupassen, bleibt im Kern jedoch ganz die alte patriotische Propagandafabel, der eine ordentliche Dosis nostalgischer Sehnsucht nach einer 'ehrlicheren', 'einfacheren' Vergangenheit beigemischt wurde. Letzteres ist vielleicht das eigentlich Entscheidende an der filmischen Wiederbelebung Captain Americas. Auch in den Avengers spielt er offenbar die Rolle des Idealisten und des 'decent chap'. Mit seiner Figur wird das Bild eines vergangenen, 'besseren' Amerika heraufbeschworen, einer Nation vereint unter dem Sternenbanner, als alle zusammenstanden und ihre Pflicht erfüllten. Mit anderen Worten, er ist zur Verkörperung des Mythos von der 'Greatest Generation' geworden, den Tom Brokaw 1998 in seinem gleichnamigen Buch entwickelt hat. Wie jeder Mythos hat auch dieser wenig mit der Wirklichkeit zu tun. Die 30er Jahre erlebten die vielleicht heftigsten Klassenkämpfe in der Geschichte der USA, die großen Streiks, die seit 1935 1934 das Land erschütterten, nahmen oft bürgerkriegsähnliche Formen an, objektiv betrachtet standen die Vereinigten Staaten am Rande einer Revolution. All dies ignoriert Brokaw geflissentlich in seiner Geschichtsklitterung. Ganz wie Europa stehen auch die USA heute erneut am Vorabend gewaltiger sozialer Kämpfe, zu denen die letztjährigen Massendemonstrationen in Wisconsin und die Occupy-Bewegung lediglich erste zaghafte Vorscharmützel darstellten. In diesem Kontext sind die Ideen von 'nationaler Einheit' und 'Pflichterfüllung', die Captain America verkörpert, besonders giftig und kritikwürdig.

Aber Cap ist bei weitem nicht der unsympathischste Kerl in der Avengers-Bande. Dieser Titel gebührt zweifelsohne Tony Stark alias Iron Man. Er war von Anfang konzepiert als die ultimative Ikone des Kapitalismus und Militarismus. Und wenn Kirby & Simon sich bei der Erschaffung von Captain America auf eine relativ breite patriotische Stimmung in der Bevölkerung stützen konnten, war Iron Man von Stan Lee als eine bewusste Provokation gegen die junge Comicleserschaft von 1963 gedacht: "I think I gave myself a dare. It was the height of the Cold War.  The readers, the young readers, if there was one thing they hated, it was war, it was the military....So I got a hero who represented that to the hundredth degree. He was a weapons manufacturer, he was providing weapons for the Army, he was rich, he was an industrialist....I thought it would be fun to take the kind of character that nobody would like, none of our readers would like, and shove him down their throats and make them like him ..." Als Vorbild diente ihm dabei der rechtsextreme exzentrische Milliardär Howard Hughes. Ja, eben der Hughes, dem Martin Scorsese in einem der peinlichsten Filme seiner Karriere ein Denkmal gesetzt hat. Die frühen Iron Man - Stories waren nicht viel mehr als eine besonders schamlose Glorifizierung der US-Verbrechen in Vietnam. Aber Stark war nicht nur als der unbesiegbare Champion gegen den Kommunismus gedacht, als einzelgängerischer und genialer Erfinder knüpfte sein Charakter auch an den alten amerikanischen Erzähltypus der Edisonade an.
Die Filme von Jon Favreau haben die Figur in ihren Grundzügen nicht verändert. Vietnam wurde gegen Afghanistan, der ‘rote Tyrann’ Wong-Chu gegen den ‘Terroristen’ Reza ausgetauscht. Der neokolonialistische Inhalt ist derselbe geblieben. Starks narzissistisches Streben nach absoluter Unabhängigkeit, die strikte Weigerung, seine genialen Kriegsspielzeuge der Regierung zu übergeben, hat nichts rebellisches an sich, ist vielmehr – ganz im Geiste der Edisonade – Ausdruck eines extremen unternehmerischen Individualismus: Was ich erfunden habe ist mein privates Eigentum! Sein Auftritt vor dem Senatsausschauss steht ganz in der Tradition der Gerichtsszene in Ayn Rands Fountainhead (bzw. dem gleichnamigen Film von King Vidor).
Um so erschreckender ist die positive bis begeisterte Aufnahme, die vor allem der erste Film bei der Mehrheit der Kritiker und Kritikerinnen gefunden hat. So erklärte Michael Mirasol, der sich selbst als ‘Film fan – Feminist – Critic’ bezeichnet, kürzlich: "Many saw Jon Favreau's Iron Man (2008) as a showcase of Robert Downey Jr.'s immense gifts, but it was also (unintentionally or not) a surprising and satisfying ode to America's wish to finally use its unmatched corporate, technological and military might to do actual good." Ein egomanischer Ultrakapitalist in Roboterrüstung, der afghanische ‘Terroristen’ abmetzelt, als Symbol für den richtigen Einsatz amerikanischer Macht? Was geht in solchen Köpfen bloß vor? Das Wörtchen ‘finally’ lässt mich vermuten, es mit einem jener rückgratlosen ‘Liberalen’ zu tun zu haben, die die Bush-Administration verabscheuten, nur um nach Barack Obamas Wahlsieg mit fliegenden Fahnen ins Lager der Kriegstreiber überzulaufen, und die seitdem jede neue militärische Aggression des Westens als ‘humanitäre Rettungsaktion’ feiern.
In diesem Zusammenhang ist es vielleicht von Interesse zu wissen, dass Marvel Comics seit 2005 im Rahmen der Intitative America Supports You direkt mit dem Pentagon zusammenarbeitet und eine ausschließlich für Mitglieder des US-Militärs gedachte Reihe der New Avengers herausgibt. Ein Blick auf die Cover der Heftchen lehrt einen das Gruseln.
Das klingt jetzt vielleicht so, als wäre ich der Ansicht, das ganze Superhelden-Genre sei mehr oder weniger Müll, wenn nicht schlimmeres, und kein Superheldenfilm sei es wert, auch nur einen Cent oder eine Minute seines Lebens auf ihn zu verschwenden. Dem ist nicht so. Charaktere wie Captain America oder Iron Man sind in der Tat ‘nicht zu retten’, aber unter den Superhelden bilden sie doch eine Minderheit. Das eigentliche Problem sehe ich darin, dass die meisten Superheldenfilme des letzten Jahrzehntes von Leuten gemacht wurden, die ihren Stoff viel zu ernst nehmen. Wie es Mike Stoklasa von RedLetterMedia bezüglich X-Men: First Class so treffend ausgedrückt hat: "I just wish it was more silly." Wenn man anhand von Gestalten wie Wolverine, dem Hulk, Batman oder Magneto versucht, etwas substanzielles über den Menschen oder die Gesellschaft auszusagen, kann das Ergebnis nur entweder banal oder lächerlich sein. Die Macher der klassischen Superman-Filme mit Christopher Reeve hatten das verstanden. Diese lassen nicht für einen Moment Zweifel daran aufkommen, dass man Clark Kents Abenteuer nicht bierernst nehmen darf. Deshalb sind sie zwar vielleicht keine cineastischen Meisterwerke, aber weder dumm noch prätentiös.

Es muss natürlich nicht gleich ganz so absurd sein, wie die legendäre Batman-Serie aus den Sixties, auch wenn die wirklich ein ganz großer Spaß ist.


Ein grandioses Gegengift zu der heutigen Mode, Batman zu so etwas wie einer modernen Mythengestalt hochzustilisieren! Irgendwann werde ich vielleicht mal etwas über diese Serie schreiben, denn auch wenn sie furchtbar 'cheesy' ist, heißt das noch lange nicht, dass sie schlecht wäre, ganz im Gegenteil.
Meine Lieblingsadapation des Caped Crusader ist allerdings nach wie vor Tim Burtons Gothic-Groteske von 1989. Der Film ist nicht nur Fun, aber er weiß, wo die Grenze liegt, die nicht überschritten werden darf. Er will kein tiefgründiger Kommentar zur Lage der Gesellschaft oder ein ernstzunehmendes psychologisches Porträt sein. Dafür hat er großartige Sets und Kostüme, einen verdammt coolen Soundtrack (Danny Elfman und Prince), ein gutes Drehbuch und Jack Nicholson als den Joker – Was will man mehr?


Das schlimmste Beispiel für die völlig überzogene Bedeutung, die Superheldengeschichten in den letzten Jahren zugesprochen wird, sind hingegen Christopher Nolans Dark Knight - Filme. Daran kann auch das Talent des viel zu früh verstorbenen Heath Ledger nichts ändern. Nolan, berühmt geworden mit dem auf 113 Minuten ausgewalzten Gimmick Memento, ist klassischer Vertreter einer Ära, in der Cleverness mehr zählt als Intelligenz oder künstlerische Sensibilität. Seine Batman - Adaptionen versuchen den Anschein zu erwecken, komplex und substanzvoll zu sein, stellen bei Lichte betrachtet aber nicht mehr dar als die Übertragung der modischen denkfaulen Misanthropie auf das Superhelden-Genre. Der sozialistische Filmkritiker David Walsh spricht bei Nolan sehr richtig vom "’market pessimism’ of the comfortable petty-bourgeois cinema professional, who never misses a meal or a career opportunity. He or she proceeds from the café or the restaurant to the film festival screening, the interview session, the production meeting or the film set itself and then back to the hotel or the pleasantly appointed apartment in a fashionable section of town unburdened by the troubles of the world. The ‘darkness’ comes later, as more or less an afterthought, grafted onto whatever project or script is at hand. It’s a posture, not a commitment."

Das einzige ernsthafte Thema, das in einigen Superheldenfilmen des letzten Jahrzehnts in beschränktem Maße erfolgreich behandelt wurde, ist das des Außenseitertums. Dafür stehen die ersten beiden X-Men - Filme, vor allem aber Guillermo del Toros Hellboy. Freilich zeigen besonders erstere auch sehr deutlich die Begrenztheiten des Genres. Als Metapher für eine gesellschaftlich ausgegrenzte Gruppe sind die Mutanten nur bedingt geeignet. Ihr 'Anderssein' manifestiert sich in der Form besonderer Kräfte, die sie nicht nur deutlich von den 'Normalen' unterscheidet, sondern sie ihnen in vielerlei Hinsicht tatsächlich überlegen macht. Problematischer noch ist, dass die Geschichte ausschließlich aus Sicht der Mutanten erzählt wird, denen die übrige Menschheit als eine mehr oder weniger kompakte, von Misstrauen und Feindseligkeit beherrschte Masse gegenübersteht. Professor Xavier predigt zwar Toleranz, doch ich kann mich nicht erinnern, dass wir im Verlauf der Handlung jemals ein echtes Miteinander von 'Normalen' und Mutanten demonstriert bekommen würden. In dieser Hinsicht sieht es bei Hellboy etwas anders aus. Wie die X-Men müssen auch die 'Freaks' Hellboy, Abe Sapien und Liz Sherman um ihre eigene Identität ringen und sehen sich der Intoleranz der 'Normalen' ausgesetzt, aber in ihrer Interaktion mit Professor Broom und John Myers erleben wir auch sehr anschaulich, dass es eine Basis für ein Miteinander gibt. Wahrscheinlich allerdings gebe ich dem Film vor allem deshalb den Vorzug, weil das Groteske der Geschichte (Naziokkultismus; Rasputin; cthulhuoide Chaosgötter; ein Teufel, der Schokoriegel und Katzen liebt) und del Toros bizarr-barocke Ästhetik meinem persönlichen Geschmack entgegenkommen.

Zum Schluss stellt sich für mich die Frage, warum gerade in den letzten zehn Jahren so viele Superheldenfilme produziert wurden. Wir alle wissen natürlich, dass Hollywood schon seit geraumer Zeit an akuter Ideenlosigkeit leidet. Die zahllosen Sequels, Prequels, Remakes und Reboots geben davon beredtes Zeugnis ab. Ein Grund könnte also ganz einfach der sein, dass die Comicuniversen von DC und Marvel ein leicht zuängliches Themenreservoir für einfallslose Filmemacher darstellen, die sonst nicht wüssten, was sie dem Publikum als nächsten Sommerblockbuster präsentieren sollten. Doch ich denke, das Problem reicht tiefer. Viele heutige Fimemacher haben offenbar große Schwierigkeiten, sich mit einer komplexen, unübersichtlichen und sich rasch verändernden Wirklichkeit auf eine angemessen kritische und komplexe Art künstlerisch auseinanderzusetzen. Sie tendieren deshalb zu Simplifizierung und Oberflächlichkeit. Das Superheldengenre kommt dem entgegen, was vor allem erklären würde, warum es auf einmal zum Medium einer vorgeblich ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Menschen, der Gesellschaft, der Geschichte gemacht wird, was es per definitionem niemals sein kann. Es gibt allerdings noch eine dritte, sehr viel bedenklichere Erklärung. 'The King of Elfland's 2nd Cousin' schreibt in seinem Blog: "Thirty years ago, Moore’s Watchmen showed us that heroes and villains need not be archetypal or aspirational. That they can be flawed, and human, and with all of the ugliness and beauty that entails. [...] But today is a very different world, beset by very different problems – environmental, political, social, economical, and diplomatic. And over the course of the last decade, it seems to me that the super hero pendulum has been swinging back in the direction of greater escapism: to offer a soothing balm to the challenges of our real world. In real life, there are no heroes able to step up and deal with these very real problems on our behalf. And when – as these days – we see our leaders failing to do so, when we see our neighbors failing to do so, and when we see ourselves failing to do so, it is only natural that we should fantasize about a group of different people, with different backgrounds, different beliefs, and different skills doing the impossible." Es wundert mich, dass er offenbar nichts beunruhigendes an dieser Erklärung findet. Die Faszination des Superhelden hatte wohl schon immer zwei Seiten. Entweder wir identifizieren uns mit ihm und leben auf diese Weise unsere eigenen Allmachtsfantasien aus, oder er erscheint uns als ein Retter und Erlöser. Dass angesichts der ökonomischen und politischen Turbulenzen unserer Zeit viele Menschen von einem Gefühl der Hilflosigkeit ergriffen werden, kann ich mir sehr gut vorstellen. Aber das Letzte, was wir in dieser Situation brauchen, sind Messiasträume. Es wird niemand kommen und für uns die Probleme lösen. Wir selbst sind die einzigen, die dazu in der Lage sind. Und falls doch ein 'Führer' auftaucht, der uns zu retten verspricht, sollte uns die Geschichte des letzten Jahrhunderts gelehrt haben, was wir von ihm zu erwarten haben.


* Weiß eigentlich irgendwer, warum der Streifen in Großbritannien unter dem Titel Avengers Assemble in die Kinos gekommen ist? Um Verwechselungen mit den Avengers zu vermeiden? Wer wäre nach der Katastrophe von 1998 denn verrückt genug, um sich noch einmal an Mr. Steed und Emma Peel vergreifen zu wollen?
**  Angesichts des endemischen Sexismus des Genres halte ich es für gerechtfertigt, im Folgenden stets die männliche Form zu verwenden. Wer sich für die inzwischen ausgebrochenen Diskussionen über Black Widow und die Frage, wie feministisch oder auch nicht Whedons Film ist, interessiert, kann hier oder hier nachschauen. Persönlich finde ich diese Debatte wenig erhellend.
***  Wenn ich es recht verstanden habe, besteht die Hauptaufgabe der gerade anstehenden Neuauflage der Peter Parker - Story darin, genau dieses verschwommen humanistische und demokratische Element auszuradieren.

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