"Außerdem studierte er abstruse Bücher, die aus chaldäischen Bibliotheken
gestohlen worden waren, wenn Fafhrd auch aus langer Erfahrung wusste,
dass der Mausling selten über das Vorwort hinauskaum (obwohl er oft die
letzten Kapitel aufrollte und neugierig hineinschaute und beißende Kritik
äußerte)."

Fritz Leiber, Das Spiel des Adepten


Freitag, 18. Mai 2012

Auch wenn kein Blut tropft

Mit The House That Dripped Blood aus dem Jahre 1970 bewegen wir uns ungefähr auf dem gleichen Niveau wie bei From Beyond the Grave. Und wie dort sticht auch hier eine der Episoden in qualitativer Hinsicht deutlich hervor. Daneben aber funktioniert hier ausnahmsweise einmal auch die humorige Geschichte, was in den Amicus-Episodenfilmen sonst eher nicht der Fall ist. Als Regisseur hatten sich Max & Milton mit Peter Duffell diesmal einen TV-Mann geangelt, als Stars waren Peter Cushing, Christopher Lee und Ingrid Pitt verpflichtet worden, und für das Drehbuch zeichnete der alte Lovecraft-Kumpel und Psycho-Autor Robert Bloch verantwortlich.
Duffell wollte dem Film ursprünglich den recht prätentiösen Titel The Death and the Maiden verpassen, u.a. deshalb weil wir in einer der Geschichten Schuberts Streichquartett zu hören bekommen, aber Subotsky setzte lieber auf das Reißerische als auf das Kulturvolle, was angesicht des Formats durchaus angemessen erscheint. Entsprechend schaut denn auch der Trailer aus:


Ja, das ist Trash, aber es ist guter Trash. Und es ist selbstironischer Trash.
Alle vier Episoden drehen sich um ein Haus und seine Bewohner. Kürzlich ist der bekannte Schauspieler Paul Henderson, der sich dort einquartierte, auf mysteriöse Weise verschwunden, und Scotland Yard hat Inspektor Holloway geschickt, um den Fall aufzuklären. Dieser bekommt vom örtlichen Polizisten und dem Makler, der für die Vermietung des Hauses verantwortlich ist, zuerst einmal Geschichten über frühere Bewohner und deren Schicksale erzählt.

Die ersten beiden Episoden leben vor allem von ihren Hauptdarstellern Denholm Elliot und Peter Cushing, sowie von den geschickten und stimmungsvollen Inszenierungen Duffels.
Man sollte nie vergessen, über welch geringes Budget der Regisseur bei solchen Produktionen verfügte. Entsprechend beschränkt war er in der Auswahl seiner Settings. Und Duffell holt wirklich das größtmögliche aus diesem begrenzten Potential heraus. Insbesondere gelingt es ihm immer wieder, das Haus (in Wirklichkeit ein ‘gothic’mäßig aufgemotztes Cottage auf dem Studiogelände) und seine Räumlichkeiten – vor allem die Treppe und das Studierzimmer – geschickt in Szene zu setzen.
Leider sind die Stories selbst nicht besonders überzeugend. In Method for Murder versucht Bloch zu clever zu sein, und Waxworks mangelt es bei Lichte betrachtet an der auch in einer phantastischen Geschichte notwendigen Logik.

Richtig gut wird es dann, wenn Christopher Lee, Nyree Dawn Porter und die elfjährige Chloe Franks in Sweets to the Sweet die Bühne betreten. Ein steifer, reservierter Witwer, der seine kleine Tochter äußerst kühl, man könnte beinahe meinen gefühllos behandelt und von der Welt und dem Leben abzuschotten versucht. Eine ebenso intelligente wie warmherzige Hauslehrerin, auf die das Verhalten des Vaters immer merkwürdiger und empörender wirkt. Und schließlich das kleine Mädchen selbst, das mehr ist, als es zu sein scheint. Ich werde die Auflösung nicht verrraten, aber das großartige an dieser Episode ist ihre Ambivalenz. Wer ist hier der oder die Böse? Haben wir es mit eingeborener Grausamkeit oder mit einer über alle Stränge schlagenden Form von Vergeltung oder Widerstand zu tun?

Die Entscheidung, die humorvolle Episode nicht wie gewöhnlich in der Mitte, sondern am Ende zu plazieren, wirkt auf den ersten Blick eigentümlich. Duffell fehlt damit die Gelegenheit, vor dem Finale erneut eine unheimliche Stimmung aufzubauen. Klugerweise versucht er das auch gar nicht erst, sondern lässt den Film stattdessen mit einer ausgesprochen grotesken Sequenz ausklingen. The House That Dripped Blood beginnt als typischer Amicus-Horror und endet als Parodie auf denselbigen. Diese eigenartig hybride Form wirkt zwar etwas irritierend, aber irgendwie auch charmant.
Bedauerlicherweise war es Vincent Price unmöglich, den ihm angebotenen Part des Paul Henderson zu übernehmen, da ihm sein Vertrag mit American International Pictures untersagte, in Horrorfilmen anderer Studios aufzutreten. Ohne die Leistung Jon Pertwees – des dritten Doctor Who – schmälern zu wollen, hätte Price der Episode The Cloak sicher noch einen zusätzlichen Kick verliehen.
Henderson ist ein eitler Horrordarsteller, der in einem Low Budget - Vampirstreifen à la Hammer mitwirken soll. Seine Filmpartnerin Carla Lind wird von Ingrid Pitt gespielt, die nach ihren Auftritten in der Carmilla-Adaption The Vampire Lovers und in Countess Dracula die Vampirlady der Zeit war. Die Szenen auf dem Set machen sich über die Eigenheiten des Brit-Horrors lustig: Papp-Kulissen, ein junger, unerfahrener Regisseur, ein extrem enger Drehplan, ein reißerischer Titel (The Curse of the Bloodsuckers). Derweil singt Henderson Oden auf die Universal - Klassiker der 20er/30er, "the old ones, the great ones ... Frankenstein, Phantom of the Opera, Dracula – the one with Bela Lugosi of course, not this new fellow [= Lee, den wir ja noch kurz zuvor gesehen haben]". Entsetzt über den Umhang, den er tragen soll ("Who does this belong to, the Flying Nun?"), macht er sich auf die Suche nach einem stilvolleren Vampirkostüm und gelangt dabei in einen merkwürdigen Antiquätenladen. Die Figur des sinistren Besitzers Theo von Hartmann, verkörpert von Geoffrey ‘Catweazle’ Bayldon, ist eine Hommage an den großen Ernest Thesiger in seiner Rolle als Dr. Pretorius in James Whales Bride of Frankenstein. Der Umhang, den Henderson dort erwirbt, erweist sich schon bald als sehr authentisch, und die Handlung begibt sich mit Volldampf in die Gefilde des Absurden. Petwee und Pitt hatten offensichtlich einen Höllenspaß. Zuguterletzt wird auch Inspektor Holloway in diese grotesken Ereignisse verstrickt. Ein Jammer allerdings, dass Duffell das Finale im Keller auf Anweisung des Verleihs kürzen und umarrangieren musste. Dieses war ursprünglich als ironische Verbeugung vor dem Stummfilm-Horror mit seiner Vorliebe für das Spiel mit den Schatten (Nosferatu) gedacht, was zwar auch in der verstümmelten Fassung noch zu erkennen ist, aber eben nicht mehr so zur Wirkung kommt, wie von Duffell beabsichtigt.

Was bleibt zu sagen? The House That Dripped Blood ist ein eigenartiges Mischwesen unter den Amicus - Episodenfilmen. Sehenswert, aber kein echter Knaller. Und in Sachen Groteske wird er von unserem nächsten Kandidaten – The Vault of Horror – noch deutlich übertroffen werden.

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