Letzten Freitag wurde bekannt, dass Disney alle bisher noch bei Paramount verbliebenen Rechte an Indiana Jones erworben hat, und damit – nach der letztjährigen Übernahme von LucasFilm – bereit ist, neue Indy-Filme zu produzieren. Dass dies frühestens in zwei bis drei Jahren der Fall sein wird, hat Disney-Chef Alan Horn bereits verlauten lassen. Man verfüge bisher noch über keine konkreten Storyideen, von einem Script ganz zu schweigen. Aber: "[T]here will surely be new Indiana Jones movies in the future, be they sequels or reboots, and when they do come to fruition, Lucasfilm will be producing."
Bisher hegte ich die Hoffnung, all das immer mal wieder anschwellende Gerede über einen fünften Indiana Jones - Film werde sich zuguterletzt als heiße Luft herausstellen. Doch nachdem Disney nun wer weiß wie viele Millionen für den endgültigen Erwerb der Rechte hingeblättert hat, dürften wir um einen weiteren Kinoauftritt des peitscheschwingenden Grabräubers wohl nicht mehr herumkommen. Und natürlich ist im gerüchtegeilen Fandom sofort eine Diskussion darüber entbrannt, was besser wäre: Opa Ford noch einmal zu mobilisieren oder lieber ein Reboot ins Auge zu fassen?
Vor die Wahl gestellt, würde ich letzterem den Vorzug geben. Harrison Ford war nie ein wirklich großer Schauspieler, und das Charisma, mit dem er einstmals Figuren wie Han Solo oder Indy zu umgeben vermochte, ist längst zerstoben. Wenn stimmt, was man so über Ender's Game zu hören bekommt, dürfte er inzwischen endgültig den Tiefpunkt seiner künstlerischen Laufbahn erreicht haben.
Wenn schon, dann also lieber ein Reboot. Allerdings frage ich mich, ob Indiana Jones überhaupt ein Franchise ist, das man wiederbeleben sollte. Und dabei denke ich nicht bloß an Kingdom of the Crystal Skull, sondern auch an die ersten drei Filme. Ja, auch ich hatte meinen Spaß an Raiders und Last Crusade. Die beiden sind kompetent gemachte Abenteuerflicks. Und wenn man sich etwas eingehender mit Steven Spielbergs persönlicher und künstlerischer Entwicklung beschäftigt, ist sogar Temple of Doom nicht ohne Interesse. Aber bei Lichte betrachtet war Indy schon immer eine bestenfalls fragwürdige, wenn nicht durch und durch verabscheuungswürdige Figur. Wie Filmhistoriker Joseph McBride in seiner ausgesprochen empfehlenswerten Spielberg-Biographie schreibt:
Indy's two sides never add up to a coherent whole. A scholar who loves adventure and physical danger, he behaves in a casually amoral and brutal way whenever it suits his purposes. He loots Third World cultures and slaughters the natives with the abandon of a mercenary from colonial days. And yet the contemporary audience throughout the world was skillfully manipulated into identifying with this ruthless figure and finding him heroic. Cynically exploited for purely visceral thrills, Indy's violence and greed is presented in a winking, tongue-in-cheek style to anesthetize the audience's moral sense.
Niemand wird ernsthaft in Frage stellen können, dass die Filme vor rassistischen Stereotypen geradezu überquillen – seien dies Araber, Südamerikaner, Chinesen oder Inder. {Von den antikommunistischen Abziehbildern in Kingdom of the Crystal Skull ganz zu schweigen}. Aus gutem Grund verweigerte die Regierung in Neu Dehli Lucas und Spielberg die Erlaubnis, Temple of Doom in Indien zu drehen, weshalb man schließlich gezwungen war, nach Sri Lanka auszuweichen.
In their portraits of Third World heavies, Spielberg and Lucas fell into the trap of uncritically imitating antiquated Hollywood conventions. But the absence of malicious intent hardly excuses the presence of such stereotypes in movies made in the 1980s; indeed, one can argue that their unthinking perpetuation for the purposes of mass entertainment constitutes a far more insidious form of racial insult. With its revival of previously discredited fantasies of American cultural dominance over Third World primitives and cartoonish villains from an evil empire, Raiders of the Lost Ark was the perfect film to mark the beginning of the Reagan era.*
Spielberg hatte ursprünglich dafür plädiert, Indys Charakter nach dem Vorbild von Humphrey Bogarts skrupellosem Goldgräber Fred V. Dobbs aus John Hustons Adaption von B. Travens Der Schatz der Sierra Madre zu zeichnen. Lucas jedoch hatte sofort sein Veto eingelegt. Er wollte einen "coolen" Helden, keinen heruntergekommenen Alkoholiker als Protagonisten. Ebenso waren alle Versuche von Drehbuchschreiber Lawrence Kasdan, Indy eine etwas fragwürdigere und ambivalentere Persönlichkeit zu verleihen, im Verlauf der zahlreichen Überarbeitungen des Scripts schließlich untergegangen.
Hätte sich einer der beiden damals durchsetzen können, vielleicht wäre Raiders of the Lost Ark ein sehr viel interessanterer Film geworden. Theoretisch würde ein Reboot des Franchises die Möglichkeit bieten, an diese vergebene Chance anzuknüpfen. Doch wäre es wohl reichlich naiv, glauben zu wollen, dass man bei Disney eine derartige "Dekonstruktion" von Indy auch nur in Erwägung ziehen würde. Und selbst dann noch ließe sich die Figur nicht wirklich von den imperialistischen Ideen loslösen, die ihren Vorbildern aus Pulps und Z-Serials zurgundelagen. Auch ein moralisch ambivalenter Dr. Jones bliebe der "große weiße Jäger", der abenteuerliche Expeditionen in die "mysteriösen", "exotischen" Gefilde von Afrika, Asien oder Lateinamerika unternimmt.
Kurz gesagt: Ich denke, es ist allerhöchste Zeit, dass Indiana Jones aufs Altenteil übersiedelt. Schon in den 80er Jahren war er ein unangenehmer Anachronismus. Ihn heute noch einmal auf die Kinoleinwand schicken zu wollen, erscheint mir einfach bloß dumm. Bei Disney freilich macht man sich solche Gedanken nicht. Dort ist man vermutlich viel zu sehr damit beschäftigt, sich auszumalen, welch grandiose Profite man mit einem fünften Indy-Flick einheimsen wird.
* Joseph McBride: Steven Spielberg. A Biography. S. 317f.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen