"Außerdem studierte er abstruse Bücher, die aus chaldäischen Bibliotheken
gestohlen worden waren, wenn Fafhrd auch aus langer Erfahrung wusste,
dass der Mausling selten über das Vorwort hinauskaum (obwohl er oft die
letzten Kapitel aufrollte und neugierig hineinschaute und beißende Kritik
äußerte)."

Fritz Leiber, Das Spiel des Adepten


Montag, 24. März 2025

D&Ds Red Sonja

Im Juli 1980 erschien in Nr. 39 des Dragon ein Artikel von Kyle Gray mit dem Titel Points to ponder. In diesem beschäftigt sich die Verfasserin mit Kämpferinnen in D&D und den Problemen, die "MCDMs (Male Chauvinist Dungeon Masters)" deren Spielerinnen oftmals bereiten würden. Nach einem kurzen Abschnitt über Vorbilder aus Sage und Mythos -- von den Amazonen der Antike bis zu Brünhild und den Walküren -- wendet sie sich Kriegerinnen aus der Fantasyliteratur zu. Erfreulicherweise beginnt sie ihren kurzen Überblick mit C.L. Moore: "One of the earliest and the best of these is C. L. Moore’s Jirel of Joiry, the fierce woman fighter who has no problems competing with her male counterparts". Der größte Teil ist freilich Robert E. Howards schwertschwingenden Heldinnen gewidmet, Valeria und Belit aus den Conan-Stories sowie Dark Agnes, "his Sword-Woman, who could outfight and outdrink any man." Den prominentesten Platz nimmt allerdings wenig überraschend die vermutlich populärste Sword & Sorcery - Heldin der 70er Jahre ein:
Probably the most famous of Howard’s women warriors, thanks to Marvel Comics, is Red Sonja. Red Sonja of Rogantino, a red-haired warrior, appeared in the Howard story “Shadow of the Vulture,” which took place during the Crusades. Many years later Roy Thomas, writer of Marvel’s Conan the Barbarian, used this story as the basis for a Conan tale, and Red Sonja, warrior woman of Hyrkania, was born. During her career, Sonja has outsmarted and outfought Conan and many other men, and is undoubtedly the epitome of a female warrior. (1)
Kyle Gray konnte natürlich nicht ahnen, dass D&D-Spieler*innen sechs Jahre später die Gelegenheit erhalten würden, ganz offiziell in die Rolle von Red Sonja zu schlüpfen.
 
Wie es dazu kam? Lasst euch nieder und lauscht der Saga.
 
Red Sonja ist das zwar noch nicht, aber Bill Willinghams Illustration für Isle of Dread (1981) weist doch verdächtige Ähnlichkeiten mit ihr auf.

Kyle Gray schreibt in dem selben Artikel, "Heroic fantasy" sei "the main influence of Dungeons & Dragons". Und in der Tat war das Spiel in seinen Anfängen viel stärker von der Sword & Sorcery geprägt als etwa von Tolkien, trotz der Hobbits (Halblinge), Balrogs (Balors) und Ents (Treants). Gary Gygax beschrieb im März 1985 in einem Artikel für den Dragon die Geschichte seiner persönlichen Beziehung zur Fantasyliteratur wie folgt:
By the tender age of twelve, I was an avid fan of the "pulps" (magazines of those genres), and I ranged afield to assimilate whatever I could find which even vaguely related to these exciting yarns. [...] Somewhere I came across a story by Robert E. Howard, an early taste of the elixir of fantasy to which I rapidly became addicted. Even now I vividly recall my first perusal of Conan the Conqueror [Hour of the Dragon], Howard's only full-length novel. After I finished reading that piece of sword & sorcery literature for the first time, my concepts of adventure were never quite the same again.
Entsprechend wurden im Vorwort zur allerersten Ausgabe des Regelwerkes (1974) als Inspiration neben "Burroughs' Martian adventures" "Howard's Conan saga", "the de Camp and Pratt fantasies" und "Fritz Leiber's Fafhrd and the Gray Mouser" genannt, Tolkien hingegen nicht. (2) Und im bekannten Appendix N des Dungeon Masters Guide (1979) bekommt man zu lesen: "The most immediate influences upon AD&D were probably de Camp & Pratt, REH, Fritz Leiber, Jack Vance, HPL, and A. Merritt".
 
Erol Otus' grandioses Cover für Deities & Demigods (1979)
 
In den frühen Tagen pflegte TSR einen recht unbekümmerten Umgang mit "geistigem Eigentum" anderer. Was besonders ironisch wirkt, da das Unternehmen selbst sich sehr schnell den Ruf erwarb, alles und jeden wegen vermeintlicher Copyright-Verletzungen zu verklagen. Es ist darum wenig überraschend, dass die 1976 erschienene Spielhilfe Gods, Demi-Gods & Heroes von Robert Kuntz & James Ward neben Kapiteln über alle möglichen irdischen Pantheone und Mythologien auch eines über "Robert E. Howard's Hyborea" enthält. Dort bekommt man u.a. Spielwerte für Conan selbst geliefert -- wenn es einem denn gelingt, die entsprechende Passage in dem absurd unübersichtlichen Büchlein zu finden (sie beginnt auf S. 45). Warum der Cimmerier seinen Weg nicht auch in die 1979 veröffentlichte erste Auflage von Deities & Demigods gefunden hat, weiß ich leider nicht. Immerhin gibt es dort ja auch Kapitel über Moorcocks "Melnibonéan" und Leibers "Nehwon Mythos" (sowie Cthulhu & Co) Allerdings präsentierte Gygax persönlich ein Jahr später in der Aprilnummer 1980 des Dragon seine eigene Version der Spielwerte Conans. 
 
Schon 1976 hatte TSR Ärger mit Saul Zaentz' Tolkien Enterprises bekommen, die zu dieser Zeit die weltweiten Verfilmungs- und Merchandising-Rechte für Hobbit, Lord of the Rings und Silmarillion hielten. Stein des Anstoßes war das bereits in Produktion befindliche Brettspiel Battle of the Five Armies gewesen. Doch Gary Gygax zufolge gingen die Forderungen weit über das Einstampfen dieses Spiels hinaus:     
The action also demanded we remove balrog, dragon, dwarf, elf, ent, goblin, hobbit, orc, and warg from the D&D game. Although only balrog and warg were unique names we agreed to hobbit as well, kept the rest, of course.
Im Fall von Deities & Demigods hatte es zwar gewisse Bemühungen gegeben, sich im Vorfeld rechtlich abzusichern, doch war man dabei offenbar reichlich naiv vorgegangen. Wie der für die Produktion des Bandes verantwortliche Lawrence Schick einmal erzählt hat:
As the editor of the book, I can clear up a couple of points about the Melnibonean and Cthulhu Mythos clusterfrogs. I had, in fact, gotten permission directly from Michael Moorcock to use the Elric material in DDG, which was a naive, n00b mistake: I should have gone through his agent, as Chaosium did, when they made the arrangements for “Stormbringer.” When it comes to rights, agent > author.
Meanwhile, Gary had written to someone he knew at Arkham House (the name escapes me) for permission to use the Cthulhu Mythos. They said yes, largely because even then that mythos was an open-source setting, and they didn’t really have the right to say no. However, Chaosium felt they had acquired the exclusive right to do Lovecraft games, and were willing to fight for it. TSR was not, because they figured the book would sell with or without the squids.
Und so verschwanden die entsprechenden Kapitel (und leider auch die wunderbar grotesk-putzigen Illustrationen von Erol Otus) aus späteren Auflagen des Bandes.
 
Als wenige Jahre später John Milius' Conan the Barbarian in den amerikanischen Kinos auftauchte und zu einem Riesenerfolg wurde, dachte man sich bei TSR anscheinend, dass es dies auszunützen gelte und man diesmal auf Nummer Sicher gehen und eine offizielle Lizenz erwerben sollte. Erstes Resultat dessen war das Abenteuermodul Conan Unchained!, das 1984 mit Arnie auf dem Cover erschien und im Vorwort als "first of a series of Conan adventures" beschrieben wurde.

Gygax war nicht der einzige im frühen TSR-Team, der ein Faible für Pulp-Phantastik und Sword & Sorcery hatte. Man denke z.B. an Tom Moldvay und seine grandiose "Pulp-Trio" The Isle of Dread (1981), Castle Amber (1982) und The Lost City (1982). Das erste der drei Module hatte Moldvay zusammen mit David "Zeb" Cook geschrieben. Und der wiederum hat in einem Interview einmal erzählt:
I love pulp stories and grew up reading a lot of the classic pulp stuff. As a kid I read Conan, Solomon Kane, most al the Tarzan novels, Doc Savage, the Shadow, Vance, Lovecraft, etc. The Fafhrd and Gray Mouser stories by Leiber were among my favorites -- he created this really interesting world and characters that made great stories. Laumer, deCamp, Farmer, Zelazny, Lin Carter, Bloch were a few more.
Für mich am gelungsten spiegelt sich das in seinem Zweiteiler Master of the Desert Nomads (1983) und Temple of Death (1983) wider. 
 
Cooks eigenen Angaben zufolge war schon das Szenario von Dwellers of the Forbidden City (1981) stark von Robert E. Howards Red Nails inspiriert worden. Tatsächlich war er wohl ein besonders leidenschaftlicher Fan des Cimmeriers, und so macht es nur Sinn, dass ihm die Aufgabe übertragen wurde, auch das erste offizielle Conan-Abenteuer für AD&D zu schreiben. Dabei begnügte er sich nicht damit, die Handlung einfach im Hyborian Age anzusiedeln, er führte außerdem eine Reihe von Regeländerungen ein, die dem Spiel eine spezifisch "howard'sche" Atmosphäre verleihen sollten: Der "Fear Factor" sollte Conans instinktive Furcht vor und Abneigung gegen Zauberei und andere "widernatürliche" Kräfte simulieren, die "Luck Points" den Spieler*innen ermöglichen, heroische Taten "beyond the range of the AD&D rules" zu vollbringen. Zudem weist Cook darauf hin, dass Magie in dieser Welt selten und meist mit dunklen Mächten verbunden sei. Kleriker im üblichen Sinne (und damit Heilmagie!) gibt es praktisch überhaupt nicht.
 
Im Vorwort schreibt Cook, das Abenteuer bestehe aus drei Begegnungstypen -- "normal, random, and plot encounters". Es sind vor allem letztere, die seinen Charakter bestimmen:
Plot encounters form the parts of a story that the player characters act through. To continue the story from one encounter to another, the choices the characters have will be very limited. You must he careful to gently control plot encounters. You want the characters to do specific things, but you do not want to force them.
Conan Unchained! gehört also zu dem Typ Abenteuer, den man oft mit den Arbeiten von Tracy & Laura Hickman verbindet und dessen wohl berühmtester früher Vertreter -- die Dragonlance - Kampagne -- im selben Jahr 1984 an den Start ging. (3) Es geht hier nicht um das freie Erkunden von Wildnis und Dungeon, sondern um das "Nachspielen" einer Geschichte mit klar festgelegten Plotpoints. Dabei schlüpfen die Spieler*innen in die Rollen von Conan, Valeria und ihren aus den De Camp - Pastiches stammenden Gefährten Juma und Nestor. Die Handlung ist recht deutlich von The Devil in Iron inspiriert worden. Nachdem ein turanisches Heer, das gegen den abtrünnigen Lokalherrscher Kustafa marschiert und dem man sich als Söldner*innen angeschlossen hat, von schwarzer Magie dezimiert und zerschlagen wurde, landet man unter den Kozaki, den wilden Briganten der Steppe. Dort muss man sich eine Machtposition erkämpfen, um anschließend auf Antreiben der hübschen Amrastisi, Favoritin des Khans von Turan, auf eine Insel im Binnenmeer von Vilayet überzusetzen und den bösen Zauberer Bhir-Vedi zu bezwingen. Nicht unbedingt das originellste Szenario. Aber wenn man Lust darauf hat, einfach mal eine generische Conan-Story "nachzuspielen", und bereit ist, dabei dem vorgegebenen Handlungsweg zu folgen, ohne groß eigene Entscheidungsmöglichkeiten zu haben, ist Conan Unchained! vielleicht gar nicht einmal so übel. Vorausgesetzt Spielleitung und Spieler*innen gelingt es gemeinsam, die entsprechende Atmosphäre heraufzubeschwören.
 
Große Begeisterungsstürme scheint das Modul dennoch nicht ausgelöst zu haben, denn die vollmundig angekündigte Conan-Serie endete bereits im selben Jahr mit Conan Against Darkness! Diesmal sollte es richtig episch werden. Man spielt Conan als König von Aquilonia und bekommt es mit Thoth-amon zu tun, dem finsteren stygischen Zauberer, den L. Sprague de Camp (und ihm folgend Roy Thomas) zum Erzfeind des Cimmeriers aufgebaut hatten. Interessanterweise war David "Zeb" Cook an diesem Modul nicht mehr beteiligt. Als Hauptautor wird Ken Rolston angeführt. Möglich, dass Cook zu dieser Zeit bereits an dem separaten Conan RPG arbeitete, das TSR 1985 (und wohl leicht überhastet) auf den Markt bringen würde. Dem war zwar auch keine große Zukunft beschieden (nach drei Modulen war auch hier schluss), aber mit seinem Erscheinen schien es eigentlich erst recht keinen Grund mehr zu geben, weitere AD&D-Abenteuer im Hyborian Age zu veröffentlichen.
 
Was Red Sonja Unconquered zu einem noch größeren Kuriosum macht, als es das Modul ohnehin schon ist.

Clyde Caldwells Cover für Red Sonja Unconquered

Geschrieben wurde es von Anne Gray McCready. In Nr. 111 (Juli 1986) des Dragon frindet sich ein kurzer TSR Profiles - Artikel über sie. Der ist freilich eher humorig gehalten und so bin ich mir nicht ganz sicher, was man davon halten soll, dass er hauptsächlich aus wiederholten Beteuerungen McCreadys besteht, sie sei "basically a normal person, unlike all these other people [...] The rest of the staff is weird. I am normal. [...] Normal. Not one of the weirdos." Dass sie "hardly knew what the D&D game is about", als sie 1983 (oder '82?) bei TSR zu arbeiten begann, erscheint mir nicht unglaubwürdig, aber man darf wohl davon ausgehen, dass sie in der Folgezeit tiefer in die Fantasy-Nerd-Kultur eingestiegen war. Sie arbeitete als Lektorin (Editor) an einer ganzen Reihe von Modulen und Boxsets mit, u.a. auch an den beiden Conan - Abenteuern. Bei Conan Against Darkness! war sie offenbar sogar für die Storyentwicklung verantwortlich. Und so ist es vielleicht nicht ganz so überraschend, dass sie schließlich Red Sonja Unconquered schrieb.
 
Warum das Abenteuer überhaupt produziert wurde, ist eine andere Frage, die ich nicht wirklich zu beantworten vermag. Ein Jahr zuvor war der Red Sonja - Film mit Brigitte Nielsen (und Arnold Schwarzenegger) in die Kinos gekommen. Aber das Modul enthält (soweit ich erkennen kann) keinerlei Anspielungen auf den Streifen. Und anders als die Conan - Abenteuer wird sein Cover auch nicht von einem Szenenfoto geschmückt, sondern von einer Clyde Caldwell - Illustration, die sich klar an den Frank Thorne - Comics der 70er Jahre (oder den Boris Vallejo - Covern der Buchreihe) orientiert, d.h. Sonja im Chainmail Bikini darstellt. Dasselbe gilt für die Illustrationen im Inneren. Doch interessanterweise greift der Text nicht auf die ursprüngliche, von Roy Thomas und Clair/Clara Noto geschriebene Reihe zurück, sondern auf die sog. "3. Serie", die Marvel 1983 gestartet hatte und in der der "She-Devil" nicht länger diese ebenso ikonische wie unpraktische Rüstung trägt. Wie in den Conan - Modulen bekommen wir auch hier eine vorgefertigte Abenteurergruppe präsentiert, zu der neben Sonja mit Galon, Kynon und Achmal drei Figuren aus eben dieser Serie gehören. Und am Anfang des Moduls steht außerdem ein Zitat aus The Ring of Ikribu, dem ersten Red Sonja - Roman von David C. Smith & Richard L. Tierney, der 1981 erschienen war. Alles scheint in meinen Augen dafür zu sprechen, dass Anne Gray McCready relativ gut mit dem aktuellen Stand des Franchises vertraut war. 
 
Leider sagt das nicht automatisch auch etwas über die Qualität des Abenteuers aus. Der Anfang ist recht cool, denn wie in einer klassischen Sword & Sorcery - Story starten wir auch hier mitten in der Action. Die Spielleitung liest der Sonja - Spielerin folgenden kurzen Text vor:
Your blow flattens the sweaty mercenary against the crumbling wall. His bloodied chest heaves with each labored breath. Nearly dead, he reaches feebly to the sky to fend off your final blow. But you wait, and he falls back, crimson droplets trickling slowly from his wounds.
You stand silent, momentarily saddened by the waste of this well-muscled youth. But the shouts and screams of your companions quickly snap you back to attention. None of you are safe yet.  
   
Sonja und ihre Gefährten sind gerade dabei, einen Haufen marodierender Söldner zu erledigen, die ein kleines Dorf in den hyrkanischen Hügeln überfallen haben.
So weit, so nett, doch was folgt ist leider eine ziemlich einfallslose Geschichte über einen miesen Zauberer, der ein magisches Artefakt aus dem Grab seines verhassten Bruders bergen will, um so grenzenlose Macht zu erlangen. Den Spieler*innen bleibt dabei so gut wie keine Handlungsfreiheit. Sie werden genötigt, dem Magier erst bei seiner Suche zu helfen, um sich anschließend gegen ihn zu stellen und ihn zu bezwingen. Viel mehr gibt es über die Handlung eigentlich nicht zu sagen.
 
Bleibt die Frage, wie das Modul mit der Figur Red Sonja umgeht. So bin ich mir z.B. nicht ganz sicher, was ich davon halten soll, dass immer wieder betont wird, wie überrascht alle NPCs davon sind, einer Frau mit Schwert zu begegnen, die dann auch noch mit demselben umzugehen versteht. Ganz neckisch fand ich dagegen die Idee, dass die Gruppe zwischendurch nächtens von einem Succubus heimgesucht wird, der den Männern nach und nach die Lebensenergie absaugt, während Sonja ("natürlich") immun gegen diese Attacken ist. Für wirklich problematisch halte ich allerdings die Art, wie Sonjas berühmt-berüchtigter "Keuschheitseid" regeltechnisch verarbeitet wird. Ich zitiere die entsprechende Passage in ihrer Gänze:
The vow Sonja took is that she will love no man who cannot defeat her fairly in battle. This means she may not compromise herself in any way to further her goals. She may use her feminine wiles to a certain extent, but the power of her beauty is likely to overcome many men, so this approach could work against Sonja.
Make sure that the person playing Sonja understands this vow. If Sonja abuses her power over men during the adventure, she will lose some of her exceptional abilities for the rest of the adventure. It's up to you to decide if such a situation arises. If it does, Sonja's Strength falls to 8, her Dexterity to 11, and her Constitution to 7. She also loses 8 Luck Points and 35 hit points. She can be surprised on 1-3 on 1d6. 
Das ist nun wirklich cringy. Geht das Abenteuer also davon aus, dass die Spielerin der Figur beinah automatisch versuchen werde, ihre "feminine wiles" einzusetzen, statt rechts und links Köpfe abzuschlagen, wie es Sonjas Gewohnheit ist? Und wie haben wir das zu verstehen, dass stets die Gefahr bestehe, dass Männer von der "Macht ihrer Schönheit" "überwältigt" würden? Die Implikationen sind gruselig und unangenehm. Dass Sonja in einem solchen Fall dann zu (regeltechnischer) Schwäche und Hilflosigkeit verdammt wird, spricht außerdem dafür, dass wir es hier mit einer Interpretation der Figur zu tun haben, derzufolge Sonjas überragende Fähigkeiten nicht ihr eigener Verdienst, sondern Folge eines "göttlichen Segens" sind.
 
Zugegeben, in den Comics und Büchern dieser (und der vorangegangenen) Ära ließe sich so manches finden, womit man diese Herangehensweise an die Figur rechtfertigen könnte. Aber eben auch schon so einiges, was in eine andere Richtung weist. Und es ist schade, dass Anne Gray McCready sich ausgerechnet hierfür entschieden hat. Alles in allem ist Red Sonja Unconquered nur als ein Kuriosum aus der Geschichte des "She-Devils" von Interesse. Und vermutlich nicht einmal ein gutes Beispiel für die Art von Kriegerin in D&D, für die Kyle Gray sechs Jahre zuvor eine Lanze gebrochen hatte.     





(1) So ungern ich auch den Besserwisser gebe, muss ich doch anmerken, dass Shadow of the Vulture nicht während der Kreuzzüge, sonden während der Belagerung Wiens durch das Heer des Osmanen- Sultans Süleyman I. im Jahre 1529 spielt.
 
(2) Im selben Jahr erschien ein Artikel von Gygax in dem Wargaming-Fanzine La Vivandière mit dem Titel Fantasy Wargaming and the Influence of J.R.R. Tolkien, in dem neben Robert E. Howard "Poul Anderson, L. Sprague de Camp and Fletcher Pratt, Fritz Leiber, H.P. Lovecraft, A. Merritt, Michael Moorcock, Jack Vance, and Roger Zelazny" als Inspirationsquellen für Chainmail und das ursprüngliche D&D genannt werden und es u.a. heißt: "Tolkien includes a number of heroic figures, but they are not of the "Conan" stamp. They are not larger-than-life swashbucklers who fear neither monster nor magic. [...] Would a participant in a fantasy game more readily identify with Bard of Dale? Aragorn? Frodo Baggins? or would he rather relate to Conan, Fafhrd, the Grey Mouser, or Elric of Melnibone? The answer seems all too obvious."
 
(3) Ich verweise an dieser Stelle auf den ausführlichen Artikel, den ich vor zwei Jahren im Rahmen meines alljährlichen "Klassiker-Rereads" mit Alessandra Reß zu diesem Thema geschrieben habe.

Montag, 17. März 2025

Die ersten Abenteuer von Dilvish the Damned

For if Zelazny keeps coming up with heroic fantasy as sinewy as "The Bells of Shoredan," then Conan the Conqueror, Fafhrd and the Gray Mouser, and Cugel the Clever had better make room for one more - Dilvish the Deliverer, called the Damned.
So konnte man auf den Seiten der Märzausgabe 1966 von Fantastic in den einleitenden Bemerkungen zu Roger Zelaznys dritter Kurzgeschichte um Dilvish the Damned lesen. Interessant ist, dass dabei zugleich eine Art Pantheon der "ikonischen"  Sword & Sorcery - Helden etabliert wurde. Noch interessanter vielleicht, dass zu den dort versammelten Heroen neben den zu erwartenden -- Conan, Fafhrd und dem Gray Mouser -- auch Cugel the Clever gezählt wird. Dabei waren zu diesem Zeitpunkt überhaupt erst zwei der fünf Stories um den Spitzbuben erschienen, aus denen Jack Vance dann seinen zweiten Dying Earth - Roman The Eyes of the Overworld basteln würde. Und das nicht etwa in Fantastic, sondern bei der Konkurrenz, im Magazine of Fantasy and Science Fiction. Also entweder waren The Overworld (Dezember 1965) und The Mountains of Magnatz (Februar 1966) echt wie eine Granate im Fandom eingeschlagen oder Vance hatte einen besonders großen Bewunderer in der Redaktion von Fantastic. Doch wie auch immer es sich damit verhalten haben mag, in gewisser Hinsicht war es durchaus angebracht, Jack Vance's Dying Earth mit ins Spiel zu bringen, wenn es um Dilvish the Damned ging. Denn Zelaznys Geschichten um den aus der Hölle zurückgekehrten Krieger mit Elfenblut in den Adern gehören meines Erachtens zu einer ähnlichen Spielart der Sword & Sorcery, die sich deutlich von der durch Howard und Leiber vertretenen unterscheidet. 
 
Doch bevor wir uns den Details zuwenden, wollen wir erst einmal einen kleinen Sprung zehn Jahre weiter zurück in die Vergangenheit machen. 
 
Um die Mitte der 50er Jahres schien die Sword & Sorcery nämlich ein weitgehend totes Genre zu sein. Nach The Seven Black Priests (1953) hatte Fritz Leiber aufgehört, weitere Geschichten über die Abenteuer von Fafhrd und dem Gray Mouser zu schreiben. Ungefähr um die selbe Zeit war auch L. Sprague de Camps Pusadian - Zyklus zu einem (vorläufigen) Ende gekommen. Roboter und Raumschiffe standen in der Lesergunst der Zeit offenbar deutlich höher als schwertschwingende Helden und Halunken.
 
Das sollte sich ändern, als Cele Goldsmith (später Lalli) 1958 die Leitung der Magazine Amazing und Fantastic übernahm. Eine ihrer ersten Großtaten bestand darin, für November 1959 eine ausschließlich Fritz Leiber gewidmete Ausgabe von Fantastic zusammenzustellen. So etwas war ein Novum für ein SF&F-Magazin. Goldsmith muss Leiber also wirklich sehr geschätzt haben. Und es gelang ihr, ihn davon zu überzeugen, für diesen Anlass eine neue Fafhrd & The Gray Mouser - Story zu schreiben. Was dabei herauskam, war einer meiner persönlichen Favoriten: Lean Times in Lankhmar. Der Bann war gebrochen und über die nächsten fünf Jahre erschienen sieben weitere neue Geschichten um das legendäre Halunkenpaar auf den Seiten von Fantastic, wobei ihnen beinahe immer die Ehre zuteil wurde, auch das Motiv für die jeweilige Cover-Illustration zu liefern. (1) 
Wie Michael Moorcock 1995 in seinem Vorwort zum ersten Band der White Wolf - Ausgabe von Fafhrd & The Gray Mouser geschrieben hat, war Goldsmith ein nicht unbedeutendes Risiko eingegangen, als sie begonnen hatte, diese Stories zu veröffentlichen:
In those days the kind of supernatural romance which dominates today’s best-seller lists had virtually no commercial market. Leiber had done no better with his first Gray Mouser book [Two Sought Adventure] than I had done with my first Elric book [The Stealer of Souls?]. Not only publishers scoffed at the notion of mass-market editions of these books, we authors scoffed equally. We knew there were only about twenty of us -- readers and writers -- spread thin across Britain and America… So Cele Goldsmith, when she commissioned Fritz Leiber to write a new series of Fafhrd and the Gray Mouser stories for Fantastic, was taking a big gamble with her circulation figures.
Doch damit nicht genug. Unter ihrer Ägide begannen in den folgenden Jahren auch Sword & Sorcery - Geschichten aus der Feder anderer Autoren in Fantastic zu erscheinen. So brachte sie ab Mai 1963 (Devils in the Wall) die ersten Abenteuer von John Jakes' Brak the Barbarian raus. Und ein Jahr später präsentierte sie dem amerikanischen Lesepublikum mit Master of Chaos erstmals eine Geschichte aus Moorcocks Elric-Universum. Ironischerweise handelte es sich dabei allerdings nicht um eine Elric-Story, sondern um eine Erzählung aus der fernen Vergangenheit der Jungen Königreiche, deren Held Herzog Aubec von Malador ist, dessen legendäres Schwert Elric später führen wird, bevor er Stormbringer erringt. Vor allem aber bereitete sie die Bühne, auf die Roger Zelaznys Dilvish the Damned im Februar 1965 mit Passage to Dilfar treten konnte.
 
Cele Goldsmith auf der WorldCon 1962 (hinter ihr Fritz Leiber). Quelle.

Es mag von Vorteil gewesen sein, dass Cele Goldsmith keine Vergangenheit im Fandom gehabt hatte, als sie die Redaktion der beiden Magazine übernahm. Die dort herrschenden Dogmen und kalzifizierten Vorstellungen darüber, was "echte" Science Fiction ausmache, waren ihr gleichgültig, vielleicht sogar unbekannt. Sie veröffentlichte, was sie persönlich ansprach. Wie offen ihr Blick dabei war, zeigte sich u.a. darin, dass sie von Anfang an auch über nationale Grenzen hinausschaute. So erschien im Mai 1958 eine Übersetzung von Arkadi & Boris Strugazkis Спонтанный рефлекс unter dem Titel Initiative in Amazing. Die erste russisch-sowjetische Phantastikerzählung aus der Zeit nach dem 2. Weltkrieg, die ihren Weg in ein amerikanisches SF&F-Magazin gefunden hatte. Später machte sie ihre Leserschaft u.a. mit J.G. Ballard bekannt. Außerdem verhalf sie einer ganzen Reihe von Autor*innen zu ihrem Debüt, die schon bald in die Riege der ganz Großen des Genres aufsteigen sollten, u.a. Thomas Disch, Phyllis Gotlieb, Ursula K. Le Guin und eben Roger Zelazny. 
Le Guin charakterisierte Goldsmith in ihrem 1973 erschienenen Essay A Citizen of Mondath als "the kindly and outrageous editor of Amazing and Fantastic". (2) Damit umschrieb sie sehr treffend zwei der Eigenschaften, die Goldsmith zu einer so bedeutenden Herausgeberin machten. Neben ihrer offenen und unvoreingenommenen Herangehensweise an das Genre war es ihre ehrlich interessierte und freundschaftliche (dabei aber nie kritiklose) Zusammenarbeit mit den Autor*innen. Viel bezahlen konnte sie ihnen zwar nicht, aber gerade die Neueinsteiger*innen erinnerten sich ihrer stets mit viel Wärme und Dankbarkeit. So erklärte z.B. Thomas Disch Jahrzehnte später: "She was the most faithful editor, and it was her taste that steered me in the direction(s) I would take in my first years, both by what she accepted and by what she rejected". (3) Und Zelazny schrieb ihr 1965 in einem Brief: 
You were what encouraged my writing during that first, difficult year when I began to sell. If I had not been able to market some of those early stories, I probably would never have had the confidence to try some of the later, more complicated ones. Most of anything I have learned was stimulated by those first sales; and then I learned, and possibly even learned more, from some of the later rejections. (4)
Die herausragende Rolle, die Cele Goldsmith dabei gespielt hat, den Boden für die Renaissance der Sword & Sorcery in den späten 60er Jahren zu bereiten, wird leider immer noch viel zu oft mit Schweigen übergangen. So wird sie z.B. kein einziges Mal in Brian Murphys Flame and Crimson: A History of Sword-and-Sorcery erwähnt. (5) 
 
In Nr. 1 des New Edge Sword & Sorcery Magazines findet sich ein Essay von Cora Buhlert über Cele Goldsmith Lalli - Midwife to the Second Sword & Sorcery Boom, aber auf den habe ich momentan leider keinen Zugriff, nur auf ihren älteren Beitrag aus Galactic Journey. Coras Wissen über die Entwicklung des Genres ist zweifelsohne sehr viel umfassender als das meinige, und was sie über Cele Goldsmith zu sagen hat, deshalb auch sicher sehr viel fundierter. Doch wenn ich mir den Beitrag der Herausgeberin zur Sword & Sorcery anschaue, dann fällt mir vor allem eines auf: Zwar verschaffte sie mit John Jakes' Brak einem der ersten jener Clonans eine Bühne, für die das Genre in den 70er Jahren berüchtigt werden sollte. Doch präsentierte sie ihrer Leserschaft zugleich in Gestalt von Dilvish den Vertreter einer Sword & Sorcery, die ganz ohne muskelbepackte Barbaren auskommt und auch sprachlich-stilistisch völlig anders geartet ist. Noch vor dem großen S&S-Boom, der 1967/68 einsetzen sollte, erhielt das Genre so dank ihrer die Gelegenheit, seine Vielgestaltigkeit unter Beweis zu stellen. (6)
 
Gray Morrows Cover für die Juniausgabe 1965 von "Fantastic"

Ursprünglich hatte Roger Zelazny nicht beabsichtigt, nach Passage to Dilfar noch weitere Geschichten über Dilvish the Damned zu schreiben. Doch Cele Goldsmith war sofort der Ansicht, "[it] begs for a series". Und offenbar brauchte es nicht viel Überredungskunst, den Autor von der Richtigkeit dessen zu überzeugen. Noch im selben Jahr 1965 erklärte Zelazny in einem Brief, dass er nunmehr einen ganzen Dilvish-Zyklus zu schreiben plane, "to culminate in a possible novel, Nine Black Doves". (7)
Doch dieses Projekt zerschlug sich schnell, nachdem Fantastic und Amazing an Sol Cohen verkauft worden waren und Goldsmith nicht länger Heraugeberin der beiden Magazine war. Zelazny brachte die vierte Dilvish-Story A Knight for Merytha zwar anscheinend 1967 noch in irgendeinem Fanzine unter, aber danach verschwand sein S&S-Held erst einmal für über zehn Jahre von der Bildfläche.
 
Ich möchte mich heute auf diese vier ersten Kurzgeschichten beschränken, zumal sie anders als der Rest des Zyklus erzählerisch aufeinander aufbauen und eine Art Einheit bilden. Was ich über sie zu sagen habe, lässt sich nicht immer auch auf die späteren Stories oder den Roman The Changing Land übertragen.
When Dilvish the Damned came down from Portaroy they tried to stop him at Qaran, and again at Tugado, then again at Maestar, Mycar, and Bildesh. Five horsemen had waited for him along the route to Dilfar; and when one flagged, a new rider with a fresh horse would replace him. But none could keep the pace of Black, the horse out of steel, for whom it was said the Colonel of the East had bartered a part of his soul.
So beginnt die im Februar 1965 veröffentlichte Kurzgeschichte Passage to Dilfar. Und dieser Absatz vermittelt bereits einen recht guten Eindruck davon, in welchem Stil die frühen Dilvish-Geschichten gehalten sind. Zelazny versucht das Gefühl zu evozieren, man lausche dem Vortrag einer mythischen Erzählung aus uralter Zeit. 
Das zeigt sich auch im Aufbau der Geschichte. Dilvishs Ritt von Portaroy nach Dilfar bildet eine Kette von "Herausforderungen", die nacheinander überwunden werden müssen, und die zum einen aus vier "Barrieren" (die mysteriösen "stars of death"; ein versperrter Pass; der Fluss Kethe; herabstürzende Baumstämme), zum anderen aus den fünf Verfolgern bestehen, welche alle namenlos bleiben und nur durch die Fellfarbe ihrer Pferde charakterisiert werden. Dilvishs Erfolg verdankt sich in erster Linie seinem stählernen (und sprechenden) Ross Black, das nie ermüdet und zu den unvorstellbarsten Sprüngen und Manövern fähig ist. Erst ganz am Ende, als er sich bereits in Sichtweite von Dilfar befindet, stellt sich ihm ein Herausforderer entgegen, dem er nicht ausweichen kann und den er mit der Waffe in der Hand bekämpfen muss. Und erst dieser erhält einen Namen, wenn auch einen angemessen "mythisch" klingenden: "Lance of the Invincible Armor".  Doch selbst in diesem Fall ist es am Ende Black, der Dilvsih mit einem Trick zum Sieg verhilft. Weshalb unser Held auch darauf verzichtet, seinem Gegner den Todesstoß zu versetzen, "as I did not down thee fairly". Ausdruck eines "heroischen" Ehrgefühls und eines grimmigen Respekts vor einem "würdigen" Gegner.
Von den größeren Zusammenhängen erfahren wir kaum etwas. Portaroy ist gefallen, die Armee von "Lylish, Colonel of the West" rückt nun gegen Dilfar vor. Das ist alles, was wir wissen müssen. Und auch in Bezug auf Dilvish bietet der Text wenig konkretes. Warum wird er "the Damned" genannt? Und woher stammt sein Ross aus Stahl? Hat er es tatsächlich für einen Teil seiner Seele erkauft? Und um was für ein Wesen handelt es sich bei Black überhaupt? Dazu gibt es nur eine äußerst vage Andeutung:
“They think you are a demon, my mount,” he said to Black.
The horse chuckled.
“Perhaps ’twere better an’ I were.”
Doch dieser fragmentarische Charakter der Geschichte hat mich nicht weiter gestört. Im Gegenteil, er verstärkt noch den Eindruck, es mit einem Teil aus einer größeren Saga zu tun zu haben.
Zelazny benutzt eine bewusst archaisierende Sprache. Was Fletcher Vredenburgh 2017 in einer Besprechung für Black Gate zu folgendem abfälligen Kommentar veranlasste: "The early Dilvish stories are written in a pseudo-archaic style. While not as clotted as William Hope Hodgson’s in The Night Land or William Morris‘ in anything, it will readily remind the reader of them." Nun gehöre ich ja zu denen, die selbst William Morris' zugegeben sehr gekünstelten Sprachstil oft für eigenartig poetisch halten. Und im Vergleich zu dem ist Zelaznys wirlich "harmlos". Und enthält dafür so großartig lyrische Passagen wie diese Beschreibung der geheimnisvollen "stars of death": "The tiny silver eyes, which looked out from the space beneath space and contained the hellspecks of starstuff, blinked and shimmered ahead."
 
Im Juni 1965 erschien Thelinde's Song. Obwohl Dilvish eigentlich gar nicht unmittelbar in ihr auftritt, liefert uns diese Geschichte sehr viel mehr Details über die Herkunft und Geschichte unseres Helden. In einer geschickten Wendung verwandelt Zelazny das, was sonst vielleicht als schwerfälliger Infodump eine Handlung unterbrochen hätte, in eine eigene kleine Erzählung. Zugleich erweitert er ein wenig die Welt, wenn auch nicht im Sinne eines pseudo-realistischen Worldbuildings, sondern mehr in der Art, wie man es von Lord Dunsany oder aus H.P. Lovecrafts Dreamlands kennt.
Die Hohe Hexe und Mondpriesterin Mildin hört eines Abends, wie ihre Tochter Thelinde unten am Fluss ein Lied über Dilvishs Heldentaten singt. Doch als dabei der Name Jelerak fällt, schreckt sie auf und eilt flugs in Vogelgestalt zu der Sängerin. Sie fragt, von wem sie diese Verse gelernt habe.
"From a thing in the cave," she answered, "where the river called Midnight makes a pool as it passes on its way underground [...] He was a dark-traveler, one of the frog-kind, I think, who rested there on his way to the Council of Beasts." 
Über diesen geheimnisvollen amphibischen Fremden erfahren wir weiter nichts, doch dafür klärt Mildin ihre Tochter anschließend darüber auf, warum es mehr als unklug sei, den Namen Jelerak auszusprechen. Dafür führt sie Thelinde an einen Teich, dessen Oberfläche sich im Mondlicht in einen magischen Spiegel verwandelt, der Bilder aus der Vergangenheit zeigt. Und so bekommen wir zusammen mit Thelinde die Hintergrundsgeschichte von Dilvish erzählt.
Er ist der letzte Spross eines einst mächtigen Adelshauses, das vor Jahrhunderten Macht, Ansehen und Besitz verlor, da seine Mitglieder sich mit den Elfen vermischt hatten. Lange Zeit zog Dilvish als Söldner durch die Lande, bis er bei der Verteidigung von Portaroy Ruhm und den Beinamen "the Deliverer" gewann. Doch wenig später geriet er mit dem Schwarzmagier Jelarek aneinander. Als er ein blutiges Opferritual des Finsterlings zu unterbinden versuchte, verwandelte dieser ihn in eine marmorne Statue und verbannte seine Seele in die tiefsten Tiefen der Hölle. Wie es Dilvish schließlich gelang, von dort zu entfliehen und ins irdische Dasein zurückzukehren, weiß auch Mildin nicht zu sagen. Auf jeden Fall geschah dies in dem Moment, als Portaroy erneut von den Heeren des Westens bedroht wurde. Und er brachte aus der Hölle eine gewaltige Kreatur in der Gestalt eines schwarzen Pferdes aus Stahl mit. Doch auch Jelarek weilt nach wie vor unter den Lebenden und ist inzwischen so mächtig geworden, dass das bloße Aussprechen seines Namens Dämonen heraufzubeschwören vermag.
 
The Bells of Shoredan, erschienen im März 1966, bildet den unbestreitbaren Höhepunkt des frühen "Mini-Zyklus". Die Handlung schließt unmittelbar an Passage to Dilfar an. Inzwischen haben die Heere des Westens die Stadt erreicht und einen Belagerungsring um sie geschlossen. In einer offenen Feldschlacht würde selbst mit der Unterstützung von Dilvish und Black nicht die geringste Chance auf einen Sieg bestehen. Also macht sich unser Held auf, einer alten Legende zu folgen: Wenn ein Spross des elfischen Hauses Selar die uralten Glocken der verfluchten Feste Rahoring im toten Land von Rahoringhast läute, werde die "Legion der Verdammten" erwachen und für ihn in die Schlacht ziehen.
 
Schon in Thelinde's Song wirkte Zelaznys Stil merklch geschmeidiger als zuvor, doch wie es ihm hier gelingt, in der Schilderung von Rahoringhast eine ebenso bedrückende wie phantasmagorische Atmosphäre und Szenerie heraufzubeschwören, ist noch einmal um ein vielfaches beeindruckender und macht die besondere Stärke dieser Erzählung aus. Als Beispiel möchte ich einfach die Eröffnungspassage zitieren:
No living thing dwelled in the land of Rahoringhast .
Since an age before this age had the dead realm been empty of sound, save for the crashing of thunders and the
spit-spit of raindrops ricocheting from off its stonework and the stones. The towers of the Citadel of Rahoring still stood; the great archway from which the gates had been stricken continued to gape, like a mouth frozen in a howl of pain and surprise, of death; the countryside about the place resembled the sterile landscape of the moon.
The rider followed the Way of the Armies, which led at last to the archway, and on through into the Citadel. Behind him lay a twisted trail leading downward, downward, and back, toward the south and the west. It ran through chill patterns of morning mist that clung, swollen, to dark and pitted ground, like squadrons of gigantic leeches. It looped about the ancient towers, still standing only by virtue of enchantments placed upon them in foregone days. Black and awesome, high rearing, and limned in nightmare's clarity, the towers and the citadel were the final visible extensions of the character of their dead maker: Hohorga, King of the World.
In den Ruinen der Zitadelle begegnet Dilvish einem Priester, der hierher gekommen ist, um über das Böse in der Welt zu meditieren. Doch ironischerweise verehrt Korels Orden Jelarek als ihren Schutzpatron, denn der finstere Magier habe sich den Priestern gegenüber stets dankbar gezeigt, seit sie ihm in ferner Vergangenheit einmal aus Mitgefühl Leben und Verstand retteten. 
Für Dilvish ist das selbstverständlich kein Grund, seinen brennenden Hass auf den Mann, der ihn für Jahrhunderte in die Hölle verbannt hat, von nun an ruhen zu lassen. Dennoch akzeptiert er die Gesellschaft Korels und gemeinsam dringen die beiden in den Palast des "finsteren Herrschers" Hohorgar the Maleficient ein, erblicken in einer Art Vision dessen luziferisch-schöne Gestalt und erleben mit, wie er vor Äonen von Dilvishs Vorfahr mit seiner unsichtbaren Klinge niedergestreckt wurde. 
Doch bevor sie die "Glocken von Shoredan" erreichen, muss Dilvish selbst sich einem gar fürchterlichen Gegner stellen: Dem Höllenfürsten Cal-den, der für seine Folterungen verantwortlich war und seinen entlaufenen "Liebling" gerne wieder zurückhaben würde.
 
A Knight for Merytha setzt die Handlung unmittelbar fort. Dilvish führt seine "Legion der Verdammten" nach Dilfar, hält dabei aber stets etwas Abstand von der gespenstischen Schar. Man hat gerade das Lager für die Nacht aufgeschlagen, als aus dem Dunkel des anbrechenden Abends die Hilfeschreie einer Frau aus der Ferne an sein Ohr dringen. Und auch wenn Black ihn zur Vorsicht gemahnt, kann Dilvish einfach nicht anders als nach dem Rechten zu sehen.
Die vierte Kurzgeschichte bildet nicht wirklich einen Abschluss für den "Mini-Zyklus". Dafür scheint sie erstmals einige der Elemente zu enthalten, die in den späteren Geschichten deutlicher hervortreten werden. So etwa einen leicht zynischen Humor. Schon der Titel ist eigentlich ein ironischer Scherz. Dilvish stößt zwar auf eine Burg mit einer vermeintlich "holden Maid", die zu allem Überfluss auch noch behauptet, von einem Drachen bedroht zu werden. Doch die feuerspeiende Echse existiert überhaupt nicht und die "Damsel-in-distress" entpuppt sich als eine Vampirin, die sich keinen "rettenden Ritter", sondern frisches Blut wünscht. Und auch Dilvish selbst zeigt hier zum ersten Mal eine Neigung zu trocken-sarkastischen Bemerkungen. 
Übrigens erfahren wir in keiner der Geschichten viel über das Gefühlsleben oder die Motive unseres Helden. Diese können wir stets nur aus seinen Handlungen und seinem Auftreten ableiten. Eine Technik der Charakterisierung, die gleichfalls dazu beiträgt, den Geschichten etwas vom Ton einer alten Saga oder mythischen Erzählung zu verleihen. Dabei wirkt Dilvish vor allem in A Knight for Merytha eigenartig kühl und abgeklärt. Das könnte ihn leicht unsympathisch (oder gar "unmenschlich") erscheinen lassen, aber wenn wir uns vor Augen führen, dass er Jahrhunderte unbeschreiblicher Höllenqualen hinter sich hat, erstaunt es eigentlich nicht, dass ihn nur noch wenig zu erschüttern vermag und er eine leicht distanzierte Haltung gegenüber "normalem" menschlichen Leiden entwickelt hat.
 
Zum Abschluss möchte ich noch einmal kurz auf das zurückkommen, was ich am Anfang angedeutet habe. In der Vergangenheit habe ich immer mal wieder von einem "erdigen" Realismus gesprochen, der einen Gutteil der Sword & Sorcery auszeichne und für mich einen der besonderen Reize dieses Genres darstelle. Doch existiert daneben auch eine Spielart der S&S, die in vielem beinah das genaue Gegenteil von "erdig" ist,  die vielmehr hochgradig stilisiert und bizarr-phantasmagorisch daherkommt. Bedeutende Vertreter dieser Tradition sind Jack Vance und Clark Ashton Smith. In mancherlei Hinsicht ließe sie sich sogar bis auf Lord Dunsany zurückführen. In diese Linie gehört auch Roger Zelaznys Dilvish. Und die Geschichten um den aus der Hölle zurückgekehrten Verdammten sind ein gutes Beispiel dafür, warum mir mein Lieblingsgenre auch in dieser Ausformung gefällt.
 
 
 

 

(1) When the Sea-King's Away; Scylla's Daughter; The Unholy Grail; The Cloud of Hate; Bazaar of the Bizarre; The Lords of Quarmall und Stardock, sowie ein Neuabdruck von Adept's Gambit.

(2) Ursula K. Le Guin: A Citizen of Mondath. In: Dies.: The Language of the Night. Essays on Fantasy and Science Fiction. S. 23.

(3) Thomas M. Disch: My Life as a Child. Zit. nach: Mike Ashley: Transformations: The Story of the Science-fiction Magazines from 1950 to 1970. S. 225. 

(4) Zit. nach: Mike Ashley: Transformations: The Story of the Science-fiction Magazines from 1950 to 1970. S. 225.

(5) Murphy hat diesen Faux-pas inzwischen allerdings realisiert und erklärt, er werde ihn ausbessern, falls es je zu einer zweiten, überarbeiteten Auflage seines Buches kommen sollte.

(6) Die dritte Dilvish-Story erschien zwar erst, nachdem Amazing und Fantastic an Sol Cohen verkauft worden waren und Goldsmith nicht länger die Herausgeberin war, doch scheint gesichert, dass der Inhalt der ersten Ausgaben, die nach ihrem Weggang veröffentlicht wurden, noch weitgehend auf ihre Tätigkeit zurückgeht. 

(7) Zit. nach: James Enge: One of the Finest Achievements of Heroic Fantasy in the 20th Century: Dilvish, the Damned by Roger Zelazny.