Ersatz für Conan? – Clifford Balls Sword & Sorcery
In seinem letzten Brief an Clark Ashton Smith vom Juni 1935 schrieb Robert E. Howarrd über die Conan-Story Red Nails, die er gerade an Weird Tales verkauft hatte: "[I]t may be the last fantasy I'll ever write". (1) In der Tat spricht einiges dafür, dass Howard keine weiteren Geschichten über die Abenteuer des Cimmeriers geschrieben hätte, selbst wenn die Depression ein Jahr später nicht die Oberhand gewonnen und er sich nicht das Leben genommen hätte.
Über die Gründe dafür lässt sich natürlich bloß spekulieren.
In seinem letzten Brief an Clark Ashton Smith vom Juni 1935 schrieb Robert E. Howarrd über die Conan-Story Red Nails, die er gerade an Weird Tales verkauft hatte: "[I]t may be the last fantasy I'll ever write". (1) In der Tat spricht einiges dafür, dass Howard keine weiteren Geschichten über die Abenteuer des Cimmeriers geschrieben hätte, selbst wenn die Depression ein Jahr später nicht die Oberhand gewonnen und er sich nicht das Leben genommen hätte.
Über die Gründe dafür lässt sich natürlich bloß spekulieren.
Im November desselben Jahres schrieb er August Derleth:
I'm seriously contemplating devoting all my time and efforts to western writing, abandoning all other forms of work entirely; the older I get the more my thoughts and interests are drawn back over the trails of the past; so much has been written; but there is so much that should be written. (2)
Tief verwurzelt in den kulturellen Traditionen seiner texanischen Heimat und ihrer Frontier-Mythologie, war es Howard schon immer ein Anliegen gewesen, diesen in seinem literarischen Werk Ausdruck zu verleihen. Auch viele seiner phantastischen und historischen Erzählungen sind stark von ihnen geprägt. So handelt es sich bei einer seiner berühmtesten Conan-Stories, Beyond the Black River, im Grunde um einen in das Hyborian Age verlegten Western.
Allem Anschein nach plante Howard in den letzten Jahren seines Lebens, diese Thematik in Zukunft direkter anzupacken. Im Westerngenre hatte er sich zwar von Beginn an immer mal wieder versucht, bislang jedoch meist mit eher mittelmäßigem Erfolg. Die große Ausnahme bildeten seine humorvollen Geschichten über die Abenteuer des bärenstarken, aber etwas einfältigen Cowboys Breckinridge Elkins, die seit März 1934 regelmäßig in Action Stories erschienen und eine seiner Haupteinnahmequellen darstellten. Mit ihnen knüpfte Howard am unmittelbarsten an die mündliche texanische Erzähltradition der Tall Tales an, die nach der Überzeugung seines Biographen Mark Finn eine der wichtigsten Grundlagen für sein gesamtes literarisches Schaffen bildete.
Ein weiterer Hinweis findet sich in dem anfangs erwähnten Brief an Smith. Howard schreibt dort:
Verglichen mit Clark Ashton Smith und vor allem mit H.P. Lovecraft ging Howard das Pulp-Geschäft relativ professionell an. Er hatte mit Otis Adelbert Kline seit 1933 einen Agenten, war ständig bemüht, sich neue Märkte zu erschließen, und weigerte sich dabei auch nicht, auf die gerade vorherrschende Nachfrage einzugehen. Wenn Farnsworth Wright entweder nicht willens oder nicht fähig war, ihn für seine Arbeit zu bezahlen, war es deshalb nicht überraschend, dass er – wenn vielleicht auch schweren Herzens – mit dem Gedanken spielte, sich von Weird Tales zu trennen.
Ich habe keine Ahnung, wie Wright auf den oben zitierten Brief reagierte. Jedenfalls nicht, indem er seine Schulden Howard gegenüber beglich. Diese beliefen sich auch nach dem Tod des Schriftstellers auf $800 bis $1.300 – die genaue Summe scheint im Gerangel um das Erbe nie festgestellt worden zu sein.
Dabei war Conan ohne Frage eines der wichtigsten Zugpferde des Magazins. Ganze neun Mal hatte sich der Cimmerier zwischen 1932 und 1936 den begehrten Titel der Coverstory erobert. Kein Wunder also, dass man nach Howards tragischem Tod schnellstmöglich einen Ersatz zu bekommen versuchte. Zwar verfügte Weird Tales in Sachen Sword & Sorcery immer noch über C.L. Moores Jirel of Joiry - Reihe, aber die schien für diese Rolle nicht geeignet. Und ja, der Umstand, dass man es in ihr mit einer weiblichen Hauptfigur zu tun hatte, dürfte für diese Einschätzung leider nicht ganz unwichtig gewesen sein. Moores rothaarige Amazone schaffte es kein einziges Mal auf das Cover des "Unique Magazine". (5) Ein weiterer möglicher Anwärter auf die Howard-Nachfolge hätte Nictzin Dyalhis werden können, mit dessen Werk wir uns bei Gelegenheit vielleicht auch mal beschäftigen sollten. Aber dieser hatte scheinbar kein Interesse daran, in die Gefilde der Sword & Sorcery zurückzukehren, denen er 1934 in The Sapphire Goddess einen Besuch abgestattet hatte.
Der erste Autor, der in die Bresche sprang, war ein Neuling im Geschäft: Clifford Ball.
Wie über so viele andere Autoren & Autorinnen der Pulp-Ära wissen wir wir auch über ihn so gut wie nichts. Die abenteuerliche Biographie, die der Leserschaft von Weird Tales im Oktober 1937 in The Eyrie präsentiert wurde, liest sich zwar spannend, muss aber wohl mit der nötigen Skepsis betrachtet werden:
Der Reigen beginnt mit Duar the Accursed, veröffentlicht in der Maiausgabe von 1937.
Der Held der Geschichte ließe sich wohl nicht ganz zu Unrecht als der Urvater aller Conan-Klone beschreiben: Ein stolzer, ungehobelter Barbarenkrieger, der sich nach einer Karriere als Söldner und Pirat ein eigenes Königreich erobert, dieses durch eine geheimnisvolle Katastrophe aber wieder verliert. Seine Lebensmaxime hätte so ähnlich durchaus auch von dem Cimmerier formuliert werden können: "I am Duar the Accursed! I fight for no cause but my own, and my only power is the sword I hold!"
Doch anders als Conan, den Howard trotz all seiner phantastischen Abenteuer nie als etwas anderes beschreibt als einen normalen, wenn auch extrem kompetenten Menschen, ist Duar von einem übernatürlichen Mysterium umgeben. Schon sein äußeres Erscheinungsbild deutet darauf hin, dass er kein gewöhnlicher Sterblicher ist:
Hier hätte sich das Potential für eine interessante Variante auf den klassischen S&S-Helden geboten. Duar ist eine Art gespaltene Persönlichkeit. Seine barbarische Hälfte weigert sich, sein magisches Erbe anzunehmen, und hadert mit der Vorstellung, ein durch eine vergangene Existenz vorherbestimmtes Schicksal zu besitzen. Doch zugleich verdankt er viele seiner Erfolge letztenendes eben nicht seinem eigenen Willen und Geschick, sondern dem Eingreifen Shars, auch wenn er sich dessen erst langsam bewusst wird.
Aber leider weiß Ball mit diesem interessanten Grundkonzept nichts rechtes anzufangen. Am Ende behält Duars Barbarennatur die Oberhand und Shar bleibt nichts anderes übrig, als auf seine nächste Reinkarnation zu warten, um ihr Glück dann noch einmal zu versuchen.
Der eigentliche Plot der Geschichte hat mit all dem erstaunlicherweise so gut wie überhaupt nichts zu tun. Duar ist in das Reich Ygoth gekommen, um aus dem fluchbeladenen Schwarzen Turm die Rose von Gaon zu entwenden, einen riesenhaften Rubin, der es ihm erlauben soll, eine Armee aufzustellen und sein eigenes Königreich zurückzuerobern. Doch bevor er das sagenumwobene finstere Gemäuer erreicht, wird er von Ygoths Garde überwältigt und vor die junge Königin Nione geführt.
Und hier beginnt das eigentliche Problem, das ich mit Duar the Accursed habe. Unglücklicherweise kopiert Ball in seinem Debüt eine der unsympathischsten Storyschemata aus Howards Conan-Repertoire: Die stolze, arrogante Aristokratin, die nach anfänglichem Widerstand unter dem Eindruck der rauen, unverfälschten Männlichkeit des Barbaren dahinschmilzt und zum gefügigen Weibchen wird. Duars Verhalten gegenüber der Königin besteht aus einer einzigen Aneinanderreihung von Respektlosigkeiten und Provokationen. Im Grunde tut er nichts anderes, als sie permanent zu verhöhnen und zu demütigen. Da Frauen bekanntlich irrationale, impulsive Geschöpfe sind, reagiert sie darauf zuerst mit wütendem Gekreische ("like any fish-wife"), findet diese Behandlung aber irgendwann total klasse und wohl auch sexuell erregend – beweist Duar damit doch bloß, dass er ein "wahrer Mann" ist. Sein altes Reich wird sich der Barbar wohl nicht zurückerobern, doch dafür wartet am Ende der Geschichte Ygoths Thron auf ihn. Denn jedes Königreich braucht schließlich einen König, und Nione mag sich noch so sehr bemühen, als Frau kann sie diese Rolle nicht ausfüllen.
Und dann wäre da noch dieser kuriose kleine Satz: "If the guardsmen had been startled before, now they were certainly in panic, much as if they had captured one of the terrible white apes from the hills of Barsoom". Clifford Ball war wohl ein großer Fan von Edgar Rice Burroughs, aber eine so direkte Anspielung auf die John Carter of Mars - Erzählungen wirkt doch ziemlich irritierend und ungeschickt.
Zwei Monate später erschien mit The Thief of Forthe Balls zweite Sword & Sorcery - Geschichte in Weird Tales. Sie ist zwar in derselben Welt angesiedelt wie Duar the Accursed, erwähnt den Barbaren aber mit keinem Wort. Howards Vorbild ist allerdings auch in ihr immer noch deutlich zu spüren. Die Story ist im Grunde eine Variation auf Rogues in the House.
Meisterdieb Rald wird von dem finsteren und möglicherweise nicht ganz menschlichen Magier Karlk dazu angestiftet, das königliche Geschmeide von Forthe zu stehlen, dessen Träger keine Schwierigkeiten haben sollte, sich zum neuen Herrscher ausrufen zu lassen. Rald hat zwar nur wenig für den intriganten Zauberer übrig, aber sein Ehrgeiz erwacht angesichts eines solch verwegenen Plans: Man stelle sich vor, ein ganzes Königreich zu stehlen! Und Karlk will nicht einmal selbst den Thron besteigen, sondern sich mit der Rolle der grauen Eminenz am Hofe des frisch gekönten Meisterdieb-Monarchen begnügen. Wer könnte einer solchen Versuchung widerstehen? Also steigt unser Held noch in derselben Nacht in den Palast von Forthe ein, wo ihn selbstverständlich größere Komplikationen erwarten, als vorausgesehen.
Verglichen mit Duar the Accursed wirkt The Thief of Forthe sehr viel konventioneller, zugleich jedoch auch sehr viel sympathischer. Unser Held mag keine mysteriöse, äonenumspannende Hintergrundgeschichte besitzen, doch dafür ist er ganz der liebenswerte Spitzbube. Auch er gewinnt im Verlauf seines Abenteuers die Liebe einer Aristokratin – der Prinzessin Thrine –, doch bezeichnenderweise nicht mit arrogantem Machogehabe, sondern mit einer charmanten Mischung aus Höflichkeit und Unverschämtheit. Die ganze Story besitzt einen leicht ironischen Unterton. Vor allem, wenn nacheinander Thrine, Karlk und König Thrall in die Schatzkammer mit dem Geschmeide gestürmt kommen, dabei immer einander und den zunehmend verwirrten Rald überraschend.
Es verwundert nicht, dass Clifford Ball in The Goddess Awakes (Februar 1938) erneut den Meisterdieb zum Helden seiner Geschichte machte. Dieser hat inzwischen allerdings einen Berufswechsel vollzogen und ist zusammen mit seinem Kumpel Thwaine ins Söldnergeschäft eingestiegen. "What difference? Stealing for a king or for yourself?" Unglücklicherweise hat die Armee, in der die beiden gedient haben, gerade eine vernichtende Niederlage erlitten. Thwaine kommentiert verbittert: "Why do we always pick the losing side to fight on? Once in a while we should be victors!" Und ob das in pechschwarze Dunkelheit gehüllte Tal, in das die beiden gerade geflohen sind, wirklich soviel sicherer ist als das Schlachtfeld, bleibt auch noch abzuwarten. Die Antwort ist natürlich Nein. Schon bald sind unsere beiden Helden die Gefangenen eines Amazonenvolkes, das unter dem Einfluss des finsteren Magiers Throal steht, und sollen an die monströse Katzengöttin Hess verfüttert werden.
Leider hält The Goddess Awakes nicht, was die durchaus ansprechende Eröffnungsszene mit ihren sarkastische Bemerkungen austauschenden Söldnern auf der Flucht verspricht. Vielmehr fällt Ball mit seiner dritten Geschichte erneut in die unangenehm sexistischen Gepflogenheiten seines Erstlingswerks zurück. Ganz so übel wie in Duar the Accursed wird es zwar nicht, aber wie wohl fast immer, wenn in Stories dieser Ära und dieser Provinienz ein Amazonenvolk auftaucht, muss man sich auf manch unangenehme und mitunter auch peinliche Szene gefasst machen. Von Ralds ursprünglichem Charme hat sich leider nur wenig erhalten, und auch wenn die finale Konfrontation mit der Katzengöttin recht beeindruckend ausfällt, bleibt der schale Nachgeschmack, dass all dies letztlich auf die Wiederherstellung der "natürlichen Ordnung zwischen den Geschlechtern" hinausläuft. Auch mutet es eigentümlich an, wenn in einer Fantasystory wie dieser Namen wie Isis, Nil, Bastet oder Buddha fallen. Conans Hyborian Age bestand zwar auch aus einer Ansammlung kaum verhüllter Analogien zu realen Ländern, Völkern und Kulturen, aber ganz so direkt wäre Howard denn doch nicht vorgegangen.
Alles in allem ist Clifford Balls Beitrag zur frühen Sword & Sorcery hauptsächlich von historischem Interesse. Hier und da finden sich zwar einige interessante Ideen oder sympathische Momente, aber als Ganzes betrachtet können die drei Stories nicht wirklich überzeugen. Es verwundert darum auch nicht, dass Ball in seiner Rolle als Sword & Sorcery - Lieferant schon bald von einem etwas erfahreneren Weird Tales - Autoren abgelöst werden sollte. Drei Monate nach The Goddess Awakes erschien mit Thunder in the Dawn Henry Kuttners erste Story über Elak of Atlantis. Doch das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.
Allem Anschein nach plante Howard in den letzten Jahren seines Lebens, diese Thematik in Zukunft direkter anzupacken. Im Westerngenre hatte er sich zwar von Beginn an immer mal wieder versucht, bislang jedoch meist mit eher mittelmäßigem Erfolg. Die große Ausnahme bildeten seine humorvollen Geschichten über die Abenteuer des bärenstarken, aber etwas einfältigen Cowboys Breckinridge Elkins, die seit März 1934 regelmäßig in Action Stories erschienen und eine seiner Haupteinnahmequellen darstellten. Mit ihnen knüpfte Howard am unmittelbarsten an die mündliche texanische Erzähltradition der Tall Tales an, die nach der Überzeugung seines Biographen Mark Finn eine der wichtigsten Grundlagen für sein gesamtes literarisches Schaffen bildete.
Ein weiterer Hinweis findet sich in dem anfangs erwähnten Brief an Smith. Howard schreibt dort:
I've been concentrating on adventure stuff recently, trying to break into that field permanently. I've made a start, with yarns published in Action, Thrilling Adventures, and Top-Notch; got a couple of covers designs in a row with Top-Notch and am toiling manfully to become a regular contributor.Tatsächlich waren die in Afghanistan angesiedelten Abenteuergeschichten um Francis X. Gordon / El Borak und Kirby O'Donnell in den letzten Jahren seines Lebens neben Breckenridge Elkins Howards zweitwichtigstes finanzielles Standbein. Womit wir zu einem weiteren möglichen Motiv für seine geplante Abkehr von der Fantasy kämen: Der erbärmlich miesen Zahlungsmoral von Weird Tales. Im Mai 1935 schrieb Howard an Farnsworth Wright:
I always hate to write a letter like this, but dire necessity forces me. It is, in short, an urgent plea for money. [...] I do not feel that my request is unreasonable. As you know, it has been six months since "The People of the Black Circle" appeared in Weird Tales. Weird Tales owes me over eight hundred dollars for stories already published and supposed to be paid for on publication – enough to pay all my debts and get me back on my feet again if I could receive it all at once. Perhaps this is impossible. I have no wish to be unreasonable; I know times are hard to everybody. But I don't believe I am being unreasonable in asking you to pay me a check each month until the accounts are squared. Honestly, at the rate we're going now, I'll be an old man before I get paid up! And my need for money now is urgent. [...]Unter den Verhältnissen der Großen Depression stand Weird Tales in den 30er Jahren ständig am Rande des Bankrotts. Man erzählt sich, ohne die sexy Coverillustrationen von Margaret Brundage hätte das Magazin nicht überlebt. (4) So gesehen ist es nicht verwunderlich, dass W.T. seinen Zahlungsverpflichtungen nur sehr unregelmäßig nachkam. Was für die betroffenen Autoren & Autorinnen freilich kein großer Trost sein konnte. Es war ohnehin schon schwer genug, seinen Lebensunterhalt im Pulp-Geschäft zu verdienen. Es sei denn, man gehörte zum festen Autorenstamm eines Magazins wie Adventure. Dann konnte man davon ausgehen, seine Stories regelmäßig verkauft zu bekommen und auch prompt für sie bezahlt zu werden. Doch wer sein Brot in der Phantastik verdienen wollte und auf Abnehmer wie Hugo Gernsback oder Farnsworth Wright angewiesen war, befand sich permanent in einer prekären Lage.
I may not – may never be a great writer, but no writer ever worked with more earnest sincerity than I have worked on the tales that have appeared in Weird Tales. I have grown up in the magazine, so to speak, and it is as much a part of my life as are my hands and arms. But to a poor man the money he makes is his life's blood, and of late when I write of Conan's adventures I have to struggle against the disheartening reflection that if the story is accepted, it may be years before I get paid for it. (3)
Verglichen mit Clark Ashton Smith und vor allem mit H.P. Lovecraft ging Howard das Pulp-Geschäft relativ professionell an. Er hatte mit Otis Adelbert Kline seit 1933 einen Agenten, war ständig bemüht, sich neue Märkte zu erschließen, und weigerte sich dabei auch nicht, auf die gerade vorherrschende Nachfrage einzugehen. Wenn Farnsworth Wright entweder nicht willens oder nicht fähig war, ihn für seine Arbeit zu bezahlen, war es deshalb nicht überraschend, dass er – wenn vielleicht auch schweren Herzens – mit dem Gedanken spielte, sich von Weird Tales zu trennen.
Ich habe keine Ahnung, wie Wright auf den oben zitierten Brief reagierte. Jedenfalls nicht, indem er seine Schulden Howard gegenüber beglich. Diese beliefen sich auch nach dem Tod des Schriftstellers auf $800 bis $1.300 – die genaue Summe scheint im Gerangel um das Erbe nie festgestellt worden zu sein.
Dabei war Conan ohne Frage eines der wichtigsten Zugpferde des Magazins. Ganze neun Mal hatte sich der Cimmerier zwischen 1932 und 1936 den begehrten Titel der Coverstory erobert. Kein Wunder also, dass man nach Howards tragischem Tod schnellstmöglich einen Ersatz zu bekommen versuchte. Zwar verfügte Weird Tales in Sachen Sword & Sorcery immer noch über C.L. Moores Jirel of Joiry - Reihe, aber die schien für diese Rolle nicht geeignet. Und ja, der Umstand, dass man es in ihr mit einer weiblichen Hauptfigur zu tun hatte, dürfte für diese Einschätzung leider nicht ganz unwichtig gewesen sein. Moores rothaarige Amazone schaffte es kein einziges Mal auf das Cover des "Unique Magazine". (5) Ein weiterer möglicher Anwärter auf die Howard-Nachfolge hätte Nictzin Dyalhis werden können, mit dessen Werk wir uns bei Gelegenheit vielleicht auch mal beschäftigen sollten. Aber dieser hatte scheinbar kein Interesse daran, in die Gefilde der Sword & Sorcery zurückzukehren, denen er 1934 in The Sapphire Goddess einen Besuch abgestattet hatte.
Der erste Autor, der in die Bresche sprang, war ein Neuling im Geschäft: Clifford Ball.
Wie über so viele andere Autoren & Autorinnen der Pulp-Ära wissen wir wir auch über ihn so gut wie nichts. Die abenteuerliche Biographie, die der Leserschaft von Weird Tales im Oktober 1937 in The Eyrie präsentiert wurde, liest sich zwar spannend, muss aber wohl mit der nötigen Skepsis betrachtet werden:
This 29-year-old newest sensation of Weird Tales has led a life as adventurous as that of either of his two barbarian heroes. He went through high school in Millerstown, Pennsylvania, experiencing great difficulty with his mathematics and with a young and attractive school-teacher of whom he became enamored. After he had been graduated, he took a job in the license bureau of the State Highway Department. A few months later he began to hate the place, and left. The Miami catastrophe of 1927 occurred, and he and a friend trekked south to Florida, expecting to find heavy salaries waiting for eager workers. The state was "broke;" and tourists, alarmed by the tidal wave, were frightened away. Ball has slung hash, worked on dynamite crews as a capper, fry-cooked, run a dice table in a gambling-house, dug ditches, leveled auto springs, spread cloth in a shirt factory, and served beer in a Virginia tavern. This will always remain in Ball's memory, he says, as the best moments of his life. (6)Dass Ball sich in der Vergangenheit von Gelegenheitsjob zu Gelegenheitsjob gehangelt hatte, ist sicher nicht unwahrscheinlich. Jedenfalls fügt sich sein Abstecher in die Welt der Pulps nahtlos in dieses Schema ein. Alles in allem erschienen bloß sechs Geschichten aus seiner Feder in Weird Tales, und danach sollte man nie wieder etwas von ihm hören. Nur die ersten drei dieser Stories gehören der Sword & Sorcery an.
Der Reigen beginnt mit Duar the Accursed, veröffentlicht in der Maiausgabe von 1937.
Der Held der Geschichte ließe sich wohl nicht ganz zu Unrecht als der Urvater aller Conan-Klone beschreiben: Ein stolzer, ungehobelter Barbarenkrieger, der sich nach einer Karriere als Söldner und Pirat ein eigenes Königreich erobert, dieses durch eine geheimnisvolle Katastrophe aber wieder verliert. Seine Lebensmaxime hätte so ähnlich durchaus auch von dem Cimmerier formuliert werden können: "I am Duar the Accursed! I fight for no cause but my own, and my only power is the sword I hold!"
Doch anders als Conan, den Howard trotz all seiner phantastischen Abenteuer nie als etwas anderes beschreibt als einen normalen, wenn auch extrem kompetenten Menschen, ist Duar von einem übernatürlichen Mysterium umgeben. Schon sein äußeres Erscheinungsbild deutet darauf hin, dass er kein gewöhnlicher Sterblicher ist:
Whence did you come? What far-off country saw your birth, you who have the height of the mountain men, the thin nostrils of the horsemen of Kor, the blackhair of the cavemen, the blue eyes of those who haunt the islands of the seas, and the swift strength of the dwellers of the plains? In all of our world there has never been born such a composite prodigy of nature. Or are you of our world?Mehrfach sollen dämonische Mächte das Schlachtenglück zu seinen Gunsten beeinflusst haben. Noch erstaunlicher ist allerdings, dass Duar sich selbst ein Rätsel ist. Er weiß nicht, wo er geboren wurde und aufwuchs:
My first memories are of the clash and ring of metal upon metal in the heat of a great battle and sweat and blood on my face as I called our battle-cry. I was a mercenary on the field of Sate fighting in the service of the fool King Taerus, whom later I had the satisfaction of spitting on my sword.Wie wir später erfahren, ist Duar die Reinkarnation des Hohepriesters einer untergegangenen Rasse, die einst über die Erde herrschte. Er verfügt über eine Art übernatürliche Schutzpatronin in Gestalt der geisterhaften Shar, die zu erreichen versucht, dass er sich dem Wissen um seine vorherige Existenz öffnet und damit die Wiedergeburt des Reiches der "Ancients" einleitet.
Hier hätte sich das Potential für eine interessante Variante auf den klassischen S&S-Helden geboten. Duar ist eine Art gespaltene Persönlichkeit. Seine barbarische Hälfte weigert sich, sein magisches Erbe anzunehmen, und hadert mit der Vorstellung, ein durch eine vergangene Existenz vorherbestimmtes Schicksal zu besitzen. Doch zugleich verdankt er viele seiner Erfolge letztenendes eben nicht seinem eigenen Willen und Geschick, sondern dem Eingreifen Shars, auch wenn er sich dessen erst langsam bewusst wird.
Aber leider weiß Ball mit diesem interessanten Grundkonzept nichts rechtes anzufangen. Am Ende behält Duars Barbarennatur die Oberhand und Shar bleibt nichts anderes übrig, als auf seine nächste Reinkarnation zu warten, um ihr Glück dann noch einmal zu versuchen.
Der eigentliche Plot der Geschichte hat mit all dem erstaunlicherweise so gut wie überhaupt nichts zu tun. Duar ist in das Reich Ygoth gekommen, um aus dem fluchbeladenen Schwarzen Turm die Rose von Gaon zu entwenden, einen riesenhaften Rubin, der es ihm erlauben soll, eine Armee aufzustellen und sein eigenes Königreich zurückzuerobern. Doch bevor er das sagenumwobene finstere Gemäuer erreicht, wird er von Ygoths Garde überwältigt und vor die junge Königin Nione geführt.
Und hier beginnt das eigentliche Problem, das ich mit Duar the Accursed habe. Unglücklicherweise kopiert Ball in seinem Debüt eine der unsympathischsten Storyschemata aus Howards Conan-Repertoire: Die stolze, arrogante Aristokratin, die nach anfänglichem Widerstand unter dem Eindruck der rauen, unverfälschten Männlichkeit des Barbaren dahinschmilzt und zum gefügigen Weibchen wird. Duars Verhalten gegenüber der Königin besteht aus einer einzigen Aneinanderreihung von Respektlosigkeiten und Provokationen. Im Grunde tut er nichts anderes, als sie permanent zu verhöhnen und zu demütigen. Da Frauen bekanntlich irrationale, impulsive Geschöpfe sind, reagiert sie darauf zuerst mit wütendem Gekreische ("like any fish-wife"), findet diese Behandlung aber irgendwann total klasse und wohl auch sexuell erregend – beweist Duar damit doch bloß, dass er ein "wahrer Mann" ist. Sein altes Reich wird sich der Barbar wohl nicht zurückerobern, doch dafür wartet am Ende der Geschichte Ygoths Thron auf ihn. Denn jedes Königreich braucht schließlich einen König, und Nione mag sich noch so sehr bemühen, als Frau kann sie diese Rolle nicht ausfüllen.
Und dann wäre da noch dieser kuriose kleine Satz: "If the guardsmen had been startled before, now they were certainly in panic, much as if they had captured one of the terrible white apes from the hills of Barsoom". Clifford Ball war wohl ein großer Fan von Edgar Rice Burroughs, aber eine so direkte Anspielung auf die John Carter of Mars - Erzählungen wirkt doch ziemlich irritierend und ungeschickt.
Zwei Monate später erschien mit The Thief of Forthe Balls zweite Sword & Sorcery - Geschichte in Weird Tales. Sie ist zwar in derselben Welt angesiedelt wie Duar the Accursed, erwähnt den Barbaren aber mit keinem Wort. Howards Vorbild ist allerdings auch in ihr immer noch deutlich zu spüren. Die Story ist im Grunde eine Variation auf Rogues in the House.
Meisterdieb Rald wird von dem finsteren und möglicherweise nicht ganz menschlichen Magier Karlk dazu angestiftet, das königliche Geschmeide von Forthe zu stehlen, dessen Träger keine Schwierigkeiten haben sollte, sich zum neuen Herrscher ausrufen zu lassen. Rald hat zwar nur wenig für den intriganten Zauberer übrig, aber sein Ehrgeiz erwacht angesichts eines solch verwegenen Plans: Man stelle sich vor, ein ganzes Königreich zu stehlen! Und Karlk will nicht einmal selbst den Thron besteigen, sondern sich mit der Rolle der grauen Eminenz am Hofe des frisch gekönten Meisterdieb-Monarchen begnügen. Wer könnte einer solchen Versuchung widerstehen? Also steigt unser Held noch in derselben Nacht in den Palast von Forthe ein, wo ihn selbstverständlich größere Komplikationen erwarten, als vorausgesehen.
Verglichen mit Duar the Accursed wirkt The Thief of Forthe sehr viel konventioneller, zugleich jedoch auch sehr viel sympathischer. Unser Held mag keine mysteriöse, äonenumspannende Hintergrundgeschichte besitzen, doch dafür ist er ganz der liebenswerte Spitzbube. Auch er gewinnt im Verlauf seines Abenteuers die Liebe einer Aristokratin – der Prinzessin Thrine –, doch bezeichnenderweise nicht mit arrogantem Machogehabe, sondern mit einer charmanten Mischung aus Höflichkeit und Unverschämtheit. Die ganze Story besitzt einen leicht ironischen Unterton. Vor allem, wenn nacheinander Thrine, Karlk und König Thrall in die Schatzkammer mit dem Geschmeide gestürmt kommen, dabei immer einander und den zunehmend verwirrten Rald überraschend.
Es verwundert nicht, dass Clifford Ball in The Goddess Awakes (Februar 1938) erneut den Meisterdieb zum Helden seiner Geschichte machte. Dieser hat inzwischen allerdings einen Berufswechsel vollzogen und ist zusammen mit seinem Kumpel Thwaine ins Söldnergeschäft eingestiegen. "What difference? Stealing for a king or for yourself?" Unglücklicherweise hat die Armee, in der die beiden gedient haben, gerade eine vernichtende Niederlage erlitten. Thwaine kommentiert verbittert: "Why do we always pick the losing side to fight on? Once in a while we should be victors!" Und ob das in pechschwarze Dunkelheit gehüllte Tal, in das die beiden gerade geflohen sind, wirklich soviel sicherer ist als das Schlachtfeld, bleibt auch noch abzuwarten. Die Antwort ist natürlich Nein. Schon bald sind unsere beiden Helden die Gefangenen eines Amazonenvolkes, das unter dem Einfluss des finsteren Magiers Throal steht, und sollen an die monströse Katzengöttin Hess verfüttert werden.
Leider hält The Goddess Awakes nicht, was die durchaus ansprechende Eröffnungsszene mit ihren sarkastische Bemerkungen austauschenden Söldnern auf der Flucht verspricht. Vielmehr fällt Ball mit seiner dritten Geschichte erneut in die unangenehm sexistischen Gepflogenheiten seines Erstlingswerks zurück. Ganz so übel wie in Duar the Accursed wird es zwar nicht, aber wie wohl fast immer, wenn in Stories dieser Ära und dieser Provinienz ein Amazonenvolk auftaucht, muss man sich auf manch unangenehme und mitunter auch peinliche Szene gefasst machen. Von Ralds ursprünglichem Charme hat sich leider nur wenig erhalten, und auch wenn die finale Konfrontation mit der Katzengöttin recht beeindruckend ausfällt, bleibt der schale Nachgeschmack, dass all dies letztlich auf die Wiederherstellung der "natürlichen Ordnung zwischen den Geschlechtern" hinausläuft. Auch mutet es eigentümlich an, wenn in einer Fantasystory wie dieser Namen wie Isis, Nil, Bastet oder Buddha fallen. Conans Hyborian Age bestand zwar auch aus einer Ansammlung kaum verhüllter Analogien zu realen Ländern, Völkern und Kulturen, aber ganz so direkt wäre Howard denn doch nicht vorgegangen.
Alles in allem ist Clifford Balls Beitrag zur frühen Sword & Sorcery hauptsächlich von historischem Interesse. Hier und da finden sich zwar einige interessante Ideen oder sympathische Momente, aber als Ganzes betrachtet können die drei Stories nicht wirklich überzeugen. Es verwundert darum auch nicht, dass Ball in seiner Rolle als Sword & Sorcery - Lieferant schon bald von einem etwas erfahreneren Weird Tales - Autoren abgelöst werden sollte. Drei Monate nach The Goddess Awakes erschien mit Thunder in the Dawn Henry Kuttners erste Story über Elak of Atlantis. Doch das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.
(1) Zit. nach: Mark Finn: Blood & Thunder. The Life & Art of Robert E. Howard. S. 174.:
(2) Zit. nach: Ebd. S. 197.
(3) Zit. nach: Ebd. S. 174f.
(4) Ich habe vor Zeiten eimmal hier einen Beitrag über die legendäre "Königin der Pulps" veröffentlicht.
(5) KORREKTUR: Tatsächlich WAR C.L. Moores erstes Jirel-Abenteuer The Black God's Kiss die Cover-Story der Oktoberausgabe 1934. Margaret Brundages Illustrationen werden den zu Grunde liegenden Geschichten selten gerecht, und das ist, denke ich, auch hier der Fall. Trotzdem haben wir damit Moores Kriegerin zumindest einmal auf dem Cover von Weird Tales.
Ich würde den ganzen Absatz heute so nicht mehr schreiben, seit ich mich im Zusammenhang mit meinem Jirel-Beitrag etwas eingehender mit der Rolle beschäftigt habe, die Frauen {als Autorinnen und als Leserinnen/Fans} in der Pulp-Ära spielten.
(5) Weird Tales, Vol. 30, Nr. 4. S. 510.
(2) Zit. nach: Ebd. S. 197.
(3) Zit. nach: Ebd. S. 174f.
(4) Ich habe vor Zeiten eimmal hier einen Beitrag über die legendäre "Königin der Pulps" veröffentlicht.
(5) KORREKTUR: Tatsächlich WAR C.L. Moores erstes Jirel-Abenteuer The Black God's Kiss die Cover-Story der Oktoberausgabe 1934. Margaret Brundages Illustrationen werden den zu Grunde liegenden Geschichten selten gerecht, und das ist, denke ich, auch hier der Fall. Trotzdem haben wir damit Moores Kriegerin zumindest einmal auf dem Cover von Weird Tales.
Ich würde den ganzen Absatz heute so nicht mehr schreiben, seit ich mich im Zusammenhang mit meinem Jirel-Beitrag etwas eingehender mit der Rolle beschäftigt habe, die Frauen {als Autorinnen und als Leserinnen/Fans} in der Pulp-Ära spielten.
(5) Weird Tales, Vol. 30, Nr. 4. S. 510.
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