"Außerdem studierte er abstruse Bücher, die aus chaldäischen Bibliotheken
gestohlen worden waren, wenn Fafhrd auch aus langer Erfahrung wusste,
dass der Mausling selten über das Vorwort hinauskaum (obwohl er oft die
letzten Kapitel aufrollte und neugierig hineinschaute und beißende Kritik
äußerte)."

Fritz Leiber, Das Spiel des Adepten


Samstag, 28. November 2015

Superhelden in aussichtsloser Lage

Wie ich auf diesem Blog schon mehr als einmal habe verlauten lassen, kann ich mit dem zeitgenössischen Superheldenfilm vor allem deshalb so wenig anfangen, weil er sich selbst und seine Helden & Heldinnen meines Erachtens nach viel zu ernst nimmt. Ein Aspekt dieses Problems besteht darin, dass er mich auf diese Weise dazu zwingt, ihn meinerseits ernster zu nehmen, als ihm gut tut. Dass ist mir vor ein paar Tagen besonders deutlich bewusst geworden, als ich mir den Trailer für Captain America: Civil War angeschaut habe.

 
Ich habe die Entwicklung des filmischen Marvel-Universums nur oberflächlich verfolgt, mit den Comics bin ich überhaupt nicht vertraut. Doch wenn ich es richtig verstehe, dann spalten sich die Avengers über der Frage, ob sie sich der Kontrolle durch die Regierung unterstellen (Tony Stark & Co) oder auf eigene Faust das tun sollen, was sie für richtig halten (Captain America & Co). Indem der Film unsere Helden und Heldinnen vor diese Alternative stellt, legt er auf besonders deutliche Weise den problematischen Inhalt des zeitgenössischen Superheldenkinos bloß. Denn ganz gleich, wie sie sich entscheiden, die Implikationen sind ziemlich beunruhigend.

Zwar sind die Marvel - Streifen im Großen und Ganzen verspielter und selbstironischer als die düster-pompös-prätentiösen Hervorbringungen der Nolan/Snyder - Schule, aber auch sie versuchen mehr zu sein als naiv-fröhlicher Eskapismus. Mehr als einmal haben sie motivisch auf den sog. "Krieg gegen den Terror" Bezug genommen oder den {ehrlich gesagt absurden} Versuch gestartet, das Superheldengenre mit dem des politischen Thrillers zu kreuzen. Ihre pseudorealistische Herangehensweise zwingt uns letztlich dazu, die von ihnen erzählten Geschichten im Kontext der realen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen unserer Zeit zu sehen. Und vor diesem Hintergrund ist die Wahl, die die Mitglieder der Avengers in Civil War treffen werden, eine Wahl zwischen zwei Übeln:
Folgen sie Tony Stark, dann erkennen sie die Legitimät der existierenden staatlichen Autorität an, bleiben die Verteidiger des gesellschaftlichen Status Quo, die sie im Grunde bisher immer gewesen sind.
Folgen sie Captain America, dann werden sie nicht etwa zu Proto-Revolutionären, sondern in der Tat zu Vigilantes, zu Individuen, die glauben, das Gesetz in die eigenen Hände nehmen zu dürfen {oder gar zu müssen}. Ihre Weigerung, sich der Kontrolle durch die Regierung zu unterwerfen, hätte nichts mit einer Revolte gegen eine ungerechte Gesellschaftsordnung zu tun, sondern würde eher dem Denken der extremen Rechten der USA ähneln, die den Staat ja gleichfalls für ein korruptes, bürokratisches Monstrum halten, gegen das alle "aufrechten Amerikaner"  aufbegehren sollten. Oder aber man könnte Parallelen zwischen ihrem Verhalten und dem immer selbstbewusster artikulierten Verlangen von Vertretern des Militärs und der Geheimdienste ziehen, die sich nicht länger den zivilen Autoritäten unterordnen wollen.
Keine der beiden Alternativen wäre sonderlich sympathisch. Aber sie sind unausweichlich, wenn man die von Natur aus extrem individualistischen Superhelden in eine Welt verpflanzt, die auf pseudorealistische {und gänzlich unkritische} Weise die gesellschaftliche Wirklichkeit unserer Zeit widerzuspiegeln versucht.

Ich möchte noch einmal betonen, dass das Problem meiner Ansicht nach nicht im Superheldengenre per se liegt, sondern in der pseudorealistischen Herangehensweise. Man schaue sich zum Vergleich  etwa Richard Donners Superman aus dem Jahre 1978 an. Niemand käme auch nur auf die Idee, sich zu fragen, ob es ein Problem darstellt, dass der Kryptonier ohne staatliche Autorisierung herumfliegt und verirrte Kätzchen oder abstürzende Jumbojets retttet. Die Welt, in der dieser Film spielt, ist ganz offensichtlich nicht die unsere, auch wenn Clark & Lois der Freiheitsstatue einen Besuch abstatten. Es handelt sich bei ihr um ein märchenhaft-phantastisches Paralleluniversum. In diesem Kontext können wir unseren Superhelden als das sehen, was er sein sollte: als den ins Heroisch-Phantastische überhöhten Vertreter simpler menschlicher Anständigkeit. Nimmt man ihm diese Aura der Naivität, zwingt man ihn dazu, auf unserer Welt zu leben, dann verwandelt er sich in eine mehr als zweifellhafte Figur, ob er das will oder nicht. Und so schließe ich diesen Post denn mit ein paar Szenen aus einem der meiner Meinung nach besten Superheldenfilme aller Zeiten, unterlegt mit der grandiosen Musik von John Williams.



Hach, ich liebe diesen Film -- bunter, fröhlicher, fantasievoller Abenteuerspaß mit menschlichem Herz. Und Christopher Reeve ist bis heute unübertroffen als Clark Kent.

5 Kommentare:

  1. Was hältst du in diesem Zusammenhang von "Superman returns?

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  2. Was hältst du in diesem Zusammenhang von "Superman returns?

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  3. Gar nicht so einfach zu beantworten. Es ist natürlich auch schon einige Zeit her, seit ich den gesehen habe. Ich war seinerzeit nicht eben überwältigt, er hat mich aber auch nicht so sehr verärgert wie später Snyders "Man of Steel". "Superman Returns" ist in meinen Augen irgendwie eine Art filmisches Kuriosum, ein Werk des Übergangs. Offensichtlich als eine Form von Hommage an die alten Christopher Reeve - Filme gedacht, trifft er doch nicht deren spielerischen Ton. Was nicht wirklich verwunderlich ist, wurde er doch von Bryan Singer gedreht, dem Mann, der mit "X-Men" die Ära dessen eingeläutet hat, was ich als den "zeitgenössischen Superheldenfilm" bezeichnen würde. Was mich glaube ich am meisten an ihm irritiert hat, war die Art, wie Superman zu einer quasi-messianischen Erlöserfigur aufgebaut wurde ("The world needs Superman.") Ein Bisschen hatte das natürlich immer schon zu der Figur gehört, aber in "Superman Returns" fehlte mir da das ironische Augenzwinkern.
    Vielleicht sollte ich mir den Streifen bei Gelegenheit noch einmal anschauen, ich weiß nicht ... Was hältst du denn von ihm?

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  4. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  5. Ich halte ihn im allgemeinen für etwas unterschätzt. Als Versuch einer Fortsetzung der ersten beiden "Superman" Filme ist er mir in dieser Funktion angenehm in Erinnerung geblieben. Kevin Spacey als "Lex Luthor" fand ich zudem überaus gut besetzt. Was Superman als Erlöserfigur betrifft, kann ich nicht umhin Homer Simpson zu Wort kommen lassen: https://www.youtube.com/watch?v=Ft7wEehEMdo

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