"Außerdem studierte er abstruse Bücher, die aus chaldäischen Bibliotheken
gestohlen worden waren, wenn Fafhrd auch aus langer Erfahrung wusste,
dass der Mausling selten über das Vorwort hinauskaum (obwohl er oft die
letzten Kapitel aufrollte und neugierig hineinschaute und beißende Kritik
äußerte)."

Fritz Leiber, Das Spiel des Adepten


Sonntag, 6. Mai 2012

Postkolonialer Schlock?

Ich habe mir gestern Nacht nach langer Zeit einmal wieder Dr.Terror's House of Horrors (hierzu-lande unter dem dem noch ulkigeren Titel Die Todeskarten des Dr.Schreck bekannt) aus dem Jahre 1965 reingezogen, den ersten jener Episodenfilme, mit denen Amicus in den 60ern & 70ern seinem Konkurrenten Hammer den britischen Horrormarkt streitig zu machen versuchte. Beide Seiten stützten sich dabei auf eine Riege bekannter Schauspieler, von denen in diesem Fall Peter Cushing, Christopher Lee und Donald Sutherland mit von der Partie sind. Das Drehbuch hatte Amicus - Co-Gründer Milton Subotsky geschrieben, wobei ihm der Klassiker Dead of Night aus dem Jahre 1945 als Vorbild gedient hatte. Auf dem Regiestuhl nahm einmal mehr Veteran Freddie Francis Platz, der sowohl für Hammer als auch für Amicus arbeitete.


Nun habe ich im Allgemeinen eine große Schwäche für den farbenfrohen Trash, den der Brit-Horror jener Jahre hervorbrachte, aber in diesem Fall muss ich leider sagen, dass die Wiederbegegnung den eher negativen Eindruck, der in meinem Gedächtnis herumspukte, weitgehend bestätigt hat. Der Trailer ist um einiges amüsanter als der Film.
Es macht zweifelsohne Spaß, Peter Cushing als ominösen Dr. Schreck (so heißt er auch im Original) zu erleben, der seinen fünf Mitreisenden mit Hilfe von Tarot-Karten ihre unerfreuliche Zukunft vorhersagt. Auch liefert Christopher Lee eine gewohnt gute Leistung ab in der Rolle des versnobten Kunstkritikers Franklyn Marsh, der von der abgetrennten, jedoch höchst lebendigen Hand des Malers Eric Landor terrorisiert wird. Aber alles in allem mangelt es dem Streifen eindeutig an Originalität. Mal ganz abgesehen davon, dass die Rahmenerzählung mit ihrem finalen Dreh absolut keinen Sinn macht. Und auch von der Gender-Front gibt es wenig gutes zu berichten. Zwei der fünf Geschichten (Werewolf  & Vampire) identifizieren das Weibliche ganz klar mit dem Bedrohlichen, und Ann Bells Aufgabe in Creeping Vine beschränkt sich auf effektvolles Kreischen. Einzig in Disembodied Hand begegnen wir (am Rande) einer einigermaßen ansprechenden Frauenfigur.  Natürlich waren die Horrorflicks jener Jahre keine Produkte der feministischen Avantgarde, aber dennoch ist mir dieser Charakterzug von Dr. Terror besonders ins Auge gestochen. Der Grund hierfür mag allerdings darin liegen, dass ich vor kurzem in Roger Cormans ein Jahr zuvor entstandenem The Tomb of Ligeia Elizabeth Shepherd als willensstarke und selbstbewusste Lady Rowena erleben durfte.

Dennoch gibt es da eine Episode, die den Film in gewisser Weise sehenswert macht.
Es war in den Episoden-Horrorstreifen jener Zeit gängige Praxis, eine Story von eher humorvollem Charakter einzubauen. In gegebenem Fall ist das Voodoo. Das allerdings ist es nicht, was diese Geschichte über den Rest heraushebt.
Der Inhalt ist rasch erzählt: Jazz-Musiker Biff Bailey (Roy Castle) erhält zusammen mit seiner Band ein Engagement auf den Westindischen Inseln und belauscht dort eine nächtliche Voodoo-Zeremonie. Alle Warnungen in den Wind schlagend macht er bei seiner Rückkehr nach London aus der rituellen Musik zu Ehren Damballas* einen Jazz-Hit. Die Folgen dieses Sakrilegs sind wie nicht anders zu erwarten wenig erfreulich.
Man kann über Castles schauspielerisches Talent ganz sicher geteilter Meinung sein, aber für mich verkörpert er sehr glaubhaft den keineswegs bösartigen, sondern bloß schrecklich oberflächlichen weißen Musiker, der sich das kulturelle Erbe eines anderen Volkes zu eigen macht, um damit Geld zu verdienen. Vielleicht traue ich dem Film damit etwas zu viel zu, aber ich denke, man kann Voodoo sehr wohl als eine Parabel auf die kulturelle Ausbeutung der sog. Dritten Welt verstehen. Und mithin als eine ziemlich intelligente Parabel, denn Bailey selbst nimmt diese Ausbeutung ja keineswegs als eine solche wahr. Was er tut, tut er aus mangelnder Sensibilität. Dass er sich mit seiner selbstgefälligen Herablassung gegenüber den 'primitiven Negern' wie ein kolonialistischer Herrenmensch aufführt, ist ihm überhaupt nicht bewusst.
Neben dieser intelligenten Story besticht die Episode außerdem durch die echt coole Musik des Tubby Hayes Quintet. Die Ironie besteht natürlich darin, dass die 'Voodoo-Zeremonie' mit ziemlicher Sicherheit keinerlei Ähnlichkeit mit den realen Ritualen dieser Religion aufweist, sondern ganz den westlichen Klischeevorstellungen entspricht. Aber hey, man kann halt nicht alles haben.

* Im wirklichen Vodou gilt Damballa als Schöpfer und Himmelsgott und ist einer der bedeutendsten Loa.  

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