Die Sword & Sorcery hatte in den Augen "linker"
Phantastikkritiker nie einen leichten Stand. In den 80er Jahren gehörte es bei denen hierzulande
zum guten Ton, Robert E. Howard und sein Werk als "faschistoid" zu
verdammen, und manch einer ging gar soweit, Conan zu einer Verkörperung
der nazi-nietzscheanischen "blonden Bestie" zu erklären. (1) Hans Joachim Alpers etwa schrieb damals über ihn:
Conan hat die Söldnermentalität eines Kongo-Müller und seine Autoren natürlich auch. Wenn Conan anderen hilft, dann nicht aus Edelmut, sondern aus Kalkül. Was ihn zu seinen Taten treibt, ist einmal das Geld (was ihn mit vielen Helden des Sado-Westerns vereint), zum anderen die Mordlust. Für Geld tut er alles: er ist der käufliche Handlanger jedes Herrschers für jedes Ziel, der das Volk unterdrücken hilft und Aufstände niederwirft, wenn er nicht auf eigene Rechnung arbeitet und sengend und mordend durch die Lande zieht, sich abermals mit dem Blut und dem Schweiß der arbeitenden Bevölkerung mästend. (2)
Und diese Art von "Kritik" beschränkte sich nicht allein auf den Cimmerier. So erklärte Joachim Kalka im Vorwort zu seiner 1982 erschienenen Anthologie Die geheime Position der Nordküste: "Fritz Leibers 'Sword-and-Sorcery'-Zyklus um Fafhrd und den Grey
Mouser hat die Fantasy stark und nicht besonders glücklich beeinflusst". (3) Und im Vorwort zum 1983 veröffentlichten Goldmann Fantasy Foliant 1 dehnte Herausgeber Peter Wilfert diese "Kritik" auf die gesamte Sword & Sorcery aus, die er unterschiedslos als "Herrenmensch-Helden" - Schund abqualifizierte, deren einziger Zweck im Ausleben von "Macht- und Sexualphantasien" bestehe. Fairerweise sollte man wohl hinzufügen, dass Wilfert dabei u.a. an John Normans Gor - Bücher dachte. Doch die Erwähnung von "Groschenmagazinen" und Formulierungen wie "unterste Schublade des literarischen Geschmacks"
machen es wahrscheinlich, dass dabei auch ein Gutteil
jener bildungsbürgerlichen Verachtung für die Populärkultur mitschwang, die
nicht zuletzt dank Adorno & Co auch unter vermeintlichen "Linken"
weit verbreitet war. (4)
Die heutige "linke" Kritik sieht im Allgemeinen etwas anders aus und konzentriert sich in erster Linie auf Sexismus und Rassismus. So erschien z.B. 2012 auf FerretBrain ein ziemlich langer Artikel von Arthur B. mit dem Titel We Need To Talk About Conan, der sämtliche Stories über den Cimmerier auf entsprechende Motive und Szenen durchging. Der Beitrag schloss mit der Erklärung:
I can’t recommend the Conan stories to readers for any reason other than historical interest. [...] Of course we shouldn’t throw Howard down the memory hole, any more than we should throw any author down the memory hole, but we can at least turf him out of the pantheon. Let him, if he hasn’t already, become one of those authors who is more talked about than read, whose influence we recognise and acknowledge but whose work we read for research rather than enjoyment. (5)
Und vor nicht gar zu langer Zeit bin ich einmal über einen Tweet gestolpert, in dem erklärt wurde, kein heute Schreibender könne sich noch mit der Tradition der Sword & Sorcery identifizieren, weil diese so unauflöslich mit Rassismus und Sexismus verknüpft sei.
Ich jedenfalls bin ganz und gar nicht bereit, die Traditionen der Sword & Sorcery kampflos den Reaktionären zu überlassen. Und das ist keine bloß akademische Frage, denn innerhalb des Fandoms existiert zweifellos ein rechtsextremes Segment. Wie groß dieses ist, sei erst einmal dahingestellt, doch macht es sich von Zeit zu Zeit recht lautstark bemerkbar.
This genre went through a major schism not so many years ago. People made statements, chose sides, left discussion groups, and in some cases ended friendships.
(1) Ja, der Cimmerier ist dunkelhaarig und vom Typ her eher "keltisch" als "nordisch", aber manch Kritiker hat ja auch in Tolkiens schwarzhaarigen Elben "arische Übermenschen" sehen wollen ...
(2) Zit. nach: Zauberspiegel Online.
(3) Zit. nach: Hardy Kettlitz & Christian Hoffmann: Fritz Leiber. Schöpfer dunkler Lande und unrühmlicher Helden. S. 5.
(4) Peter Wilfert (Hg.): Goldmann Fantasy Foliant I. S. 11f.
(5) FerretBrain wurde 2019 eingestellt und die Website existiert nicht länger. Doch der Artikel hat sich glücklicherweise auf dem persönlichen Blog von Arthur B. erhalten.
(7) Ich kann es übrigens vollkommen verstehen, wenn man keine von MZB geschriebenen Bücher mehr in die Hand nehmen will. Dafür gibt es gute Gründe, und in diesem Fall empfinde ich sogar ähnlich. Aber das sollte nicht dazu führen, dass man die positive Rolle, die sie als Herausgeberin für die Entwicklung des Genres gespielt hat, unter den Tisch fallen lässt. Das wäre vor allem äußerst unfair gegenüber all den Autor*innen, deren Stories auf den Seiten von Sword & Sorceress erschienen sind.
(8) Dass in der deutschen Rollenspielwelt ein derartiges Bild der Sword & Sorcery -- und damit einhergehend entsprechende Sicht- und Verhaltensweisen -- nach wie vor weit verbreitet sind, will ich freilich gar nicht anzweifeln.
(9) Für alle, die das Glück hatten, die Puppy-Saga nicht live miterleben zu müssen, hier eine kurze Zusammenfassung: Die Bewegung der "Sad Puppies" nahm ihren Ausgang allem Anschein nach
vom verletzten Ego des SciFi - Autors Larry Correia, der fest damit
gerechnet hatte, 2011 den John W. Campbell - Award (inzwischen in Astounding umbenannt)
zu gewinnen, was ihm nicht vergönnt war. 2013 startete er die erste SP -
Kampagne mit dem erklärten Ziel, sich selbst einen Hugo zu bescheren. Er stellte dies als Rebellion des hart arbeitenden Pulp-Autoren gegen ein von versnobten "literati" dominiertes Establishment dar. Die politische Komponente stand dabei noch nicht im Zentrum, war aber
bereits vorhanden, denn die "literati" bevorzugten offenbar "heavy handed message fic". 2014 wiederholte Correia seine Aktion. Erneut war der Slogan: "Make literati heads explode". Doch diesmal ging es um mehr als bloß eine besonders aggressive Werbekampagne für seine eigene Nominierung. Correias "Wahlliste" ("Slate") enthielt neben seinem eigenen Roman Warbound u.a.
Werke von Brad Torgersen, Sarah Hoyt und Theodore Beale / Vox Day. Die
"Sad Puppies" waren dabei, eine Art Sammelbewegung der rechten und
konservativen Elemente in der amerikanischen SF&F zu werden. Dass
Correia bereit war, dabei ein Bündnis mit dem allgemein verachteten Vox Day einzugehen, ließ tief blicken. Und dass Beale es tatsächlich unter die Finalisten
schaffte, war zugleich ein Beleg dafür, dass die Taktik der "Sad Puppies",
mittels der Bildung eines Wahlblocks den Hugo zu kapern, Aussicht auf Erfolg hatte. Und so dämmerte schließlich das Jahr der großen Hugokalypse herauf. Unter ihrem neuen Führer Brad Torgersen entwickelten die "Sad Puppies" eine rege Aktivität. Sie wurden dabei zum Sprachrohr für alle rechten Ressentiments, die in Teilen des SFF-Fandoms gegen die angebliche "Dikatur" von "Politisch Korrekten", SJWs, Feministinnen und anderem linken Gelichter existierten. Keine Woche verging, ohne dass nicht irgendwelche Schlammschlachten in den Weiten des englischsprachigen SFF-Internets ausgefochten worden wären. Theodore Beale derweil hatte sich von den SPs abgespalten und seine eigene Bewegung gebildet, die offen faschistischen "Rabid Puppies". Beiden zusammen gelang es tatsächlich, den Hugo mit ihnen genehmen Finalist*innen zu überfluten. Was am Ende dazu führte, dass im August 2015 auf der Worldcon in Spokane/Washington reihenweise "No Awards" verliehen wurden. Der (zweifelhafte) Triumph der "Puppies" war allerdings auch der Beginn ihres Niedergangs. Zumindest als organisierte Bewegung. Ihre Führer & Führerinnen ebenso wie das von ihnen repräsentierte Gedankengut sind natürlich auch weiterhin virulent. Kurz gesagt: Die "Puppies" waren so etwas wie das "Gamergate" der amerikanischen SF&F.
(10) Für genauere Infos zu dem Cimmerian - Debakel siehe diesen Blogpost von Al Harron. Zu den Autoren, die sich darafhin von dem Blog distanzierten, gehörte auch Howard - Biograph Mark Finn. Der "Sword-and-Sorcery expert Morgan Holmes", dessen "Ehre" Leo Grin damals gegen die bösen SJWs "verteidigte", schreibt bis heute wöchentliche Beiträge für den Blog von Theo Beales Verlag Castalia House.
(11) Ich denke da u.a. an die historische Rolle der "States' Rights" - Doktrin und an das in Zusammenhang mit der "Lost Cause" - Mythologie stehende Bild der "Reconstruction" - Ära als einer Invasion des Südens durch Yankee-Besatzer und Horden räuberischer "Carpetbaggers".
(12) Als ich vor zweieinhalb Jahren begann, die "Let Me Tell You Of The Days Of
High Adventure" - Artikel zu schreiben, erklärte ich gleich zu Anfang,
dass ich den Cimmerier dabei erst einmal beiseite lassen würde. Ein
Grund dafür war, dass ich den Blick meiner Leser*innen auf einige
weniger bekannte Beispiele früher Sword & Sorcery lenken
wollte. Aber ich hatte ehrlich gesagt auch nur wenig Lust, mich an
eine eingehendere Auseinandersetzung mit den Conan - Geschichten zu
setzen. Nicht weil sie mir in Gänze zuwider wären, sondern weil der
Anspruch an mich selbst der gewesen wäre, sie zugleich kritisch, aber
auch fair zu behandeln. Denn ganz wie ihr Schöpfer sind sie in meinen
Augen vielschichtig und widersprüchlich, enthalten abstoßende, aber auch
anziehende Elemente. Um ihnen gerecht zu werden, hätte ich mich erst noch
einmal sehr viel intensiver nicht nur mit Leben und Persönlichkeit von
Robert E. Howard, sondern auch mit der Geschichte der texanischen
Gesellschaft beschäftigen müssen, die ihn formte. Und in der Zwischenzeit ist auch noch die neue Howard-Biographie Renegades and Rogues von Todd B. Vick erschienen, die ich zuvor erst einmal gelesen haben wollte. Es kann also noch etwas dauern, bis ich mich auf diesem Blog einmal eingehender mit dem Cimmerier beschäftigen werde. Aber irgendwann möchte ich das natürlich schon noch machen.