"Außerdem studierte er abstruse Bücher, die aus chaldäischen Bibliotheken
gestohlen worden waren, wenn Fafhrd auch aus langer Erfahrung wusste,
dass der Mausling selten über das Vorwort hinauskaum (obwohl er oft die
letzten Kapitel aufrollte und neugierig hineinschaute und beißende Kritik
äußerte)."

Fritz Leiber, Das Spiel des Adepten


Montag, 20. März 2017

Willkommen an Bord der "Liberator" – S01/E06: "Seek Locate Destroy"

Ein Blake's 7 - Rewatch
 
Die erste viertel Stunde dieser Episode kann als eine Art Test dienen. Wer mit ihren Eigenheiten klar kommt, besitzt eine gute Chance, sich mit Blake's 7 anfreunden zu können. Wem dies nicht möglich ist, wird vermutlich keinen Zugang zu der Serie finden. Ja, das Kostümdesign jener Zeit war etwas eigenwillig. Und ja, nach den ersten beiden Episoden bestand das Budget für den Rest der ersten Staffel mehr oder weniger aus dem Inhalt der BBC-eigenen Kaffeekasse. Die Kommunikationsbasis der Föderation, in die unsere Helden eindringen, um eine Chiffriermaschine zu entweden, wird einmal mehr von irgendeiner ordinären englischen Industrieanlage repräsentiert, bei der es sich vermutlich sogar um dieselbe handelt, die wir schon in Time Squad zu sehen bekommen haben. Das einzige "futuristische" Element ist ein Wache schiebender Roboter, der aussieht wie ein zu groß geratenes Kinderspielzeug und entprechend wenig bedrohlich rüberkommt, auch dann, wenn er seinen neckischen kleinen Flammenwerfer zum Einsatz bringt.

Doch gehen wir einmal davon aus, dass uns derlei 70er Jahre - Low Budget - TV - Merkwürdigkeiten nicht abschrecken können.

Auch wenn sich Blake & Co bei ihrer Überfallsaktion nicht immer besonders geschickt anstellen, dürfen dabei doch alle Mitglieder des Teams ihre besonderen Talente unter Beweis stellen.
Mit Ausnahme von Jenna, die auf der "Liberator" bleibt, um den Transporter zu bedienen. Was sich vielleicht damit entschuldigen ließe, dass sie die Pilotin ist. Ein leider etwas undankbarer Job, da es Blake's 7 aus finanziellen Gründen unmöglich war, irgendwelche coolen Raumgefechte auf den Bildschirm zu zaubern, bei denen sie hätte glänzen können.
Bleibt der Rest der Crew: Vila zeigt erneut seine Geschicklichkeit beim Knacken von Schlössern und Austricksen von Sicherheitssystemen. Avons Computerwissen führt zur raschen Identifizierung der gesuchten Maschine. Gans Bärenkräfte kommen bei deren Sicherstellung zum Einsatz. Und Cally? Na ja, sie erhält zwar keine Gelegenheit, ihre telepathischen Fähigkeiten einzusetzen, aber beim Bewachen der überwältigten Techniker darf sie zumindest in ihre alte Rolle als grimmige Guerillakämpferin schlüpfen.
Etwas problematisch wird die Angelegenheit allerdings, als es ihr als einziger nicht gelingt, auf die "Liberator" zurückzukehren, bevor die Sprengladungen zur Explosion gebracht werden, mit deren Hilfe Blake & Co verschleiern wollen, dass sie die Chiffriermaschine gestohlen haben. Denn auch wenn Cally kaum für diese unglückliche Wendung verantwortlich gemacht werden kann, führt dies in der Folge doch zu ihrer Gefangennahme durch die Föderation, was sie in gewisser Weise zu einer "Damsel in Distress" macht, die von ihren Kameraden befreit werden muss. Sicher, der Plot verlangt, dass mindestens ein Mitglied der Crew der Föderation in die Hände fällt. Doch warum ausgerechnet Cally? Zumal sie in The Web gerade erst unter die telepathische Kontrolle der "Verlorenen" geraten war. Ich möchte hier Terry Nation keineswegs irgendwelche bewusst sexistischen Motive unterstellen. Zumal auch die gefangene Cally durchweg als eine starke Persönlichkeit dargestellt wird, die sich auch durch Folter nicht brechen lässt. Etwas fragwürdig ist das Ganze aber schon. Und der Umstand, dass Cally von den Föderationsoffizieren konsequent als "girl" bezeichnet wird, macht es auch nicht eben besser. {Schauspielerin Jan Chappell war zum Zeitpunkt des Drehs achtundzwanzig Jahre alt.}

Nun denn, wenden wir uns lieber dem zu, was Seek Locate Destroy zu einer der wichtigsten Episoden der ersten Staffel macht -- der Einführung von Supreme Commander Servalan (Jacqueline Pearce), die bis zum Ende der Serie die wichtigste Gegenspielerin unserer Helden bleiben wird.

Wie ich in meiner Besprechung der Pilotfolge The Way Back beschrieben habe, trägt die Föderation zwar viele Züge eines faschistischen Regimes, besitzt jedoch keine Führerfigur an der Spitze. Zwar hören wir hin und wieder von einem Präsidenten, doch scheint es sich ei diesem bloß um den Repräsentanten jener Clique von Politikern und Bürokraten zu handeln, die in Wirklichkeit die Strippen ziehen. Mit Servalan bekommt das Regime, gegen das Blake und Genossen rebellieren, erstmals ein individuelles Gesicht.
Zu diesem Zeitpunkt ist sie die Oberkommandiere der Föderationsstreitkräfte. Doch abgesehen davon, dass sie bereit ist, zum Erreichen ihrer Ziele größte Rücksichtslosigkeit und Brutalität einzusetzen, wirkt sie wenig "militaristisch". An einer Stelle gibt sie ihrem Abscheu über die "graue Welt der Politik" mit ihren Intrigen, Absprachen und Kompromissen Ausdruck, und doch scheint sie selbst eher dieser Sphäre als der des Militärs anzugehören. Was schon rein äußerlich dadurch hervorgehoben wird, dass sie nie eine Uniform, sondern stets irgendwelche eleganten Kleider trägt. In späteren Episoden werden wir zwar Details aus ihrer Karriere kennenlernen, die klarmachen, dass ihr Aufstieg sich tatsächlich innerhalb des Offizierskorps vollzogen hat. Doch ändert das wenig an dem Eindruck, dass es sich bei ihr weniger um eine Militärdiktatorin in spe als vielmehr um eine besonders skrupellose politische Intrigantin handelt.

Blake ist inzwischen offenbar zu einem ernstzunehmenden Problem für die Föderation geworden. Weniger aufgrund der tatsächlich von ihm durchgeführten Überfälle auf militärische Einrichtungen, als vielmehr weil er in der Fantasie der Massen allmählich zu einer Art überlebensgroßem Volkshelden, zu einem legendären Symbol des Widerstandes, avanciert ist. Servalan muss handeln, wenn sie nicht von ihren Rivalen aus dem politischen Führungszirkel ausgebootet werden will. Sie beschließt, einen Offizier zu bestimmen, dessen ausschließliche Aufgabe es sein soll, die "Liberator" aufzuspüren und zu zerstören, und der zu diesem Zweck mit umfangreichen Vollmachten und den modernsten Raumjägern der Föderation ausgestattet wird. Servalans Wahl fällt auf Space Commander Travis (Stephen Greif), was sowohl bei den Politikern als auch unter ihren eigenen Offizieren Irritation und Widerwillen hervorruft, steht der Mann mit der Augenklappe und der Cyborg-Hand doch im Ruf, ein brutaler Schlächter zu sein. Tatsächlich sollte er sich gerade vor einer Militärkomission für ein von ihm befohlenes Massaker an aufständischen Zivilisten verantworten.

Ursprünglich sollten der Verräter Dev Tarrant aus The Way Back und Commander Travis ein und die selbe Person sein. Diese Idee wurde schließlich fallen gelassen, was vielleicht ganz gut war, ist der Travis, den wir in der Serie zu sehen bekommen, doch kaum der Typ für eine Undercover - Mission. In etwas veränderter Form hat sich dennoch etwas von dem ursprünglichen Konzept erhalten, denn er wird uns als derjenige eingeführt, der Blakes ursprüngliche Verhaftung leitete, wobei er sich seine Verstümmelungen zugezogen hat. Damit besitzt er ein sehr persönliches Motiv für die Jagd nach dem Rebellen. Was natürlich der Hauptgrund ist, warum Servalan ihn für den Job ausgesucht hat.
Leider sollte der Commander nur in der ersten Staffel von Stephen Greif gespielt werden. Was wirklich ein Jammer ist, denn Greif gelingt es, der auf den ersten Blick so eindimensionalen Figur von Anfang an Nuancen einer größeren Komplexität zu verleihen. Travis sieht sich selbst als der harte "Frontsoldat" und hat für die Welt der "verweichlichten" Stabsoffiziere nur schlecht verhehlte Verachtung übrig. Entsprechend wenig Respekt bringt er selbst Servalan entgegen. {Worauf diese übrigens mit großer Souveränität reagiert. Die "Oberste Befehlshaberin" ist niemand, die sich leicht einschüchtern oder aus dem Konzept bringen ließe.} Von seinen Untergebenen erwartet er unbedingten Gehorsam und höchste Kompetenz. Wer ihm querkommt, kann sich auf unangenehme Folgen gefasst machen, doch zugleich zeigt er ehrliche Anerkennung, wenn man ihm gute Resultate vorlegen kann. Er selbst erweist sich nicht nur als extrem rücksichtslos, sondern auch als intelligent und kompetent. Zugleich können wir spüren, dass seine Verstümmelung durch Blake {an deren Folgen er beinah gestorben wäre} psychische Narben hinterlassen hat, die auch nach Jahren nicht wirklich verheilt sind.

Auf den letzten Teil der Handlung und Callys Befreiung möchte ich nicht weiter eingehen. Erwähnt sei bloß, dass es sich bei dem Gefängnis um exakt dieselbe Industrieanlage handelt, die am Anfang der Episode die Kommunikationsbasis vorgestellt hatte.

Nächstes Mal werden wir es mit einer weiteren Lückenbüßer - Folge zu tun bekommen, in der Blake versuchen wird, in die Rolle von Hercule Poirot zu schlüpfen. Mal sehen, wie gut ihm dies gelingt ...


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