Das Quatermass Xperiment war Hammers erster richtig großer Hit und legte das Fundament dafür, dass aus Anthony Hinds' und James Carreras Firma schließlich die legendäre Brit-Horror-Schmiede wurde, die wir heute kennen und lieben.
Ungefähr zur selben Zeit strahlte die BBC Quatermass II aus, Nigel Kneales letzte Arbeit als festangestellter Autor für den Sender. Als Hauptdarsteller sprang John Robinson für den kurz zuvor verstorbenen Reginald Tate ein. Produktion und Regie lagen einmal mehr in den Händen von Rudolph Cartier, und Kneales Mitarbeit auf dem Set war damit ähnlich intensiv wie bei den früheren Kooperationen der beiden:
Ungefähr zur selben Zeit strahlte die BBC Quatermass II aus, Nigel Kneales letzte Arbeit als festangestellter Autor für den Sender. Als Hauptdarsteller sprang John Robinson für den kurz zuvor verstorbenen Reginald Tate ein. Produktion und Regie lagen einmal mehr in den Händen von Rudolph Cartier, und Kneales Mitarbeit auf dem Set war damit ähnlich intensiv wie bei den früheren Kooperationen der beiden:
I stayed with every rehearsal and every stage of the production. I worked very, very closely with Rudi Cartier - we were very close friends, and every detail was hammered out. I think that was an advantage we had that people rarely have nowadays in television. Today you deliver the script, there's a long gap - maybe a year - before the thing goes into production. And it's overmanned. There is a heavy load of people we didn't have: the producer in those days was the director. He was responsible for everything. Today you have an overseeing producer which means that the director has lost some of his authority. You have a script editor intervening, very often a person who's never written anything and is there to interfere and adds very little to the quality of anything you may see on screen. But where you had a small, compact, very concentrated team you got, I think, an additional layer of quality. There was no loss of concentration, which I think you see now too often as a kind of divergence into surface effect, particularly from directors who have spent too much time making commercials. We didn't have them in the early Fifties - thank God.Jede der sechs Episoden von Quatermass II beginnt mit den famosen Klängen von Mars, the Bringer of War aus Gustav Holsts fantastischer Suite The Planets, womit sofort eine Atmosphäre von unterirdischer Bedrohung geschaffen wird:
Der Professor und sein Team (u.a. Dr. Leo Pugh [Hugh Griffith] und Quatermass' Tochter Paula [Monica Grey]) arbeiten an einem neuen Typ atomgetriebener Raketen, als es bei einem Teststart in Australien zu einer verheerenden Katastrophe kommt. Ungeführ zur gleichen Zeit ortet eine Radarstation unter dem Kommando von Paulas Verlobtem Cpt. Johnny Dillon (John Stone) den Absturz eines mysteriösen, scheinbar hohlen Meteoriten im ländlichen England. In der Nähe der Absturzstelle entdeckt Quatermass eine riesige Fabrik in einem militärischen Sperrbezirk. Die dazugehörige Arbeitersiedlung ist wie ein totalitäres Staatswesen organisiert. Außerdem stellt sich heraus, dass Dillons Meteorit kein Einzelfall gewesen ist. Hunderte oder Tausende dieser Objekte müssen in der Umgebung bereits niedergegangen sein. Als sich der Professor mit der Bitte um Informationen über das geheime Projekt an die entsprechenden Regierungsstellen wendet, stößt er auf eine Mauer des Schweigens und zombiehafte Bürokraten. Doch mit Hilfe eines Freundes aus dem Ministerium gelingt es ihm schließlich dennoch, die Fabrik in Augenschein zu nehmen. Diese entpuppt sich als Brückenkopf einer Invasion außerirdischer Kreaturen, die die Gedanken der Menschen kontrollieren können, und für ihre Hauptstreitmacht dort nun die ihnen genehme Atmosphäre produzieren.
Quatermass II ist ein relativ frühes Beispiel für das Motiv der außerirdischen Infiltration im SciFi-Film. Ähnliches hatte man zwar bereits ansatzweise in William Cameron Menzies' Invaders from Mars (1953) gesehen, aber Don Siegels Klassiker Invasion of the Body Snatchers würde erst ein Jahr später (1956) in die Kinos kommen.
Im Allgemeinen werden Filme dieser Art oft als Widerspiegelungen der antikommunistischen Hysterie des Kalten Krieges gedeutet. Eine These, die sehr viel für sich hat, in Bezug auf die intelligentesten Vertreter des "Subgenres" meiner Ansicht nach aber nur eine partielle Erklärung bietet.
Tatsächlich herrschte zur Zeit, als Quatermass II gedreht wurde, eine heftige Paranoia um "rote" Spione in Großbritannien. Die Panik um den "inneren Feind" ("enemy within") war bereits kurz nach dem Krieg von Labour-Premier Atlee angeheizt worden, und auch in der britischen Science Fiction jener Zeit ist ein antikommunistischer Unterton oft nicht zu überhören. So etwa in John Wyndhams The Day of the Triffids (1951). Der Prozess um den Atomphysiker Klaus Fuchs (1950), der während des Weltkriegs Informationen an die verbündete Sowjetunion weitergegeben hatte, wurde noch übertroffen von der Affäre um Donald D. Maclean und Guy Burgess. Die beiden gehörten zum Ring der "Cambridge-Spione" und flohen 1951 in die UdSSR. Ihr Fall erschütterte die Öffentlichkeit besonders stark. Denn während Fuchs ein linker Immigrant gewesen war, handelte es sich bei ihnen um geradezu archetypische Sprösslinge des britischen Establishments.*
Nigel Kneale blieb nicht unberührt von dieser politischen Stimmung:
Although Kneale has dismissed the McCarthy witch-hunts against "subversives" in America as nonsense, he has said "the trouble was that in Britain we really had them and where it mattered" and that it was against this background of secrecy and treachery that he wrote about an even darker world with darker secrets
Aber es wäre falsch, wollte man Quatermass II auf das Thema der "kommunistischen Unterwanderung" reduzieren. Auch in dieser Hinsicht hat es Kim Newman ganz ausgezeichnet getroffen, wenn er die Serie als Großbritanniens Variante von Invasion of the Body Snatchers bezeichnet. Don Siegels berühmter Film ist ebenfalls nicht frei von Kalte Kriegs - Paranoia, doch lässt er sich darüberhinaus als eine Geschichte über Konformismus, gesellschaftliche Entfremdung und die unterschwelligen Ängste im Amerika der 50er Jahre verstehen. Ähnliches gilt für Nigel Kneales Werk. Schon die außerirdische Lebensform in The Quatermass Experiment hatte den von ihr befallenen Astronauten die Individualität geraubt und war damit als ein Symbol für die Entfremdung in der modernen großstädtischen Gesellschaft interpretierbar gewesen. In Quatermass II kommt noch die Bedrohung durch staatliche Bürokratie, Militär und Großindustrie hinzu.**
Nicht ohne Grund beginnt die erste Episode mit Bildern von einer atomaren Detonation. Wie der Autor später selbst einmal erklärt hat:
There was dread in the real world in the 1950s. The forces of annihilation were in the hands of fallible, panicking men, yet official propaganda was still jaunty
Wieder ist es nicht die Technik an sich, die als unmenschlich verdammt wird. Am Ende retten Quatermass und sein Team die Erde mit Hilfe der gleichen Rakete, deren Prototyp am Anfang explodiert ist. Entscheidend ist, wer diese Technik kontrolliert, und zu welchen Zwecken er sie einsetzt.
Die 50er Jahre erlebten nicht nur den Aufbau eines britischen Atomwaffenarsenals, sondern auch geheime B- und C-Waffen-Programme in Forschungseinrichtungen wie Porton Down, wo u.a. Menschenexperimente mit Nervengasen durchgeführt wurden. Entsprechende Gerüchte lieferten das Vorbild für die mysteriöse Fabrikanlage in Quatermass II. Um noch einmal Nigel Kneale zu zitieren:
Well, I think the idea was contemporary to the 'fifties. During that time government bodies were building early warning radar bases, germ warfare factories, mysterious isolated laboratories, all of which were hidden from the public in wild inaccessible places. Some of these fantastic institutions didn't even exist outside of the fertile imaginations of the journalists who wrote about them.
Dass er als Angestellter der BBC den "Official Secrets Act" hatte unterzeichnen müssen, hatte Kneales Sensibilität für die Geheimniskrämerei des Staates noch zusätzlich gesteigert.
Für eine Fernsehproduktion der Mittfünfziger war Quatermass II ein verdammt ehrgeiziges Projekt, insbesondere was die letzte Episode betrifft, in der der Professor sich mit seiner Rakete auf den Planetoiden der Außerirdischen schießen lässt. Dennoch blieben die tricktechnischen Möglichkeiten sehr begrenzt, was Nigel Kneale im Rückblick jedoch eher als einen Vorteil ansah:
I knew we had very little [technology] and that is why the Quatermass stories were written as they were, with very little dependence on special effects. The stories are told through the characters and the action and they are also earthbound. We didn't take off into space, except on one occasion at the end of Quatermass II. The stories are very firmly on Earth, and depend completely on detailed character. Now that is one area where an awful lot of science-fiction stuff, so far as I've seen, collapses. It doesn't just weaken, it collapses, because there are very few coherent characters. Construction of the story is often rotten and is waiting to be saved by the special effects. If you haven't got a special effects team, you have to do something else - you've got to tell your story in a way that works largely without effects, and then the effects come in as a bonus. All too often nowadays, expensive films do depend on them and that's why we have this increasingly dry, hugely expensive stuff coming out of Hollywood. Dry in the real sense because the things are devoid of character.
Hierin steckt sicher viel wahres, doch bedeutet dies andererseits auch, dass die Serien in hohem Maße von der Qualität der beteiligten Schauspieler & Schauspielerinnen abhängig waren. Im Allgemeinen hat man in dieser Hinsicht wenig zu befürchten, doch bei Quatermass II hinterlässt jeder Auftritt von Monica Grey einen schalen Nachgeschmack. Die Ehefrau von BBC-Radiodrama-Chef Val Gielgud war dem Produktionsteam gegen deren Willen aufgezwungen worden, und man braucht nicht lange darüber nachzugrübeln, warum Kneale und Cartier lieber eine andere Darstellerin für den Part von Quatermass' Tochter gehabt hätten. Allerdings erscheint es mir fraglich, ob dadurch viel gewonnen worden wäre, denn überzeugende Frauenrollen zu schreiben, gehörte nicht unbedingt zu Nigel Kneales Stärken. Insbesondere die Quatermass-Serien sind in dieser Hinsicht keine Glanzstücke. Ein Problem, das wir im Zusammenhang mit Quatermass and the Pit etwas genauer unter die Lupe nehmen werden.
Die Charaktere sind es, die uns in die Geschichte hineinziehen. Ein Gutteil der Atmosphäre aber wird geschaffen durch das Gegeneinanderstellen von ländlicher und industrieller Szenerie. Inmitten der Felder und Hügel wirkt die riesige Fabrikanlage tatsächlich wie ein düsterer, bedrohlicher Fremdkörper und erinnert an den Ausspruch des alten Tolkien vom "Mordor mitten unter uns".*** Den eigentlichen Gegenpol zu dieser unmenschlichen Welt aus Stahl und Beton bildet interessanterweise nicht etwa Quatermass' Labor, obwohl dort die Strategie zum Kampf gegen die Aliens entwickelt wird, sondern der örtliche Pub. Er verkörpert menschliches Miteinander – Freundschaft, Kollegialität, Familie – und ist zugleich das Herzstück einer "proletarischen" Gemeinschaft, die sich wie selbstverständlich im Gegensatz zu den "Zombies" aus Werkschutz und Betriebsleitung definiert. Von hier nimmt der offene Kampf gegen die Außerirdischen seinen Ausgang, und er trägt wohl nicht zufällig die Züge eines Arbeiteraufstands.
Nicht dass ich Quatermass II einen "sozialistischen" Inhalt andichten wollte. Aber im britischen Film, Fernsehen und Theater entwickelte sich nach dem 2. Weltkrieg eine starke "proletarische" Strömung, von der selbst heute noch Überreste – in den Werken von Mike Leigh oder Ken Loach etwa – zu finden sind.**** Und auch Nigel Kneale scheint nicht ganz unberührt von ihr gewesen zu sein. Warum sonst wohl hätte er einen Shop Steward – eine Art Betriebsrat also – zum Anführer einer bewaffneten Revolte gemacht?*****
Der Geist der Serie ist damit wenn schon nicht "revolutionär", so doch im besten Sinne "demokratisch". Den Mächten von Unterdrückung, Militarismus und Bürokratie steht eine Koalition aus wissenschaftlicher Vernunft und arbeitender Bevölkerung gegenüber. Und wo fänden wir heute noch etwas vergleichbares im phantastischen Film?
Die Charaktere sind es, die uns in die Geschichte hineinziehen. Ein Gutteil der Atmosphäre aber wird geschaffen durch das Gegeneinanderstellen von ländlicher und industrieller Szenerie. Inmitten der Felder und Hügel wirkt die riesige Fabrikanlage tatsächlich wie ein düsterer, bedrohlicher Fremdkörper und erinnert an den Ausspruch des alten Tolkien vom "Mordor mitten unter uns".*** Den eigentlichen Gegenpol zu dieser unmenschlichen Welt aus Stahl und Beton bildet interessanterweise nicht etwa Quatermass' Labor, obwohl dort die Strategie zum Kampf gegen die Aliens entwickelt wird, sondern der örtliche Pub. Er verkörpert menschliches Miteinander – Freundschaft, Kollegialität, Familie – und ist zugleich das Herzstück einer "proletarischen" Gemeinschaft, die sich wie selbstverständlich im Gegensatz zu den "Zombies" aus Werkschutz und Betriebsleitung definiert. Von hier nimmt der offene Kampf gegen die Außerirdischen seinen Ausgang, und er trägt wohl nicht zufällig die Züge eines Arbeiteraufstands.
Nicht dass ich Quatermass II einen "sozialistischen" Inhalt andichten wollte. Aber im britischen Film, Fernsehen und Theater entwickelte sich nach dem 2. Weltkrieg eine starke "proletarische" Strömung, von der selbst heute noch Überreste – in den Werken von Mike Leigh oder Ken Loach etwa – zu finden sind.**** Und auch Nigel Kneale scheint nicht ganz unberührt von ihr gewesen zu sein. Warum sonst wohl hätte er einen Shop Steward – eine Art Betriebsrat also – zum Anführer einer bewaffneten Revolte gemacht?*****
Der Geist der Serie ist damit wenn schon nicht "revolutionär", so doch im besten Sinne "demokratisch". Den Mächten von Unterdrückung, Militarismus und Bürokratie steht eine Koalition aus wissenschaftlicher Vernunft und arbeitender Bevölkerung gegenüber. Und wo fänden wir heute noch etwas vergleichbares im phantastischen Film?
* Anthony Blunt und Kim Philby wurden erst in den 60er Jahren enttarnt. Die Affäre um die "Cambridge-Spione" bildete die Grundlage für John le Carrés Klassiker Tinker Tailor Soldier Spy.
** "Quatermass II is the British Invasion of the Bodysnatchers, but I don't necessarily think that's a bad thing... What Quatermass II does is take that metaphor and apply it to the specific conditions of Britain in the 1950s; not just the Cold War paranoia, but the traditional British grumbling resentment of bureaucracy as represented by the council, or in this case big business". (K. Newman)
*** Tolkien nahm diese Charakterisierung des "modernen Lebens" übrigens in Reaktion auf die Nachricht vom ersten britischen Atombombentest auf den Monte Bello - Inseln vor. (Brief an Rayner Unwin [24. Oktober 1952]. In: J:R:R: Tolkien: Briefe. Nr.135. S. 220.)
**** Damit will ich nichts über die Qualität von Loachs Filmen gesagt haben, die ich vielmehr für äußerst durchwachsen halte.
***** Dass Kneale selbst die Aufstandsszene einmal mit der Ungarischen Revolution von 1956 verglichen hat, spricht nicht gegen eine solche Interpretation. Schließlich war diese {ganz wie der 17. Juni in der DDR} eine Bewegung der Arbeiterklasse, die sich zwar gegen die Tyrannei der stalinistischen Bürokratie richtete, jedoch keineswegs die Wiedereinführung des Kapitalismus zum Ziel hatte.
** "Quatermass II is the British Invasion of the Bodysnatchers, but I don't necessarily think that's a bad thing... What Quatermass II does is take that metaphor and apply it to the specific conditions of Britain in the 1950s; not just the Cold War paranoia, but the traditional British grumbling resentment of bureaucracy as represented by the council, or in this case big business". (K. Newman)
*** Tolkien nahm diese Charakterisierung des "modernen Lebens" übrigens in Reaktion auf die Nachricht vom ersten britischen Atombombentest auf den Monte Bello - Inseln vor. (Brief an Rayner Unwin [24. Oktober 1952]. In: J:R:R: Tolkien: Briefe. Nr.135. S. 220.)
**** Damit will ich nichts über die Qualität von Loachs Filmen gesagt haben, die ich vielmehr für äußerst durchwachsen halte.
***** Dass Kneale selbst die Aufstandsszene einmal mit der Ungarischen Revolution von 1956 verglichen hat, spricht nicht gegen eine solche Interpretation. Schließlich war diese {ganz wie der 17. Juni in der DDR} eine Bewegung der Arbeiterklasse, die sich zwar gegen die Tyrannei der stalinistischen Bürokratie richtete, jedoch keineswegs die Wiedereinführung des Kapitalismus zum Ziel hatte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen