"Außerdem studierte er abstruse Bücher, die aus chaldäischen Bibliotheken
gestohlen worden waren, wenn Fafhrd auch aus langer Erfahrung wusste,
dass der Mausling selten über das Vorwort hinauskaum (obwohl er oft die
letzten Kapitel aufrollte und neugierig hineinschaute und beißende Kritik
äußerte)."

Fritz Leiber, Das Spiel des Adepten


Montag, 3. Februar 2014

Tolkien als Trashspaß?

Nein, ich habe mir "Schmaugs Trostlosigkeit", Peter Jacksons zweiten Hobbit-Streich, nicht im Kino angeschaut. Und nach dem, was ich im Laufe der letzten anderthalb Monate so über den Streifen gehört und gelesen habe, denke ich, dass das eine weise Entscheidung gewesen ist. Vor einigen Tagen allerdings bin ich in der Molochronik auf eine Besprechung gestoßen, die zuerst einmal vielleicht etwas exzentrisch wirkt, mich aber auch ins Grübeln gebracht hat. Ich zitiere die ersten zwei Absätze:
Bisher mein liebster Mittelerde-Rambazamba & endgültiger Beweis, dass Verfilmungen mitunter wohl besser als die Originalwerke sein können. 
Hier wird endlich das deftige Maß naiver Ausgelassenheit erreicht, mit der dieser Stoff eigentlich inszeniert gehört (die zweite ästhetisch redliche Weise, Tolkien zu verfilmen, bestünde in der Beschwörung hölzerner Bibel-Dramatisierungen des alten Hollywood a la »Die Zehn Gebote«). Die Äktschn-Sequenz entlang des Waldflusses veranschaulicht deutlich, wie man drögen europäischen Heldenpathosplunder mit einer pepigen Portion Wuxia-Akkrobatik veredelt.
Wie nicht selten bei Molo ist man auch hier versucht, dem Autor zu unterstellen, er wolle um jeden Preis eine möglichst eigenwillige Meinung vertreten, da er sich selbst als mutigen Rebellen gegen den Mainstream sieht. Doch auch wenn der gute Mann in seiner Rolle als Gonzo-ArnoSchmidt der deutschen Phantastikgemeinde ohne Zweifel sehr oft eine irritierend prätentiöse Attitüde an den Tag legt, wäre es vermutlich etwas ungerecht, behaupten zu wollen, was er schreibt, entspräche nicht seinen wirklichen Ansichten.
Um seinen Lobgesang auf "Donkey Kong Country - The Dwarf Edition" – wie Black Dogs Lee Medcalf den zweiten Teil des Hobbit getauft hat – richtig einzuschätzen, muss man, denke ich, zweierlei wissen. Zuersteinmal: Molosovsky hält nur sehr sehr wenig von Tolkien. Er gehört zu jenen "Progressiven", die glauben, dass mit Michael Moorcocks Epic Pooh bereits alles nötige über das Werk des "Professors" gesagt worden sei. Jacksons Film spricht ihn offenbar vor allem an, weil er in ihm eine {ungewollte} Parodie auf dessen literarische Vorlage zu erkennen glaubt. Was uns sofort zum zweiten Punkt führt: Wie ein kurzer Blick auf seine filmische "Geschmackslandkarte" offenbart, zählt Molo u.a. auch Attack of the Clones zu den "überwiegend exzellenten" Filmen. Daraus schließe ich, dass er derartige Strerifen vor allem als absurden Trash goutiert.
Auch wenn ich selbst die Moorcock-Miéville-Schule der "linken" Tolkienbasherei für reichlich oberflächlich halte, kann ich Molosovsky natürlich nicht vorschreiben, was er von Hobbit und Herr der Ringe zu halten hat. Darum kann ich zum ersten Punkt im Grunde auch nichts sagen. Der zweite jedoch hat mich nachdenklich gestimmt, gehöre ich selbst doch zu denen, die ein unterhaltsames Schlockfest in vollen Zügen zu genießen verstehen. Auch befürworte ich ganz ausdrücklich die Rückkehr des abenteuerlichen Unsinns in die Gefilde des phantastischen Films, kränkelt dieser doch schon seit etlichen Jahren an einer viel zu großen "Ernsthaftigkeit", hinter der sich meist bloß der modisch-misanthrope Zynismus unserer Zeit verbirgt. Sollte ich mir The Desolation of Smaug also doch einmal anschauen? Würde ich dort das wiederfinden, was ich an alten Harryhausen-Flicks oder dem "McClure - Quartet" so sehr liebe und in der heutigen Kinolandschaft so sehr vermisse?
Ich denke nicht! Zuersteinmal würde es mir meine tiefe Liebe zu Tolkiens Werk vermutlich unmöglich machen,  das Ganze einfach als "Rambazamba" zu genießen. Anders als Molo würde ich darin ganz sicher keine "Aufwertung" des Stoffes, sondern dessen Erniedrigung sehen. Sehr viel wichtiger jedoch: Attack of the Clones war für mich kein neckischer Trashspaß, sondern eine der ödesten und frustrierendsten Blockbustermonstrositäten, die ich je das Unglück hatte, über mich ergehen lassen zu müssen. Und ich fürchte, bei Jacksons Hobbit-Verwurstung würde es nicht viel anders aussehen. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass dieses Megaprojekt jene fröhliche Naivität atmen soll, die ich an altmodischen Abenteuerstreifen und gelungenen B-Movies so sehr schätze.
Dass dies auch bei einem ausgewachsenen Blockbuster nicht per se unmöglich ist, haben Andrew Stanton mit John Carter of Mars (2012) und vor allem Guillermo del Toro mit Pacific Rim (2013) zwar bewiesen, aber dem ollen Jackson würde ich ein solches Kunststück einfach nicht zutrauen.* Dazu nimmt sich der neuseeländische Regisseur einfach viel zu ernst. Vor allem aber ist er in meinen Augen ein bestenfalls mittelmäßiger Filmemacher, dessen spezifische Schwächen durch seinen ungeheuren Erfolg von Mal zu Mal immer unerträglichere Dimensionen angenommen haben. 
Die größten davon sind meiner Meinung nach
a) Fehlende Selbstdisziplin und ein Hang zur Maßlosigkeit;
b) Ein mangelndes Gefühl für den Rythmus einer Geschichte;
c) Die Tendenz, Action mit Dynamik zu verwechseln, was sich u.a. in einem ständigen Hin- und Herspringen zwischen verschiedenen Handlungssträngen äußert.
Der gigantische kommerzielle Erfolg seiner Lord of the Rings - Filme hat unglücklicherweise dazu geführt, dass Peter Jackson von Studioseite her offenbar keinerlei Beschränkungen mehr auferlegt werden. Und so mussten wir in King Kong (2005) z.B. nicht enden wollende Kämpfe zwischen unser aller liebstem Riesenaffen und etlichem Urzeitgetier durchstehen. Das einzig sinnvolle, was man angesichts solch unerträglich langweiliger "Action"-Sequenzen tun kann, ist, sie als Pinkelpausen zu nutzen. Bei der gargantuanen Überlänge von Jacksons Filmen eine vernünftige Strategie.
Im Falle des Hobbit traf sich Jacksons ganz persönlicher Hang zur Maßlosigkeit mit dem Interesse seiner Geldgeber, für die drei LotR - Prequel-Filme natürlich dreimal soviel Profit bedeuten. Und so durfte sich der Regisseur diesmal erst recht austoben. Und selbst wenn The Desolation of Smaug besser als An Unexpected Journey sein sollte, fürchte ich, dass sich dies für mich nicht in dreimal soviel Spaß, sondern in dreimal soviel Langeweile {und einen schmerzenden Arsch} umsetzen würde.

* Auch ist Tolkiens  Kinderbuch anders als die Pulpromane von Edgar Rice Burroughs oder ein Mix aus alten Kaiju-Filmen und Stuart Gordons Robot Jox (1990)  nicht die geeignete Grundlage für einen echten Schlockspaß.

2 Kommentare:

  1. Vielen Dank für den Link und die ausführliche, lesenswerte Replik auf meine flappsige Besprechung. Meine Re-Aktion habe ich in mein Blog eingepflegt. — Von Feinheiten abgesehen fühle ich mich richtig dargestellt … auch wenn die Sache freilich n’büschen komplizierter ist, als sich in wenigen Absätzen schreiben lässt.

    Wenn ich Dich die Stoßrichtung Deiner Meinung nicht missverstehe, hast Du unterm Strich natürlich Recht, dass das, was die Verfilmungen aus Tolkiens Werken machen bestenfalls kuriose Monstrositäten, schlimmstenfalls empörende Verschandelungen sind. — Wenn ich Tolkien genießen will, greife ich deshalb lieber zu seinen Werken, vor allem den »History«-Bänden (dieses Ringen und Bosseln flößt mir Ehrfurcht ein und sein Fitzeln nachzuvollziehen macht Freude) oder zum »Silmarillion«. Unbedingt empfehlen kann ich auch die ungekürzte englische Hörbuchfassung von »Lord of the Rings« mit Rob Inglis, die mir wieder einmal klar machte, was für eine erstaunliche literarische Errungenschaft LOTR darstellt (auch wenn mir das Buch als Roman nicht wirklich persönlich zusagt).

    So. Das war jetzt hoffentlich nicht zu gewunden oder zu glitschig in seiner Relativiererei.
    Cheers
    Alex / molo

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  2. Hallöchen, Alex/molo !

    Sorry, dass meine Antwort ein paar Tage auf sich warten gelassen hat. Die Gründe dafür waren rein persönlicher Natur. Ich hab mich im Moment mit einigen wenig erfreulichen psychologischen & finanziellen Ärgernisse herumzuschlagen ...

    Es hat mich sehr gefreut, dass du in der Molochronik auf meinen kleinen Beitrag hingewiesen und meine ironischen Bemerkungen offenbar mit sehr viel Humor aufgenommen hast. {Danke! Nebenbei bemerkt: Der gute Arno gehört auch zu meinen literarischen Göttern. Und es wäre sehr vermessen von mir, behaupten zu wollen, ich seie frei von Eitelkeit ...}
    Meine eher unfreundliche Einstellung zu Peter Jackson basiert allerdings nicht ausschließich auf seiner {in meinen Augen} miserablen Umsetzung von Tolkiens Romanen. Ich halte ihn einfach für einen ziemlich untalentierten Filmemacher. Schon "The Two Towers" und "The Return of the King" waren für mich schrecklich langweilig und in dramaturgischer Hinsicht mies gemacht. Ich hoffe, da in absehbarer Zukunft noch etwas ausführlicher drüber zu schreiben.

    Ciao, Peter/Raskolnik

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