"Außerdem studierte er abstruse Bücher, die aus chaldäischen Bibliotheken
gestohlen worden waren, wenn Fafhrd auch aus langer Erfahrung wusste,
dass der Mausling selten über das Vorwort hinauskaum (obwohl er oft die
letzten Kapitel aufrollte und neugierig hineinschaute und beißende Kritik
äußerte)."

Fritz Leiber, Das Spiel des Adepten


Mittwoch, 27. Mai 2015

Duell der Charismatiker

Regisseur Terence Fisher (1904-80) darf mit einigem Recht als der eigentliche Schöpfer des klassischen "Gothic"-Brit-Horrors gelten, wie er Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre von Hammer Film Productions gepflegt wurde.

Seine Karriere in der englischen Filmindustrie hatte er erst relativ spät, im Alter von neunundzwanzig Jahren, begonnen. Von 1933 bis 36 arbeitete er sich bis zum Posten des Chef - Cutters hinauf – ein Job, der ihn vollauf befriedigte und in dem er für die nächsten zehn Jahre tätig blieb. Doch dann eröffnete sich ihm 1948 die Gelegenheit, im Auftrag von Production Facilities Ltd. auf dem Regiestuhl Platz zu nehmen. Die Firma diente der Rank Organisation – zu diesem Zeitpunkt Großbritanniens größtes Filmunternehmen – als Testgebiet für neue Regisseure, und offenbar war man der Ansicht, Fisher habe in seiner bisherigen Arbeit genug Talent gezeigt, um eine Chance zu erhalten, sich auch einmal in dieser Funktion zu versuchen. Das Ergebnis war zufriedenstellend, und alsbald trat der {nicht mehr ganz so} junge Regisseur in die Dienste von Gainsborough Pictures – seit 1941 gleichfalls Teil der Rank Organisation. Doch das Glück währte nicht all zu lang. J. Arthur Ranks Film- und Kinoimperium hatte seit dem Ende der 40er Jahre mit immer größeren finanziellen Problemen zu ringen, was zu weitreichenden Umstrukturierungen und Kürzungen führte, denen 1951 auch Gainsborough Pictures zum Opfer fiel.

Arbeitslos blieb Terence Fisher freilich nicht lange, denn wenig später schon wurde er von Hammer Film Productions engagiert. 
Das House of Hammer war zu diesem Zeitpunkt noch nicht die große Horror-Schmiede, als die es in die Geschichte eingehen würde. Vielmehr produzierte man B-Movies in allen erdenklichen Genres. Fisher drehte für die Firma vor allem eine Reihe von Thrillern und Pseudo Noir - Filmen wie The Last Page (1952), Stolen Face (1952) und Murder by Proxy (1954). Daneben konnte er sich mit Four Sided Triangle (1953) – den mein guter Twitter-Kumpel NUTS4R2 hier besprochen hat – und Spaceways (1953) allerdings auch erstmals in den Gefilden von Phantastik und SciFi umtun. Daneben gelang es ihm, auch im Fernsehen Fuß zu fassen  
1955 trennte sich Fisher für einige Zeit von seinem Hauptarbeitgeber. 1956/57 versuchte er zusammen mit Francis Searle sogar eine eigene Produktionsfirma auf die Beine zu stellen, was sich freilich sehr schnell als ein Fehlschlag herausstellen sollte.
Zur selben Zeit fand Hammer endlich seine goldene Nische in der britischen Filmlandschaft. Es war ein wahrer Geniestreich gewesen, sich die Rechte für eine Kinoadaption von Nigel Kneales äußerst erfolgreicher SciFi-Serie The Quatermass Experiment – die ich hier besprochen habe – zu sichern. Kneale selbst verabscheute zwar den unter der Regie von Val Guest gedrehten Kinofilm, doch für Hammer wurde er der erste richtig große Hit. Man zögerte nicht lang und legte rasch mit X the Unknown (1956) nach, dem später noch eine Kinoversion von Kneales Quatermass 2 folgen sollte.
Phantastische Stoffe kamen beim Publikum offensichtlich sehr gut an, und so kam man auf die Idee, eine Wiederbelebung des klassischen "Gothic"-Horror-Genres zu versuchen. Schließlich hatten sich die alten Universal - Monster seit gut zehn Jahren wenn überhaupt, dann nur noch in Gesellschaft von Abbot & Costello auf der Leinwand blicken lassen. Für dieses Unternehmen holte man Terence Fisher wieder an Bord, und alsbald begannen die Dreharbeiten an The Curse of Frankenstein, der 1957 in die Kinos gelangte und den großen Reigen des Hammer - Horrors eröffnete. 

In der Folge führte Fisher u.a. bei Dracula (1958), The Revenge of Frankenstein (1958), The Hound of the Baskervilles (1959), The Mummy (1959), The Two Faces of Dr. Jekyll (1960), The Curse of the Werewolf (1960) und The Brides of Dracula (1960) Regie. Sein Einfluss auf den Brit-Horror der "klassischen" Periode war sowohl visuell-ästhetischer als auch thematisch-motivischer Natur. The Curse of Frankenstein war zwar nicht der erste Horrorfarbfilm der Kinogeschichte, doch vertreten sehr viele Kritiker und Genrehistoriker die Ansicht, Fisher sei der erste Horrorregisseur gewesen, der Farbe als ein echtes Stilmittel und nicht bloß als ein Gimmick eingesetzt habe. Zugleich war er es, der mit Dracula das inhaltliche Grundkonzept prägte, dem die Hammer-Filme in ihrer Mehrheit für lange Zeit folgen sollten, und das Kim Newman in Nightmare Movies wie folgt beschreibt:
Hammer Horror treats the 'normal' characters and the audience as innocent bystanders caught in a private battle between the forces of Good and Evil, as represented by the Savant and the Monster. [...] Dr. Van Helsing, Peter Cushing's fearless vampire killer in Dracula, is the original Savant [...] – an elderly mystic, steeped in arcane knowledge, apparently rational. but with an Old Testament streak of 'vengeance is mine' fundamentalism. The Monsters tend to be as suave, attractive and plausible as Christopher Lee's Dracula and as prone to red-eyed, fangs-bared hissing when thwarted.* 
Terence Fisher hat einmal gesagt, seine Horrorfilme seien "basically morality plays" und Ausdruck seines persönlichen Glaubens an "the ultimate victory of good over evil". Als ein gläubiges Mitglied der anglikanischen High Church sah er diesen Konflikt zwischen Gut und Böse verständlicherweise unter einem religiösen Blickwinkel, als ein Ringen zwischen himmlischen und höllischen Mächten. Nicht zufällig spielt das Kruzifix als die ultimative Waffe gegen das Böse in vielen seiner Werke eine wichtige Rolle. Der presbyterianische Reverend Paul A. Legett hat ein ganzes Buch zu diesem Themenkomplex verfasst, auch wenn ich nicht annehme, dass ich allen darin vertretenen Thesen hundertprozentig zustimmen würde.

Es dauerte nicht gar zu lang, und dieses strikte Gut-Böse-Konzept sollte sich als ein Hindernis für die weitere Entwicklung des Brit-Horrors erweisen. Ab der zweiten Hälfte der 60er Jahre sind die interessanteren Hammer-Filme mehrheitlich jene, die das von Fisher geprägte Modell auf subversive Weise untergraben. Parallel dazu war die religiöse Symbolik schon sehr bald zu einer bloßen Konvention erstarrt.

Terence Fisher selbst freilich ließ nicht ab von seiner ursprünglichen Vision. Im Gegenteil – einer der letzten Filme seiner Karriere, der 1968 in die Kinos gelangte Streifen The Devil Rides Out, darf als eine der vermutlich reinsten Verkörperungen des Konzeptes gelten. Mit ihm wollen wir uns jetzt etwas ausführlicher beschäftigen.

  
 
The Devil Rides Out gilt bei vielen als einer der besten Hammer-Horrorfilme aller Zeiten. Eine Meinung, der ich mich leider nicht anschließen kann. Ganz ohne Zweifel darf er als ein weiterer Beweis für Terence Fishers nicht unbeträchtliches filmerisches Talent gelten. Wer ihn noch nicht gesehen hat, sollte das unbedingt einmal nachholen. Doch zugleich belegt er auf recht eindrückliche Weise, wie fragwürdig und problematisch Fishers Konzept vom Kampf zwischen Gut und Böse ist.

Der Plot des Films ist schnell zusammengefasst. Als der Duc de Richleau (Christopher Lee) nach längerer Abwesenheit nach England zurückkehrt, muss er von seinem Freund Rex Van Ryn (Leon Greene) erfahren, dass sich Simon Aron (Patrick Mower), der Sohn eines verstorbenen Armeekameraden, in letzter Zeit sehr eigenartig verhält. Sehr schnell stellt sich heraus, dass der junge Mann in die Fänge eines Satanistenzirkels geraten ist und in der kurz bevorstehenden Walpurgisnacht von derem Anführer Mocata (Charles Gray) endgültig dem Teufel geweiht werden soll. Gemeinsam mit Rex und seinen Verwandten Marie (Sarah Lawson) und Richard Eaton (Paul Eddington) nimmt der in den okkulten Wissenschaften wohl bewanderte De Richleau den Kampf gegen den finsteren Mocata auf, um die Seelen von Simon und der jungen Tanith (Nike Arrighi) vor der ewigen Verdammnis zu bewahren. Doch der Teufelsjünger erweist sich als ein wahrer Meister der schwarzen Kunst und setzt seinerseits alle ihm zu Gebote stehenden höllischen Mächte gegen unsere Helden in Bewegung.

Das von Richard Matheson verfasste Drehbuch zu The Devil Rides Out basiert auf dem gleichnamigen Roman von Dennis Wheatley. Und wenn ich dem guten Mr. Jim Moon glauben darf, hält es sich erstaunlich eng an seine literarische Vorlage.
Nun habe ich zwar selbst noch kein einziges von Wheatleys Büchern gelesen, dennoch halte ich es für sinnvoll, einen kurzen Blick auf den Schriftsteller und sein Werk zu werfen.

Dennis Wheatley (1897-1977) war ein echter Bestseller-Autor. Auch wenn englische Horrorfans {einer bestimmten Generation} ihn in erster Linie aufgrund seiner okkulten Thriller kennen dürften, von denen der 1934 erschienene The Devil Rides Out der erste gewesen war, verkauften sich seine {z.T. in vergangenen historischen Epochen angesiedelte} Agentenschmöker seinerzeit doch nicht weniger gut. Der Duc de Richleau hatte übrigens in beiden Sparten seine Auftritte.
Wheatley war ein erzkonservativer Verfechter von Standesgesellschaft, Monarchie und Empire, der diese traditionelle – und deshalb "gute" – Ordnung der Dinge durch die diabolischen Umtriebe von Sozialisten, Anarchisten und anderem pöbelhaftem Gelichter ernsthaft bedroht glaubte. Wer einen Eindruck von seinen politischen Überzeugungen erhalten will, sollte sich einmal seinen "Letter to Posterity" durchlesen, den er 1947 in Reaktion auf die Politik der zwei Jahre zuvor an die Macht gekommenen Labour-Regierung unter Premierminister Clement Attlee verfasste, welche im Rahmen eines keynesianischen Wirtschaftsprogramms eine Reihe von Sozialreformen und partiellen Verstaatlichungen durchführte. Wheatley vergrub den Brief, in dem er die künftigen Sklaven einer "sozialistischen Diktatur" zur bewaffneten Rebellion aufruft, auf seinem Grundstück, wo er 1969 wiedergefunden wurde.
Es genügt, De Richleaus fiktive Biographie kurz zu überfliegen, um zu erkennen, dass sich die politische Weltsicht des Autors offenbar sehr deutlich in seinem Werk niedergeschlagen hat. Nicht nur muss sich der gute Duc immer wieder mit irgendwelchen üblen Anarchisten herumschlagen, einmal nimmt er sogar an einer Verschwörung teil, mit dem Ziel die französische Republik zu stürzen und die Bourbonen-Monarchie wieder aufzurichten!      

Damit jetzt kein falscher Eindruck entsteht: The Devil Rides Out enthält keinerlei offen politische Elemente. Von einem kurzen Nebensatz abgesehen, verzichtet der Film völlig darauf, die Hintergrundsgeschichte um die gemeinsamen Spionageabenteuer von Richleau, Rex und Simons Vater auch nur zu erwähnen. Dennoch denke ich, dass das Wissen um Wheatleys Überzeugungen zum besseren Verständnis des Streifens hilfreich ist. Basierend auf dem, was Jim Moon in der oben verlinkten Episode von Hypnobobs erzählt, gehe ich davon aus, dass Matheson dem Stoff keine persönliche Note hinzugefügt hat. Natürlich hat er die Geschichte gekürzt und zu einem 1½ - Stunden - Script komprimiert, doch der Geist des Filmes scheint mir sehr deutlich das Produkt einer Verschmelzung von Wheatleys und Fishers Weltanschauungen zu sein, ohne einen spezifischen Beitrag von Richard Matheson.
 
The Devil Rides Out ist im Kern die Geschichte eines Duells zwischen zwei extrem charismatischen und willensstarken Autoritätspersonen. Richleau und Mocata sind zugleich Gegenpole und Spiegelbilder. Alle übrigen Charaktere sind im Spannungsfeld zwischen diesen beiden gefangen und haben eigentlich nur die Wahl, sich dem einen oder dem anderen unterzuordnen. Immer dann, wenn sich einer von ihnen De Richleaus Anweisungen widersetzt und auf eigene Faust zu handeln versucht, sind die Auswirkungen mehr oder weniger verheerend. Am deutlichsten zeigt sich diese autoritäre Grundstruktur der Geschichte an den Figuren von Simon und Tanith.

"The quasi-paternalistic nature of the relationship between the savants and the 'normals' is most apparent in the way that both De Richleau and Mocata treat Simon", wie Peter Hutchings ganz richtig beobachtet hat:
'I feel like a father who sees his child trying to pick live coals out a fire', De Richleau remarks on discovering Simon's involvement with black magic; 'Welcome back, my son', says Mocata when Simon returns to the coven. As is often the case in Fisher's work, the good father and the bad father co-exist, mutually defining, the authority they embody ultimately [...] viewed as indispensable.**
Vielleicht noch etwas extremer sieht es im Falle der jungen Tanith aus. Zu Beginn ist sie eine willenlose Marionette Mocatas, und der einzige Weg, sich der Kontrolle des Hexenmeisters zu entziehen, besteht für sie darin, sich vorbehaltlos der Liebe des – deutlich älteren – Rex hinzugeben. Selbst dann noch freilich muss sie erst einmal sterben und sich in eine Art Engel der "begierdelosen Liebe" verwandeln, bevor sie – an der Seite ihres Ehegatten in spe natürlich – befreit ins Leben zurückkehren darf.
Nicht eben die dankbarste Rolle für  Nike Arrighi. In zwei sehr effektvoll in Szene gesetzten Einstellungen, in denen wir die junge Frau beidesmal durch ein Fenster in die Nacht hinausschauen sehen, gelingt es der französischen Schauspielerin allerdings der Figur eine Art ätherische Tragik zu verleihen, was vermutlich das Beste war, was man mit dieser Rolle machen konnte. 

Eine der beeindruckendsten Szenen des Films ist Mocatas Hypnotisierung von Marie. Mithilfe einer exakten Symmetrie der Schnitte und einer beinah unmerklichen Vorwärtsbewegung der Kamera visualisiert Terence Fisher auf meisterliche Weise das immer intensivere Ringen zwischen dem Willen des Satanisten und der Frau. Der Moment von Mocatas Triumph wird durch einen abrupten Schnitt zu einer Obersicht (High-Angle-Shot) des Hexers gekennzeichnet, der direkt in die Kamera, d.h. an die Decke des Zimmers, schaut, während er zugleich die Kontrolle über Simon und Tanith übernimmt, die sich beide im Obergeschoss aufhalten. Während Mocata Marie hypnotisiert, erklärt er ihr zugleich, dass Magie im Grunde die Wissenschaft der Willenskraft sei. Das Ziel des Magiers bestehe darin, die Materie und – wichtiger noch  – psychisch schwächere Menschen, dem eigenen Willen zu unterwerfen.
Interessanterweise gibt es zwei vergleichbare Szenen, in denen De Richleau auf ganz ähnliche Weise anderen Menschen seinen Willen aufzwingt. So hypnotisert er ganz am Anfang Simon, nachdem er ihn mit Gewalt aus dem Kreis der Satanisten entführt hat, um ihn so der unmittelbaren Kontrolle durch Mocata zu entziehen. Und nachdem er später in einem nekromantischen Ritual die Seele der verstorbenen Tanith heraufbeschworen hat, zwingt er diese auf unnachgiebige und beinah brutale Weise dazu, den Aufenthaltsort des Hexenmeisters ausfindig zu machen.

De Richleaus Autorität, die es ihm erlaubt, sogar Zwang und Gewalt gegen die einzusetzen, die er zu retten versucht, basiert nicht nur auf seinem überlegenen Wissen, sondern mehr noch auf dem Umstand, dass er "Gottes Werk" verrichtet. Zwar bedient er sich mitunter recht unorthodoxer okkultistischer Rituale, doch am Ende erweist sich eins ums andere Mal das Kruzifix als die ultimative Waffe gegen das Böse. Vor seiner Macht muss selbst der Satan persönlich weichen, der in Gestalt von Baphometh dem von Mocatas Zirkel veranstalteten Hexensabbat beiwohnt. Als der Hexer im großen Finale mitsamt seiner angstvoll kreischenden Jüngerschar in einem feurigen Inferno zur Hölle fährt, prangt an der Wand des auf solche Art "gereinigten" Gewölbes plötzlich ein riesiges Kreuz. Aus dem Satanstempel ist ein Haus des HErrn geworden! Und falls die Botschaft auch jetzt noch nicht deutlich genug gewesen sein sollte, schließt der Film mit folgendem Wortwechsel:
Simon: Thank God!
De Richleau: Yes, Simon, He is the one we must thank.
Hierin besteht auch die einzige Grenze von De Richleaus Autorität. Denn am Ende ist nicht er es, sondern die engelhaft verklärte Tanith, die Mocata zu Fall bringt. Mit anderen Worten: Mächtiger noch als selbst der mächtigste "weiße" Magier ist Gott, der HErr.

Eine der größten Schwächen von The Devil Rides Out besteht darin, dass wir nie erfahren, warum Simon und Tanith sich ursprünglich dem Satanistenzirkel angeschlossen haben. Wenn De Richleau Simons Verstrickung in schwarzmagische Machenschaften entdeckt und den jungen Mann zur Rede stellt, reagiert dieser wie ein störrisches Kind, dem man sein Lieblingsspielzeug wegnehmen will  Doch was genau war  so verführerisch an diesem Spielzeug? Im Rest des Filmes wirken er und Tanith eher wie unwillige Opfer Mocatas, die unter Zwang handeln, und nicht wie Verführte, die den Verlockungen des Bösen erlegen sind. Einzig der Hexensabbat ließe sich vielleicht als Andeutung auf die ursprünglichen Beweggründe der beiden interpretieren. Ganz traditionsgemäß wird er als eine rauschhafte Orgie dargestellt, und wäre der Film zwei Jahre später entstanden, dann hätten wir in den entsprechenden Szenen unter Garantie ein paar halbnackte Nebendarstellerinnen zu sehen bekommen. Ist der Lockruf des Bösen also in erster Linie sinnlich-sexueller Natur? Dazu würde es passen, dass Tanith im großen Finale durch den Mund von Marie erklärt: "Only they who love without desire, shall have power granted them in the darkest hour".

Wenn The Devil Rides Out trotz seines problematischen Subtextes ein äußerst sehenswerter Film ist, dann haben wir das neben Terence Fishers Regie vor allem Christopher Lee zu verdanken. Er war es gewesen, der den Hammer-Bossen die Idee nahegelegt hatte, eine Verfilmung von Dennis Wheatleys Roman ins Auge zu fassen. {Ein erster Versuch war 1963 an der Zensurbehörde gescheitert}. Zugleich hatte er darauf gedrängt, diesmal nicht den Bösewicht, sondern den "Savant" spielen zu dürfen. Ein Glück, dass er sich mit diesem Anliegen durchsetzen konnte, verleiht sein ebenso kraftvolles wie nuanciertes Spiel der Figur des De Richleau doch eine äußerst starke Ausstrahlung, wie sie ein weniger talentierter oder engagierter Schauspieler vermutlich nicht hätte evozieren können. Wie leicht hätte der Duc zu einer eindimensionalen Gestalt werden können! Lee macht ihn zu einem echten Menschen, ebenso überzeugend in seiner unerbittlichen Härte wie in seinen Momenten von Zartheit und sogar Hilfloigkeit.    
Mit Charles Gray, der in späteren Jahren u.a. Blofeld in Diamonds Are Forever (1971), den "Criminologist" in der Rocky Horror Picture Show (1975) sowie Mycroft Holmes – sowohl in Herbert Ross' The Seven-Per-Cent Solution (1976) als auch in der Granada-Serie mit Jeremy Brett als Sherlock – spielen sollte, besitzt der Film außerdem einen zwar nicht ganz gleichwertigen, aber immer noch sehr charismatischen Mocata.
Hinzu kommt, dass Richard Mathesons Drehbuch der Handlung eine nie zur Ruhe kommende Dynamik verleiht. Anders als in den meisten Horrorfilmen der Zeit wird das erste Drittel von The Devil Rides Out nicht dazu verwendet, eine mysteriöse Atmosphäre aufzubauen. Nach kaum einer viertel Stunde liegen die Karten offen auf dem Tisch, der zentrale Konflikt ist formuliert, der Kampfplatz abgesteckt. Und De Richleau zögert nicht, sondern tritt augenblicklich in Aktion. Von diesem Moment an kommt die Handlung nicht mehr zur Ruhe, sondern eilt in sich unablässig steigernder Dramatik voran, bis sie ihren Höhepunkt in der Nacht erreicht, die De Richleau, Simon, Marie und Richard in einem magischen Schutzkreis verbringen müssen, derweil Mocata immer bedrohlichere Kreaturen der Hölle gegen sie aussendet. Das sich anschließende eigentliche Finale wirkt mit seiner beinah an eine religiöse Vision gemahnenden Atmosphäre zwar ein klein wenig wie ein Antiklimax, doch in der Gesamtdynamik des Films macht das allerhöchstens ein kurzes Straucheln, keinen wirklichen Absturz aus.

Und so bleibt mir zum Abschluss bloß noch einmal zu sagen: Zwar ist The Devil Rides Out meiner Meinung nach ganz sicher nicht der beste Horrorfilm, den das House of Hammer hervorgebracht hat, doch ein sehr sehenswerter, unterhaltsamer und faszinierender Streifen sowie ein weiterer Beweis für das Talent von Terence Fisher, Christopher Lee und Richard Matheson ist er allemal.


* Kim Newman: Nightmare Movies. A Critical History of the Horror Film, 1968-88. S. 13.
** Peter Hutchings: Terence Fisher. S. 149.

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