"Außerdem studierte er abstruse Bücher, die aus chaldäischen Bibliotheken
gestohlen worden waren, wenn Fafhrd auch aus langer Erfahrung wusste,
dass der Mausling selten über das Vorwort hinauskaum (obwohl er oft die
letzten Kapitel aufrollte und neugierig hineinschaute und beißende Kritik
äußerte)."

Fritz Leiber, Das Spiel des Adepten


Samstag, 27. Juli 2013

Strandgut der Woche

Mittwoch, 24. Juli 2013

Der Lord der Traumlande

Monarch of Fancy! whose ethereal mind
Mounts fairy peaks, and leaves the throng behind;
Whose soul untainted bursts the bounds of space,
And leads to regions of supernal grace:
Can any praise thee with too strong a tone,
Who in this age of folly gleam'd alone?
Thy quill, DUNSANY, with an art divine
Recalls the gods to each deserted shrine;
From mystic air a novel pantheon makes,
And with new spirits fills the meads and brakes;
With thee we wander thro' primeval bow'rs,
For thou hast brought earth's childhood back, and ours!
How leaps the soul, with sudden bliss increas'd,
When led by thee to lands beyond the East!

Mit diesen altertümlich anmutenden Versen besang H.P. Lovecraft den Mann, dessen 135. Geburtstag wir heute feiern können: Edward John Moreton Drax Plunkett, den 18. Baron von Dunsany, eines der großen Genies der klassischen Phantastik und einen der Wegbereiter der modernen Fantasy.

Als Spross einer der ältesten und reichsten Adelsfamilien Irlands verbrachte er seine Kindheit abwechselnd auf den Familiensitzen in Meath (Dunsany Castle), Kent (Dunstall Priory) und London, um anschließend in den Genuss einer standesgemäßen Ausbildung in Eton und der Royal Military Academy  Sandhurst zu gelangen. 1901 zog er als Offizier in den Zweiten Burenkrieg, heiratete 1904 Lady Beatrice Child Villiers, die jüngste Tochter des Earl of Jersey, und widmete sich in der Folge hauptsächlich seinen literarischen Neigungen. Aristokrat vom Scheitel bis zur Sohle blieb Lord Dunsany auch nach der Gründung der Irischen Republik ein überzeugter Royalist und pflegte als begeisterter Jäger und Cricket-Spieler einen typisch adeligen Lebenstil. Und doch umgab ihn stets der Hauch des "Anderen", "Fremdartigen", wie Ernest A. Boyd in seinem Essay über ihn schreibt:
The man himself gives the impression of a strange contradiction of personality. Coming of old aristocratic stock, Edward John Moreton Drax Plunkett, 18th Baron Dunsany, preserves in some degree the traditional habits and characteristics of his race. He was educated at Eton, and served for some time as an officer in the Coldstream Guards. His tall, athletic stature gives him the air of the typical Britisher of his class. One could imagine him, correctly attired in the conventional silk hat and morning coat of Bond Street, passing undistinguished amongst his fellows in the Grand Stand at Goodwood.
In point of fact, Lord Dunsany is known as a cricketer and sportsman to many who know and care nothing for the poet that is in him. His is, as it were, a double life; on the one side his activities in the world of sport and society, on the other his adventures into the world of letters. For, let us hasten to add, the immaculate, " clean-limbed Englishman " we have pictured him does not correspond so much to what he is, as what, but for the grace of God, he might have become. Of his social existence as Lord Dunsany there is no doubt, but even in his personal appearance there is just that element of carelessness – which betrays the presence of preoccupations not altogther confined to conventions sartorial and otherwise. In short, he fails in some slight, but noticeable, details to conform exactly to type, thus creating a curious impression of duality. He is almost what he, at first sight, seems to be, but " not quite !" There lingers about him some touch of Bohemianism, an indifference to externals, which at once suggests the other Lord Dunsany.*
Edward Plunkett unterhielt enge und freundschaftliche Kontakte zu vielen Vertretern und Vertreterinnen der Irischen Literaturbewegung, u.a. auch zu William Butler Yeats, aber sein eigenes Werk enthält auf den ersten Blick wenig vom Geist der Keltischen Renaissance. Seine Form der Phantastik unterscheidet sich vielmehr sehr deutlich von der in Yeats' Fairy and Folk Tales of the Irish Peasantry, The Celtic Twilight oder In the Seven Woods. Selbst dann, wenn er in seinen Erzählungen Elfen und Feen auftreten lässt, handelt es sich bei diesen doch unverkennbar nicht um das Volk der Sidhe.

Seinen ersten großen Erfolg konnte Lord Dunsany 1905 mit The Gods of Pegana erzielen. Und es ist dieses Buch, das ihm einen ganz besonderen Rang in der Ahnenreihe der modernen Fantasy sichert.
Oft und gerne wird J.R.R. Tolkien als deren "Vater" bezeichnet, und das sicher nicht zu unrecht. Doch wenn der vielleicht wirkmächtigste Beitrag des "Professors" zum Genre darin bestand, seine Geschichten in einer bis ins Detail ausgearbeiteten "Sekundärwelt" mit eigener Geographie, Geschichte und Mythologie anzusiedeln, wobei diese Welt zu mehr wurde als einem bloßen "Schauplatz" und eine eigenständige Bedeutung erhielt, sollten wir nicht vergessen, dass er auch hierin seine Vorgänger besaß.
Das Konzept der "Sekundärwelt" wird häufig auf William Morris und seine phantastischen Erzählungen The Water of the Wondrous Isles, The Well at the World's End und The Sundering Flood zurückgeführt.  Allerdings hat Matthew David Surridge in einer auf Black Gate veröffentlichten Serie von Essays einmal recht überzeugend dafür argumentiert, dass die Krone hier in Wirklichkeit Sara Coleridge mit ihrem Buch Phantasmion gebührt.  Doch wie auch immer die Genealogie genau aussehen mag, auf jedenfall fügte ihr Lord Dunsany ein wichtiges Element bei, indem er erstmals nicht nur eine "Sekundärwelt", sondern auch eine dazugehörige fiktive Theogonie und Mythologie erschuf.

Ich habe keine Ahnung, ob es Belege dafür gibt, dass Tolkiens Ainulindale direkt von Gods of Pegana inspiriert wurde. Ich halte das für eher unwahrscheinlich, obwohl der "Professor" Lord Dunsanys Werke zweifellos kannte und schätzte. Was hingegen außer Frage steht, ist, dass das Buch einen beträchtlichen Einfluss auf H.P. Lovecraft ausübte. Wenn dieser in seiner berühmten Studie Supernatural Horror in Literatur über Dunsany schrieb "His point of view is the most truly cosmic of any held in the literature of any period", so hatte er dabei vermutlich vor allem Gods of Pegana im Sinn.
Dunsany entwirft dort eine Mythologie, in der die ganze Welt und das Leben und Sterben der Menschen nichts weiter sind als ein Spiel der Götter, die mit homerischem Gelächter auf das Treiben der Sterblichen herabschauen. Niemand kann seinem vorherbestimmten Schicksal entgehen und auf jeden wartet am Ende der Tod. Genau genommen ist Gods of Pegana vor allem ein Buch über die Sterblichkeit. Im Drama des Weltgeschehens einen tieferen Sinn erkennen zu wollen, ist ein hoffnungsloses Unterfangen, und auch die Götter sind letztenendes nur Sklaven ihrer Bestimmung. Denn wenn Mana-Yood-Sushai, ihr Schöpfer, aus seinem Schlummer erwacht, werden die Welt und mit ihr all die Kleinen Götter wieder untergehen. Man kann eine solche Sicht natürlich "kosmisch" nennen, doch Dunsanys Kosmizismus unterscheidet sich sehr deutlich von dem Lovecrafts. Während dessen Weltbild von einem menschenfeindlichen Nihilismus durchtränkt ist, liegt über Gods of Pegana ein Hauch zarter Melancholie. Die liebenswertesten Götter in Dunsanys Pantheon sind Limpang-Tung, Herr der Musik, und Yoharneth-Lahai, Meister der Träume. Auch sie können das Schicksal der Menschen nicht grundsätzlich verändern. Zur festgelegten Stunde wird Mung der Tod zu jedem von uns kommen und das Zeichen des Mung über uns machen. Doch selbst wenn die beiden das Leben der Menschen nicht zu verlängern vermögen, so machen ihre Gaben es doch schöner und lebenswerter. Dunsany kann mitunter zynisch sein und besitzt eine Vorliebe für schwarzen Humor, doch die Menschen mit ihren Träumen und Hoffnungen sind ihm nicht völlig gleichgültig. Er belächelt ihre Versuche, dem Dasein eine metaphysische Bedeutung unterzuschieben, aber seinem Spott ist Sympathie beigemischt. Die netteste Figur des Buches ist der Prophet Imbaun, der u.a. die Mär von einem glücklichen Jenseits in die Welt setzt, sich jedoch weigert, eine Hölle zu erfinden, in der seine Anhänger ihre Gegner schmoren sehen wollen. Dunsanys Hohn richtet sich vor allem gegen jene Priester und selbsternannten Weisen, die behaupten, das Geheimnis des Daseins ergründet zu haben, und die den einfachen Leuten einreden, sie hätten Macht über das Schicksal und den Tod, um dann aufs fürstlichste von den ‘milden Gaben’ der Leichtgläubigen zu leben.
Als Lovecraft sich daranmachte, selbst zum "myth-maker" zu werden, folgte er damit ausdrücklich dem Vorbild Lord Dunsanys. Wie er in einem Brief an Frank Belknap Long erklärte, wollte er dieses Projekt "with that childish sincerity" angehen, "which no one but the earlier Dunsany has tried to achieve nowadays". Plunketts Einfluss zeigt sich am deutlichsten in den sog. "Dreamland"-Geschichten. Doch bin ich der Überzeugung, dass an dieser Stelle auch die Entwicklung ansetzte, die schließlich zur Kreation des Chthulhu-Mythos führte. Wie genau dies meiner Ansicht nach geschah, hoffe ich ein andermal ausführlich darlegen zu können.

Den Gods of Pegana folgten in den nächsten zehn Jahren eine Reihe von Bänden mit phantastischen Kurzgeschichten: Time and the Gods (1906), The Sword of Welleran (1908), A Dreamer's Tales (1910), The Book of Wonder (1912), Fifty-one Tales (1915) und Tales of Wonder (1916). In meinen Augen sind sie es, mit denen sich Lord Dunsany einen dauerhaften Platz im Pantheon der Phantastik verdient hat. Die besten von ihnen zeichnen sich durch die flimmernde Farbigkeit und Musikalität ihrer Sprache, eine feine Ironie, ungebremste Fabulierlust, sowie einen leichten Hang zum Makabren aus. In vielen von ihnen entführt uns der Dichter in jene wundersamen Traumlande, die auf immer mit seinem Namen verbunden bleiben werden. In eine Welt voll exotischer Schönheit, die jedoch auch nicht ganz frei ist von Elementen des Unheimlichen. In seinem Essay Lord Dunsany and His Work schreibt Lovecraft über diese Kurzgeschichten:
We here find the best Dunsanian forms fully developed; the Hellenic sense of conflict and fatality, the magnificently cosmic point of view, the superbly lyrical flow of language, the Oriental splendour of colouring and imagery, the titanic fertility and ingenuity of imagination, the mythical glamour of fabulous lands 'beyond the East' or 'at the edge of the world,' and the amazing facility for devising musical, alluring, and wonder-making proper names, personal and geographical, on classical and Oriental models. Some of Dunsany's tales deal with the objective world we know, and of strange wonders therein; but the best of them are about lands conceivable only in purple dream. These are fashioned in that purely decorative spirit which means the highest art, having no visible moral or didactic element save such quaint allegory as may inhere in the type of legendary lore to which they belong. Dunsany's only didactic idea is an artist's hatred of the ugly, the stupid, and the commonplace. We see it occasionally in touches of satire on social institutions, and bits of lamentation over the pollution of Nature by grimy cities and hideous advertising signs. Of all human institutions, the billboard is most violently abhorrent to Lord Dunsany.
Dem meisten hiervon schließe ich mich vorbehaltslos an, doch übersieht der Gentleman von Providence meiner Meinung nach eine wichtige Facette von Dunsanys Werk. Nicht selten bildet die graue Welt des modernen London den Hintergrund für seine farbenfrohen Traumgeschichten, und manchmal ergeht sich der zivilisationsmüde Lord sogar in Visionen vom Untergang der verhassten Städte. Doch anders als Lovecraft dachte er dabei nicht nur an das Leid der einsamen, poetisch empfindsamen Seele d.h. an sein eigenes Leid. Nicht wenige seiner Erzählungen geben vielmehr Zeugnis ab von seiner Sympathie für die "kleinen Leute". Der Held von The Wonderful Window aus dem Book of Wonders etwa ist ein kleiner Angestellter, der sich aus der geisttötenden Tretmühle seines Berufes in ein romantisches Wunderreich flüchtet. Ähnliches gilt für den Protagonisten von The Coronation of Mr. Thomas Shap, nur dass Dunsany sich dort zusätzlich über kleinbürgerliche Allmachtsfantasien lustig macht, und die Flucht des armen Mr. Shap deshalb tragikomisch im Irrenhaus endet, nachdem er sich in seinem Traumland zum Gott gemacht hat. In The Kith of the Elf Folk Dunsanys Version der Melusinegeschichte in The Sword of Welleran geht die menschgewordene Fee beinahe an der Seelenlosigkeit der modernen Gesellschaft zugrunde, nachdem man sie als Arbeiterin in eine Textilfabrik gesteckt hat, wo die Menschen zu Sklaven der Maschine geworden sind und ihr trostloses Dasein umgeben von Hässlichkeit und Elend fristen müssen. Und eine seiner schönsten Geschichten The Highwaymen erzählt voller Humor und Sympathie von drei Straßenräubern, die ihren gehängten Kameraden Tom nachts vom Galgen schneiden und im Grab eines Bischofs beisetzen, nachdem sie die Leiche des heiligen Herrn zuvor hinausbefördert haben, um ihrem Freund so den ewigen Frieden zu sichern.
Thence the soul of Tom, arising hallowed out of sacred ground, went at dawn down the valley, and, lingering a little about his mother's cottage and old haunts of childhood, passed on and came to the wide lands beyond the clustered homesteads.  There, there met with it all the kindly thoughts that the soul of Tom had ever had, and they flew and sang beside it all the way southwards, until at last, with singing all about it, it came to Paradise. But Will and Joe and the gypsy Puglioni went back to their gin, and robbed and cheated again in the tavern of foul repute, and knew not that in their sinful lives they had sinned one sin at which the Angels smiled.
Eine solche humorvolle Menschlichkeit suchen wir in Lovecrafts eigenen Traumlandgeschichten vergeblich.

Nach 1916 widmete sich Lord Dunsany vermehrt dem Drama. Daneben verfasste er eine Reihe von Romanen, von denen heute allerdings nur noch The King of Elfland's Daughter (1924) einem weiteren Kreis bekannt sein dürfte. Frank Weinreich bezeichnet das Buch in einem seiner Essays sogar als Dunsanys "berühmtestes Werk", "das, völlig undisputiert, zu den Meisterwerken des Genres zählt". Auch wenn ich ihm seinen Rang als einem frühen Klassiker der Fantasy nicht absprechen will, kann ich mich dennoch nicht den ungebremsten Lobeshymnen anschließen, die man hie und da über The King of Elfland's Daughter zu lesen bekommt. Zum einen hat das allegorische Element der Erzählung auf mich streckenweise zu aufdringlich gewirkt. Zum anderen verliert Dunsanys Sprache bei einer über 120 Seiten langen Geschichte irgendwann ihren Reiz. Statt des poetischen Zaubers, den sie zu Beginn heraufbeschwört, stellt sich nach einiger Zeit eine Art ermüdende Zähigkeit ein.

Lord Dunsanys Stil besitzt in der Kurzgeschichte die ihm angemessene Form. Zur Einführung in sein Werk würde ich deshalb die Lektüre von Idle Days on the Yann empfehlen. In meinen Augen die vielleicht großartigste seiner Erzählungen von den Traumlanden "jenseits des Ostens".

* Ernest A. Boyd: Lord Dunsany: Fantaisiste. In: Ders.: Appreciations and depreciations. Irish literary studies. S. 71f.

Dienstag, 23. Juli 2013

Ist der Heilige Gral tatsächlich gefunden?

Da erreicht mich dank Hypnogorias unvergleichlichem Mr. Jim Moon gestern doch diese im ersten Moment fantastisch klingende Nachricht. Sollte es wirklich wahr sein? Ist das lange verloren geglaubte Originalfilmmaterial von The Wicker Man tatsächlich gefunden worden? Und kann das Kronjuwel des Brit-Horrors der frühen 70er Jahre nun also endlich in der Form wiederhergestellt werden, die Regisseur Robin Hardy ihm ursprünglich verleihen wollte? Wenn dies in der Tat der Fall wäre, so würde für viele Horrorfans ein jahrzehntelang gehegter Traum in Erfüllung gehen. 
Freilich halte ich es für klüger, erst einmal skeptisch zu bleiben. Genaugenommen ist Hardys Ankündigung recht verschwommen, obwohl darin von einem "Original" die Rede ist. Die Erwähnung der Filmfirma Abraxas könnte sogar bedeuten, dass der "neue" Wicker Man der US-Version von 1979 entsprechen wird, die drei Minuten kürzer ist als der 99minütige sog. "Director's Cut".*
Wir werden abwarten müssen.

Doch selbst wenn sich Hardys Erklärung schließlich als simpler PR-Trick entpuppen sollte, hat sie mir doch bereits jetzt einen unschätzbaren Dienst erwiesen. Denn dank ihrer habe ich – gleichfalls über Jim Moon – das 2002 erschienene Album Nuada der britischen Folk Rock - Gruppe Candidate kennenlernen dürfen.

Die großartige Musik von Paul Giovanni macht bekanntlich einen wichtigen Teil der Magie von The Wicker Man aus, und zumindest Willow's Song ist über die Jahrzehnte zigmal gecovert worden. Joel und Alex Morris waren schon immer von ihr fasziniert gewesen. Sie war es, die in ihnen die Liebe zum Folk geweckt hatte, und als sie schließlich Candidate gründeten, war eines ihrer ersten Lieder eine Coverversion von Corn Riggs. Als das dreißigste Jubiläum des Filmes heraufzog, entschlossen sie sich deshalb, ein dem Wicker Man gewidmetes Album zu produzieren. Dazu begaben sie sich nach Schottland, wo der Film gedreht worden war. Wie Joel Morris 2011 in einem Interview mit Owen Williams erzählt hat:
None of the film’s shot on an island: it’s all cleverly edited mainland locations, almost all of them in South West Scotland.  Looks amazing, though, and you’re totally fooled by the title sequence of the seaplane. Movie magic, eh? Wicker country is on the mainland round Dumfries and Galloway, and we flew up there with a few ideas, which we played in the locations (the only significant Wicker place we didn’t visit on the trip was Plockton, still mainland, but up on the coast in the Scottish highlands, where Woodward’s plane lands; I made a special pilgrimage there a few years back on honeymoon, to collect the set, much to the delight and barely concealed boredom of my wife). We recorded stuff – demos really – in Anwoth church, the Ellangowan hotel and Burrow Head, where the burning takes place.  [...]
Bits of the trip made it to the record as audio snippets that Ian knitted into the running order (you can hear us at the beginning sitting between the Wicker Man’s legs at Burrow Head, playing pennywhistles and guitars, and the birds at the start of Beautiful Birds are the gulls from that same cliffside). But the main thing was to spend three nights soaking up the atmosphere, thinking and talking about the film and the landscape and so on, so that when we got home, we knew what we were all trying to capture.
Nuada ist kein "Konzeptalbum". Keines der Lieder nimmt Bezug auf die Handlung des Filmes, vielmehr sind sie alle inspiriert von der Atmosphäre und dem Geist des Wicker Man.
  1. Barrel of Fear
  2. Sowing Song
  3. Tomorrow's Tomorrow
  4. Beautiful Birds
  5. Song of the Oss
  6. Save Us
  7. Circle of Ash
  8. Burrowhead
  9. Rain on the Roof
  10. Island 34
  11. Modern Parlance 
* Für ausführliche Informationen über die unterschiedlichen Versionen des Wicker Man siehe hier.

Samstag, 20. Juli 2013

Strandgut der Woche

Freitag, 19. Juli 2013

Wie gehabt

Nach meinem kurzen Ausflug an die Sequel-Front hat mich ein Besuch im Den of Geek heute wieder in die sattsam bekannten Gefilde der Remake-Routine zurückkatapultiert. Und das mit erbarmungsloser Brutalität, darf man dort doch eine Liste mit sage und schreibe 
57
Remakes und Reboots bestaunen, die sich derzeit in Planung befinden!

Erstaunlicherweise hat mich die Lektüre dieses Konvoluts eher zum ausgiebigen Seufzen und Kopfschütteln als zum Fluchen und Kreischen animiert.
Die Welt braucht zwar ganz sicher keine Remakes von Highlander, Leprechaun, The Mummy, Tomb Raider, Van Helsing oder Waterworld, aber weh tun wird's auch niemandem. Und als ich gar Police Academy auf der Liste erblicken musste, konnte ich ein lautes Lachen nicht unterdrücken. Ist das jetzt ein besonders krasser Beleg dafür, wie trostlos es in den Köpfen der Verantwortlichen aussieht, oder ein weiteres Beispiel für die grenzenlose Verachtung, mit der diese Leute den Publikumspöbel betrachten, der ihr luxuriöses Leben finanziert?
Natürlich finden sich auch ein paar wirklich ärgerliche Eintragungen. Will Smiths Plan etwa, Sam Peckinpahs Klassiker The Wild Bunch ins heutige Mexiko zu verlegen und einen Ex-D.E.A.-Agenten dabei zum Helden zu machen, ist wirklich ganz schön unverschämt. Allerdings wirkt er zugleich so grotesk, dass sich kein richtiger Zorn bei mir einstellen will.
Die drohende Neuverfilmung von Gremlins ist da schon eher geeignet, heftige Emotionen in mir wachzurufen. Muss Hollywood sich denn unbedingt an Filmen vergreifen, mit denen ich nostalgische Erinnerungen verbinde? Und ist es denn tatsächlich so schwer zu kapieren, dass ein Film mit einem computergenerierten Gizmo unmöglich den Charme von Joe Dantes Original besitzen wird? Die Jungs und Mädels werden's wohl nie lernen!
Eine ähnliche, wenn auch nicht ganz so heftige Reaktion ruft bei mir die Nachricht hervor, dass auch Short Circuit (Nummer 5 lebt) für ein Remake vorgesehen ist. Und warum zum Teufel brauchen wir eine neue Version von Logan's Run?! War denn das 2002er Reboot von Rollerball noch nicht genug? Und wer bitte schön ist auf die hirnverbrannte Idee gekommen, ein Remake von Hitchcocks Rebecca filmen zu wollen?
Eher bizarr mutet hingegen das Projekt an, WarGames einem filmischen Wiederbelebungsversuch zu unterziehen. John Badhams Original ist so deutlich ein Produkt der Zeit von Ronald Reagans Zweitem Kalten Krieg, dass es völlig unverständlich erscheinen muss, wie man auf diese Idee verfallen konnte. Aber vermutlich hat sich da irgend so ein Schlaukopf gedacht: "Hey, hat Matthew Broderick damals nicht einen jugendlichen Hacker gespielt? Das passt doch ganz wunderbar in unser Internet-Zeitalter!" {Seufz!}
Wirklich zum Gruseln wird's dann allerdings, wenn man erfahren muss, dass auch David Cronenbergs Videodrome "gerebootet" werden wird. Mit einem Drehbuch von Ehren Kruger! Was Mr. Kruger bisher so geschrieben hat? Na ja, u.a. das Drehbuch zu Transformers: Dark of the Moon! Und bei Transformers 2 war der gute Mann auch mit von der Partie! Ich glaube, jetzt ist es doch an der Zeit, zum Kotzkübel zu greifen ...


Sorry, aber das musste einfach sein. Wo waren wir stehengeblieben? Ach ja ...
Starship Troopers ... Ja, der Name steht auch auf der Agenda! Doch glücklicherweise könnte der kommerzielle Reinfall des Remakes von Total Recall dem einen Riegel vorgeschoben haben. {Vielleicht sollte ich den Göttern des cineastischen Olymps heute Nacht noch ein kleines Trankopfer darbringen?} Ich bin kein großer Fan des Originals, aber Paul Verhoeven hatte wenigstens versucht, aus Heinleins Roman eine Satire auf Militarismus und Faschismus zu machen. Auch wenn ihm dies meiner Meinung nach nicht wirklich gelungen ist, so fürchte ich doch, dass die Macher eines Remakes nicht einmal mehr eine solche subversive Absicht verfolgt hätten. Und was dann dabei herausgekommen wäre, möchte ich mir lieber gar nicht erst auszumalen versuchen ...
Und damit wären wir beim erstaunlichsten Eintrag in der langen Liste angekommen: Suspiria!!! Es fällt nicht leicht, die Gefühle zu beschreiben, die mich überkamen, als ich Dario Argentos Meisterwerk unter den zum Rebooten freigegebenen Filmen erblicken musste. Ungläubiges Entsetzen trifft es vielleicht am besten. Nachdem ich jedoch den Namen des verantwortlichen Regisseurs gelesen hatte, war es weniger Wut als vielmehr eine Art melancholische Verzweifelung, die mich erfüllte. David Gordon Green ist ein durchaus talentierter Filmemacher, wie er vor allem mit seinen frühen Werken George Washington (2000), All the Real Girls (2003) und Snow Angels (2007) bewiesen hat. Und ich glaube verstehen zu können, warum er gerne ein Remake von Suspiria drehen würde. In einem Interview mit Filmkritiker David Walsh hat er einmal über George Washington gesagt:
[I]deally it's a film I designed so that you could take a long walk afterward and think about what you've seen, and it would feel like a dream. One of those dreams that make perfect sense when you're dreaming, but you wake up and try to explain it to a friend and you can't quite figure out the order of things, but you know the mood you're in.
Tatsächlich besitzen seine frühen {und besten} Filme eine in gewissem Sinne traumartige Qualität. Und dasselbe gilt, wenn auch auf völlig andere Art, für Dario Argentos Horrorklassiker. Ich kann mir deshalb sehr gut vorstellen, dass David Gordon Green Suspiria liebt und bewundert. Seinen Wunsch, ein Remake zu produzieren, würde ich als einen Ausdruck eben dieser Liebe und Bewunderung interpretieren. Freilich kann ich nur schwer verstehen, wie man auf die Idee verfallen kann, dies sei die angemessene Art, um einem bewunderten Künstler Respekt zu zollen.     

So, mehr habe ich über die Liste der 57 fürs Erste nicht zu sagen. Erstaunlich finde ich allerdings immer noch, dass {mit Ausnahme von Conan} bisher kein einziger Fantasyklassiker der 80er Jahr mit einem Remake versehen wurde. Nicht dass ich mir das wünschen würde, aber es ist doch irgendwie eigentümlich ...

Donnerstag, 18. Juli 2013

Geburtstagswünsche und Entschuldigungen

Heute vor sechzig Jahren strahlte die BBC die erste Episode von Nigel Kneales Quatermass Experiment aus. Und so erhebe ich denn mein Glas auf das Wohl des guten Professors! Er ist bis heute sicher eine der einflussreichsten Gestalten in der filmischen Science Fiction aus britischen Landen geblieben. Möge das Andenken an ihn und seine Abenteuer noch lange weiterleben!
Um so peinlicher, dass ich es nicht geschafft habe, die nächste Episode meiner Nige Kneale - Tour fertigzustellen. Wäre es in dieser doch um Quatermass and the Pit gegangen. Spätestens nächste Woche wird es dann hoffentlich so weit sein, und wir können miterleben, wie unser Raketenexperte in die Untiefen der Präastronautik hinabsteigt {bevor Däniken auch nur sein erstes Buch geschrieben hatte!}, um sich zugleich mit den Rassenunruhen von Notting Hill zu beschäftigen.

Dienstag, 16. Juli 2013

Sequels, Sequels, nix als Sequels ...

Niemand soll behaupten, das aktuelle amerikanische Kino sei nicht abwechselungsreich genug! Statt der üblichen hirnverbrannten Remake-Pläne {das Bizarrste in jüngerer Vergangenheit war da die Nachricht, dass Will Smith sich an Peckinpahs Wild Bunch vergreifen will!!}, serviert uns Hollywood dieser Tage eine ganze Palette geplanter Sequels. Schmackhafter ist das freilich auch nicht gerade ...

Da wäre zuerst einmal Star Trek 3. Nicht wirklich überraschend, dass Paramount nach dem Erfolg von Into Darkness möglichst rasch nachlegen will. Freilich sollten wir inzwischen wissen, dass alles, was die Clique um J.J. Abrams öffentlich verlauten lässt, mit gehöriger Skepsis aufgenommen werden muss. Und so würde ich der Bemerkung, die Zachary Quinto neulich in einem Interview von sich gegeben hat, auch keine gar zu große Bedeutung beimessen: "Star Trek 3 should be filming, I suppose, next year. It’s going to be made a lot quicker than the last one. That’s the plan, although nothing is confirmed yet."
Wie ich hier bereits einmal sehr deutlich zum Ausdruck gebracht habe, ist für mich persönlich Star Trek mit Into Darkness ohnehin endgültig in Sto'Vo'Kor verschwunden. Und so ist es mir völlig egal, ob der unausweichliche nächste Film 2014 oder 2054 gedreht wird. Ebensowenig vermögen mich die Spekulationen darüber zu interessieren, ob einmal mehr J.J. {trotz Star Wars VII} auf dem Regiestuhl Platz nehmen wird oder nicht. Für alle, die sich überhaupt noch etwas von diesem Flick versprechen, dürfte es ohnehin sehr viel entscheidender sein, zu erfahren, ob man bei Paramount endlich erkannt hat, dass Damon Lindelofs Talent als Drehbuchschreiber ungefähr so groß ist wie Major Kiras Talent als Bildhauerin.

Wunderlicher als die Star Trek - Neuigkeiten muten für mich die Gerüchte um einen weiteren Predator-Film an, die im Vorfeld der Comic-Con ausgestreut wurden.
Ich habe nie verstanden, warum es überhaupt irgendwelche Forsetzungen zu dem Arnie-Klassiker von 1987 geben musste. {Von kommerziellen Erwägungen einmal abgesehen.} Predator ist sicher einer der besten Eighties-SciFi-Actioners, aber er enthält nichts, was für die Produktion eines Sequels sprechen würde. Alles, was der nicht eben profunde Stoff zu bieten hatte, wurde bereits im ersten Anlauf vollständig ausgeschöpft. Was danach kommen konnte, war entweder eine mehr oder weniger gute Kopie des Originals, oder der Versuch, eine Art "Mythologie" um die Jäger aus dem All aufzubauen. Doch so cool das Monster auch ist, ich wüsste nicht, warum weitere Informationen über seine Herkunft, seine Kultur, seine Geschichte usw. den Kerl interessanter machen sollten. Er ist der geborene Jäger und Killer, mehr brauche ich nicht über ihn zu wissen. Ähnlich wie Terminator lebt auch Predator in hohem Maße von seiner Simplizität. Entsprechend katastrophal endeten bisher alle Versuche, an McTiernans Film anzuknüpfen. Predator 2 (1990), Alien vs. Predator (2004) und Alien vs. Predator: Requiem (2007) sind einzig als Übungsmaterial für die für alle Filmfreunde und -freundinnen so wichtige Technik des gesteuerten Erinnerungslöschens zu gebrauchen. Und Predators (2010), zu dem der geplante Film ein Sequel sein soll? Viele halten ihn ja für den einzigen würdigen Nachfolger des Schwarzenegger-Streifens. Für mich ist er genauso dumm und verquast wie alles, wobei Robert Rodriguez seine Finger mit im Spiel hatte. Es gibt viele überbewertete Figuren im heutigen Hollywood, doch er gehört dabei ganz sicher in die Top Ten.
Keine schönen Aussichten also, und so präsentiere ich zur Aufmunterung erst einmal das hier:


Doch leider kommt das Gruseligste erst noch: Disney will sich ernsthaft daranmachen, eine Fortsetzung zu Tim Burtons fürchterlichem Alice in Wonderland - Film zu produzieren! Oh, der Fluch der Marktwirtschaft!! Burtons Machwerk spülte über eine Milliarde Dollars in die Kassen des Studios. Selbstverständlich drehen die da ein Sequel, mag Lewis Carroll in seinem Grab noch so wild rotieren! Und die Nachricht, dass sich Johnny Depp vermutlich einmal mehr für diesen Mist hergeben wird, obwohl sein Kumpel Tim diesmal nicht die Regie führt, erstaunt mich, glaube ich, auch nicht mehr wirklich. Es gab einmal eine Zeit, da hielt ich ihn nicht nur für einen talentierten Schauspieler, sondern auch für einen integren Künstler. Dann kamen die unsäglichen und nicht enden wollenden Sequels zu Pirates of the Caribbean {Nr. 5 ist übrigens gerade in Planung} ...

Puh, also überhaupt keine guten Neuigkeiten von der Sequel-Front? Das will ich nicht behaupten. Schließlich ist kürzlich der erste Teaser Trailer für How To Train Your Dragon 2 aufgetaucht. Und auch wenn er selbst nicht viel hergibt, so hoffe ich doch, dass uns dieser Film einmal wieder zeigen wird, dass Fortsetzungen nicht von Natur aus etwas übles sein müssen.

Montag, 15. Juli 2013

Das Schwert der Revolution

Zu Beginn war ich bloß ein einfacher Soldat der Augustanischen Hegemonie. Und wie jeder gute Soldat kämpfte ich für Kaiser und Vaterland, ohne mir viel Gedanken um Politik oder ähnlichen Schnickschnack zu machen. Wir kriegten unsere Befehle und führten sie aus. Das war unser Job und unsere Pflicht.
Doch dann erhielt ich eines Tages einen Befehl, den ich einfach nicht ausführen konnte, und mein ganzes altes Weltbild fiel in Trümmer.
Zum Verräter erklärt durchreiste ich die Sternensysteme des Aventinus Complex, und es war, als hätte man mir eine schwarze Binde von den Augen gerissen. Überall sah ich jetzt die fürchterlichen Folgen der kaiserlichen Tyrannei: Von Söldnern terrorisierte Völker, tödliche Minenfelder, biologische Waffen, hungernde Planeten, ausgebeutete Minenarbeiter ... Aber ich erfuhr auch vom Kampf, den der exilierte Volksrat gegen die Hegemonie führt. Und ich beschloss, mich diesem anzuschließen.
Ich bin nicht länger ein simpler Deserteur. Ich bin "Das Schwert der Revolution".

Ich kann mir kaum jemanden vorstellen, der ungeeigneter wäre, ein Computerspiel zu besprechen, als ich. Das ist ein Metier, in dem ich mich ungefähr so gut auskenne wie in höherer Mathematik oder Quantenphysik. Darum fasse ich mich ganz kurz:
 Traitor
von Jonas Kyratzes macht einen Höllenspaß!

Zuerst einmal hat dieser "Vertical Shooter" {nennt man das so?} nostalgische Erinnerungen an die 80er Jahre in mir geweckt, als Computerspiele tatsächlich einen nicht unwichtigen Teil meines Alltags ausmachten. Doch das alleine wäre kaum Grund genug für meine Begeisterung. Er ist außerdem das erste mir bekannte Ballerspiel, das mir ermöglicht, einen echten Rebellen zu spielen. Und es macht mir einfach zehnmal mehr Spaß, feindliche Raumschiffe zu zerstören, wenn ich mich dabei als "Das Schwert der Revolution" oder "Der Zorn des Volkes" fühlen kann. Die zum Teil hübsch bizarre Grafik und die wirklich coole Musik sind das Sahnehäubchen.

PS: Zusammen mit seiner Frau Verena hat der gute Jonas u.a. auch die wundervolle Lands of Dream - Serie geschaffen, über die ich hoffentlich recht bald einmal etwas ausführlicher berichten werde. Schon jetzt aber möchte ich allen meinen Leserinnen & Lesern wärmstens ans Herz legen, einmal hier hineinzuschauen.

Sonntag, 14. Juli 2013

Der Ballon, den es nicht gab

Während eines kleinen Abendspaziergangs durch die Felder konnte ich heute einen Heißluftballon in gemächlicher Fahrt über die grünen Hügel des Odenwaldes gleiten sehen. Im Sommer ist das hier kein seltener Anblick, aber er hat für mich doch jedesmal etwas magisches an sich. Gibt es eine sanftere Art des Fliegens? Drachenflieger und Segelflugzeuge mögen eleganter sein, aber nichts strahlt eine solche Ruhe aus wie ein Heißluftballon. 
Da mein Gehirn eindeutig zu vollgestopft ist mit Filmassoziationen, musste ich dabei allerdings auch sofort wieder an die Szene aus Michael Andersons Around the World in 80 Days (1956) mit David Niven als Phileas Fogg und Cantinflas als Passepartout denken:


Eine zurecht legendäre Szene. Der Witz freilich ist, dass in Jules Vernes Roman überhaupt keine Ballonfahrt vorkommt ...

Samstag, 13. Juli 2013

Strandgut der Woche

Mittwoch, 10. Juli 2013

Oh, Those Awful Orcs!

In schöner Regelmäßigkeit tauchen im phantastischen Netz immer mal wieder Artikel auf, in denen J.R.R. Tolkiens Werk des Rassismus geziehen wird. Und solange ein Gutteil der tolkienistischen Fangemeinde die Existenz rassistischer Elemente in Büchern wie dem Lord of the Rings immer noch strikt leugnet, sind solche Artikel wohl auch von Nöten. Dennoch habe ich mit vielen von ihnen so meine Probleme. 
Zuerst einmal finde ich es bezeichnend, dass es in den meisten tolkienkritischen Beiträgen ausschließlich um Rassismus {und mitunter Sexismus} geht. Außer dem obligatorischen Hinweis auf den "Konservatismus" des "Professors", findet sich in ihnen selten eine allgemeinere Auseinandersetzung mit der Weltanschauung, deren literarischer Ausdruck Tolkiens Werke sind. In meinen Augen zeichnet sich ein Großteil dieser "linken" Literaturkritik durch eine schrecklich oberflächliche Herangehensweise aus. Statt einen Beitrag zum tieferen Verständnis der behandelten Werke leisten zu wollen, erschöpfen sie sich oft darin, diese einem "politisch korrekten" Lackmustest zu unterziehen. Was dabei herauskommt muss nicht falsch sein, aber es beschränkt sich auf oberflächliche Beobachtungen.
Sehr viel schlimmer allerdings ist, dass nicht wenige dieser Artikel zudem auch noch beredtes Zeugnis von der Unwissenheit und Schlampigkeit ihrer Verfasser oder Verfasserinnen ablegen.Mit G. Willow Wilsons The Orc Renaissance: Race, Tolerance and Post-9/11 Western Fantasy ist ein sehr hübsches Beispiel hierfür kürzlich auf Tor.com aufgetaucht. 
Schon nach der Lektüre des zweiten Absatzes fällt es mir schwer, die Verfasserin noch länger ernstzunehmen:
Tolkien did not write in a vacuum. Caught up in a generation of global war that profoundly and permanently altered British culture, he saw the world in terms Samuel Huntington might have recognized: the “clash of civilizations” in which East and West are pitted against one another. It is not a coincidence that Tolkien locates evil in Middle Earth in the East and South, or that the Haradrim mercenaries recruited by Saruman are readily identifiable as North African Arabs. Nor is it a coincidence that the dividing line between good and evil, the river Isen, is a homonym of the common German surname Eisen, and is given the same meaning (“iron”). A midcentury English reader might have even read orc and heard turk, drawing upon an indelible cultural memory of a time when the Ottoman-dominated east was militarized, technologically superior and very threatening, a memory that resurfaced when the Ottoman Empire, now in its death throes, sided with the Germans in World War I. Tolkien’s real life enemies, the ones he faced on the battlefield, were transposed into the pages of his work.
"Eisen" soll also ein üblicher deutscher Nachname sein? Das wäre mir aber neu! Und inwieweit stellt der Fluss Isen im Lord of the Rings die "Grenzlinie zwischen Gut und Böse" dar? Es gibt eine Schlacht an den Furten des Isen zwischen den Rohirrim und Sarumans Heer, aber das macht den Fluss doch noch lange nicht zu einer symbolischen Grenze! Dafür würde sich eher noch der Anduin eignen. {Richtig wäre allerdings auch das nicht.} Und natürlich kämpfen die Haradrim auch überhaupt nicht in Sarumans, sondern in Saurons Armee. Auch gleichen sie keinesfalls "nordafrikanischen Arabern", sondern eher den "Mohren" der mittelalterlichen Heldenepen. Und Söldner sind sie schon gar nicht. Sie kämpfen vielmehr für den Herrn von Mordor, weil sie ihn für eine Art Gottkönig halten. Auch stimmt es nicht, dass das Böse in Mittelerde stets "im Osten und Süden" angesiedelt ist. Morgoths Festungen Utumno und Angband befinden sich im 1.Zeitalter vielmehr im Norden, der in der mittelalterlichen Literatur klassischen Himmelsrichtung des Bösen. Und dass Tolkien im Weltkrieg natürlich nicht türkischen, sondern deutschen Soldaten gegenüberstand, dürfte sich wohl von selbst verstehen. Ebenso erscheint es mir ziemlich verwegen, behaupten zu wollen, die Briten der 40er Jahre hätten den Kampf gegen Nazideutschland {und das war doch wohl der "globale Konflikt" ihrer Zeit} als einen "Clash of Civilizations" im Sinne des ollen Huntington verstanden.
Diesem Absatz folgen einige Ausführungen über die Orks in World of Warcraft und einer Reihe weiterer Computerspiele, über die ich nichts sagen kann, da ich mich mit diesen nicht auskenne. Doch dann wird uns folgende Köstlichkeit serviert:
Even the film adaptations of The Lord of the Rings itself, directed by Peter Jackson, were careful to take into account the way the realities of the 21st century have impacted Tolkien’s original metaphors. In the director’s cut of The Two Towers, there is a short but astonishing scene which does not occur in the original novel: Faramir stands over the body of a slain Harad mercenary and gives what amounts to a eulogy, wondering aloud what forces caused the man to leave his native land and fight in a war on the other side of the world, and whether he would not rather be safe at home. It is a poignant pause that would have had little meaning before 9/11, the shockwaves of which still reverberate through the global conversation about race, religion and armed conflict.
Hat die gute Frau den Lord of the Rings überhaupt gelesen? Was sie hier als eine Schöpfung Peter Jacksons bezeichnet, findet sich beinahe Wort für Wort in Tolkiens Roman, nur ist es nicht Faramir, sondern Sam, der sich diese Gedanken macht. Und wenn wir uns schon mit den Filmen beschäftigen wollen: In der Darstellung der Orks und in der Inszenierung der großen Schlachten sind diese sehr viel "rassistischer" und "militaristischer" als ihre literarische Vorlage.
Solche Artikel sind keine ernstzunehmenden Beiträge zu einer kritischen Debatte über Tolkien und die Fantasy. In ihrer peinlichen Schlampigkeit tragen sie vielmehr dazu bei, eine solche zu erschweren; scheinen sie doch bloß zu belegen, dass die Kritiker und Kritikerinnen des "Professors" sich nicht einmal die Mühe machen, seine Bücher aufmerksam zu lesen. All jenen, die eine ernsthafte und kritische Auseinandersetzung mit der Fantasy befürworten, leisten "progressive" Schreiberlinge wie G. Willow Wilson einen Bärendienst.

Ein besserer Mensch?

Die Nigel Kneale - Tour #3: The Abominable Snowman (1957)

In meinem Blogeintrag über das Quatermass Experiment habe ich geschrieben, Hammer Film Productions sei zu Beginn der 50er Jahre noch eine "ganz junge britische Filmfirma" gewesen. Genaugenommen ist das nicht richtig. Tatsächlich wurde das Unternehmen bereits 1934 gegründet, ging allerdings bereits 1937 zum ersten Mal bankrott und wurde erst 1946 wiederbelebt. Nach einer Reihe von billigen "Füllern" (sog. "quota-quickies") und Thrillern begann man sich ab 1953 dem SciFi- und Horror-Genre zuzuwenden. Damit war der Grundstein für Hammers Aufstieg zu Erfolg und Prominenz gelegt. Dem sehr erfolgreichen Quatermass Xperiment (1955) folgte alsbald X the Unknwon (1956).* Der Film war ursprünglich als Sequel geplant, was jedoch an Nigel Kneales Einspruch scheiterte.  Dafür sicherte man sich die Mitarbeit des Autors an der Kinoversion von Quatermass II, sowie die Rechte an der Story von The Creature.

Als sein Vertrag Ende 1956 auslief, verließ Kneale den Stab der BBC. Wie er später in einem Interview erklärte: "I’d had enough. Five years of being in that hut was as much as any sane person could stand". Die Arbeit für Hammer war sein erster Job als nunmehr freischaffender Autor. 
Mit der Adaption von Quatermass II war er ähnlich unzufrieden wie mit dessen Vorgänger, zumal erneut Brian Donlevy den Part des Professors übernahm. Ein Schauspieler, für den Kneale denkbar wenig übrig hatte: "He was then really on the skids and didn't care what he was doing. He took very little interest in the making of the films or in playing the part. It was a case of take the money and run. Or in the case of Mr Donlevy, waddle." Im Falle von The Creature sah das schon etwas anders aus. Regisseur war zwar wie bei den Quatermass-Filmen Val Guest, der Freunden & Freundinnen der Phantastik vielleicht eher noch als Schöpfer von The Day the Earth Caught Fire (1961) bekannt sein könnte, mit When Dinosaurs Ruled the Earth (1971) aber auch das Sequel zu Hammers legendärem Urzeitflick One Million Years B.C. (1966) drehen sollte. {Ohne Raquel Welch, dafür mit Playmate Victoria Vetri und Jim Danforths Stop-Motion-Dinos.} Doch als Hauptdarsteller verpflichtete man Peter Cushing, der die Rolle auch in der BBC-Produktion gespielt hatte. Und was das Setdesign anging, bewies Hammer schon jetzt die bald legendäre Fähigkeit, mit wenig Geld äußerst beeindruckende Resultate zu erzielen.

Zu Beginn der 50er Jahre war der Yeti zu bisher ungekannter Popularität aufgestiegen. Verantwortlich hierfür waren eine Reihe von Expeditionen westlicher Bergsteiger in die abgelegenen Regionen des Himalaya. 1951 fotographierte Eric Shipton an den Hängen des Mount Everest ominöse Fußstapfen im Schnee. 1953 berichteten Edmund Hillary und Tenzing Norgay nach ihrer Erstbesteigung von ähnlichen Beobachtungen. 1954 schickte die Daily Mail eine Expedition unter der Leitung von John Angelo Jackson auf die Suche nach dem Schneemenschen, die nicht nur nach weiteren Fußspuren Ausschau hielt, sondern sich auch mit kultischen Gegenständen beschäftigte, die in den buddhistischen Klöstern der Region aufbewahrt wurden.

Dass der Yeti bald schon auch auf die Kinoleinwand übersiedeln würde, war abzusehen. 1954 schuf W. Lee Wilder mit The Snow Creature den allerersten Yeti-Streifen. Nur ein Jahr später strahlte die BBC Nigel Kneales & Rudolph Cartiers The Creature aus. Die Inspiration dazu hatte der Autor vor allem aus den Berichten der schon erwähnten Daily Mail - Expedition bezogen, wobei seine zentrale Idee gewesen war: "[N]ot make him a monster but put a twist on it that really he was better than us". Als er die Story 1957 für Hammer noch einmal überarbeitete, änderte er an ihrem Grundgehalt nur wenig. Die stärkste Abweichung von der {nicht erhaltenen} Fernsehversion besteht offenbar darin, dass der Protagonist in der Kinofassung eine Ehefrau hat, um die herum sich eine Nebenhandlung entwickelt. Außerdem besitzt der Bösewicht einen etwas anderen Charakter. So zumindest hat es Kneale selbst beschrieben:
The baddie of the story was played in the television version by Stanley Baker. In the film version we had Forrest Tucker, and I suppose there was again a character difference. Baker played it as a subtle, mean person, Forrest Tucker as a more extrovert bully, but they were both good performances and I found very little to choose. Tucker was, I think, an under-rated and very good actor
Der britische Biologe John Rollason (Peter Cushing), seine Frau Helen (Maureen Connell) und sein Kollege Peter Fox (Richard Wattis) sind Gäste eines buddhistischen Klosters im Himalaya, als eines Tages die Expedition des Amerikaners Tom Friend (Forrest Tucker) in dem abgelegenen Tal auftaucht. Begleitet von dem Trapper Ed Shelley (Robert Brown), dem Fotographen Andrew McNee (Michael Brill) und dem Sherpa Kusang (Wolfe Morris) will sich Friend auf die Suche nach dem sagenumwobenen Yeti machen und versucht, den erfahrenen Bergsteiger Rollason als Begleiter für dieses Unternehmen zu gewinnen. Als Beweis für die Existenz des Fabelwesens legt er ein Reliquiar vor, das vor einiger Zeit aus dem Kloster gestohlen wurde und einen angeblichen Yerizahn enthält.
Während Rollason ein respektvolles Verhalten gegenüber den Mönchen an den Tag legt und eine freundschaftliche Beziehung zum Lama des Klosters (Arnold Marlé) unterhält, zeigen sich Friend und seine Begleiter gegenüber den "abergläubischen Eingeborenen" als die typisch arroganten Westler. Doch so sehr dem höflichen Biologen dieses Verhalten auch gegen den Strich geht, die Aussicht, möglicherweise die Wahrheit über den Yeti in Erfahrung bringen zu können, ist zu verführerisch für ihn. Obwohl ihm nicht nur der Lama, sondern auch seine Frau dringend davon abrät, schließt er sich deshalb Friends Expedition an.
Während die fünf Männer ins Hochgebirge aufsteigen, stellt sich schon sehr bald heraus, dass Friend nicht von wissenschaftlicher Neugier, sondern von der Gier nach Geld und Ruhm angetrieben wird. Sein Ziel ist es, einen Yeti zu fangen und der staunenden Weltöffentlichkeit zu präsentieren. Und wenn kein lebender zu kriegen ist, tut es für den Anfang auch ein toter. Der Konflikt zwischen dem Amerikaner und Rollason, den dieses Vorhaben empört und abstößt, spitzt sich immer weiter zu, als McNee versehentlich in eine von Shelleys Bärenfallen tritt und sich dabei schwer verletzt. Die Fünf sind gezwungen, ein Lager in der eisigen Wildnis aufzuschlagen. Derweil startet Helen zusammen mit dem eher zögerlichen Fox eine Rettungsexpedition, da sie davon überzeugt ist, dass ihr Mann in unmitelbarer Lebensgefahr schwebt.
Eine Furcht, die sich als durchaus begründet erweist, denn kurz darauf tauchen in der Nähe des Lagers von Friend & Co. tatsächlich die Yetis auf. Zwar gelingt es Friend und Shelley einen von ihnen zu töten, doch die Expedition ist dennoch dem Untergang geweiht. Einer nach dem anderen verfallen die Männer dem Wahnsinn oder kommen auf anderem Weg zu Tode, bis nur noch Rollason übrig ist. In der Höhle, in die er sich zurückgezogen hat und wo sich auch der Yetileichnam befindet, treten ihm die Schneemenschen schließlich direkt gegenüber. Doch es zeigt sich, dass sie keine wilden, rachedurstigen Ungeheuer sind. Vielmehr erweisen sie sich als weise, telepathisch begabte Kreaturen, die sich vor den Menschen in die Einsamkeit des Himalaya zurückgezogen haben, um dort abzuwarten, bis diese sich selbst vernichtet haben, woraufhin sie die Erde neu bevölkern werden.

Was The Abominable Snowman von Beginn an auszeichnet ist eine intensive, fremdartige, leicht gespenstische Atmosphäre. Eine sehr wichtige Rolle spielt dabei die Musik, komponiert von  Humphrey Searle, einem der bedeutendsten Pioniere der Seriellen Musik in Großbritannien. Der geschickte Einsatz von Gongs weckt nicht nur Assoziationen zu buddhistischer Klostermusik**, sondern evoziert auch eine leicht bedrohliche Stimmung. Daneben finden sich immer wieder {vermutlich authentische} Passagen tibetischen Mönchsgesangs in der markanten Unterton-Technik (Kehlgesang), und zumindest in bildlicher Form tauchen mehr als einmal die Instrumente eines traditionellen tibetisch-buddhistischen "Orchesters" auf. Das aufwändige Set der Klosteranlage folgt dem architektonischen Vorbild der realen Klosterburgen (dzongs) der Region,*** und die Maskentänze der Mönche sind zwar sicher keine authentischen chams**** – wie wir sie z.B. in Wsewolod Pudowkins Sturm über Asien (1928) zu sehen bekommen –, orientieren sich aber zumindest in der Kostümierung an den echten buddhistischen Tanzmysterien. Die Zahnreliquie ist gleichfalls keine bloße fantasievolle Erfindung Kneales, sondern dürfte mit ziemlicher Sicherheit den realen Yeti-Reliquien des tibetischen Buddhismus nachempfunden sein, von denen die Daily Mail - Expedition wenigstens eine genauer untersucht hatte – einen "Yeti-Skalp" aus dem nepalesischen Kloster Pangboche.
Natürlich ist dieses ganze Szenario nicht frei von Exotismus. Insbesondere bei jedem Auftritt des weisen alten Lamas durchweht ein deutlicher Hauch von Lost Horizon den Film.***** Dennoch bleibt festzuhalten, dass The Abominable Snowman für einen B-Movie seiner Zeit ein erstaunlich hohes Maß an Respekt für die Kultur der Himalayavölker an den Tag legt. Zumindest einige der an seiner Produktion beteiligten Leute waren offenbar wirklich daran interessiert, ein relativ authentisches Bild zu zeichnen und nicht bloß negative oder positive Klischees wiederzukäuen. Weder sind die "Eingeborenen" samt und sonders ätherische Heilige, noch primitive Wilde.

Im Ganzen betrachtet hinterlässt der Film dennoch einen zwiespältigen Eindruck.
Als bitterer Kommentar zum westlich-kolonialistischen Ideal des "Entdeckers & Eroberers" ist er so intelligent, wie man das von Nigel Kneale erwarten würde. Und dabei verzichtet er in erfreulichem Maße auf eine gar zu extreme Schwarzweißmalerei. Tom Friend ist ein rücksichtsloser Typ, dem es im Grunde nur um Ruhm und Profit geht. Doch deshalb ist er noch lange kein herzloses Ungeheuer. Er besitzt sehr wohl seine besseren, menschlicheren Seiten, nur werden diese von seinem egoistischen Verlangen immer wieder in den Hintergrund gedrängt. Ed Shelley und Andrew McNee sind einfach ganz normale, fehlbare Menschen. Und mit dem sanften Biologen Rollason besitzen wir schließlich auch noch den Vertreter eines wirklich edlen Forschertums, der beweist, dass das Verlangen nach Wissen nicht notwendigerweise Hand in Hand gehen muss mit Eroberertum und Profitgier.
Die mit Abstand beeindruckendsten Szenen des Filmes spielen in der eisigen, schneebedeckten Landschaft des Hochgebirges. Sie vermitteln zugleich den Eindruck einer unendlich weiten, menschenleeren Einöde und besitzen doch immer wieder eine geradezu klaustrophobische Qualität. Und wenn dann auch noch die unirdischen Schreie der Yetis aus der Ferne herüberschallen, verwandelt sich die Szenerie endgültig in eine phantastische Welt, in der der Mensch ein Eindringling ist, der hier nichts verloren hat.
Problematisch ist vor allem die finale Wende. Die Idee, den Yeti nicht als affenartiges Ungeheuer darzustellen, sondern eine vernunftbegabte Kreatur aus ihm zu machen, ist für sich genommen faszinierend und ein origineller Verstoß gegen die ungeschriebenen Gesetze des B-Movies der 50er Jahre. Monster, denen wir Sympathie oder Mitgefühl entgegenbringen können, gab es zwar auch andernorts, so etwa in Jack Arnolds Creature from the Black Lagoon (1954) {vom alten King Kong mal ganz zu schweigen}, aber Kneales Yetis sind keine bloß bemitleidenswerten Halbtiere, sondern hoch intelligente, dem Menschen moralisch weit überlegene Wesen.
Doch genau an diesem Punkt stellen sich dann auch die Schwierigkeiten ein. Sollen wir als Botschaft wirklich mit nach Hause nehmen, dass wir Menschen als Spezies zur Selbstvernichtung verurteilt sind? Sind wir wirklich zu dumm, egoistisch und gewalttätig, als dass wir zu einer friedlichen Kontaktaufnahme mit anderen intelligenten Lebewesen fähig wären? Hat uns Kneale mit seinem Film nicht gerade eben gezeigt, dass es neben dem brutalen Typus Tom Friend auch die sanften und selbstlosen Typen John und Helen Rollason gibt? Kurz gesagt: Die Geschichte von The Abominable Snowman ist intelligenter und nuancierter als das Resümee, das uns am Ende präsentiert wird. In diesem zeigt sich erstmals jener düstere Pessimismus, dem wir in Nigel Kneales Werk später immer häufiger begegnen werden und der schließlich in der vierten Quatermass-Serie aus dem Jahre 1979 seinen Höhepunkt erreichen wird. Auch auf der nächsten Station unserer Tour – Quatermass and the Pit – werden wir uns mit ihr auseinandersetzen müssen.

PS: Anders als sonst habe ich den Trailer zu The Abominable Snowman nicht an den Anfang des Artikels gestellt, da er nicht geeignet ist, auch nur einen vagen Eindruck von dem Film zu vermitteln. Wenn ich ihn trotzdem hier nachliefere, dann weil er ein hübsches Beispiel für Hammers reißerische Werbemethoden abgibt. Außerdem hört man wenigstens ein Stückchen von Humphrey Searles Titelmusik. Das "of the Himalayas" wurde übrigens für den amerikanischen Markt hinzugefügt – damit nur ja keine Missverständnisse aufkommen konnten:




* Das X stand im britischen Film der Zeit für einen eher "erwachsenen" Inhalt und wurde von Hammer deshalb ausgiebigst zu Reklamezwecken genutzt.
** Besser gesagt, zu dem, was wir uns spontan unter einer solchen vorstellen würden. Echte tibetische Tempelmusik klingt denn doch sehr anders.
*** Wen's interessiert, der findet hier einen ausführlichen Artikel von Ingun Bruskeland Amundsen über tibetische und bhutanesische dzongs aus Vol 5 des Journal of Bhutan Studies.
**** Vgl.: Joseph Houseal: The Vanishing Dances of Ladakh /// Thomas Murray: Demons & Deities: Masks of the Himalayas.
***** Ein Tip für alle, die sich etwas näher für Frank Capras Shangri-la - Klassiker von 1937 interessieren: Das Drehbuch von Robert Riskin kann man sich hier durchlesen.

Mittwoch, 3. Juli 2013

Der Teaser Trailer, auf den wir alle gewartet haben

Wer wird auch nur einen einzigen weiteren Gedanken an Zack Snyders Man of Steel verschwenden, nachdem er diesen phänomenalen Teaser Trailer für RedLetterMedias SPACE COP gesehen hat?!


Quatermass und die Ängste der Nachkriegsgesellschaft (II)

Die Nigel Kneale Tour #2(b): Quatermass II (1955)

Das Quatermass Xperiment war Hammers erster richtig großer Hit und legte das Fundament dafür, dass aus Anthony Hinds' und James Carreras Firma schließlich die legendäre Brit-Horror-Schmiede wurde, die wir heute kennen und lieben.
Ungefähr zur selben Zeit strahlte die BBC Quatermass II aus, Nigel Kneales letzte Arbeit als festangestellter Autor für den Sender. Als Hauptdarsteller sprang John Robinson für den kurz zuvor verstorbenen Reginald Tate ein. Produktion und Regie lagen einmal mehr in den Händen von Rudolph Cartier, und Kneales Mitarbeit auf dem Set war damit ähnlich intensiv wie bei den früheren Kooperationen der beiden:

I stayed with every rehearsal and every stage of the production. I worked very, very closely with Rudi Cartier - we were very close friends, and every detail was hammered out. I think that was an advantage we had that people rarely have nowadays in television. Today you deliver the script, there's a long gap - maybe a year - before the thing goes into production. And it's overmanned. There is a heavy load of people we didn't have: the producer in those days was the director. He was responsible for everything. Today you have an overseeing producer which means that the director has lost some of his authority. You have a script editor intervening, very often a person who's never written anything and is there to interfere and adds very little to the quality of anything you may see on screen. But where you had a small, compact, very concentrated team you got, I think, an additional layer of quality. There was no loss of concentration, which I think you see now too often as a kind of divergence into surface effect, particularly from directors who have spent too much time making commercials. We didn't have them in the early Fifties - thank God.
Jede der sechs Episoden von Quatermass II beginnt mit den famosen Klängen von Mars, the Bringer of War aus Gustav Holsts fantastischer Suite The Planets, womit sofort eine Atmosphäre von unterirdischer Bedrohung geschaffen wird:


Der Professor und sein Team (u.a. Dr. Leo Pugh [Hugh Griffith] und Quatermass' Tochter Paula [Monica Grey]) arbeiten an einem neuen Typ atomgetriebener Raketen, als es bei einem Teststart in Australien zu einer verheerenden Katastrophe kommt. Ungeführ zur gleichen Zeit ortet eine Radarstation unter dem Kommando von Paulas Verlobtem Cpt. Johnny Dillon (John Stone) den Absturz eines mysteriösen, scheinbar hohlen Meteoriten im ländlichen England. In der Nähe der Absturzstelle entdeckt Quatermass eine riesige Fabrik in einem militärischen Sperrbezirk. Die dazugehörige Arbeitersiedlung ist wie ein totalitäres Staatswesen organisiert. Außerdem stellt sich heraus, dass Dillons Meteorit kein Einzelfall gewesen ist. Hunderte oder Tausende dieser Objekte müssen in der Umgebung bereits niedergegangen sein. Als sich der Professor mit der Bitte um Informationen über das geheime Projekt an die entsprechenden Regierungsstellen wendet, stößt er auf eine Mauer des Schweigens und zombiehafte Bürokraten. Doch mit Hilfe eines Freundes aus dem Ministerium gelingt es ihm schließlich dennoch, die Fabrik in Augenschein zu nehmen. Diese entpuppt sich als Brückenkopf einer Invasion außerirdischer Kreaturen, die die Gedanken der Menschen kontrollieren können, und für ihre Hauptstreitmacht dort nun die ihnen genehme Atmosphäre produzieren.

Quatermass II ist ein relativ frühes Beispiel für das Motiv der außerirdischen Infiltration im SciFi-Film. Ähnliches hatte man zwar bereits ansatzweise in William Cameron Menzies' Invaders from Mars (1953) gesehen, aber Don Siegels Klassiker Invasion of the Body Snatchers würde erst ein Jahr später (1956) in die Kinos kommen.
Im Allgemeinen werden Filme dieser Art oft als Widerspiegelungen der antikommunistischen Hysterie des Kalten Krieges gedeutet. Eine These, die sehr viel für sich hat, in Bezug auf die intelligentesten Vertreter des "Subgenres" meiner Ansicht nach aber nur eine partielle Erklärung bietet.
Tatsächlich herrschte zur Zeit, als Quatermass II gedreht wurde, eine heftige Paranoia um "rote" Spione in Großbritannien. Die Panik um den  "inneren Feind" ("enemy within") war bereits kurz nach dem Krieg von Labour-Premier Atlee angeheizt worden, und auch in der britischen Science Fiction jener Zeit ist ein antikommunistischer Unterton oft nicht zu überhören. So etwa in John Wyndhams The Day of the Triffids (1951). Der Prozess um den Atomphysiker Klaus Fuchs (1950), der während des Weltkriegs Informationen an die verbündete Sowjetunion weitergegeben hatte, wurde noch übertroffen von der Affäre um Donald D. Maclean und Guy Burgess. Die beiden gehörten zum Ring der "Cambridge-Spione" und flohen 1951 in die UdSSR. Ihr Fall erschütterte die Öffentlichkeit besonders stark. Denn während Fuchs ein linker Immigrant gewesen war, handelte es sich bei ihnen um geradezu archetypische Sprösslinge des britischen Establishments.*
Nigel Kneale blieb nicht unberührt von dieser politischen Stimmung:

Although Kneale has dismissed the McCarthy witch-hunts against "subversives" in America as nonsense, he has said "the trouble was that in Britain we really had them and where it mattered" and that it was against this background of secrecy and treachery that he wrote about an even darker world with darker secrets
Aber es wäre falsch, wollte man Quatermass II auf das Thema der "kommunistischen Unterwanderung" reduzieren. Auch in dieser Hinsicht hat es Kim Newman ganz ausgezeichnet getroffen, wenn er die Serie als Großbritanniens Variante von Invasion of the Body Snatchers bezeichnet. Don Siegels berühmter Film ist ebenfalls nicht frei von Kalte Kriegs - Paranoia, doch lässt er sich darüberhinaus als eine Geschichte über Konformismus, gesellschaftliche Entfremdung und die unterschwelligen Ängste im Amerika der 50er Jahre verstehen. Ähnliches gilt für Nigel Kneales Werk. Schon die außerirdische Lebensform in The Quatermass Experiment hatte den von ihr befallenen Astronauten die Individualität geraubt und war damit als ein Symbol für die Entfremdung in der modernen großstädtischen Gesellschaft interpretierbar gewesen. In Quatermass II kommt noch die Bedrohung durch staatliche Bürokratie, Militär und Großindustrie hinzu.**
Nicht ohne Grund beginnt die erste Episode mit Bildern von einer atomaren Detonation. Wie der Autor später selbst einmal erklärt hat:

There was dread in the real world in the 1950s. The forces of annihilation were in the hands of fallible, panicking men, yet official propaganda was still jaunty

Wieder ist es nicht die Technik an sich, die als unmenschlich verdammt wird. Am Ende retten Quatermass und sein Team die Erde mit Hilfe der gleichen Rakete, deren Prototyp am Anfang explodiert ist. Entscheidend ist, wer diese Technik kontrolliert, und zu welchen Zwecken er sie einsetzt.
Die 50er Jahre erlebten nicht nur den Aufbau eines britischen Atomwaffenarsenals, sondern auch geheime B- und C-Waffen-Programme in Forschungseinrichtungen wie Porton Down, wo u.a. Menschenexperimente mit Nervengasen durchgeführt wurden. Entsprechende Gerüchte lieferten das Vorbild für die mysteriöse Fabrikanlage in Quatermass II. Um noch einmal Nigel Kneale zu zitieren:

Well, I think the idea was contemporary to the 'fifties. During that time government bodies were building early warning radar bases, germ warfare factories, mysterious isolated laboratories, all of which were hidden from the public in wild inaccessible places. Some of these fantastic institutions didn't even exist outside of the fertile imaginations of the journalists who wrote about them.

Dass er als Angestellter der BBC den "Official Secrets Act" hatte unterzeichnen müssen, hatte Kneales Sensibilität für die Geheimniskrämerei des Staates noch zusätzlich gesteigert.
Für eine Fernsehproduktion der Mittfünfziger war Quatermass II ein verdammt ehrgeiziges Projekt, insbesondere was die letzte Episode betrifft, in der der Professor sich mit seiner Rakete auf den Planetoiden der Außerirdischen schießen lässt. Dennoch blieben die tricktechnischen Möglichkeiten sehr begrenzt, was Nigel Kneale im Rückblick jedoch eher als einen Vorteil ansah:
I knew we had very little [technology] and that is why the Quatermass stories were written as they were, with very little dependence on special effects. The stories are told through the characters and the action and they are also earthbound. We didn't take off into space, except on one occasion at the end of  Quatermass II. The stories are very firmly on Earth, and depend completely on detailed character. Now that is one area where an awful lot of science-fiction stuff, so far as I've seen, collapses. It doesn't just weaken, it collapses, because there are very few coherent characters. Construction of the story is often rotten and is waiting to be saved by the special effects. If you haven't got a special effects team, you have to do something else - you've got to tell your story in a way that works largely without effects, and then the effects come in as a bonus. All too often nowadays, expensive films do depend on them and that's why we have this increasingly dry, hugely expensive stuff coming out of Hollywood. Dry in the real sense because the things are devoid of character.
Hierin steckt sicher viel wahres, doch bedeutet dies andererseits auch, dass die Serien in hohem Maße von der Qualität der beteiligten Schauspieler & Schauspielerinnen abhängig waren. Im Allgemeinen hat man in dieser Hinsicht wenig zu befürchten, doch bei Quatermass II hinterlässt jeder Auftritt von Monica Grey einen schalen Nachgeschmack. Die Ehefrau von BBC-Radiodrama-Chef Val Gielgud war dem Produktionsteam gegen deren Willen aufgezwungen worden, und man braucht nicht lange darüber nachzugrübeln, warum Kneale und Cartier lieber eine andere Darstellerin für den Part von Quatermass' Tochter gehabt hätten. Allerdings erscheint es mir fraglich, ob dadurch viel gewonnen worden wäre, denn überzeugende Frauenrollen zu schreiben, gehörte nicht unbedingt zu Nigel Kneales Stärken. Insbesondere die Quatermass-Serien sind in dieser Hinsicht keine Glanzstücke. Ein Problem, das wir im Zusammenhang mit Quatermass and the Pit etwas genauer unter die Lupe nehmen werden.

Die Charaktere sind es, die uns in die Geschichte hineinziehen. Ein Gutteil der Atmosphäre aber wird geschaffen durch das Gegeneinanderstellen von ländlicher und industrieller Szenerie. Inmitten der Felder und Hügel wirkt die riesige Fabrikanlage tatsächlich wie ein düsterer, bedrohlicher Fremdkörper und erinnert an den Ausspruch des alten Tolkien vom "Mordor mitten unter uns".*** Den eigentlichen Gegenpol zu dieser unmenschlichen Welt aus Stahl und Beton bildet interessanterweise nicht etwa Quatermass' Labor, obwohl dort die Strategie zum Kampf gegen die Aliens entwickelt wird, sondern der örtliche Pub. Er verkörpert menschliches Miteinander Freundschaft, Kollegialität, Familie  und ist zugleich das Herzstück einer "proletarischen" Gemeinschaft, die sich wie selbstverständlich im Gegensatz zu den "Zombies" aus Werkschutz und Betriebsleitung definiert. Von hier nimmt der offene Kampf gegen die Außerirdischen seinen Ausgang, und er trägt wohl nicht zufällig die Züge eines Arbeiteraufstands.
Nicht dass ich Quatermass II einen "sozialistischen" Inhalt andichten wollte. Aber im britischen Film, Fernsehen und Theater entwickelte sich nach dem 2. Weltkrieg eine starke "proletarische" Strömung, von der selbst heute noch Überreste – in den Werken von Mike Leigh oder Ken Loach etwa – zu finden sind.**** Und auch Nigel Kneale scheint nicht ganz unberührt von ihr gewesen zu sein. Warum sonst wohl hätte er einen Shop Steward – eine Art Betriebsrat also – zum Anführer einer bewaffneten Revolte gemacht?*****
Der Geist der Serie ist damit wenn schon nicht "revolutionär", so doch im besten Sinne "demokratisch". Den Mächten von Unterdrückung, Militarismus und Bürokratie steht eine Koalition aus wissenschaftlicher Vernunft und arbeitender Bevölkerung gegenüber. Und wo fänden wir heute noch etwas vergleichbares im phantastischen Film? 




* Anthony Blunt und Kim Philby wurden erst in den 60er Jahren enttarnt. Die Affäre um die "Cambridge-Spione" bildete die Grundlage für John le Carrés Klassiker Tinker Tailor Soldier Spy.
** "Quatermass II is the British Invasion of the Bodysnatchers, but I don't necessarily think that's a bad thing... What Quatermass II does is take that metaphor and apply it to the specific conditions of Britain in the 1950s; not just the Cold War paranoia, but the traditional British grumbling resentment of bureaucracy as represented by the council, or in this case big business". (K. Newman)
*** Tolkien nahm diese Charakterisierung des "modernen Lebens" übrigens in Reaktion auf die Nachricht vom ersten britischen Atombombentest auf den Monte Bello - Inseln vor. (Brief an Rayner Unwin [24. Oktober 1952]. In: J:R:R: Tolkien: Briefe. Nr.135. S. 220.)
**** Damit will ich nichts über die Qualität von Loachs Filmen gesagt haben, die ich vielmehr für äußerst durchwachsen halte.
***** Dass Kneale selbst die Aufstandsszene einmal mit der Ungarischen Revolution von 1956 verglichen hat, spricht nicht gegen eine solche Interpretation. Schließlich war diese {ganz wie der 17. Juni in der DDR} eine Bewegung der Arbeiterklasse, die sich zwar gegen die Tyrannei der stalinistischen Bürokratie richtete, jedoch keineswegs die Wiedereinführung des Kapitalismus zum Ziel hatte.