Auch wenn in diesen beiden Kapiteln erneut nichts über Clark Ashton Smith selbst zu lesen sein wird, nähern wir uns doch langsam aber sicher wieder dem guten Klarkash-Ton, geht es im Folgenden doch um den Kosmizismus im Werk von George Sterling und anderen Vertretern des kalifornischen Fin-de-siècle. Da Smiths eigenes Werk sehr stark von seiner "kosmischen Weltsicht" geprägt ist, ist es meiner Ansicht nach wichtig, sich anzuschauen, wie deren Vorläufer ausgesehen haben, um später sowohl die Kontinuitäten als auch die Unterschiede zwischen diesen beiden Formen oder Entwicklungsstufen des Kosmizismus herausarbeiten zu können.
(Ich habe übrigens keine Ahnung, wo die irritierenden weißen Streifen herkommen oder wie ich sie loswerden könnte. Meine Leser & Leserinnen mögen mir diese Unannehmlichkeit verzeihen.)
Teil 1 * Teil 2 * Teil 3 * Teil 4 * Teil 5 * Teil 6 * Teil 7
Ein neuer Hiob und der Kosmos
Schon Ambrose Bierce
hatte George Sterling als den "Poeten der Himmel, Propheten der Sonnen"
apostrophiert und dabei vor allem an sein erstes großes Werk The
Testimony of the Suns gedacht. Bis heute gehört das epische
Gedicht zu den bekanntesten Werken des Dichters. Jack London war so
fasziniert von dem Poem seines Freundes, dass er es unter dem Titel
Ephemera als das von aller Welt verkannte Meisterwerk des
todkranken Russ Brissenden (1) in seinen Martin Eden
einbaute:
It was a long poem of six or seven hundred lines, and it was a
fantastic, amazing, unearthly thing. It was terrific, impossible; and
yet there it was, scrawled in black ink across the sheets of paper.
It dealt with man and his soul-gropings in their ultimate terms,
plumbing the abysses of space for the testimony of remotest suns and
rainbow spectrums. It was a mad orgy of imagination, was sailing in
the skull of a dying man who half sobbed under his breath and was
quick with the wild flutter of fading heart-beats. The poem swung in
majestic rhythm to the cool tumult of interstellar conflict, to the
onset of starry hosts, to the impact of cold suns and the flaming up
of nebular in the darkened void; and through it all, unceasing and
faint, like a silver shuttle, ran the frail, piping voice of man, a
querulous chirp amid the screaming of planets and the crash of
systems. (2)
Den Begriff "Kosmizismus"
verbindet man heutzutage vor allem mit H. P. Lovecraft und einigen
Schriftstellern aus seinem Umfeld, unter denen Clark Ashton Smith als
der bedeutendste hervorragt. Man versteht darunter eine Sicht, die
den Menschen in seiner kosmischen Bedeutungslosigkeit einem
unendlichen, von unveränderlichen und gänzlich "inhumanen"
Naturgesetzten beherrschten Universum gegenüberstellt.
And Scissor Bill, he couldn’t live without the booze,
Es ist
verständlich und auch gar nicht völlig falsch, dass Leute wie S. T.
Joshi in George Sterling den wichtigsten
Vorläufer dieser philosophisch-ästhetischen Richtung sehen.
Freilich betonen sie dabei oft über Gebühr die Rolle, die dieser
Kosmizismus im Gesamtwerk Sterlings spielte. So erklärt Joshi in
der Einleitung zu dem von ihm herausgegebenen Sterling-Band The
Thirst of Satan: „Thematically, Sterling focused on the
transience and evanescence of humanity in an endless cosmos that
seems to have no purpose.“ In Wirklichkeit kommt der
Idee des Schönen in seinem Œuvre eine sehr viel zentralere Rolle
zu, und wie wir gleich sehen werden, beruht Testimony of the Suns
auf ganz denselben Grundlagen und kann nur im Zusammenhang mit
Sterlings stets unbefriedigter Sehnsucht nach Schönheit und
Gemeinschaft verstanden werden.
Das wird von all jenen übersehen,
die den Kosmizismus hauptsächlich oder ausschließlich aus den
naturwissenschaftlichen Umwälzungen der Zeit ableiten wollen. Scott
Connors z.B. schreibt in seinem Aufsatz Gesturing Toward the Infinite: „Sterling would assault the optimistic
piety of the times in large part by making use of the discoveries of
nineteenth-century science that were both a cause and a byproduct of
the great change in the nation's character from agrarian republic to
industrial democracy.“
Ohne Frage ist die
Zerstörung des teleologischen Naturverständnisses durch die
wissenschaftlichen Fortschritte des 19. Jahrhunderts eine der
unverzichtbaren Vorbedingungen für die Entstehung des Kosmizismus.
1830 hatte die englische Autorin Mary Roberts – Verfasserin
zahlreicher populärer Naturkundebücher – noch ganz
selbstverständlich schreiben können:
All die vielfältigen Teile der Natur sind wunderschön gestaltet,
damit sie im Einklang tätig sein können. Wir erkennen die Hand
Gottes in den niedrigsten und in unseren Augen oftmals
verachtenswerten Geschöpfen; sie weist jedem Lebewesen seine
Stellung zu und ordnet es auf so bewundernswerte Weise dem mächtigen
Ganzen unter, dass jedes Teilchen der Materie, und jedes lebende
Geschöpf, das kreucht, fleucht und sich auf Erden bewegt, im Dienste
des allgemeinen Guten gebildet wird. (3)
Wir müssen heute
schmunzeln, wenn wir so etwas lesen, doch über Jahrtausende war eben
das die Art gewesen, in der man die Natur betrachtet hatte. Spätestens seit
Darwins Revolution in der Biologie war das nicht mehr möglich. Hinzu
kamen Erkenntnisse in anderen Wissenszweigen wie der Geologie und
Astromomie, die den Horizont der Menschen in Raum und Zeit gewaltig
erweiterten, und nichts mehr übrigließen von der Vorstellung einer
lauschigen Heimstatt, die der Liebe Gott seinen Kinderchen mit soviel
rührender Sorgfalt eingerichtet hatte.
Ohne die aus diesen
Umwälzungen erwachsene neue Sicht der Welt wäre der Kosmizismus
nicht denkbar. Doch handelt es sich bei ihm in erster Linie nicht um
die künstlerische Verarbeitung wissenschaftlicher Erkenntnisse. Scott Connors behauptet
zwar, Sterling sei von Ernst Haeckels „scientific materialism“ (4) beeinflusst gewesen, doch
bin ich mir nicht sicher, wie verlässlich solche Angaben sind. Jedenfalls fällt es
schwer, in seinem Werk konkrete Belege für den Einfluss
naturwissenschaftlicher Ideen zu finden. Platon, Keats und Shelley
spielen da eine größere Rolle als Darwin, Huxley oder Haeckel. Die
einzige Ausnahme bildet die Astronomie, mit der sich der Dichter in
jungen Jahren einigermaßen intensiv beschäftigt hatte. Doch auch da
ist Vorsicht geboten. Ein Grund für die häufige Verwendung
astronomischer Bilder dürfte nämlich in dem Umstand zu suchen sein,
dass die Namen der Sterne Sterlings ästhetischem Empfinden
entgegenkamen. Man hat beinahe das Gefühl, als habe es ihm ein
sinnliches Vergnügen bereitet, Worte wie Aldebaran, Arcturus oder
Betelgeuse (=Beteigeuze) auszusprechen. Und sie passen ja
tatsächlich ganz ausgezeichnet zur Sprachmagie der Décadence.
Mit was genau also haben wir es
bei The Testimony of the Suns zu tun? Das Gedicht beginnt mit
einem Blick in den Nachthimmel mit seinen ungezählten Sternen. Dabei
wird der irdischen Sicht der Dinge (Time) die kosmische (Eternity)
gegenübergestellt:
Time, to thy
sight what peace they [die Sterne] share
On Night's
inviolable breast!
Remote in
solitudes of rest,
Afar from human change or care.
Eternity, unto
thine eyes
In war's unrest
their legions surge,
Foam of the
cosmic tides that urge
The battle of contending skies,
The war whose
waves of onslaught, met
Where night's
abysses storm afar,
Break on the
high, tremendous bar
Athwart that central ocean set—
From seas whose
cyclic ebb and sweep,
Unseen to
Life's oblivious hours,
Are ostent of
the changeless Pow'rs
That hold dominion of the Deep.
O armies of
eternal night,
How flame your
guidons on the dark!
Silent we turn
from Time to hark
What final
Orders sway your might. (5)
Eigentümlicherweise
scheint kaum jemandem aufgefallen zu sein, dass dieser "kosmische
Krieg" ein äußerst unpassendes Bild für die Vorgänge im
Universum ist. Sterne bekämpfen sich nicht! Die Vorstellung ist
weniger episch oder tragisch, als vielmehr ein klein Bisschen lächerlich,
und lässt die Behauptung, wir hätten es hier mit einer objektiven
Sicht der Welt zu tun, zumindest fragwürdig erscheinen.
Sehr viel
mehr Sinn macht das Panorama, wenn wir es als eine unbewusste
Übertragung der Verhältnisse in der "dog eats dog" - Gesellschaft
des ungezügelten Kapitalismus auf die Natur verstehen. Ein häufig
zu beobachtendes Phänomen, wie es sich z.B. auch in den
sozialdarwinistischen Anwandlungen Jack Londons zeigte.
Was
keineswegs bedeutet, dass es Sterling in seinem Gedicht nicht
tatsächlich um "kosmische" Fragen gegangen wäre. Doch der, der
diese Fragen stellte, war das Produkt einer bestimmten sozialen und
kulturellen Umwelt. Das lyrische Ich von Testimony of the Suns ist
nicht "der Mensch", sondern ein amerikanischer
Intellektueller des beginnenden 20. Jahrhunderts. Was sucht er in den
Weiten des Universums? Die Antwort ist eindeutig:
Child
of unrest, but fain for peace,
Life
dreams, in her expectant dark,
Of
final things, and waits to hark
Conclusive
trumpets crying cease.
Ruhe und Frieden, das
Ende des ewigen Kampfes, die Gewissheit "ewiger Wahrheiten",
danach verlangt es ihn. Und diesen Wunsch kann ihm die Natur nicht
erfüllen.
O dream not all
the worlds fulfill!
Unblest,
unbidden, save of hope.
Not for
finality the scope
And strength of that unaltered Will.
The eternal
Night hath writ in stars
Denial of the
ends ye name;
Ye stand
rebuked by suns who claim
The
consummation of her wars.
Hier müssen wir nun zwei
Dinge klar voneinander unterscheiden: Worin bestehen die realen
Wurzeln dieses Wunsches, und welche Gestalt nimmt der Wunsch
innerhalb des Gedichtes an?
Eins sollte vorn
vornherein klar sein: Worunter das lyrische Ich leidet und wonach es
sich sehnt, hat absolut nichts mit der Tatsache zu tun, dass der
Mensch im Verhältnis zum Universum ohne jede Bedeutung ist oder dass
alles Leben auf Erden eines Tages zu Ende gehen wird. Kein Mensch
empfindet in solch kosmischen Dimensionen. Was das Selbstgefühl des
Menschen in erster Linie bestimmt ist sein Verhältnis zu anderen
seiner Art, nicht zur Unendlichkeit des Weltalls. Die Rastlosigkeit,
die Sterling als einen allgemeinmenschlichen Wesenszug darstellt,
sollte in einer Reihe gesehen werden mit der Einsamkeit und
Melancholie, die uns in so vielen seiner Gedichte begegnen. Der wahre
Inhalt des Kosmizismus findet sich in dem Gedicht Mystery:
Men
say that sundered by enormous nights
Burn
star and nearest star.
That
where companioned seem the sister lights
The
great abysses are.
So
held by Life's unsympathetic dark,
We
press to hidden goals.
From
gulfs unshared the friending fires we mark,
And
we are lonely souls
Your
hearts, O friends! beyond their veiling bars
Are
hidden deep away.
Your
faces gleam familiar as the stars,
And
as unknown as they. (6)
Es ist der Wunsch nach
wahrer Gemeinschaft und nach einem festen Platz, einer sicheren
Orientierung in der Welt, die das lyrische Ich von Testimony of
the Suns seine Fragen an das Universum stellen lässt. Doch "die
Welt" ist nicht der unendliche Kosmos, sondern die menschliche
Gesellschaft. Soziale Entwurzelung und die pessimistische Sicht auf
eine gesellschaftliche Entwicklung, die von feindseligen und
unüberwindbaren Mächten beherrscht zu werden scheint, machen den
eigentlichen Nährboden für Sterlings Gefühl der Verlorenheit und
den Kosmizismus aus. Ich habe bereits früher darauf hingewiesen,
dass die Bohèmiens dazu tendieren, ihre persönlichen Tragödien zu
Weltendramen zu verklären. Eben dies geschieht hier. Sterling macht
die eigene Verzweifelung zu einem allgemeingültigen Ausdruck der
condicio humana. In einem Brief an Ambrose Bierce vom 3. Juni
1902 schrieb er: „I hope that it will be clear enough to the
intellectual reader that my invocation to the stars is only an
allegory of man's search of the universe for the secret of life." (7)
Wenn vom "Geheimnis des
Lebens" oder auch vom "Sinn des Lebens" die Rede ist, gilt es
stets Obacht zu wahren, denn was folgt, wird fast immer ein Stück
mehr oder weniger verschleierter Religion sein. „Child of
unrest, but fain for peace“ – das erinnert mich irgendwie an
den berühmten Ausspruch des heiligen Augustinus: „Et inquietum
est cor nostrum, donec requiescat in te“ – „Und unruhig
ist unser Herz, bis es ruht in dir“. (8) Und tatsächlich – das
Sternenepos ist eigentlich das Gedicht eines frommen Mannes, der
nicht mehr an Gott glauben kann. Wie angenehm wäre es doch, wenn der
Allmächtige uns an der Hand nehmen und einen Ausweg aus den
Wirrnissen dieses Lebens zeigen würde. Oder wenn wir wenigstens im
Glauben an ein glückliches Jenseits Trost zu finden vermöchten.
Her
[Life’s] fate, how stranger than we deem!
Tho'
Faith behold with trusting eyes
A
vision on transmuted skies –
The splendors of the human dream;
To
live, tho' Pain and Sorrow cease;
To
reach the high Eternal Heart;
To
know Infinity, nor part;
To
find the far Ideal, Peace –
Einige Mitglieder der "Carmel-Crowd" traten denn auch tatsächlich die Flucht in den
Glauben an. Von diesen konvertierten eine ganze Reihe zum
Katholizismus. Vermutlich weil diese Spielart des Christentums es
besonders gut versteht, das ästhetische Empfinden sensibler Menschen
anzusprechen – die Alleinseligmachende war schon immer die
bevorzugte Kirche der Romantiker. Sie folgten damit den Spuren Charles W.
Stoddards, der gegen Ende seines Lebens dem Orden der Franziskaner
hatte beitreten wollen.
Sterling konnte diesen Weg nicht einschlagen,
trotz seiner katholischen Erziehung. Doch das ersehnte Ideal blieb
auch bei ihm ein religiöses. So wie er sich die Schönheit letztlich
nur als platonische Idee vorzustellen vermochte, war Glück für ihn
nur als ein aller Veränderung enthobener, ewiger Zustand denkbar.
Mit anderen Worten – als Teilhabe am Göttlichen.
To hear within
the deep of Law
The Word that
moves her causal tides;
To know what
Permanence abides
Beyond the veil
the senses draw.
Er sucht "das Wort",
also den Logos, die Weltvernunft, die sich hinter den äußeren
Formen verbirgt. Und das ist ja ganz dasselbe "Wort", das im
Prolog des Johannesevangeliums angerufen wird.
Nur wen es nach einem
summum bonum im Sinne der alten Scholastiker verlangt, nach
einem höchsten Gut, das sich durch Ewigkeit und Unveränderlichkeit
auszeichnet, wird den permanenten Wandel, der sich in der Natur
vollzieht, als Enttäuschung empfinden. Doch dieser Wunsch nach dem
Ewigen kommt einer Negierung des Lebens gleich. Er sucht Erfüllung
nicht in einer Tätigkeit, sondern in einem Zustand. Ziel und Sinn
sind für Sterling Dinge, die von außen an den Menschen
herangetragen, nicht von ihm selbst gesetzt und geschaffen werden.
Wer so empfindet, dem muss der Anblick des Universums in der Tat
grauenhaft erscheinen.
Without
beginning, aim or end;
Supreme,
incessant, unbegot;
The
systems change, but goal is not,
Where
the Infinities attend.
Bezeichnenderweise
schließt The House of Orchids, das acht Jahre nach The
Testimony of the Suns erschien, mit einem poetischen Stück, das
den Titel The Forty-Third Chapter of Job trägt: Den Stil der
King James - Bibel nachahmend fügt Sterling der großen Rede Gottes,
der die Vorwürfe des zu Unrecht geschlagenen Gerechten mit dem
Hinweis auf seine Allmacht zurückweist – „Shalt thou question
My ways, or have dreams concerning My justice? Am not I the Lord?“
–, einen weiteren Abschnitt hinzu. Einer der Verse wirkt wie eine
Erwiederung auf das "Star Poem": „Who art thou that eternity
should hold parley with thee, or the pits of the sky be thy
fortress?“ An die astronomischen Passagen aus dem 38. Kapitel
des biblischen Weisheitsbuches anknüpfend (9) lässt er den HErrn
ausrufen: „Who setteth Capella and Adicmar to be gods for a
term, and a guide upon the deep to strange peoples;/ Who
maketh Altair and Rigel the captains of His host; Who leaneth His
spear upon Sirius ere the trumpets call;/ Who holdeth Vega His
armor-bearer, and hangeth his buckler upon Aldebaran;/ Who hath
convoked their chariots against the lamps of Evil, and their swords
against the abyss?"
Die Beziehung zur
Gedankenwelt der Testimony of the Suns ist offensichtlich. Und
es scheint mir ein Beweis tiefster Resignation zu sein, dass der
Dichter sein Buch mit einem "religiösen" Text ausklingen lässt,
in dem dem leidenden und Gerechtigkeit einklagenden Menschen von der
Gottheit entgegengerufen wird: „Be thou bowed down, nor question
the pains that I have set over thee: for each thing have I ordained
its shadow./ My thoughts are from eternity; I change not by reason of
thy dismay. Thou shalt know Me for the Lord.“ (10)
Derselbe Band enthält
Sterlings Verse auf das Grab des Franziskanerpaters Junipero Serra,
in denen der Dichter selbst die Hiob-Frage stellt:
Thou Power
unseen whose hands implacable
Close in
despair what man begins in hope, —
Unto what end,
O Fate! unto what end
Dost thou hale
forth on quests irradiant
Thy nobler
sons? Is duty but a jest.
Seeing its
guerdon given? In thy sight
Is Goodness
even as Evil? Shall she find
Her wages also
death? Wilt thou deride
Our ancient
search for justice in thy ways?
With bitter
viands evermore appease
Our hunger and
our thirst for righteousness?
Dost fashion
beauty for a moth's desire,
And sow thee
life to garner thee but dust? (11)
Die Bildersprache der
kosmischen Gedichte ist eine andere, aber das zugrundeliegende Gefühl
ist dasselbe. Im Grunde verhält sich Sterling in Testimony of the
Suns genauso wie Hiob, nur dass er seine Klagen nicht Gott,
sondern dem Universum vorträgt. Das aber bedeutet, er behandelt die
Natur als wäre sie ein göttliches Wesen. Ihre Antwort ist genauso
niederschmetternd und genauso unanfechtbar wie die des alten Jahwe.
Sterlings Verhältnis zu
Wissenschaft und Religion war ambivalent. So feierte er in den
hymenhaften Gedichten, die er anlässlich der Panama-Pacific
International Exposition von 1915 verfasste, Technik und
Wissenschaft ganz im Sinne der Weltausstellung als Wegbereiter einer
glücklicheren Zukunft. Aber das waren nicht mehr als die in
altmodische Verse gekleideten Schulbuchweisheiten eines
Fabiersozialisten, die der Weltkrieg zu diesem Zeitpunkt eigentlich
bereits ad absurdum geführt hatte. Einen etwas anderen und sehr viel
ehrlicheren Ton schlägt er in dem 1919 veröffentlichten Sonett To
Science an:
And if thou
slay Him, shall the ghost not rise?
Yea! if thou
conquer Him thine enemy,
His specter
from the dark shall visit thee-
Invincible, necessitous and wise,
The tyrant and
mirage of human eyes,
Exhaled upon
the spirit's darkened sea,
Shares He thy
moment of Eternity,
Thy truth confronted ever with His lies.
Thy banners
gleam a little, and are furled;
Against thy
turrets surge His phantoms tow'rs;
Drugged with His opiates the nations nod,
Refusing still
the beauty of thine hours;
And fragile is
thy tenure of this world
Still haunted
by the monstrous ghost of God. (12)
S. T. Joshi nennt dies ein „superb atheistic sonnet“ (13), aber wenn das Gedicht
eins verdeutlicht, so nicht Sterlings Atheismus, sondern die
Tatsache, dass er sich offenbar nie ganz von dem "Gespenst Gott"
zu befreien vermochte. Die scheinbare Unbesiegbarkeit des HErrn, die
er wohl deshalb so heftig beklagte, weil er sie sozusagen am eigenen
Leib erfuhr, ist ein schöner Beleg dafür, dass
naturwissenschaftliche Argumente allein wenig gegen religiöse
Sehnsüchte auszurichten vermögen. Elsie Whitaker Martinez hatte
wohl nicht ganz Unrecht, als sie auf das katholische Element in der
Persönlichkeit des Dichters hinwies. (14) Vergessen wir nicht, dass
Father Tabb sein erster poetischer Mentor gewesen war. Sterlings
Verhältnis zur Religion unterschied sich vielleicht gar nicht so
sehr von dem, was er einmal über die Verse des dichtenden Paters
geschrieben hatte:
So airy sweet
the fragile song,
I deemed his
visions true,
And roamed
Edenic vales along,
Lit by
celestial dew.
Illusive
gleamed the timeless bow'rs;
The winds and
streams were such
As Eve had
mourned but ah, the flow'rs!
Too delicate
for touch! (15)
Die Vision von Eden hatte
die Berührung mit der Realität nicht überstanden. Das heisst aber
nicht, dass damit auch die Sehnsucht nach dem Paradies gestorben
wäre. Sie lebte fort, sowohl im Kult des Schönen als auch in der
gebrochenen Form des Kosmizismus. Mit Sterlings religiösen
Empfindungen verhielt es sich ähnlich wie mit seinem Platonismus.
Bei dem griechischen Philosophen war die Liebe zum Schönen ("Eros")
ja nur die erste Stufe des Aufstiegs zur Idee des Guten gewesen. Für
Sterling war dieser Weg nunmehr blockiert. Was blieb war das Gefühl
eines nie zu stillenden Verlangens.
Dass The Testimony of
the Suns die Gefühlslage vieler Intellektueller ziemlich genau
widerspiegelte, zeigt nicht nur die begeisterte Aufnahme, die das
Gedicht u.a. bei Bierce, London und Smith fand, sondern auch die
Tatsache, dass sich in vielen Werken Herman Scheffauers ein ganz
ähnlicher Kosmizismus findet. Mit The Masque of the Elements
verfasste dieser 1906 sogar eine eine Art Mysterienspiel über
den ewigen Kreislauf des Werdens und Vergehehns im kosmischen
Maßstab, und vergleichbare Gedanken finden sich bereits zuvor in
einer ganzen Reihe seiner Gedichte, so etwa in Hymn to the Passing
Earth:
When the cliff crumbles and the splintered peak
Feels the sharp fracture of the frost and snow;When the fell deluge and the rivers seekTo drag green continents where oceans flow;When moons are darkened and the suns lose lustre,And the worn axles of old Earth turn slow,While stars in terror round her orbit clusterTo peer upon her fall and overthrow,And all Creation in an endless flowing,Is tidal toward her still and secret springs,Oblivious to his coming and his going,Must Man be numbered with her mortal things?
Scheffauers Gedicht endet
allerdings auf einer trotzig-optimistischen Note:
Must Man, on Nature's temple threshold hoary,Groan at the far futility of things ?O great gray question! still the deeps lie shroudedWith midnights round the word for which we yearn.What though across the Future's peaks uncloudedNe'er sign nor answering symbol soar and burnIn light and not in shadow fall our race!Nor shall the monster staves of Cosmos blightMan in his mundane majesty of placeNor halt his march against the evening height. (16)
In dem Versdrama Lilith,
einem seiner interessantesten Werke, sollte Sterling eine ähnliche
Position beziehen. Aber so weit sind wir noch nicht.
Wir werden es im
Folgenden noch öfters mit dem Kosmizismus zu tun bekommen. Darum
wollen wir fürs Erste nur festhalten:
- Seine Wurzeln liegen nicht primär in den wissenschaftlichen Umwälzungen des 19. Jahrhunderts, vielmehr benutzt er die durch die Zerstörung des teleologischen Naturverständnisses entstandene neue Sicht der Welt zum Ausdruck eines Gefühls der Verlorenheit, das sozial bedingt ist.
- Er ist keine objektive Darstellung der Situation des Menschen in einem unendlichen, sinnentleerten und gottlosen Universum, sondern eine Art demoralisierter Religiosität, die die Bedeutung des Lebens zwar immer noch außerhalb der menschlichen Gesellschaft und ihrer Entwicklung, in einer ewigen Weltordnung, sucht, dort aber nicht mehr zu finden vermag. Damit ist er eine geradezu klassische Verkörperung des Nihilismus, wie ihn Nietzsche beschrieben hat.
Schließen wir diesen
Abschnitt mit einem längeren Zitat aus Maurice Maeterlincks Ziel
der Menschheit. Der Essay des belgischen Symbolisten zeigt uns
einerseits, dass der Kosmizismus nicht nur in Amerika ein
Grundbestandteil des Fin-de-siècle war, und verdeutlicht
andererseits, dass auch ein Dècadent nicht notwendigerweise
pessimistische oder misanthrope Schlüsse aus ihm ziehen musste:
Wohin geht die Menschheit? Dieses Fragen nach Zweck und Ziel ist
eine Art von Kleinstädterei und Schwäche unsres Geistes und hat
mit der Realität des Weltalls anscheinend nichts gemein. Haben die
Dinge ein Ziel? Warum sollten sie eines haben und was heißt
überhaupt ein Ziel oder Zweck in einem unendlichen Getriebe? Aber
wenn es auch wahrscheinlich ist, daß wir keine andere Bestimmung
haben, als eine kurze Spanne Zeit ein bescheidenes Plätzchen
einzunehmen, das, wenn wir nicht wären, von Grillen oder Veilchen
eingenommen würde, ohne daß die Schönheit des Welthaushaltes darum
getrübt würde, ohne daß die Geschicke der Erde um eine Stunde
hinausgeschoben oder verkürzt würden, wenn wir auch nur gehen, um
zu gehen, ohne irgendwo hinzugehen, so brauchen wir unser Interesse
doch nicht auf dem unnützen Weg, den wir machen, zu beschränken.
Wir können an vielen Dingen Anteil nehmen, und dies ist auch ganz
vernunftgemäß und das Klügste und Höchste, was wir tun können.
[...] Die Vernunft in ihrer Erdenferne wird unfruchtbar und lehrt uns
nichts als Unbeweglichkeit, wenn sie, nach Erkenntnis der Kleinheit
und Nichtigkeit unserer Leidenschaften und Hoffnungen, unseres
ganzen Daseins und ihrer selbst, nicht wieder umkehrt und sich von
neuem für die Kleinigkeiten und diese ganze Nichtigkeit erwärmt,
als wären sie das Einzige, wozu sie auf dieser Welt taugt.
Maeterlinck schließt mit
einem hoffnungsvollen Ausblick auf die gesellschaftliche
Entwicklung der Menschheit, die nach Überwindung der
gegenwärtigen Krise zu einem Reich der Muße führen werde,
wo die Arbeit, dank einer weniger papiernen Gerechtigkeit, dank
den Maschinen, dank der landwirtschaftlichen Chemie, dank vielleicht
der Medizin oder irgend einer eben auftauchenden Wissenschaft,
weniger hart, weniger ununterbrochen, grob, tyrannisch und
erbarmungslos sein wird. (17)
Dann wird es die höchste
Aufgabe der Menschen sein, ihre so gewonnene Muße in einer würdigen
und sie selbst moralisch und kulturell erhebenden Art zu nutzen.
Scissor Bill
Maeterlincks Essay zeigt sehr schön,
dass der einzige Ausweg aus der kosmischen Verlorenheit in einer
Hinwendung zur menschlichen Gesellschaft und im Glauben an die
Überwindung der momentan in ihr herrschenden Verhältnisse besteht.
Und tatsächlich bewies ja auch George Sterling Konsequenz genug, um
im Sturz der bürgerlichen Ordnung die einzige Lösung für das
Dilemma zu sehen, unter dem er litt. Doch wie wir gesehen haben,
konnte er sich im Innersten nie wirklich mit dieser
Perspektive identifizieren, und so eröffnete sie ihm auch keinen
Ausweg aus seiner Einsamkeit und Melancholie. Ja, man könnte sogar
die Vermutung aufstellen, sie habe seine seelische Zerrissenheit noch
verstärkt. Es bleibt zu fragen, ob die Schuld dafür allein bei ihm
selbst lag, seinem mangelnden Willen oder seiner psychischen
Veranlagung.
Wie ich in einem früheren Kapitel ausgeführt habe, kann eine revolutionäre Arbeiterbewegung
dem Bohèmien dabei helfen, seine psychologische Abhängigkeit vom
bürgerlichen Milieu zu überwinden, seinem sozialen Niemandsland zu
entfliehen und eine neue "Heimat" zu finden. Vorausgesetzt sie
ist stark, selbstbewusst und energisch genug, um ihm Vertrauen in
ihren letztendlichen Sieg einzuflößen. Ob diese Kriterien in den
USA des beginnenden 20. Jahrhunderts erfüllt waren, muss jedoch
bezweifelt werden.
Die amerikanische
Arbeiterbewegung war zwar sehr militant und brachte eine Reihe
herausragender Persönlichkeiten hervor, wie Eugene Debs, "Mother"
Jones, "Big Bill" Haywood, "Rebel Girl" Elizabeth Gurley Flynn und
Vincent "The Saint" St. John, doch die Sozialistische Partei
wurde dem kaum gerecht. James P. Cannon – Wobblie, Kommunist der
ersten Stunde und später Gründer und langjähriger Führer des amerikanischen
Trotzkismus – hat sie im Rückblick einmal so charakterisiert:
All hues of the political rainbow, from dogmatic ultra-radicalism
to Christian Socialism, showed up in the party from the start. The
mixed assemblage was held together in uneasy unity by a loose
organizational structure that left all hands free from any real
central control. [...] To complete the picture of a socialist
variety store, each party speaker, writer, editor and organizer, and
– in actual practice – each individual, promoted his own kind of
socialism in his own way; and the general unification, giving rise to
the feeling of greater strength, stimulated all of them to greater
effort. [...] The socialist movement, such as it was, was new in this
country. In its experiences, as well as in its thinking, it lagged
far behind the European movement. The different groups and tendencies
espousing socialism had yet to test out the possibility of working
out a common policy by working together in a single organization. The
new Socialist Party provided an arena for the experiment. (18)
Die Heterogenität der
Partei machte es leicht, sich "der Bewegung" zugehörig zu
fühlen. Zugleich jedoch war es ihr unter diesen Umständen
unmöglich, den Intellektuellen eine klare Perspektive zu
präsentieren, die ihnen einen festen Halt hätte bieten können. Der
herausfordernde Optimismus eines Jack London, wie er sich z.B. in
seinem Essay Revolution zeigt, war zu einem Gutteil nur
möglich, weil der Schriftsteller eine völlig unkritische
Einstellung zur Arbeiterbewegung pflegte. So nannte er den glühenden
Revolutionär Debs und den rechten Gewerkschaftsboss Gompers in
einem Atemzug "Führer des Proletariats"! Kein Wunder, dass sich
Londons Siegesgewissheit wenige Jahre später in Enttäuschung und
Verbitterung verwandelte.
Die Sozialistische Partei wurde dominiert
von Vertretern der Mittelschicht, Ärzten, Rechtsanwälten, Lehrern,
Universitätsdozenten, Ingenieuren und überraschend vielen Pastoren,
deren Bekehrung zum Sozialismus nicht unbedingt bedeutete, dass sie
damit auch die Lebensweise und die Vorurteile ihrer Klasse
abgeschüttelt hätten. Leo Trotzki, der 1917 im New Yorker Exil
einige Erfahrungen mit diesen Führern sammeln konnte, sprach
spöttisch von einem "Sozialismus der Babbitts". (19) Edwin Markhams Gedichte
mit ihrer Mischung aus sentimentaler Menschheitsliebe, religiöser
Phraseologie und verschwommenem Utopismus geben ein recht gutes Bild
davon ab, wie man in diesen Kreisen dachte und empfand.
Noch
schlechter stand es um die Gewerkschaftsbürokratie, denn dort
verband sich borniertes Denken oft genug mit ungebremstem
Karrierismus. Das galt für Samuel Gompers, den nationalen
Vorsitzenden des AFL ("American Federation of Labor") ebenso wie
für Patrick MacCarthy, den berüchtigten Gewerkschaftsboss von San
Francisco. Die Stadtverwaltung der Union Labor Party war sogar nach
den Maßstäben ihrer Zeit außergewöhnlich korrupt.
Ideologische Schwäche
und Rückständigkeit der kalifornischen Arbeiterbewegung zeigten
sich vielleicht am deutlichsten in ihrem antiasiatischen Rassismus.
So wie Denis Kearneys Workingmen’s Party in den 1870ern der
Champion der Anti-Coolie-Bewegung gewesen war, organisierte und
finanzierte MacCarthys BTC ("Building Trades Council") nun die
antijapanische Agitation. Obwohl sie sich offiziell zum
Internationalismus bekannte, hielt sich die Sozialistische Partei
zurück mit Kritik am Rassismus der Gewerkschaften. Sozialist Cameron
King erklärte sogar ganz offen: „Our feelings of brotherhood
toward the Japanese must wait until we have no longer reason to look
upon them as an inflowing horde of alien scabs.“ (20) Der christliche Sozialist
Jackson Stitt Wilson – von 1911 bis 1913 Bürgermeister von
Berkeley – gehörte auf dem nationalen Parteitag von 1912 zu den
lautstärksten Befürwortern restriktiver Einwanderungsbestimmungen.
Wie in solchen Fällen üblich, mischte sich der Vorwurf des
Lohndumping mit dem Glauben an die rassische und kulturelle
Überlegenheit der Weißen, genauer gesagt der "Angelsachsen".
Die sozialistischen Zirkel, die Katayama Sen – einer der Pioniere
der japanischen Arbeiterbewegung – unter den Issei von San
Francisco gegründet hatte, änderten an dieser Einstellung wenig.
Einige ihrer Mitglieder spielten möglicherweise eine Rolle bei der
Gründung der kurzlebigen "Japanese-Mexican Labor Association" (JMLA),
die im Jahre 1903 mehr als 1.200 mexikanische und japanische
Landarbeiter im südkalifornischen Oxnard in einen erfolgreichen
Streik führte. Die Reaktion der weißen AFL auf dieses großartige
Beispiel für Klassensolidarität war ebenso erbärmlich wie
symptomatisch. Sie war nur bereit, die JMLA in ihre Organisation
aufzunehmen, wenn diese die Japaner aus ihren Reihen verbannte. Der
mexikanische Arbeiterführer J. M. Lizarras reagierte mit
wohlverdienter Verachtung auf Gompers unverschämte Forderung:
[O]ur Japanese brothers here were the first to recognize the
importance of cooperating and uniting in demanding a fair wage scale.
. . . They were not only just with us, but they were generous when
one of our men was murdered by hired assassins of the oppressor of
labor, they gave expression to their sympathy in a very substantial
form. In the past we have counseled, fought and lived on very short
rations with our Japanese brothers, and toiled with them in the
fields, and they have been uniformly kind and considerate. We would
be false to them and to ourselves and to the cause of unionism if we
now accepted privileges for ourselves which are not accorded to them.
We are going to stand by men who stood by us in the long, hard fight
which ended in a victory over the enemy. (21)
Leider sahen die meisten
weißen Gewerkschaftler die Sache nicht so wie Lizarras. Einzig die
Wobblies führten einen kompromisslosen Kampf gegen jede Art von
Diskriminierung. Sie vereinigten Weiße und Farbige,
Amerikaner und Immigranten, Männer und Frauen, Ungelernte und
Facharbeiter in ihrer "One Big Union". Einige von ihnen schlossen
sich 1911 in Baja California der Revolutionsarmee des Anarchisten
Ricardo Florez Magón an und kämpften Seite an Seite mit
mexikanischen Peones und Cocopah Indianern gegen "El Caudillo"
Porfirio Diaz und die Großgrundbesitzer.
Doch die Wobblies waren die
Ausnahme. Es gab immer noch mehr als genug "Scissor Bills", von
denen Joe Hill gesungen hatte:
You
may ramble ‘round the country anywhere you will,
You’ll
always run across the same old Scissor Bill.
He’s
found upon the desert, he is on the hill,
He's found in every mining camp and lumber mill.
He
looks just like a human, he can eat and walk,
But
you will find he isn’t, when he starts to talk.
He’ll
say, „This is my country“, with an honest face,
While
all the cops they chase him out of every place.
Scissor
Bill, he is a little dippy,
Scissor
Bill, he has a funny face.
Scissor
Bill should drown in Mississippi,
He is the missing link that Darwin tried to trace.
And Scissor Bill, he couldn’t live without the booze,
He
sits around all day and spits tobacco juice.
He
takes a deck of cards and tries to beat the Chink!
Yes,
Bill would be a smart guy, if he only could think.
And
Scissor Bill he says: „This country must be freed
From
Niggers, Japs and Dutchmen and the gol durn Swede.“
He
says that every cop would be a native son
If
it wasn’t for the Irishman, the sonna fur gun.
Scissor
Bill the „foreigners“ is cussin’;
Scissor
Bill, he says: „I hate a Coon“;
Scissor
Bill is down on everybody
The
Hottentots, the Bushmen and the man in the moon.
Das rassistische Element
in vielen Werken Jack Londons, sein dummes Geschwätz über die "gelbe Gefahr" und seine Begeisterung für die übelsten Seiten
von Rudyard Kipling als dem Sänger des "White Man’s Burden" sind
also weniger befremdlich, als man auf den ersten Blick annehmen
möchte.
Sterling teilte mit seinem Freund den Glauben an die
Überlegenheit der Angelsachsen als einer Art Eroberer- und
Herrenrasse. In The Princess on the Headland kleidete er diese
Überzeugung in Bilder einer düster-blutigen Romantik: Die Erbin eines
Keltenkönigs verweigert sich den Männern ihres Volkes und wartet
auf den Krieger, der über das Meer kommen und sie erobern wird.
At
the thought of a Gaelic man
My
heart is sister of ice.
T’is
another for whom I wait,
Tho
I have not kissed his sword :
He
or none is my lord,
Tho
our night be soon or late.
Dass es sich bei dem
Herbeigesehnten um den angelsächsischen Eroberer handelt, ist klar, auch wenn dies nicht ausdrücklich gesagt
wird. Er wird Tod und Vernichtung bringen, doch gleichzeitig eine
neue Ära einleiten:
Sorrow
I know he brings,
Battle,
despair and change, —
Beauty
cruel and strange,
And
the shed bright blood of kings.
Und so träumt die
Prinzessin von der lustvollen Unterwerfung unter den künftigen
Bezwinger ihres Volkes:
Breast,
be white for his sake!
Mouth,
be red for the kiss!
Soul,
be strong for your bliss!
Heart,
be ready to break! (22)
Das Gedicht weckt
unangenehme Assoziationen zu dem nur allzu bekannten Ariermythos,
wobei das sexuelle Motiv dem ganzen noch zusätzlich eine besonders
abstoßende Note verleiht. Ähnliche Phantasien von blonden und
brutalen Eroberern und Herrenmenschen finden sich auch bei Jack
London.
Einer der sympathischsten
Züge Joaquin Millers war es, dass er sich diesem Rassenblödsinn
strikt verweigerte und stattdessen in "The Hights" eine kleine
Kolonie chinesischer und japanischer Künstler um sich scharte, zu
denen u.a. der bekannte Dichter Yone Noguchi gehörte. Wie Elsie
Whitaker Martinez erzählt: „At that time his ambition was to
overthrow Kipling’s ‘East and West, never the twain shall meet’.
Well, he was going to correct that. He succeeded in arranging several
marriages between Americans and Japanese.“ (23) In dieser Hinsicht zeigte
sich die junge Generation leider wenig bereit, von dem ergrauten "Byron der Sierras" zu lernen.
Selbst der alte Zyniker
Ambrose Bierce erwies sich in seiner Einstellung zu "fremden
Rassen" als sehr viel humaner und aufgeklärter denn so mancher
Radikale. Während wir in Londons Valley of the Moon alle paar
Seiten auf verächtliche Ausfälle gegen Chinesen, Japaner,
Portugiesen, Mazedonier und sonstige "Ausländer" stoßen,
verspottete Bierce in The Haunted Valley den amerikanischen
Rassismus in Gestalt des bigotten Saloonbesitzers Dunfer, für den
die Chinesen „a flight of devouring locusts“ sind und
dessen christliche Moral so aussieht: „I saw him once in a
towering rage because one of his herdsmen had permitted a
travel-heated Asian to slake his thirst at the horse-trough in front
of the saloon end of Jo's establishment. I ventured faintly to
remonstrate with Jo for his unchristian spirit, but he merely
explained that there was nothing about Chinamen in the New Testament,
and strode away to wreak his displeasure upon his dog, which also, I
suppose, the inspired scribes had over-looked.“ (24) Und hätte Bierce die
rassistischen Linken treffsicherer verhöhnen können, als indem er
in The Ashes of the Beacon San Francisco das Chaos der
Revolution deshalb am besten überstehen lässt, weil „[it]
was valorously and successfully defended by the Chinese“? (25)
Doch der Rassismus, von
dem in Sterlings Werk ansonsten glücklicherweise wenig zu spüren
ist, interessiert uns hier lediglich als Symptom. Dass sein Sozialismus nicht zur Überwindung seiner bigotten Vorurteile
führte, ist bloß ein besonders deutliches Anzeichen für dessen
innere Schwäche. Die endgültige Bestätigung dessen war Sterlings
moralisch-politischer Kollaps während des Ersten Weltkriegs, auf den
wir in einem späteren Kapitel eingehen werden. Den revolutionären
Wobblies stand der Dichter des Wine of Wizardry so fern, wie
seine kunstvoll-dekadenten Verse den ebenso schlichten wie
intelligenten und witzigen Songs Joe Hills. Die Sozialistische
Partei aber strahlte trotz der persönlichen Integrität von Leuten
wie Eugene V. Debs nicht genügend moralische Kraft aus, um ihn aus
seiner melancholischen Verlorenheit zu reißen. Und so wurde er
letztenendes immer wieder auf sich selbst zurückgeworfen. Dort aber
konnte er keinen Frieden finden:
The stranger in
my gates – lo! that am I,
And what my
land of birth I do not know,
Nor yet the
hidden land to which I go.
One may be lord
of many ere he die,
And tell of
many sorrows in one sigh,
But know
himself he shall not, nor his woe,
Nor to what sea
the tears of wisdom flow;
Nor why one star is taken from the sky.
An urging is
upon him evermore,
And though he
bide, his soul is wanderer,
Scanning the
shadows with a sense of haste
Where fade the
tracks of all who went before –
A dim and
solitary traveller
On ways that
end in evening and the waste. (26)
Schon die Übersiedelung
nach Carmel 1905 war letztenendes nichts anderes als eine Flucht vor
der sozialen Wirklichkeit gewesen – ein Akt des Defätismus. Im
selben Jahr, in dem Sterling sich in sein Feenreich auf der Halbinsel
Monterey zurückgezogen hatte, war Jack London kreuz und quer durch
die Vereinigten Staaten gereist und hatte Vorträge über die
Russische Revolution gehalten ...
Fortsetzung folgt
(1) Nebenbei bemerkt mutet es schon etwas unheimlich an, dass London seinen besten Freund in Gestalt Brissendens einen ziemlich erbärmlichen Tod sterben lässt.
(2) Jack London: Martin Eden. S. 304f.
(3) Mary Roberts: The
Conchologist’s Companion. Zit. nach: Stephen Jay Gould: Die
unsichtbare Frau. In: Ders.: Ein Dinosaurier im Heuhaufen.
Streifzüge durch die Naturgeschichte. S. 252.
(4) Scott Connors: A Machen Review of Clark Ashton Smith.
(5) George Sterling: The Testimony of the Suns.
In: Ders.: The Testimony of the Suns and Other Poems. S.
43-84.
(6) George Sterling: Mystery. In: Ders.:
The Testimony of the Suns and Other Poems. S. 114.
(7) Zit. nach: S.T. Joshi: Introduction to "The Thirst of Satan".
(8) Aurelius Augustinus: Confessiones. I, 1.
Zit. nach: Kurt Flasch: Augustin. Einführung in sein Denken.
S. 257.
(9) „Canst thou bind the sweet influences of
Pleiades, or loose the bands of Orion?/ Canst thou bring forth
Maz-zaroth in his season? Or canst thou guide Arcturus with his
sons?“ (Job 38, 31f.)
(10) George Sterling: The
Forty-Third Chapter of Job. In: Ders.: The House of Orchids
and Other Poems. S. 135; 136; 140; 139f.
(11) George Sterling: At the Grave of Serra.
In: Ders.: The House of Orchids and Other Poems. S. 111f.
(12) George Sterling: To Science.
(13) S.T. Joshi: Introduction to "The Thirst of Satan".
(14) Vgl.: Elsie Whitaker Martinez: San Francisco
Bay Area Writers and Artists. S. 167f.
(15) George Sterling: On Reading
the Poems of Father Tabb. In: Ders.: The Testimony of the Suns
and Other Poems. S. 121.
(16) Herman Scheffauer: Hymn to the Passing
Earth. In: Ders.: Looms of Life. S. 74ff.
(17) Maurice Maeterlinck: Die
Zukunft der Menschheit. In: Wolfgang Asholt & Walther
Fähnders (Hg.): Fin de siècle. S. 199f.
(18) James P. Cannon: E.V. Debs.
(19) Vgl.: Leo Trotzki: Mein Leben. Versuch einer
Autobiographie. S. 248f.
(20) Zit. nach: Michael Kazin: Reform,
Utopia, and Racism. The Politics of California Craftsmen. In:
Daniel Cornford (Hg.): Working People of California. S. 331.
(21) Zit. nach: Tomás Almaguer:
Racial Domination and Class Conflict in Capitalist Agriculture.
The Oxnard Sugar Beet Workers’ Strike of 1903. In: Daniel
Cornford (Hg.): Working People of California. S. 200.
(22) George Sterling: The Princess on the
Headland. In: Ders.: Sails and Mirage and Other Poems. S.
95f.
(23) Elsie Whitaker Martinez: San Francisco Bay
Area Writers and Artists. S. 182.
(24) Ambrose Bierce: The Haunted Valley. In:
Ders.: Can Such Things Be. S. 102f.
(25) Ambrose Bierce: The Ashes of the Beacon. In:
The Collected Works. Bd. 1. S. 33.
(26) George Sterling: „Omnia Exeunt In
Mysterium“. In: Ders.: Beyond the Breakers and Other Poems.
S. 93.
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