"Außerdem studierte er abstruse Bücher, die aus chaldäischen Bibliotheken
gestohlen worden waren, wenn Fafhrd auch aus langer Erfahrung wusste,
dass der Mausling selten über das Vorwort hinauskaum (obwohl er oft die
letzten Kapitel aufrollte und neugierig hineinschaute und beißende Kritik
äußerte)."

Fritz Leiber, Das Spiel des Adepten


Dienstag, 9. Dezember 2014

Expeditionen ins Reich der Eighties-Barbaren (III): "The Barbarians"

Fällt der Name Ruggero Deodato, so wird man vermutlich zuallererst an Cannibal Holocaust denken. Der extrem brutale und äußerst verstörende Film aus dem Jahr 1980 ist das mit Abstand bekannteste Werk des italienischen Regisseurs und vermutlich einer der berüchtigsten Horrorstreifen aller Zeiten. 
Erfährt man dann, dass der gute Mann auch einen Beitrag zum Barbaren-Zyklus der 80er Jahre geliefert hat, so wird man deshalb vielleicht erwarten, es mit einer blutigen Orgie voller abgeschlagener Köpfe und vergewaltigter Jungfrauen zu tun zu bekommen. Doch dem ist nicht so. Deodatos von Menahem Golans & Yoram Globus' legendärer amerikanischer B-Movie-Schmiede Cannon Films produzierter und 1987 in die Kinos gelangter Flick The Barbarians ist ... hmmm ... wie soll ich mich ausdrücken? ... *anders*:



In einem Interview mit Arte hat Deodato einmal erklärt.der Flick gehöre zu seinen Lieblingswerken, "weil es der Film ist, bei dessen Entstehung ich am meisten Spaß hatte". Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Sollte irgendeiner der Beteiligten die Arbeit an diesem Film wirklich ernstgenommen haben, wäre das auch ziemlich gruselig. Glücklicherweise spricht nichts für eine solch verwegene Annahme.

In einer rauen und phantastischen Vorzeit, als kriegerische Horden die Welt beherrschten, existierte ein Clan, der anders war als die wilden Stämme: Die Ragnicks, umherziehende Schausteller, von den Göttern beschenkt mit den Gaben von Musik und Poesie. Als deren Treck eines Tages von dem üblen Warlord Kadar (Richard Lynch) und seinen Kriegern überfallen wird, gelingt es Königin Canary (Virginia Bryant) zwar, ihren magischen Rubin – Unterpfand ihrer Herrschaft – vor dem Zugriff Kadars und der bösen Zauberin China (Sheeba Alahani) in Sicherheit zu bringen, sie selbst jedoch wird gefangen genommen. Um das Leben der Zwillingsbrüder Kutchek und Gore zu retten – zwei Waisenkinder, die zusammen mit dem Mädchen Kara von den Ragnicks in ihren Stamm aufgenommen wurden –, erklärt sie sich bereit, zu einer von Kadars Konkubinen zu werden. Jahre vergehen und Kutchek (Peter Paul) und Gore (David Paul) wachsen zu zwei mächtig muskelbepackten Männern heran. Als Gladiatoren ausgebildet sollen sie schließlich zum Kampf gegeneinander antreten, um sich dabei gegenseitig zu töten. Ein perfider Plan, der selbstverständlich nach hinten losgeht und stattdessen zur Flucht der beiden Brüder führt. Gemeinsam mit Kara (Eva LaRue), die inzwischen zu einer Art Glücksritterin herangewachsen ist, machen sich die barbarischen Zwillinge auf, den magischen Rubin der Ragnicks zu finden, Canary zu befreien und Kadar seiner gerechten Strafe zuzuführen. {Nebenbei bemerkt scheint außer unseren drei Protagonisten niemand sonst auch nur um einen Tag gealtert zu sein.}

Das Drehbuch zu diesem kuriosen Fantasy-Trash stammte aus der Feder von James R. Silke, der faszinierenderweise wenig später damit beginnen sollte, eine von Frank Frazettas berühmtem Gemälde Death Dealer inspirierte Reihe von Fantasyromanen zu schreiben. Sicher wäre es unfair, aus diesem Umstand irgendwelche Schlüsse hinsichtlich der literarischen Qualität besagter Bücher zu ziehen, aber man gerät doch ins Grübeln. Für die fürchterlichen Dialoge kann man ihn zwar nur bedingt verantwortlich machen, da der Streifen nachsynchronisiert wurde {viele der Darsteller & Darstellerinnen stammten aus Italien} und diese Arbeit Alberto Piferi oblag, doch auch der Plot selbst ist nicht bloß denkbar unoriginell, sondern in vielen Punkten wirr und hirnverbarnnt.

Dennoch will ich nicht leugnen, dass mir The Barbarians streckenweise sehr viel Spaß bereitet hat. Wieviel davon Absicht war, muss offen bleiben, doch auf mich hat der Flick wie eine Parodie auf die Gepflogenheiten des Genres gewirkt. 
Peter und David Paul wurden seinerzeit für eine Goldene Himbeere in der Kategorie "Worst New Stars" nominiert. Ich jedoch halte die Besetzung der Hauptrollen mit den beiden Bodybuildern nachgerade für einen {wohl eher unbewussten} Geniestreich. Niemand mit echten schauspielerischen Fähigkeiten hätte auf ähnlich grandiose Weise das grenzdebil wirkende Brüderpaar verkörpern können, das sich gern mal darüber streitet, wer das Schwert und wer die Streitaxt bekommt, und seinen Emotionen regelmäßig mit einem an röhrende Hirsche gemahnenden Gebrüll Ausdruck verleiht. Es fällt schwer, ihre Charaktere anders denn als bewusste Karrikaturen auf den durch Arnold Schwarzenegger geprägten Conan-Typ zu sehen.
Was den Rest der Darsteller & Darstellerinnen angeht, sei lediglich kurz erwähnt, dass Richard Lynch bereits fünf Jahre zuvor erste Fantasyfilm - Erfahrungen mit The Sword and the Sorcerer hatte sammeln können, und Sheeba Alahani in der Kategorie "böse Zauberkundige" eine Leistung abliefert, die beinah schon an die von Jeremy Irons in Dungeons & Dragons heranreicht. Ein Jammer, dass ihrer Schwarzmagierin China kein entsprechend pathetischer Tod gegönnt wird. Andererseits hätten wir dann auf die wundervoll absurde Szene verzichten müssen, in der einer der Barbarenbrüder ihre Leiche im Magen eines toten Drachen entdeckt.
Apropos Drache: Von allen Filmen, die Ruggero Deodato im Laufe seiner Karriere gedreht hat, besaß The Barbarians mit $4.000.000 offenbar das größte Budget. Das konnte freilich nicht verhindern, dass besagter Lindwurm zu einer der plumpesten Monsterpuppen wurde, die ich in letzter Zeit so gesehen habe. Was natürlich auch irgendwie seinen Charme hat. Und dass unsere Helden den Drachen mit der bewährten Sigurd-Methode {versteck dich in einer Grube und schlitze dem armen Ungeheuer von unten den Bauch auf} erledigen, fand ich denn doch sehr amüsant.

Viel mehr weiß ich zu diesem Flick eigentlich nicht zu sagen. Außer vielleicht noch, dass ich es etwas traurig finde, dass er sich scheinbar als mächtiger finanzieller Flop entpuppte. Haben die Leute denn überhaupt keinen Sinn für absurden Humor? Aber The Sorceress war ein echter Erfolg! Die Welt ist ja so unfair ...       

4 Kommentare:

  1. Ich kenne zwar nur einen der Deathdealer-Romane von Silke, aber zumindest bei dem ist dein grübeln berechtigt ... und wird bestimmt zum richtigen Ergebnis führen. ;)

    Die Sword & Sorcery hat nicht nur im Filmbereich ein paar ... äh ... eigentlich nur zum Fremdschämen geeignete Sachen hervorgebracht, oh nein. Es gibt da auch ein paar ziemlich schlimme Romane - u.a. zumindest einen (wobei ich mir nicht vorstellen kann, dass die anderen drei viel besser sind) von James Silke. Und nein, irgendwie auch nur ansatzweise (unfreiwillig) komisch ist der auch nicht.

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  2. Na ja, ich hatte ehrlich gesagt nichts anderes erwartet. Es hätte mich schon sehr überrascht, wenn sich Silke als begnadeter Sword & Sorcery - Autor entpuppt hätte.

    Aber hey, auf meinem Programm steht mit "Amazons" auch noch ein Film, für den Charles R. Saunders das Script geschrieben hat. Da bin ich denn doch mal gespannt.

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  3. Oho ... da bin ich aber auch mal gespannt.

    Was die S&S und ihre Autoren (und die deutlich weniger Autorinnen) angeht, habe ich ja eigentlich schon lange vor, im bp-Blog mal eine Serie zu bringen, in der ich ein bisschen auf dieses Subgenre, seine Ursprünge - oder, besser: seine Gründerväter, deren frühe Epigonen und den Boom der 60er und vor allem 70er Jahre eingehen will, doch bis jetzt existieren nur ein paar fragmentarische Ansätze auf meiner Festplatte. Einerseits kommt mir da immer wieder die leidige Zeit-Problematik in die Quere, andererseits habe ich aber auch nicht so richtig viel Lust, nochmal in die Abgründe schlechter Schreibe und klischeehaftester Figuren und Plots einzutauchen (denn manches von dem, was ich vor vielen Jahren gelesen habe, müsste ich halt zumindest nochmal anlesen), mal ganz davon abgesehen, dass mir auch noch ein paar Romane und v.a. Anthologien fehlen.

    Da mich das Thema aber schon seit langem umtreibt, wird's vielleicht doch irgendwann noch was ... wenn die Zeiten wieder besser werden.

    Bis dahin werde ich einfach mal schauen, was du noch so an filmischen Eighties-Barbaren ausgräbst; irgendwie ist es doch immer wieder nett zu lesen, dass ich nicht der Einzige bin, der seine Zeit mit so richtig trashigem Kram "vergeudet". ;)

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  4. Wäre auf jedenfall sehr schön, wenn du es irgendwann schaffen würdest, deinen Überblick über die Geschichte der Sword & Sorcery zu schreiben. Wenigstens einen interessierten Leser hättest du auf jedenfall schon mal. Mein Wissen ist da ja {wie so oft} leider eher fragmentarisch. Auch wenn ich sagen würde, dass mir das Subgenre mehr liegt als die tolkieneske High Fantasy. Aber ich kann nur zu gut verstehen, dass die Umsetzung solcher Pläne nicht so einfach ist. Hat ja seinen Grund, warum mein Blog mehr abgebrochene {bzw. auf unabsehbare Zeit eingemottete} als abgeschlossene Projekte enthält.

    Was den Trash angeht. Da gibt es schon eine Menge wirklich böser Kameraden {*ähem* The Dungeonmaster *ähem*}, aber im Großen und Ganzen finde ich es einfach schön, wenn man sowohl irgendwelche obskuren B-Movies als auch anerkannte cineastische Meisterwerke genießen kann.

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