Kürzlich bin ich bei SFFaudio – einer Website, deren Bekanntschaft ich (wieder einmal) dem großen Jim Moon verdanke, der dort im Gedenken an Ray Bradbury I, Mars vorgetragen hat – über einen Eintrag gestolpert, in dem es um eine frühe Story von Philip K. Dick geht. Mir war bisher nicht bewusst, dass einige Werke des guten PKD im Netz frei zugänglich sind (ich weiß, ich hätte bloß bei Wikisource nachschauen müssen). Eines davon ist The Defenders, den Angaben von SFFaudio zufolge die fünfte Kurzgeschichte, die von ihm veröffentlicht wurde.
Mit dieser für mich neuen Erkenntnis beschenkt, machte ich mich eilends daran, das gute Stück etwas genauer in Augenschein zu nehmen. Das Ergebnis? Wer sich für die schriftstellerische Entwicklung Dicks interessiert wird The Defenders zu goutieren wissen, alle anderen erwartet nicht viel mehr als eine mittelmäßige SF-Story mit einigen frustrierenden erzählerischen Mängeln.
Vor acht Jahren ist der Dritte Weltkrieg ausgebrochen. Die Menschheit hat sich in riesige unterirdische Bunkerkomplexe zurückgezogen und lässt den Kampf ausschließlich von Robotern, sog. 'leadies', ausfechten. Doch mit einem Mal kommen der Führung Zweifel daran, ob die desaströsen Berichte von der Oberfläche tatsächlich der Wahrheit entsprechen. Ein kleiner Stoßtrupp, zu dem auch unser Held, der Ingenieur Taylor, gehört, wird losgeschickt, um die Lage zu erkunden. Was sie oben angekommen trotz des Widerstandes der 'leadies' entdecken, entspricht so gar nicht ihren Erwartungen.
Es ist erstaunlich, wie viele der typisch dick'schen Elemente sich schon in dieser frühen, 1953 veröffentlichten, Geschichte finden. Der Mittelklasse-Protagonist; der ironische Blick auf das amerikanische Kleinbürgertum; der Horror des Atomkriegs; das Gegenüberstellen von Mensch und Roboter und damit verbunden die Frage, wer von ihnen eigentlich menschlicher ist bzw. was den Menschen zum Menschen macht; das Motiv einer 'falschen' Realität, wenn auch hier noch ohne metaphysische Dimensionen.
Die Grundidee von The Defenders besitzt durchaus Potential, und Dick hat sie Jahre später in modifizierter Form noch einmal für seinen Roman The Penultimate Truth verwendet. Dennoch sind die gravierenden Schwächen der Story nicht zu übersehen. Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum Taylor überhaupt an der Expedition teilnehmen sollte, und spätestens bei Erreichen der Erdoberfläche zerfällt Dick die Handlung zwischen den Fingern. Seine Figuren scheinen sich etwas ziellos hin und her zu bewegen; eine eingeschobene Actionszene wirkt unmotiviert und spannungsarm; und die letzten Seiten bestehen beinahe vollständig aus dem Monolog eines 'leadie', der den Menschen (und durch sie dem Leser oder der Leserin) erklärt, was eigentlich Sache ist. Hinzu kommen eine ziemlich banal wirkende philosophische Note (sowas kennt man ja auch vom späteren Dick) und als Krönung eine fürchterlich naive Botschaft.
Alles in allem zeigt uns The Defenders sowohl den erwachenden Genius eines großen Künstlers als auch das mühsame Ringen eines jungen Schriftstellers um die Beherrschung seines Handwerks.
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