"Außerdem studierte er abstruse Bücher, die aus chaldäischen Bibliotheken
gestohlen worden waren, wenn Fafhrd auch aus langer Erfahrung wusste,
dass der Mausling selten über das Vorwort hinauskaum (obwohl er oft die
letzten Kapitel aufrollte und neugierig hineinschaute und beißende Kritik
äußerte)."

Fritz Leiber, Das Spiel des Adepten


Freitag, 26. April 2013

"Star Wars" ist an allem schuld

Nun habe ich ja nie zu Onkel Georges Fanclub gehört und halte die alten Star Wars - Filme für nicht mehr als kunterbunte Weltraumabenteuer – freilich für gut gemachte und unterhaltsame Weltraumabenteuer. Dennoch irritiert es mich jedesmal gewaltig, wenn ich auf Artikel stoße, die Titel tragen wie How 'Star Wars' Killed Smart Sci-Fi Cinema.  
Kann ein einzelner Film (oder meinetwegen eine Filmtrilogie) tatsächlich solch verheerende Auswirkungen auf ein ganzes Genre haben – ganz gleich wie erfolgreich er gewesen ist? Und wenn dies wirklich so auszusehen scheint, ist der entsprechende Film dann nicht vielleicht bloß der Katalysator für Entwicklungen gewesen, die unabhängig von ihm ohnehin existierten? Außerdem: Was genau habe ich mir unter dem "klugen SciFi-Kino" vorzustellen, dem angeblich von Luke, Han, Leia und Darth Vader der Garaus gemacht wurde?
In einem Artikel für Strange Horizons hat Paul Kincaid sogar einmal die Behauptung aufgestellt, der zerstörerische Zauber von Star Wars habe auch vor der literarischen Science Fiction nicht halt gemacht:
In the 1970s, when I first started writing about science fiction, I was one of those who argued strenuously that we should tear down the ghetto walls. I believed we had a strong case: science fiction would certainly benefit from all that the mainstream had to offer, and the mainstream, then in a rather moribund phase, would equally benefit from the vigor and the storytelling and the invention of science fiction. I also believed that we were winning. Hadn't the new wave injected literary modernism into British science fiction? Wasn't Thomas Pynchon shortlisted for the Nebula Award and didn't Michael Moorcock win the Guardian Fiction prize and hadn't Christopher Priest been included in the first Granta Young Writers Promotion, and weren't serious writers like Doris Lessing and P.D. James and Paul Theroux experimenting with the genre (however incompetently in some instances), and weren't those members of the literary establishment who looked down their noses at sci-fi fewer and more foolish? But we lost the battle: Star Wars came out. It may have taken a while to notice, but from that moment SF became primarily a visual medium, a form distinguished by big effects and simple stories. The literary establishment found it easy to continue disdaining such a simple narrative form, while within the genre the literature would quickly start to follow the visual. All those reinventions of the old forms, the new space opera, the new hard SF and their like, are direct descendants of Star Wars and its ilk.
Meine Kenntnis der SF-Literatur ist viel zu bruchstückhaft, als dass ich dem eine eigene Einschätzung entgegenhalten könnte. Kincaid soll hier darum nur als weiteres Beispiel für die weite Verbreitung des "Star Wars ist an allem schuld" - Argumentes dienen. Und zumindest in Bezug auf die Geschichte des SciFi-Films kann ich mit einiger Gewissheit erklären, dass ich dieses Argument für reichlich dumm halte.

Worauf können sich diejenigen stützen, die es vorbringen?
Es kann selbstverständlich kein Zweifel daran bestehen, dass der Erfolg von Lucas' Film dazu führte, dass in relativ kurzer Zeit eine Unmenge mehr oder weniger unterirdischer Star Wars - Klone in den Kinos auftauchten. Selbiges gilt jedoch für jeden erfolgreichen Streifen, und im Genrekino vielleicht noch mehr als irgendwo sonst. Halloween und Friday the 13th lösten eine Flut von Slasher-Filmen aus. George Romeros Dawn of the Dead folgte eine Schwemme von billigen Zombieflicks. Conan the Barbarian "beglückte" uns mit der kurzlebigen Sword & Sorcery - Mode der 80er Jahre. Und was die Science Fiction angeht, so dürfte es vielleicht mehr Rip-offs von Alien geben als von Star Wars, und nur die wenigsten von ihnen werden ähnlich unterhaltsam sein wie Luigi Cozzis Schlockspaß Contamination.* Bei all dem handelt es sich ganz einfach um eine der Gesetzmäßigkeiten der Filmindustrie. Bestenfalls ließe sich vielleicht behaupten, dass mit der Entwicklung des Blockbusterschemas diese zyklischen Bewegungen vermehrt auch im Mainstream-Kino auftauchen, während sie zuvor stärker auf den B-Movie-Bereich beschränkt waren. {Roger Cormans Karriere etwa bestand zu einem großen Teil darin, die aktuellen Modetrends aufzuschnappen und mit ultrabilligen Produktionen nachzulegen.} Doch selbst da wäre ich mir nicht so sicher, wenn ich z.B. an die Entwicklung des Gangsterfilms in den 30er Jahren denke {Little Caesar, Public Enemy, Scarface etc.}. Wobei dieses Beispiel aus der Goldenen Zeit von Hollywood ganz nebenbei auch noch zeigt, dass dieses Gesetz nicht notwendigerweise etwas schlechtes sein muss.
Doch natürlich wäre es unfair, wollte man die Argumentation derjenigen, die Star Wars zum Sündenbock des SciFi-Films erklären, auf dieses banale Niveau reduzieren. Es ist nicht so sehr die Existenz irgendwelcher Rip-offs, was sie irritiert. In ihren Augen führte Lucas' Film vielmehr zu einer radikalen und bleibenden Kehrtwende in der Entwicklung des ganzen Genres. Der anfangs genannte Artikel von Jason Bailey ist dafür ein gutes Beispiel. Dort bekommen wir zu lesen:
[T]hat’s the trouble with mainstream science fiction filmmaking these days: there’s no expectation that an audience is capable of putting things together or waiting for a payoff, and there certainly aren’t many filmmakers or executives willing to take the risk. The problem, it seems, is the desire of those who greenlight movies to lump science fiction in with action, and it’s easy to guess why: Star Wars. Before 1977, there were occasional crossovers, but for the most part, science fiction was a genre purely unto itself, concerned with alien invasions and post-apocalyptic scenarios and subtextual parallels. After Lucas mashed up spaceships and swashbucklers, sci-fi was never the same.
Ich finde das Bild der Entwicklung des SciFi-Films, das Bailey hier entwirft, aus einer ganzen Reihe von Gründen recht merkwürdig.

Zuerst einmal scheint mir der gute Jason eine über alle Maßen idealisierte Vorstellung der Prä - Star Wars - Ära zu besitzen. Gute Science Fiction hat seiner Meinung nach "brainy and smart" zu sein, "fueled by Big Concepts and Grand Ideas". Doch die überwältigende Mehrheit der SciFi-Filme der 50er und 60er Jahre gehörten zur fröhlichen Gemeinde des B-Movie-Schlocks. Ein Klassiker wie Fred Wilcox' Forbidden Planet (1956) bildete da eine einsame Ausnahme.
Bailey selbst erwähnt die weite Verbreitung des Motivs der außerirdischen Invasion. Nun gibt es zwar einige wirklich intelligente Vertreter dieses Subgenres {nennen wir es einfach mal so}: Quatermass II (1955), Invasion of the Body Snatchers (1956), Village of the Damned (1960). {Und zwei davon sind auch noch britische Produktionen!} Doch die meisten der "Flying Saucer" - Flicks aus der guten alten Zeit beschäftigten sich ganz sicher nicht mit "Big Concepts and Grand Ideas". Was nicht bedeuten soll, dass sie nicht trotzdem ein Heidenspaß sein können. {Man denke bloß an das Original von The Thing [1951], an Invaders from Mars [1953], It Came From Outer Space [1953] oder Earth vs. The Flying Saucers [1956]}.
Was die postapokalyptischen Szenarien angeht, die Bailey als zweite Erscheinungsform des "guten" SciFi-Films der Vergangenheit anführt, so handelt es sich dabei eigentlich um eine Spezialität der späten 60er und der 70er Jahre. The Last Man on Earth mit Vincent Price flimmerte zwar bereits 1964 über die Kinoleinwände, doch bin ich mir ziemlich sicher, dass unser Star Wars - Basher hier eher an Planet of the Apes (1968), Beneath the Planet of the Apes (1970) oder Logan's Run (1976) gedacht hat.
Und damit kommen wir zu einem der grundsätzlicheren Probleme, die ich mit seinem Artikel habe. Vielleicht ist das ein dummes Vorurteil, aber ich habe das Gefühl, dass viele SciFi-Fans sich beinahe ausschließlich in ihrer bevorzugten Nische der Filmwelt auskennen. Bei Bailey jedenfalls scheint mir das offensichtlich der Fall zu sein. Er kommt gar nicht auf den Gedanken, dass man den SciFi-Film vielleicht im Rahmen der Gesamtentwicklung des amerikanischen Kinos** betrachten sollte, von allgemeineren sozialen, politischen und kulturellen Trends einmal ganz zu schweigen.
In den späten 60er und den 70er Jahren können wir tatsächlich das vermehrte Auftauchen "ernsthafterer" SciFi-Filme beobachten. Neben der Planet of the Apes - Reihe u.a. 2001 (1968), The Andromeda Strain (1970), Silent Running (1972), Soylent Green (1973), Westworld (1973), The Stepford Wives (1975), Rollerball (1975) Logan's Run (1976), Close Encounter of the Third Kind (1977), Capricorn One (1978), Invasion of the Body Snatchers (1978) und Alien (1979). Eine in inhaltlicher, stilistischer und qualitativer Hinsicht heterogene Gruppe, die sich dennoch sehr deutlich von allem unterscheidet, was vorher da war. Die Erklärung für dieses Phänomen ausschließlich oder auch nur hauptsächlich im Genre selbst, seiner angeblichen Verbundenheit mit "Big Concepts and Grand Ideas", zu suchen, scheint mir verfehlt. Stattdessen sollte man diese Filme lieber im Kontext der Veränderungen betrachten, die sich zu dieser Zeit ganz allgemein im amerikanischen Kino abspielen. Ich würde sie als eine Erscheinungsformen dessen betrachten, was man gemeinhin mit dem Schlagwort "New Hollywood" umschreibt.
Ende der 60er Jahre machten sich eine Reihe größtenteils noch junger Filmemacher daran, die amerikanische Kinolandschaft tiefgreifend zu verändern. Sie arbeiteten zwar nicht außerhalb des Studiosystems, aber gelockerte Kontrollen und das Ende des Production Codes (1966) erlaubten es ihnen, sehr viel unabhängiger und experimentierfreudiger zu Werke zu gehen. Oft verrieten ihre Filme einen kritischen Blick auf Aspekte der US-Gesellschaft, wie es ihn in dieser Offenheit seit der McCarthy-Ära in Hollywood so gut wie nicht mehr gegeben hatte. Zu den bekanntesten Beispielen für diese nicht viel länger als ein Jahrzehnt dauernde Periode gehören u.a. Arthur Penns Bonnie and Clyde (1967), Norman Jewisons In the Heat of the Night (1967), Dennis Hoppers Easy Rider (1969), Sydney Pollacks They Shoot Horses, Don't They? (1969), Robert Altmans McCabe & Mrs. Miller (1971), The Long Goodbye (1973), Thieves Like Us (1974) und Nashville (1975), Francis Ford Coppolas Godfather (1972) und Apocalypse Now (1979), Terrence Malicks Badlands (1973), Sam Peckinpahs Pat Garrett and Billy the Kid (1973) und Bring Me the Head of Alfredo Garcia (1974), John Cassavetes' A Woman Under the Influence (1974), Roman Polanskis Chinatown (1974) sowie Woody Allens Annie Hall (1976), Manhattan (1979) und Stardust Memories (1980). Auch wenn das die realen Zusammenhänge natürlich übermäßig simplifiziert und keine Rücksicht auf die einzelnen Künstler und ihre individuellen Entwicklungen nimmt, lässt sich zusammenfassend doch sagen, dass dieser Trend die allgemeine Radikalisierung der Zeit widerspiegelte:  Bürgerrechtsbewegung, Vietnamkriegsproteste, Gegenkultur und Studentenrevolte.
Das Ende von "New Hollywood" kam an der Wende von den 70er zu den 80er Jahren. Oberflächlich betrachtet waren dafür einerseits eine Reihe spektakulärer kommerzieller Flops {berühmtestes Beispiel: Michael Ciminos Heaven's Gate [1980]} und andererseits die Geburt des Blockbusterschemas verantwortlich. Doch hielte ich es für ziemlich absurd, wollte man die Richtung, in der der amerikanische Film sich von nun an entwickelte, ganz einfach aus dem Größenwahn einiger Regisseure oder der Gier und Cleverness der Studiobosse erklären. Ebensowenig halte ich es für angebracht, von irgendwelchen "immanenten Gesetzen der Kulturindustrie" zu sprechen. Wenn "New Hollywood" auf die eine oder andere Weise den rebellischen Geist der 60er und 70er widerspiegelte, so fällt sein Ende mit dem Triumph der Reaktion unter Ronald Reagan zusammen. Soviel zumindest sollte eigentlich offensichtlich sein. Dass die konservativen Kräfte diesen Sieg scheinbar so mühelos erringen konnten, deutet allerdings auch auf einige Schwächen der vorhergehenden Bewegung hin, deren Kritik an der US-Gesellschaft oft eher diffus blieb und deren Rebellentum selten über die Attitüde des Outsiders oder Underdogs hinauskam. Auch hierin war "New Hollywood" ein Abbild der allgemeineren "Revolte" jener Jahre.
Die Ironie besteht nun darin, dass Star Wars selbst ein Produkt von "New Hollywood" war und zugleich neben Steven Spielbergs Jaws zum wichtigsten Vorbild für das Blockbusterformat wurde.***
George Lucas begann seine Karriere als ein erklärter Rebell gegen Hollywoods Establishment. Der Erfolg seines gegen zahllose Widerstände seitens Universal Pictures realisierten American Graffiti (1973) war ein gehöriger Schock für die großen Bosse gewesen, eine Art Menetekel des zusammenbrechenden Studiosystems. Und auch die Produktion von Star Wars ähnelte ganz und gar nicht den kommenden Blockbuster-Gepflogenheiten. Es muss viel Leidenschaft erfordert haben, all die Hindernisse zu überwinden, die der Fertigstellung des Filmes im Wege standen, und von denen die Skepsis der Mächtigen bei 20th Century Fox nicht die geringste war. Inhaltlich gesehen ist Star Wars im Vergleich zu den meisten anderen großen SciFi-Filmen der 70er Jahre zwar schrecklich kindisch, enthält aber trotzdem noch deutliche Spuren des rebellischen Geistes jener Zeit.
Der gewaltige kommerzielle Erfolg des Streifens machte ihn zu einem der Muster, nach denen die Studios in den 80er Jahren den Blockbuster kreierten. Doch das bedeutet nicht, dass dieselbe Entwicklung nicht auch ohne ihn stattgefunden hätte. Wie eingangs bereits angedeutet, war er bloß der Katalysator für einen Prozess, der sich völlig unabhängig von ihm abspielte. Man könnte George Lucas höchstens vorwerfen, dass er sich dieser Entwicklung ohne zu zögern anschloss und in kürzester Zeit vom idealistischen Rebellen zum milliardenschweren Herrscher eines Filmimperiums mutierte. Aber selbst das wäre wohl nicht ganz fair, denn als Produzent leistete er zumindest in den 80er Jahren noch manch positiven Beitrag zur Filmgeschichte. Vielleicht kommt noch einmal der Tag, an dem man es als seinen größten Verdienst  ansehen wird, dass es ohne ihn Filme wie Akira Kurosawas Kagemusha (1980) oder Jim Hensons Labyrinth (1986) möglicherweise nie gegeben hätte.
Wie beinahe jeder Star Wars - Basher, dem ich bisher begegnet bin, stellt auch Jason Bailey dem bösen Machwerk von Lucas als strahlendes Beispiel für den "guten" und "intelligenten" SciFi-Film, den Onkel George angeblich auf dem Gewissen hat, Stanley Kubricks 2001 – A Space Odyssey entgegen. Die kritiklose Verherrlichung dieses Films erscheint mir ebenso problematisch wie die maßlose Dämonisierung von Star Wars. Natürlich ist er ein echter Klassiker, der in ästhetischer wie inhaltlicher Hinsicht in einer ganz anderen Liga spielt als Lucas' Weltraumabenteuer. Doch das makellose Meisterwerk, das viele in ihm sehen wollen, ist 2001 meiner Ansicht nach nicht. Wie Jim Moon einmal sehr treffend bemerkt hat: "Kubrick as a director ... has a fatal flaw, he doesn't understand people" (1:04:00). Bei all seinem formalen Perfektionismus gelingt es ihm nur selten, lebendige, voll ausgeformte und authentisch wirkende Charaktere zu erschaffen. Beinahe könnte man den Eindruck bekommen, Menschen interessierten ihn nicht wirklich. Kubricks Blick auf sie wirkt oft kühl und distanziert. 2001 ist dafür ein besonders extremes Beispiel, was noch dadurch verstärkt wird, dass der Geschichte ein äußerst negatives Bild der Menschheit zugrundeliegt. Kritiker Andrew Sarris beschreibt den Film in American Cinema als "so devoid of life and feeling as to render a computer called Hal the most sympathetic charakter".**** Das mag etwas übertrieben sein, trifft es im Großen und Ganzen jedoch ziemlich genau. 2001 ist ein äußerst kalter Film. Was in der Erinnerung haften bleibt sind die beeindruckenden und wunderschönen Panoramabilder; ikonische Szenen wie die Verwandlung des in die Luft geworfenen Knochens in ein Raumschiff; die psychedelische Schlusssequenz und das "Star Child". Die handelnden Personen hingegen sind so blass und unsympathisch, dass es uns nicht einmal wirklich berührt, wenn sie sterben. Der "Tod" ihres Mörders HAL hingegen ist der emotinalste Part des ganzen Films. Irgendetwas stimmt da nicht. Und was die "Big Concepts and Grand Ideas" angeht, so scheinen mir die Ideen, die sich hinter dem ästhetisch eindrucksvollen Symbolismus von 2001 verbergen, ehrlich gesagt nicht wirklich so großartig oder tiefgründig zu sein. Aber vielleicht bin ich ja auch einfach bloß zu dumm ...?
Wenn der strahlende Stern der Prä - Star Wars - Ära also vielleicht gar nicht so strahlend gewesen ist, wie verhält es sich dann mit dem SciFi-Film der 80er Jahre? Sieht es da wirklich so duster aus?
Bailey kritisiert vor allem die Tendenz, "to lump science fiction in with action", und in der Tat begegnen wir in diesem Jahrzehnt vielen actionbetonten SciFi-Flicks: Terminator (1984), Aliens (1986), Predator (1987), RoboCop (1987), Running Man (1987), Total Recall (1990). Wie man in diesen allerdings Nachkommen von Star Wars erblicken kann, ist mir völlig schleierhaft. Bailey selbst charakterisiert Lucas' Werk recht hübsch als "spaceships and swashbucklers", und die Action der 80er war nun wirklich alles andere als "Swashbuckling" {bei dem Wort denkt man doch eher an Errol Flynn}. Auch ignoriert Bailey einmal mehr den weiteren filmgeschichtlichen Kontext. Eines der Charakteristika des amerikanischen Kinos der 80er Jahre ist nun einnmal ganz allgemein das gehäufte Auftreten von Actionfilmen, und dass sich diese Tendenz auch im SciFi-Genre durchsetzt, ist weiter nicht verwunderlich. In der Person von Arnold Schwarzenegger fand der allgemeine Charakter dieser Entwicklung seine vielleicht prägnanteste Verkörperung. Zu Berühmtheit gelangt als Conan the Barbarian (1982) prägt Arnie mit seiner Rolle als John Matrix in Commando (1985) das Bild des Actionhelden, dem er dann in den folgenden Jahren sowohl innerhalb als auch außerhalb der SciFi zig Mal seine tumbe Gestalt verleiht.
Der Actionboom der 80er Jahre und mehr noch die Tatsache, dass dabei ein so gnadenlos untalentierter Schauspieler wie Schwarzenegger zu einem der großen Stars des amerikanischen Kinos werden konnte, sind sicher deutliche Anzeichen des allgemeinen kulturellen Niedergangs, der seine Wurzeln in den gesellschaftlichen und politischen Veränderungen der Reagan-Ära besaß und der bis heute noch nicht zu einem Ende gekommen ist. Damit will ich nicht gesagt haben, dass Flicks wie Terminator, Predator oder Total Recall keinen Unterhaltungswert besitzen würden. Den besitzen sie ganz ohne Zweifel.  Und wie ich in der Vergangenheit schon ein paar mal erklärt habe, habe ich selbst eine gewisse Schwäche für den guten alten Arnie. Aber man wird wohl keinem dieser Filme ein erhöhtes Maß an Komplexität oder Intelligenz unterstellen können.
Aber auch wenn sich das amerikanische Kino in den 80er Jahren im Allgemeinen durch einen deutlichen künstlerischen Verfall, intellektuelle Verflachung, Konformismus und zunehmenden Zynismus auszeichnet, bedeutet das natürlich nicht, dass es keine Ausnahmen von diesem Trend gegeben hätte. Und das gilt für den Mainstream- wie für den Genrefilm. {Den sich explosionsartig entwickelnden Videosektor lassen wir dabei mal ganz beiseite.} Viele der interessanteren SciFi-Filme des Jahrzehnts enthalten ein Element der Kritik an den gesellschaftlichen Entwicklungen der Zeit. Bei einigen ist das sehr offensichtlich, so etwa im Fall von Terry Gilliams Brazil (1985), John Carpenters They Live (1988) oder Volker Schlöndorffs Adaption von Margaret Atwoods The Handmaid's Tale (1990). Bei anderen geschieht dies eher auf vermittelte Weise, wie z.B. in Outland (1981) oder Bladerunner (1982). Auf gewisse Weise sogar in Aliens (1986).  Paul Verhoevens Versuch, mit RoboCop (1987) einen Mix aus Brutalo-Action und Satire zu schaffen, scheint mir zwar eher nicht gelungen, aber ich respektiere seine Intention. Die spannendste Einzelfigur im SciFi-Kino der Zeit dürfte David Cronenberg sein, der seine in den 70er Jahren begonnene Karriere mit Videodrome (1983), The Dead Zone (1983) und The Fly (1986) fortsetzt.
Wie in einer Art Paralleluniversum entwickelt sich neben all dem in den 80er Jahren das Franchise der Star Trek - Kinofilme, deren Qualität von wirklich gut (Wrath of Khan [1982]) bis zu unterirdisch (The Final Frontier [1989]) reicht. Doch ganz gleich, wie gut oder schlecht die einzelnen Streifen auch sind, sie alle wirken merkwürdig entrückt von der Realität der Zeit, selbst da, wo sie aktuelle Themen anzusprechen versuchen (die Öko-Botschaft in The Vogage Home [1986] oder die seeehr oberflächliche Allegorie auf das Ende des Kalten Kriegs in The Undiscovered Country [1991]). Möglicherweise spiegeln sie damit den angesichts der krassen gesellschaftlichen Veränderungen immer realtitätsferner und schwächlicher wirkenden Charakter von Roddenberrys Vision wider.
Gar so übel sieht das alles doch gar nicht aus, wenn man die Zeitumstände in Betracht zieht, oder?

Ich denke, hiermit lass ich es bewenden. Meine Skizze mag schematisch, unvollständig und in manchem sicher auch korrektionsbedürftig sein, doch denke ich, dass sie genug Argumente enthält, um zu beweisen, dass Star Wars eben doch nicht an allem schuld ist. Es gibt genug an George Lucas zu kritisieren, aber der "böse Geist" des SciFi-Kinos ist er nicht.


* Vgl.: Jim Moons Besprechung auf The Day Hollywood Stood Still & die entsprechende Episode von Chris Browns Video Nasties Podcast. Cozzi war interessanterweise auch für eine der legendärsten Star Wars - Rip-offs aller Zeiten verantwortlich: Starcrash mit Genrefilm-Ikone Caroline Munro! Ein echtes Muss für alle Freunde absurden Trashs.
** Baileys Artikel bezieht sich ausschließlich auf die Entwicklung des amerikanischen SciFi-Films, auch wenn er dies nicht offen ausspricht.
*** Den Erfolg eines Films mit einer Flut von Merchandising-Artikeln auszubeuten, gehört zwar zu den Charkteristika der Blockbuster-Ära, doch anders als oft angenommen, war Star Wars dabei nicht der Pionier. Vielmehr konnte man dieses Phänomen erstmals bereits bei Planet of the Apes beobachten.
**** Andrew Sarris: The American Cinema. Directors and Directions 1929-1968. S. 196.

5 Kommentare:

  1. "2001" ist ein kalter und distanzierter Film. Ich persönlich habe dies jedoch nie als in künstlericher Sicht etwas negatives empfunden. Der Streifen reiht sich ein in eine ganz spezifische Tradition der SF, die durch Schrifsteller wie etwa Olaf Stapledon vertretene, "kosmische" Sicht. Individuelle menschliche Charakter stehen da nicht im Fokus. Es ist das jeweilige Konzept selber, welches die Hauptperson ist. Der Coautor des Films Arthur C. Clarke, steht mit seinem Schaffen in der gleichen Tradition (wiewohl auch Kubrick stets zu einer sehr distanzierten Sicht auf seine Figuren geneigt hat,sowie einer pessimistischen Sicht auf die Menschheit).
    Man nehme etwas den Clarke Roman "Rendezvous with Rama", in dem im Grunde genommen nicht viel passiert, als das Astronauten ein unerwartet in unserem Sonnensystem auftauchendes riesiges Raumschiff untersuchen. Die Charakter bleiben so flach wie es nur möglich ist, aber das tut dem Buch meiner Ansicht nach keinen Abbruch. Das wunderbar fremdartige Schiff alleine ist der Protagonist.
    Ich denke auch, daß es bei "2001" Absicht ist, das der Zuschauer für HAL am meisten empfindet. Die Astronauten sind schon so sehr Teil einer Maschine geworden, das uns die Maschine HAL als menschlicher erscheint als die Menschen selber.
    Das ist natürlich meine Sichtweise, die Sichtweise einer ganz bestimmten Art von SF Rezipienten, die eine Schwäche für diese Art von Science Fiction haben und keine Frostbeulen fürchten ;)

    Die Theorie, Star Wars wäre für den Niedergang der literarischen SF verantwortlich, existiert schon sehr lange. Ich finde deine Ansatz sehr interessant, die Entwicklung im Zusammenhang mit den jeweiligen gesellschaftlichen Strömungen dieser Zeit zu sehen. Die SF-Literatur hatte zwischen 1965-1975 ihr "New Hollywood", die sogenannte "New Wave", eine Zeit in der eine Vielzahl von literarischen Experimenten stattfand. Diese Zeit wird von vielen Kritikern mit einer gewissen Verklärung gesehen, und ihr Niedergang beklagt. Wahr ist meiner Ansicht, daß die geschriebene SF sich momentan in einer Art Niedergang befindet, sie steckt in einer reichlich konservativen Phase und ihre Markanteile werden von anderen Spielarten der Phantastik bedroht. Das auf Star Wars zu schieben, ist mir aber auch etwas weit hergeholt. Vielmehr empfand ich persönlich gerade den Romanoutput der 80er Jahre als sehr fruchtbar und interessant. Was das Kino betrifft, glaube ich ebenfalls, das "Alien", vor allem mit seiner Einführung des "used future" looks, sehr viel mehr Einfluß als das Werk von Lucas hatte und hat. Wobei eine Sache hat Star Wars auf jeden Fall geprägt: Moonraker, den absurdesten Bond aller Zeiten :)
    Kurz gesagt, anspruchsvolles SF Kino war zu allen Zeiten rar.

    Wo in deinen Fußnoten schon mal ein Star-Wars-Ripoffs erwähnt wird, mein Liebling ist da "Krieg der Eispiraten"!

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  2. Hallo, Placet!

    "2001" ist für mich ein schwieriges Thema, da müsste man sich mal einen Abend lang zusammensetzen und drüber quatschen. {Schade, dass man parallel zum Internet nicht auch den Beamer erfunden hat. Wird wirklich höchste Zeit!}

    Auf keinenfall wollte ich den Eindruck erwecken, "2001" sei in meinen Augen ein schlechter Film. Ich mag Stanley Kubrick und die meisten seiner Werke. Der Mann hat mit "Paths of Glory" einen der besten Antikriegsfilme geschaffen, die ich überhaupt kenne, und wer könnte "Dr. Strangelove" nicht lieben? Von "Lolita", "The Shining" und "Barry Lyndon" ganz zu schweigen. Die erste Hälfte von "Full Metall Jacket" ist auf ihre Art unübertroffen. Ja, ich mag sogar "Eyes Wide Shut" (trotz Tom Cruise). Ich bin halt nur nicht der Meinung, "2001" sei der beste SF-Film aller Zeiten.
    Ich finde den Streifen sehr beeindruckend, aber er berührt mich nicht. Mir ist schon klar, dass der Film kalt sein SOLL, und es Kubricks Absicht war, HAL als die sympathischste "Person" erscheinen zu lassen. Trotzdem finde ich das irgendwie problematisch. Mir ist auch nicht ganz klar, was das mit den "kosmischen" Fragen zu tun hat, die doch das eigentliche Hauptthema des Films sind. {Wirken die Astronauten eigentlich auch in Clarkes Roman so emotionslos und "unmenschlich"?}
    Es kann natürlich sein, dass der Film ganz einfach meinem persönlichen Geschmack nicht entspricht, und ich ihn deshalb nicht angemessen beurteilen kann. (??)

    Was die "kosmische" Sicht angeht: Ich bin in der SF-Literatur bei weitem nicht so bewandert wie du. Stapledons Bücher fand ich recht faszinierend, aber das ist eine intellektuelle Faszination, und ich weiß nicht, ob sich derartiges für eine filmische Adaption wirklich eignet. (??)

    Oh Gott, "Moonraker"! Ich habe ja in den letzten Jahren ganz allgemein eine starke Abneigung gegen den guten alten 007 entwickelt, aber "Moonraker" ...

    Lustig, dass du "Krieg der Eispiraten" erwähnst. Ich hatte gerade angefangen, einen kurzen Post über die Abenteuer von Jason & Co zu schreiben, quasi als Nachschlag zu der ganzen "Star Wars" - Chose. Schließlich wären wir ohne Onkel Georges Weltraumepos nie in den Genuss dieses abstrusen, geschmacklosen, kleinen Juwels gekommen. Mal sehen,ob ich ihn fertig bekomme ...

    Beste Grüße,
    Raskolnik

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  3. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  4. Hallo,
    welcher Streifen der beste SF-Film aller Zeiten ist, ist wahrhaftig einen "Themenabend" wert. Bei "2001" schlägt mein "2001/Kubrick Verteidigungsreflex" zu :) Scharf geschaltet durch zahlreiche Gespräche mit Leuten die dem Film "da passiert doch gar nix - was soll das Ende??" vorgeworfen haben ("Barry Lyndon" muß ich allerdings noch mehr verteidigen, in gewisser Hinsicht finde ich, ist Lyndon der "Kubrick"-hafteste Kubrick Film)

    Es ist schon lange her seitdem ich den Roman gelesen haben. Meiner Meinung fällt er im Vergleich zum Film ab, gerade wegen des Mangels an Mehrdeutigkeit. Ein grosses Talent was die Innenschau von Charakteren betrifft, war A.C.Clarke allerdings nie.

    Wenn dir die erste Hälfte von "Full Metal Jacket" gefällt, da habe ich als Empfehlung die 1983er Doku "Anybody's Son Will Do" http://www.youtube.com/watch?v=DShDaJXK5qo , welche eine der Inspirationsquellen für den Film war.

    "Moonraker" ist Proto-Austinpowers, und im Grunde genommen, die beste Bond Parodie (alle Roger Moore Bondfilme sind eigentlich Parodien).

    Apropos Onkel George und abstrus, schon mal vom "Star Wars Holiday Special" gehört? Toxisch, toxisch....
    Gruß


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  5. Oh Mann, das "Holiday Special" ... Bevor man es nicht gesehen hat, würde man nicht glauben, dass es so etwas überhaupt geben könnte ... Die Jungs vom Black Dog Podcast sind dafür verantwortlich, dass ich mir dieses Fundstück aus einem bösen Spiegeluniversum letzte Weihnachten angeschaut habe, wenn auch nicht vollständig (Youtube und den Copyright-Gesetzen sei dank!). Schon allein die erste viertel Stunde in "Wookie" ist einfach ... einfach ... mir fehlen die Worte! Bis heute frage ich mich, ob ich das nicht alles bloß geträumt habe ...

    Deinen "2001/Kubrick Verteidigungsreflex" kann ich gut nachvollziehn, würden eine ganze Reihe meiner eigenen Lieblingsfilme von vielen Leuten doch vermutlich ebenfalls mit Kommentaren wie "langweilig" und "da passiert doch überhaupt nichts" bedacht werden.

    Vielen Dank für den Link zu "Anybody's Son Will Do"!

    Vielleicht sollte ich mir "Moonraker" wirklich mal wieder anschauen. Könnte mir helfen, meinen momentan etwas übertriebenen Bond-Hass abzubauen. Mit deiner Einschätzung der Roger Moore - Ära stimme ich jedenfalls 100%ig überein. (Wenn mein Gedächtnis mich nicht täuscht.) Das waren im Grunde alles bereits Parodien auf Flemings Figur und den Bond der Connery - Ära.

    Alles Gute!

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