Nur noch achtzig Seiten trennen uns vom Ende der Geschichte, und so dachte ich mir, ich sollte vor dem großen Finale rasch noch einen weiteren Bericht von meiner Expedition durch die Welt von The Sword of Shannara einschieben. Denn neben den inzwischen obligatorischen Parallelen zum Lord of the Rings – die gerade begonnene Belagerung von Tyrsis spiegelt die Belagerung von Minas Tirith wider; Eventines Elfenarmee bereitet sich darauf vor, die Rolle der Rohirrim in der Schlacht auf den Pelennor-Feldern zu übenehmen; Shea wandelt weiter auf Frodos Spuren und ist zusammen mit Panamon Creel und Keltset in das Schädelreich vorgestoßen – hatte dieser vierte Abschnitt meiner Lesereise doch auch einige durchaus erwähnenswerte Momente zu bieten.
Die Etappe begann gleich mit einer erstaunlichen Enthüllung: Anders als einen die ersten dreihundertvierzig Seiten von Terry Brooks' Roman vielleicht hätten vermuten lassen können, sind die Vier Länder nicht nur von Männern bevölkert! Ohne Witz, abgesehen von Sheas toter Mutter, die gegen Anfang des Buches eine kurze Erwähnung findet, waren Frauen bisher nicht einmal am Rande oder auch nur in Gesprächen aufgetaucht! Während z.B. Vater Ohmsford einen kurzen Auftritt in Shady Vale hat, scheint seine Gattin – Flicks Mutter & Sheas Adoptivmutter – nicht zu existieren. {Oder ist auch sie tot?} Ebensowenig begegnen wir in Culhaven oder Storlock irgendwelchen weiblichen Personen – und sei es bloß als Statistinnen.
Das ändert sich auf Seite 151 des zweiten Bandes {mein alter Goldmann-Schmöker spiegelt noch immer das ursprüngliche Splitting der deutschen Ausgabe wider}, wenn Shirl Ravenlock {Fantasynamen!} die Bühne betritt. Nun ja, das ist vielleicht nicht ganz der richtige Ausdruck, um die Art zu beschreiben, in der sie in die Handlung eingeführt wird. Der heldenhafte Menion Leah rettet die von einem Verräter gekidnappte Schönheit {"Es war keine gewöhnliche Frau. Sie war von außerordentlicher Schönheit – dunkel gebräunte Haut über den edel geschnittenen Zügen des runden Gesichts, eine schlanke graziöse Gestalt, gekleidet in Seide, und ihre Haare ...! So etwas hatte er noch nie gesehen."} aus den Klauen eines Trolltrupps und bringt sie unter Lebensgefahr zurück in ihre Heimatstadt Kern. Ich denke, es ist nicht nötig, im Detail auszuführen, mit welch problematischem ideologischem Ballast eine Szene wie diese verbunden ist. Und in der Tat erweist sich die gute Shirl im weiteren Handlungsverlauf als extrem passiv. Die gar nicht unwichtige Rolle, die sie für den Plot spielt, ergibt sich ausschließlich aus ihren Beziehungen zu Männern. Als Tochter eines der Ratsherren von Kern ermöglicht sie es Menion, die Evakuierung der von den Nordlandarmeen bedrohten Stadt zu organisieren. Als Angebete von Balinors psychisch labilem Bruder Palance ist sie der Grund, warum der Prinz von Leah problemlos in den Königspalast von Tyrsis vordringen kann. Und für Menion selbst wird sie zum vielleicht wichtigsten Anreiz, in Callahorn zu bleiben und bei der Verteidigung des Landes mitzuhelfen, statt seiner impulsiven Ader nachzugeben und sich auf die Suche nach dem verschwundenen Shea zu machen.
Der Eindruck, den eine der alten Illustrationen der Brüder Hildebrandt von ihr erweckt, wird durch den Text leider ganz und gar nicht bestätigt. Zieht man zum Vergleich den Lord of the Rings heran – was wohl nur fair ist –, dann schneidet The Sword of Shannara in Bezug auf die Darstellung weiblicher Charaktere wirklich schlecht ab. Nun war Tolkien auch in Genderfragen ein äußerst konservativer Mann, doch das hielt ihn nicht davon ab, mitunter ziemlich starke Frauenfiguren zu erschaffen. Im Lord of the Rings sind das vor allem Galadriel und Eowyn. Bei Gelegenheit möchte ich mich einmal etwas ausführlicher mit der "Schildmaid von Rohan" und der meiner Ansicht nach sehr komplexen Rolle, die sie in Tolkiens Roman spielt, beschäftigen. Für den Moment muss es genügen, festzustellen, dass Shirl Ravenlock ihr auch nicht im Entferntesten das Wasser reichen kann. Was wirklich erstaunlich ist, wurde The Sword of Shannara doch Jahrzehnte nach dem Lord of the Rings von einem Autor geschrieben, der im Unterschied zum "Professor" offensichtlich eher liberale Ansichten hegte. Vergessen wir außerdem nicht, dass auch die Sword & Sorcery schon von ihren Anfängen her starke weibliche Charaktere wie Robert E. Howards Dark Agnes oder C.L. Moores Jirel von Joiry gekannt hatte. Die Welt der modernen Fantasy war zu keiner Zeit eine rein männliche Domäne gewesen. So gesehen stellt The Sword of Shannara beinahe eine Art Rückschritt dar.
Was gibt es noch zu berichten? Der Roman hat sich an dieser Stelle sehr deutlich in einen nördlichen (Shea) und einen südlichen (alle anderen) Handlungsstrang aufgeteilt. Auch darin ähnelt er natürlich dem Lord of the Rings, doch zeigt sich vor allem in letzterem nun immer deutlicher die von mir schon mehrfach erwähnte Liebe von Terry Brooks zum klassischen Abenteuerroman des 19. Jahrhunderts. Die Ereignisse in Callahorn mit ihren Verrätereien, Verliesen, Feldlagern und mutigen Befreiungsaktionen gemahnen in der Tat eher an Ivanhoe, Quentin Durward oder Die drei Musketiere, denn an Tolkiens Epos. Dabei sind die Szenen, in denen sich Balinor und sein verrückter Bruder gegenüberstehen, in Sachen Charakterzeichnung vielleicht die gelungensten des ganzen Romans. Hier zeigt Brooks, dass er sehr wohl in der Lage ist, menschlich berührendes zu schreiben. Auch fühle ich mich insofern bestätigt, als Menion Leah in diesem Handlungsstrang tatsächlich zum Protagonisten herangewachsen ist.
Über Sheas Marsch ins Schädelreich gibt es nicht so viel zu erzählen. Und mein Eindruck war, dass diesem {doch eigentlich zentralen} Teil der Geschichte von Brooks schon rein quantitativ eine geringere Bedeutung beigemessen wurde.
Recht cool war die schwarze, Wahnsinn und Tod hervorrufende Nebelwand, die unser Held und seine Gefährten durchqueren müssen, um das Reich des Dämonen-Lords zu betreten.
Panamon Creel hingegegn tut mir inzwishen nur noch leid. In Fritz Leibers Nehwon würde sich ein Kerl wie er sicherlich sehr viel heimischer fühlen als in den Vier Ländern – einer High Fantasy - Welt, die einem an sich so farbenfrohen Charakter wie ihm einfach keine Entfaltungsmöglichkeiten bietet. Wenn wir zu lesen bekommen, wie er Shea "von seiner Jugend und dem schweren Leben, das den Menschen in seiner Umgebung beschieden gewesen war" berichtet, dann wünscht man sich beinah, die Story aus seiner Perspektive erzählt zu bekommen. Wie würde ein Mensch wie er diesen ganzen "epischen Kampf zwischen Gut und Böse" betrachten? Doch so wie die Dinge stehen, wird er wohl bis zum Ende in der Rolle des eher blassen Sidekicks gefangen bleiben.
Etwas anders schaut es da mit Trollkumpel Keltset aus. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass es sich bei dem stummen Gesellen um einen wahren Helden des Trollvolks handelt – ausgezeichnet mit dem "Schwarzen Irix", dem höchsten Orden seiner Nation. Seine Familie wurde von den Handlangern des Dämonen-Lords abgeschlachtet, die das Massaker flugs den Zwergen in die Schuhe geschoben haben, um die Trolle gegen die Völker des Südens aufzuhetzen. Eine extrem untolkiensche Wendung der Ereignisse, die mir eigentlich gefallen sollte, mit der ich mich aber dennoch nicht so ganz anfreunden kann.
Einerseits ist die Botschaft, die Terry Brooks hier herüberzubringen versucht, ohne Zweifel sympathisch: Missverständnisse und Vorurteile werden von machthungrigen Individuen wie dem Dämonen-Lord ausgenutzt, um Hass zwischen den Völkern zu säen und diese in blutige Konflikte zu stürzen. Zugleich jedoch wirkt die Art, in der der Autor seinen verschwommenen Liberalismus erzählerisch umzusetzen versucht, irgendwie zu platt. Die Keltset-Szene wirkte auf mich wie etwas, was ich selbst im Alter von fünfzehn oder sechzehn Jahren geschrieben hätte: Wohlmeinend, aber etwas gar zu offensichtlich.
Fortsetzung folgt ...
Die Etappe begann gleich mit einer erstaunlichen Enthüllung: Anders als einen die ersten dreihundertvierzig Seiten von Terry Brooks' Roman vielleicht hätten vermuten lassen können, sind die Vier Länder nicht nur von Männern bevölkert! Ohne Witz, abgesehen von Sheas toter Mutter, die gegen Anfang des Buches eine kurze Erwähnung findet, waren Frauen bisher nicht einmal am Rande oder auch nur in Gesprächen aufgetaucht! Während z.B. Vater Ohmsford einen kurzen Auftritt in Shady Vale hat, scheint seine Gattin – Flicks Mutter & Sheas Adoptivmutter – nicht zu existieren. {Oder ist auch sie tot?} Ebensowenig begegnen wir in Culhaven oder Storlock irgendwelchen weiblichen Personen – und sei es bloß als Statistinnen.
Das ändert sich auf Seite 151 des zweiten Bandes {mein alter Goldmann-Schmöker spiegelt noch immer das ursprüngliche Splitting der deutschen Ausgabe wider}, wenn Shirl Ravenlock {Fantasynamen!} die Bühne betritt. Nun ja, das ist vielleicht nicht ganz der richtige Ausdruck, um die Art zu beschreiben, in der sie in die Handlung eingeführt wird. Der heldenhafte Menion Leah rettet die von einem Verräter gekidnappte Schönheit {"Es war keine gewöhnliche Frau. Sie war von außerordentlicher Schönheit – dunkel gebräunte Haut über den edel geschnittenen Zügen des runden Gesichts, eine schlanke graziöse Gestalt, gekleidet in Seide, und ihre Haare ...! So etwas hatte er noch nie gesehen."} aus den Klauen eines Trolltrupps und bringt sie unter Lebensgefahr zurück in ihre Heimatstadt Kern. Ich denke, es ist nicht nötig, im Detail auszuführen, mit welch problematischem ideologischem Ballast eine Szene wie diese verbunden ist. Und in der Tat erweist sich die gute Shirl im weiteren Handlungsverlauf als extrem passiv. Die gar nicht unwichtige Rolle, die sie für den Plot spielt, ergibt sich ausschließlich aus ihren Beziehungen zu Männern. Als Tochter eines der Ratsherren von Kern ermöglicht sie es Menion, die Evakuierung der von den Nordlandarmeen bedrohten Stadt zu organisieren. Als Angebete von Balinors psychisch labilem Bruder Palance ist sie der Grund, warum der Prinz von Leah problemlos in den Königspalast von Tyrsis vordringen kann. Und für Menion selbst wird sie zum vielleicht wichtigsten Anreiz, in Callahorn zu bleiben und bei der Verteidigung des Landes mitzuhelfen, statt seiner impulsiven Ader nachzugeben und sich auf die Suche nach dem verschwundenen Shea zu machen.
Der Eindruck, den eine der alten Illustrationen der Brüder Hildebrandt von ihr erweckt, wird durch den Text leider ganz und gar nicht bestätigt. Zieht man zum Vergleich den Lord of the Rings heran – was wohl nur fair ist –, dann schneidet The Sword of Shannara in Bezug auf die Darstellung weiblicher Charaktere wirklich schlecht ab. Nun war Tolkien auch in Genderfragen ein äußerst konservativer Mann, doch das hielt ihn nicht davon ab, mitunter ziemlich starke Frauenfiguren zu erschaffen. Im Lord of the Rings sind das vor allem Galadriel und Eowyn. Bei Gelegenheit möchte ich mich einmal etwas ausführlicher mit der "Schildmaid von Rohan" und der meiner Ansicht nach sehr komplexen Rolle, die sie in Tolkiens Roman spielt, beschäftigen. Für den Moment muss es genügen, festzustellen, dass Shirl Ravenlock ihr auch nicht im Entferntesten das Wasser reichen kann. Was wirklich erstaunlich ist, wurde The Sword of Shannara doch Jahrzehnte nach dem Lord of the Rings von einem Autor geschrieben, der im Unterschied zum "Professor" offensichtlich eher liberale Ansichten hegte. Vergessen wir außerdem nicht, dass auch die Sword & Sorcery schon von ihren Anfängen her starke weibliche Charaktere wie Robert E. Howards Dark Agnes oder C.L. Moores Jirel von Joiry gekannt hatte. Die Welt der modernen Fantasy war zu keiner Zeit eine rein männliche Domäne gewesen. So gesehen stellt The Sword of Shannara beinahe eine Art Rückschritt dar.
Was gibt es noch zu berichten? Der Roman hat sich an dieser Stelle sehr deutlich in einen nördlichen (Shea) und einen südlichen (alle anderen) Handlungsstrang aufgeteilt. Auch darin ähnelt er natürlich dem Lord of the Rings, doch zeigt sich vor allem in letzterem nun immer deutlicher die von mir schon mehrfach erwähnte Liebe von Terry Brooks zum klassischen Abenteuerroman des 19. Jahrhunderts. Die Ereignisse in Callahorn mit ihren Verrätereien, Verliesen, Feldlagern und mutigen Befreiungsaktionen gemahnen in der Tat eher an Ivanhoe, Quentin Durward oder Die drei Musketiere, denn an Tolkiens Epos. Dabei sind die Szenen, in denen sich Balinor und sein verrückter Bruder gegenüberstehen, in Sachen Charakterzeichnung vielleicht die gelungensten des ganzen Romans. Hier zeigt Brooks, dass er sehr wohl in der Lage ist, menschlich berührendes zu schreiben. Auch fühle ich mich insofern bestätigt, als Menion Leah in diesem Handlungsstrang tatsächlich zum Protagonisten herangewachsen ist.
Über Sheas Marsch ins Schädelreich gibt es nicht so viel zu erzählen. Und mein Eindruck war, dass diesem {doch eigentlich zentralen} Teil der Geschichte von Brooks schon rein quantitativ eine geringere Bedeutung beigemessen wurde.
Recht cool war die schwarze, Wahnsinn und Tod hervorrufende Nebelwand, die unser Held und seine Gefährten durchqueren müssen, um das Reich des Dämonen-Lords zu betreten.
Panamon Creel hingegegn tut mir inzwishen nur noch leid. In Fritz Leibers Nehwon würde sich ein Kerl wie er sicherlich sehr viel heimischer fühlen als in den Vier Ländern – einer High Fantasy - Welt, die einem an sich so farbenfrohen Charakter wie ihm einfach keine Entfaltungsmöglichkeiten bietet. Wenn wir zu lesen bekommen, wie er Shea "von seiner Jugend und dem schweren Leben, das den Menschen in seiner Umgebung beschieden gewesen war" berichtet, dann wünscht man sich beinah, die Story aus seiner Perspektive erzählt zu bekommen. Wie würde ein Mensch wie er diesen ganzen "epischen Kampf zwischen Gut und Böse" betrachten? Doch so wie die Dinge stehen, wird er wohl bis zum Ende in der Rolle des eher blassen Sidekicks gefangen bleiben.
Etwas anders schaut es da mit Trollkumpel Keltset aus. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass es sich bei dem stummen Gesellen um einen wahren Helden des Trollvolks handelt – ausgezeichnet mit dem "Schwarzen Irix", dem höchsten Orden seiner Nation. Seine Familie wurde von den Handlangern des Dämonen-Lords abgeschlachtet, die das Massaker flugs den Zwergen in die Schuhe geschoben haben, um die Trolle gegen die Völker des Südens aufzuhetzen. Eine extrem untolkiensche Wendung der Ereignisse, die mir eigentlich gefallen sollte, mit der ich mich aber dennoch nicht so ganz anfreunden kann.
Einerseits ist die Botschaft, die Terry Brooks hier herüberzubringen versucht, ohne Zweifel sympathisch: Missverständnisse und Vorurteile werden von machthungrigen Individuen wie dem Dämonen-Lord ausgenutzt, um Hass zwischen den Völkern zu säen und diese in blutige Konflikte zu stürzen. Zugleich jedoch wirkt die Art, in der der Autor seinen verschwommenen Liberalismus erzählerisch umzusetzen versucht, irgendwie zu platt. Die Keltset-Szene wirkte auf mich wie etwas, was ich selbst im Alter von fünfzehn oder sechzehn Jahren geschrieben hätte: Wohlmeinend, aber etwas gar zu offensichtlich.
Fortsetzung folgt ...
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