Als Jean-Paul Ouellette vier Jahre nachdem er The Unnamable (vgl. hier) in die Wildnis des VHS-Marktes entlassen hatte, daranging, ein Sequel zu seinem Flick zu drehen, scheint er ein ziemlich klares Bild davon gehabt zu haben, worin die Stärken seines Regiedebüts bestanden hatten. Dieser Eindruck stellt sich zumindest ein, wenn man sich The Return of the Unnamable aka The Unnamable II: The Statement of Randolph Carter anschaut. Mark Kinsey Stephenson war wenn schon nicht der Protagonist, so doch auf jedenfall der eigentliche Star des ersten Films gewesen. Dementsprechend rückt sein Randolph Carter nun ganz ins Zentrum der Handlung. Dieselbige erhält zugleich einen noch deutlicher selbstironischen Ton, ohne dass der Streifen deshalb gänzlich ins Genre der Horrorkomödie überwechseln würde. Gewürzt wird das Ganze mit einer Reihe neckisch geekiger Anspielungen auf Lovecrafts Cthulhu-Mythos. Ein schmackhaftes Gericht? Kosten wir mal.
Ungefähr das erste Drittel des Films mundet in der Tat ausgezeichnet.
Die Handlung beginnt vor dem Winthrop-Haus, am Morgen nach den Ereignissen von The Unnamable. Die Polizei schafft die grausig verstümmelten Leichen der Studenten & Studentinnen fort. Tanya befindet sich in einem Schockzustand und wird rasch ins nächste Krankenhaus {und aus der Handlung hinaus} befördert. Randolph Carter derweil benutzt seinen verletzten Freund Howard, der gleichfalls abtransportiert werden soll, als unwilligen Kurier, um das Necronomicon unter den Nasen der Cops fortzuschmuggeln. Zugleich deutet ein kurzer Wortwechsel zwischen Sheriff und Gerichtsmediziner darauf hin, dass Arkhams Autoriäten sehr viel mehr über die übernatürlichen Mächte wissen, die in Stadt und Umland ihr Unwesen treiben, als sie öffentlich zugeben wollen. Dabei fällt ganz nebenbei auch der Name Dunwich.
Als Carter in seiner unnachahmlich selbstherrlichen Art in das Büro des Direktors der Miskatonic University marschiert und diesen auffordert, die Allgemeinheit über die Existenz der sie umgebenden übernatürlichen Bedrohungen aufzuklären, erhält er eine harsche Abfuhr. Erstens habe Carter keine handfesten Beweise für seine Behauptungen und zweitens sei Arkham schon immer ein verfluchter Flecken Erde gewesen, woran niemand etwas ändern könne. Aber so schnell lässt sich unser Held natürlich nicht entmutigen. Nachdem er ein wenig im Necronomicon herumgestöbert hat, macht er sich daran, die Hilfe des Folkloristik-Professors Warren (John Rhys-Davies) zu rekrutieren. Was sich als gar nicht so schwierig erweist, denn kaum legt er ihm sein Fundstück vor, bei dem es sich um Cotton Mathers verloren geglaubtes Exemplar des Verbotenen Buches handelt, ist der leidenschaftliche Gelehrte auch schon Feuer und Flamme. Nicht ganz so begeistert ist der arme Howard (Charles Klausmeyer), der als zusätzliche Hilfskraft mitgeschleppt wird. Wenigstens nötigt man ihn nicht dazu, zusammen mit Carter und dem Professor in die Tunnel unter dem Winthrop-Anwesen hinabzuklettern. Seine Aufgabe ist es vielmehr, die Stellung am Eingang der Katakombe zu halten und in regelmäßigen Abständen via Funk einen Lagebericht seines Freundes entgegegnzunehmen. {Das ist übrigens der einzige Punkt in der Story, der irgendwie an Lovecrafts The Statement of Randolph Carter erinnert}.
Nach einigem Rumgekrieche erreichen unsere wackeren Forscher eine Kaverne, in der sie auf eine vorzeitliche Stele mit einer Runeninschrift "in der Sprache von R'lyeh" und das immer noch von dem "Baumzauber" aus dem ersten Teil gefangen gehaltene Monstrum stoßen. Ad hoc entwickeln sie eine auf Okkultismus und Quantenmechanik basierende Theorie, derzufolge die Kreatur aus einer Art Verschmelzungsprozess zwischen Winthrops Tochter und einem andersweltlichen Dämon hervorgegangen ist. Sich darauf stützend machen sie sich daran, die beiden Hälften mit Hilfe von einer Spritze Insulin und einigen Zuckerwürfeln voneinander zu trennen. Und tatsächlich -- wenig später sehen sie sich der sehr hübschen und sehr nackten {und nicht zu vergessen perfekt geschminkten} Alyda (Maria Ford) gegenüber. Dumm bloß, dass sie damit auch den Dämon wieder freigesetzt haben ...
Bis hierhin hat mir The Unnamable II wirklich einen Heidenspaß gemacht.
Randolph Carter ist ganz sein unwiderstehliches, charmant-arrogantes Selbst aus Teil 1, und mit Professor Warren bekommt er einen prima Partner an die Seite gestellt. Zwischen Stephenson und Rhys-Davies herrscht eine gute Chemie und zusammen geben die beiden ein äußerst charmantes Okkult-Forscher-Duo ab – zwei enthusiastische Cthulhu-Nerds auf Abenteuer. Dazu passt auch der Ton, in dem die Anspielungen auf Lovecrafts Werk gehalten sind. Und von diesen enthält der Flick erstaunlich viele, obwohl er noch weniger mit seiner literarischen Quelle zu tun hat als sein Vorgänger. Ein paar Beispiele: Wie erwähnt wird angedeutet, dass sich im Universum dieses Films die Ereignisse von The Dunwich Horror abgespielt haben. Die Idee, dass die von Carter gefundene Abschrift des Necronomicon einst Cotton Mather gehört habe, verweist auf Lovecrafts Kurzgeschichte The Unnamable zurück, in der der puritanische Chronist nicht nur namentlich erwähnt wird, sondern die auch von einer Passage aus dessen Magnalia Christi Americana inspiriert wurde. Wie selbstverständlich palavern Carter und Prof. Warren über Cthulhu, R'lyeh und andere vorzeitliche Schrecken. Und die von ihnen postulierte Beziehung zwischen Okkutlismus und Quantenmechanik greift ein Motiv auf, das sich wohl am deutlichsten in Dreams in the Witch-House findet.
Keine dieser Anspielungen macht The Unnamable II zu einem "lovecraftianischen" Film, weder in motivischer noch atmosphärischer Hinsicht. Vielmehr wirken sie wie die augenzwinkernd vorgetragenen Inider-Witze einiger Cthulhu-Fans, die bei Lovecraft weniger an kosmisches Grauen als vielmehr an vergnügliche Call of Cthulhu - Rollenspielabende denken. Doch um ehrlich zu sein, gerade diese humorvoll-lockere Herangehensweise hat auf mich ziemlich sympathisch gewirkt. Der Streifen besitzt eine Art geekigen Charme. Später findet sich gar eine Szene, in der Alyda Carter die korrekte Auspruche des Namens "Cthulhu" beibringt! Einfach großartig! – ist das doch seit Jahrzehnten eine der heftigst diskutierten Fragen im Lovecraft-Fandom!
Leider jedoch verliert The Unnamable II nach der "Befreiung" Alydas und der gleichzeitigen Entfesselung des Dämons viel von seinem anfänglichen Charme.
Der erste Schlag ist das tragische Ausscheiden von Professor Warren. Gut denkbar, dass man sich John Rhys-Davies nur für ein paar Drehtage leisten konnte, und sein Charakter deshalb als erster in den Orkus wandern musste, doch was auch immer die Gründe gewesen sein mögen, der Film verliert damit einen seiner charismatischsten Akteure.
Zugleich nimmt der Plot für den Rest des Streifens die gänzlich unoriginelle Form einer extrem in die Länge gezogenen Verfolgungsjagd zwischen Carter + Kumpels und dem Ungeheuer an, die in regelmäßigen Abständen von dem einen oder anderen Todesfall unterbrochen wird. Dabei hilft es auch nicht gerade, dass der nunmehr von Julie Strain gespielten Kreatur jene gruselige Grazie fehlt, die einen wichtigen Teil ihrer Ausstrahlung im ersten Teil ausmachte.
Mit Abstand am irritierendsten ist jedoch die Figur der Alyda.
Schaffen wir erst einmal das Positive aus dem Weg. Wenn ein VHS-Horrorfilm dieser Ära die Gestalt einer unbekleideten Frau in die Handlung einführt, erwartet man eigentlich, dass diese auf jede nur erdenkliche Weise sexualisiert würde. Erstaunlicherweise geschieht dies jedoch nicht – von einer etwas peinlichen Szene, in der sie sich "erotisch" auf Carters Bett herumwälzt, einmal abgesehen. Selbst die Sequenz, in der unsere Helden Alyda unbemerkt in das Wohnheim zu schmuggeln versuchen {was selbstredend misslingt}, läuft nicht darauf hinaus, dass sie von einer Bande hormonell überlasteter Studenten angeglotzt wird. Was diese sehr viel mehr in Aufregung versetzt, ist der Umstand, dass ausgerechnet Carter mit einem nackten Mädchen im Schlepptau hier aufkreuzt. Wer hätte gedacht, dass der ein Sexleben haben könnte!
Was Alyda im weiteren Verlauf der Handlung dann trotzdem zu einer äußerst problematischen Figur macht, ist ihre Beziehung zu Carter. Einerseits entspricht sie ganz dem Typus des "feral girl" – sie kann zu Anfang kaum sprechen, versteht nicht, warum sie Kleidung tragen sollte, und befindet sich ganz allgemein auf dem intellektuellen und emotionalen Niveau eines Kleinkindes. Zugleich jedoch will der Film uns unbedingt mit einer Art aufblühenden Liebesgeschichte zwischen ihr und Carter beglücken. Das Ergebnis ist, wie nicht anders zu erwarten, extrem creepy.
Ich verstehe ja, dass Carter – nun, da er der echte Protagonist geworden ist – nach den Regeln des Genres ein "love interest" braucht. {Nicht dass dich diese Regeln unbedingt gut fände ...} Doch muss es sich dabei ausgerechnet um eine Art Kindfrau handeln, die ihn anfangs als eine Vaterfigur anhimmelt und deren Dialog zu gefühlten 50% aus verliebt-ekstatischen "Carter" - Seufzern besteht? Wie cool wäre es z.B. gewesen, hätte man ihm eine Art weiblicher Version seiner selbst an die Seite gestellt – genauso intelligent, selbstbewusst, eingebildet und okkultismusbesessen wie er. Ich könnte mir Mark Kinsey Stephenson sehr gut in einer Mixtur aus Screwball Comedy und Horror vorstellen. Aber nein ...
Recht neckisch fand ich allerdings, dass Carter Alydas Gefühle erst dann erwiedert, als er realisiert, dass sie über ein enzyklopädisches okkultes Wissen verfügt. Mit anderen Worten – er verliebt sich nicht in sie als Person, sondern in sie als wandelnde Okkultismus-Bibliothek. Das passt wenigstens zu seinem Charakter ...
Doch da wir gerade dabei sind: Leider verliert auch Carter im weiteren Verlauf der Geschichte viel von seinem alten Charme. Was nicht verwunderlich ist, schließlich sind die blutigen Ereignisse nach der Befreiung des Dämons eine direkte Folge seiner Hybris. Und wir können eigentlich nicht wollen, dass ihm diese Lektion erteilt wird. Ein bescheiden gewordener Carter ist ein langweilig gewordener Carter!
Viel mehr fällt mir zu The Unnamable II nicht ein. Bloß noch, dass der Film mit einer sehr hübschen Szene am Kaminfeuer ausklingt, die die immer schon vorhandene Ähnlichkeit zwischen Carter / Howard und Holmes / Watson noch einmal auf charmante Weise betont. Ein gelungenes Ende für einen leider nicht ganz so gelungenen Film.
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