Dank Mike Davis und der von ihm herausgegebenen Lovecraft eZine komme ich in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen in den Genuss, einige neuere cthulhuide Kurzfilme kennenzulernen.
Na ja, "Genuss" ist vielleicht nicht immer das richtige Wort, denn die Qualität der Streifen schwankt doch beträchtlich. Aber auch wenn sich natürlich nicht alle von ihnen als solche Juwelen wie Jovanka Vuckovic's filmisches Poem The Captured Bird (2012) entpuppen, das ich vor Zeiten hier vorgestellt habe, stoße ich dabei doch immer wieder auf manch faszinierendes kleines Werk. Mit Robert P. Olssons Fyren von 2010 habe ich vor einem halben Jahr ein solches hier bereits einmal kurz besprochen. Heute will ich meiner verehrten Leserschaft drei weitere präsentieren: The Curse of Yig, Harbinger und Behind.
The Curse of Yig
Bekanntlich war der alte Gentleman von Providence immer mal wieder gezwungen, die ohnehin äußerst bescheidenen Einnahmen, die ihm aus seiner schriftstellerischen Arbeit zuflossen, aufzubessern, indem er anderen Pulpautoren seine Dienste als "Überarbeiter" – sprich Ghostwriter – zur Verfügung stellte. Eine Tätigkeit, die ihm wenig behagte, wie man dem folgenden Abschnitt aus einem seiner Briefe an E. Hoffmann Price entnehmen kann:
Na ja, "Genuss" ist vielleicht nicht immer das richtige Wort, denn die Qualität der Streifen schwankt doch beträchtlich. Aber auch wenn sich natürlich nicht alle von ihnen als solche Juwelen wie Jovanka Vuckovic's filmisches Poem The Captured Bird (2012) entpuppen, das ich vor Zeiten hier vorgestellt habe, stoße ich dabei doch immer wieder auf manch faszinierendes kleines Werk. Mit Robert P. Olssons Fyren von 2010 habe ich vor einem halben Jahr ein solches hier bereits einmal kurz besprochen. Heute will ich meiner verehrten Leserschaft drei weitere präsentieren: The Curse of Yig, Harbinger und Behind.
The Curse of Yig
Bekanntlich war der alte Gentleman von Providence immer mal wieder gezwungen, die ohnehin äußerst bescheidenen Einnahmen, die ihm aus seiner schriftstellerischen Arbeit zuflossen, aufzubessern, indem er anderen Pulpautoren seine Dienste als "Überarbeiter" – sprich Ghostwriter – zur Verfügung stellte. Eine Tätigkeit, die ihm wenig behagte, wie man dem folgenden Abschnitt aus einem seiner Briefe an E. Hoffmann Price entnehmen kann:
Art is not what one resolves to say, but what insists on saying
itself through one. It has nothing to do with commerce, editorial
demand, or popular approval. The only elements concerned are the
artist and the emotions working within him. Of course, there is a
business of magazine-purveying which is perfectly honest in itself,
and a worthy field for those with a knack for it. I wish I had the
knack. But this isn't the thing I'm interested in. If I had the
knack, it would be something performed entirely apart from my serious
work – just as my present revisory activities are. However, I
haven't the knack, and the field is so repugnant to me that it's
about the last way I'd ever choose to gain shelter and clothing and
nourishment. Any other kind of a legitimate job would be preferable
to my especial tastes. I dislike this trade because it bears a
mocking external resemblance to the real literary composition which
is the only thing (apart from ancestral traditions) I take seriously
in life.*
Lovecraft hasste die moderne bürgerliche Gesellschaft u.a. deswegen so heftig, weil sie die Kunst zu einer Ware, das künstlerische Schaffen zu einem Geschäft degradiert hatte. Dennoch war auch er gezwungen, sich den Spielregeln bis zu einem gewissen Grad zu unterwerfen.
Zu denen, die Lovecrafts Dienste in Anspruch nahmen, gehörte auch Zealia Bishop – eine Schriftstellerin, die eigentlich eher darauf spezialisiert war, Liebesgeschichten zu verfassen, in der Hochzeit von Weird Tales aber auch versuchte, in den phantastischen Berreichen des Pulp-Marktes Fuß zu fassen. Wirklicher Erfolg war ihr dabei wohl nicht beschieden, doch verdanken wir ihren Bemühungen immerhin die Entstehung von drei Kurzgeschichten, die heute allgemein als fester Bestandteil des Lovecraft-Oeuvres angesehen werden. Neben The Curse of Yig (1929) sind dies The Mound (1929/30) und die fürchterlich rassistische Short Story Medusa's Coil (1930).
Glaubt man dem, was der alte Gentleman selbst zu diesem Thema zu sagen hatte, so war Bishops Beitrag bei diesen "Kooperationen" recht bescheiden. Im Oktober 1929 schrieb er in einem Brief an Clark Ashton Smith:
By the way – if you want to see a new story which is practically mine, read The Curse of Yig in the new Weird Tales, next your verses. The "authoress", Mrs. Reed, is a client for whom Long & I have done lots of work, & this specimen is well-nigh a piece of original composition on my part, since all I had to go by was a synopsis of notes describing a pioneer couple, the attack on the husband by snakes, the bursting of his corpse in the dark, & the subsequent madness of the wife. All the plot & motivation in the present tale are my own – I invented the snake-god, the Curse, the prologue & epilogue, the point about the identity of the corpse, & the monstrously suggestive aftermath.
Der von Paul von Stoetzel gedrehte Kurzfilm aus dem Jahr 2011 hält sich erstaunlich eng, über weite Strecken wortgetreu, an seine literarische Vorlage.
Tim Uren ist ein Veteran der Theaterszene von Minneapolis und Leiter der Truppe Ghoulish Delights. Seine Bemühungen, Horrorstories auf die Bühne zu bringen, führten u.a. zu einer Adaption von Lovecrafts The Rats in the Walls für das Minnesota Fringe Festival 2006. Als Walker Davis wirkt er meiner Meinung nach zwar etwas zu alt, aber ganz ohne Zweifel geben er und Amy Schweickhardt ihr Bestes in den Doppelrollen als Walker / Dr. McNeill bzw. Audrey / Ethnologin. Für irgendwelche aufwendigen Spezialeffekte oder die eigentlich zu erwartende Masse an Schlangen in der Halloween-Szene ("the flat, rocky floor, revealed in the new-born illumination, was one seething, brown-speckled mass of wriggling rattlesnakes") fehlte offenbar das nötige Geld, doch das wird durch die atmosphärische Inszenierung und die zum Teil exquisite Cinematoghraphie von Joe Johnson wettgemacht. Einzig die hinzugefügte zweite Rahmenhandlung, in der wir die Ethnologin als Insassin eines Pflegeheims (einer Irrenanstalt?) zu sehen bekommen, hat mich etwas irritiert. Sie ist nicht nur völlig unnötig, sondern scheint mir in ihren Implikationen auch etwas übertrieben. Nicht jeder Erzähler einer lovecraftschen Geschichte muss im Wahnsinn enden.
Harbinger
Der
zweite Streifen ist ein brandneues Produkt von Gearmark.TV,
die es sich offenbar zum Ziel gesetzt haben, jeden Monat einen neuen
Kurzfilm herauszubringen. Regisseur Alexander Crews hat bei einem
ihrer früheren Horrorprojekte – dem netten kleinen Schocker Rake
– die
Kamera geführt, und so ist es vielleicht nicht verwunderlich, dass
er bei Harbinger
gerade
in dieser Hinsicht eine etwas experimentellere Herangehensweise
ausprobiert. Der ganze Film ist in subjektiver Einstellung (POV-Shot)
aus der Perspektive des Protagonisten gedreht, was dem Charakter der
Story durchaus angemessen ist. Diese basiert nicht direkt auf einer
der Erzählungen des alten Gentleman, bedient sich aber in vielen
ihrer Motive und Details sehr direkt im Fundus des Cthulhu-Mythos.
Dazu gehört auch ein Aspekt lovecraftscher Erzählungen, der meines
Wissens nach sonst eher selten aufgegriffen wird. Dessen Kultisten
sind ja sehr häufig heruntergekommene und degenerierte
Hinterwäldler, worin sich ganz sicher etwas von der elitären
Weltanschauung ihres Schöpfers widerspiegelt. So gesehen ist der
Kerl, mit dem es der Protagonist in Harbinger
zu
tun bekommt, eine geradezu urlovecraftianische Gestalt.
Behind
Faszinierenderweise bestehen in gewisser Hinsicht Parallelen zwischen Harbinger und diesem Kurzfilm, spielen das Motiv der Rückkehr der Großen Alten und die monströse Gottheit Yog-Sothoth doch in beiden eine wichtige Rolle. Und doch könnten sie nicht unterschiedlicher sein. Während es sich bei ersterem um einen zwar recht effektvollen, aber nichtsdestoweniger eher konventionellen Horrorflick handelt, haben wir es bei dem Film des französischen Künstlers Kendy Ty mit einem minimalistischen Werk zu tun, das völlig auf irgendwelche Gore- oder Schockeffekte verzichtet. Seine bedrückende Atmosphäre und das Aufgreifen der eher subtileren Motive lovecraftianischer Kunst – apokalyptische Angst, das Gefühl von Verlorenheit und Hilflosigkeit – machen den gerade einmal fünf Minuten langen Film dennoch zum vielleicht eindrucksvollsten der drei Streifen. Ein kurzes Interview mit Kendy Ty kann man sich hier durchlesen.
* H. P. Lovecraft: Selected Letters. Bd. V. S. 19f.
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