Ich habe nie ein echtes Interesse für Stephen King entwickeln können. Nicht, weil sein Status als Bestesellerautor ihn mir verdächtig gemacht hätte. Ich bin kein so großer Snob, dass ich glauben würde, alles, was Massenerfolg hat, könne deshalb nicht gut sein. Es hat sich einfach bloß nie ergeben. Außer The Shining habe ich, glaub ich, nur irgendeine seiner Kurzgeschichten gelesen. Verfilmungen seiner Bücher bin ich logischerweise schon sehr viel häufiger begegnet, aber auch hier beschränkt sich mein Wissen fast ausschließlich auf ältere Werke: Neben Stanley Kubricks The Shining (1980) fallen mir da spontan vor allem Carrie (1976), Christine (1983), Pet Sematary (1989), Misery (1990), It (1990), und Needful Things (1993) ein. Einzig The Green Mile (1999) fällt zeitlich ein bisschen aus dem Rahmen. Allgemein heißt es, King habe selten großes Glück mit den filmischen Adaptionen seiner Bücher gehabt, und tatsächlich hat außer The Shining wohl nur Carrie irgendeinen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Es ist allerdings auch schon ganz schön lange er, dass ich einen der anderen Filme gesehen habe.
Als regelmäßiger Hörer des Black Dog Podcast bemühe ich mich für gewöhnlich, mir den jeweiligen Film der Woche tatsächlich auch anzuschauen – zumindest, wenn es sich dabei um einen phantastischen Streifen handelt. Und da diesmal Frank Darabonts The Mist von 2007 an der Reihe war, ergab sich damit die Gelegenheit, einmal eine etwas neuere King-Adaption kennenzulernen. Der Umstand, dass Darabont auch bei The Green Mile – einem der peinlichsten und verlogensten Filme, die zu sehen ich je das Pech hatte – Regie geführt hat, war freilich nicht dazu angetan, mich mit all zu hohen Erwartungen zu erfüllen. Eine um so freudigere Überraschung war es, feststellen zu dürfen, dass es sich bei The Mist um einen wirklich spannenden, gut gemachten, kleinen Horror-Flick handelt, auch wenn ich ihn nicht so rückhaltlos positiv bewerten würde, wie dies Lee, Darren und Jim Moon tun.
Als regelmäßiger Hörer des Black Dog Podcast bemühe ich mich für gewöhnlich, mir den jeweiligen Film der Woche tatsächlich auch anzuschauen – zumindest, wenn es sich dabei um einen phantastischen Streifen handelt. Und da diesmal Frank Darabonts The Mist von 2007 an der Reihe war, ergab sich damit die Gelegenheit, einmal eine etwas neuere King-Adaption kennenzulernen. Der Umstand, dass Darabont auch bei The Green Mile – einem der peinlichsten und verlogensten Filme, die zu sehen ich je das Pech hatte – Regie geführt hat, war freilich nicht dazu angetan, mich mit all zu hohen Erwartungen zu erfüllen. Eine um so freudigere Überraschung war es, feststellen zu dürfen, dass es sich bei The Mist um einen wirklich spannenden, gut gemachten, kleinen Horror-Flick handelt, auch wenn ich ihn nicht so rückhaltlos positiv bewerten würde, wie dies Lee, Darren und Jim Moon tun.
Der Trailer sagt eigentlich schon alles notwendige über den nicht eben komplizierten Plot: Nach einer heftigen Sturmnacht wird eine Kleinstadt in Maine von einer unheimlichen Nebelfront überrollt. Wie sich sehr schnell herausstellt, verbergen sich in ihr Scharen monströser und blutgieriger Kreaturen. Eine Gruppe von Leuten – unter ihnen auch Protagonist David Drayton (Thomas Jane) und sein kleiner Sohn Billy (Nathan Gamble) – verschanzt sich in einem Supermarkt. Angst und Verunsicherung führen schon bald zu immer heftigeren Spannungen unter den Eingeschlossenen. Während ein Teil der Gruppe versucht, auf vernünftige Weise einen Ausweg aus der Situation zu finden, schließt sich ein anderer der religiösen Fanatikerin Mrs. Carmody (Marcia Gay Haddon) an, die den Nebel für den Beginn des Jüngsten Tages und für Gottes Strafgericht über die sündige Menschheit hält.
Was The Mist in meinen Augen so ansprechend macht, ist zuerst einmal, dass es sich im Grunde um einen ziemlich "altmodischen" Horrorfilm handelt. In gewisser Weise wirkt er wie eine Mischung aus einem Creature Feature der 50er Jahre, einer alten Episode von Twilight Zone und George Romeros Night of the Living Dead.
Der Film lebt nicht von Ekelszenen oder Orgien expliziter Gewalt. Entsprechende Effekte (vor allem in der Apotheken-Sequenz) werden sparsam, aber wirkungsvoll eingesetzt.
Das Monsterdesign ist bei aller Nähe zu Insekten und Spinnen sehr originell {Es wurde große Mühe darauf verwendet, etwas noch nie dagewesenes zu schaffen.} Die Szene, in der Davids Gruppe gegen Ende des Film einer riesenhaften Kreatur im Nebel begegnet, hat mir wirklich eisige Schauer über den Rücken gejagt. Der Dead can dance - Song verleiht dem Ganzen vielleicht eine etwas arg pathetische Note, aber mich hat das nicht sonderlich gestört.
Übrigens ist diese Schlusspassage die einzige, die mit Musik unterlegt ist, was die unheimliche Atmosphäre im Rest des Filmes interessanterweise nur noch verstärkt. Die Aufmerksamkeit des Zuschauers konzentriert sich dadurch ganz auf die handelnden Personen. Man lauscht mit ihnen zusammen hinaus in die bedrohliche Stille des Nebels, und das plötzliche Auftauchen der Monster wirkt damit nur um so erschreckender.
Das funktioniert natürlich nur deshalb so gut, weil man echte Sympathie für die Eingeschlossenen empfindet. Sie sind ganz normale, "einfache" Leute, die sich ohne Vorwarnung in einer fürchterlichen Situation wiederfinden und irgendwie mit dieser umgehen müssen, während der ständig wachsende Druck der Angst auf ihnen lastet. Im Großen und Ganzen verzichtet der Film auf klischeehafte Zeichnungen und präsentiert uns stattdessen eine Reihe recht markanter Figuren. Den stärksten Eindruck haben zumindest bei mir die alte Lehrerin Irene (Frances Sternhagen) und der stellvertretende Supermarkt-Manager Ollie (Toby Jones) hinterlassen. Erstere wirkt von allen vielleicht am ruhigsten und vernünftigsten, ist mitunter aber auch zu sehr energischen Handlungen fähig. Letzterer macht auf den ersten Blick den Eindruck eines netten, ein wenig spießigen Jedermanns, erweist sich jedoch als derjenige, der nicht nur am geschicktesten mit einer Pistole umzugehen versteht, sondern auch die dafür nötige Kaltblütigkeit besitzt. Am blassesten wirkt hingegen die weibliche Hauptfigur Amanda (Laurie Holden), über die wir relativ wenig erfahren. Vor allem bleibt völlig schleierhaft, warum Mrs. Carmody auf sie einen besonder großen Hass zu haben scheint. Begrüßenswert ist hingegen, dass Darabont ihrer Beziehung zu David im Unterschied zur Kingschen Vorlage keine erotische Dimension verliehen hat. Ich zumindest finde es erfreulich, zur Abwechselung einmal eine starke emotionale Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau gezeigt zu bekommen, die nicht sofort dazu führen muss, dass die beiden miteinander schlafen.
Am problematischsten hingegen ist sicher die Darstellung von Mrs. Carmody, trägt diese doch leicht karrikaturenhafte Züge. Dafür ist sie ohne Zweifel eine wunderbar hassenswerte Gestalt, und das Mitgefühl, das wir ihr anfangs vielleicht noch entgegenbringen (schließlich ist ihr Gerede über Gottes Strafgericht erst einmal nur ihre Methode, mit der Angst umzugehen), wird sehr schnell ins Gegenteil umschlagen.
An einigen Stellen hätte das Drehbuch freilich noch eine letzte Überarbeitung und Glättung vertragen können. Das Verhalten einiger Personen macht nicht immer hundertprozentig Sinn. So etwa, wenn Davids Nachbar ihm nicht glauben will, dass sich Ungeheuer im Nebel verbergen (obwohl es bereits zu mehreren Todesfällen gekommen ist), und dieser, statt ihm den abgeschlagenen Tentakel zu zeigen, der im Nebenraum rumliegt, eine wilde Diskussion mit ihm anfängt. Die willentliche Blindheit des starrköpfigen Rechtsanwalts ist ja vielleicht noch nachvollziehbar (was nicht sein kann, ist nicht!), Davids Reaktion eher weniger.
Doch dies sind kleinere Schwäche. Die wirkliche Problematik liegt an anderer Stelle. So sehr mich der Film auch zu fesseln vermochte, irgendwann sah ich mich doch gezwungen, sozusagen einen Schritt zurückzutreten und mich zu fragen: Was ist der eigentliche Inhalt von The Mist?
Es reicht, ein paar Interviews mit Frank Darabont zu lesen, und man wird sehr schnell merken, dass der Filmemacher eine maßlos übertriebene Vorstellung vom Wert seiner eigenen künstlerischen Arbeit hat. Und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass er auch The Mist als schrecklich tiefgründig und bedeutungsvoll darzustellen versucht hat:
[T]o me it's a throwback to Paddy Chayefsky, it's a throwback to Shakespeare. It's people at each other. It's not so much about the unbelievably cool creatures we've got working in this thing. It's not really about that. What it's really about is fear. What does fear compel people to do? You throw people into the dark. You scare the (expletive) out of them, as this character says at one point, you take all the rules away. Then what? How primitive do people get? It's Lord of the Flies that happens to have some cool monsters in it.
Das mit Shakespeare wollen wir mal gnädig übergehen, aber sobald der Name Lord of the Flies fällt, schrillen bei mir die Alarmglocken. William Goldings Roman ist das klassische Beispiel für ein zutiefst pessimistisches Menschenbild, demzufolge wir alle unter einer dünnen zivilisatorischen Patina irrationale, gewalttätige Barbaren sind. Und man braucht uns bloß in die richtigen Umstände zu versetzen und wir werden uns wieder genau so verhalten, wie es unserer eigentlichen Natur entspricht. Ärgerlicherweise gibt es in The Mist tatsächlich eine kleine Szene, in der uns genau eine solche Interpretation der Ereignisse aufgedrückt wird. Eine Person (Amanda?) erklärt, sie glaube, die Menschen seien im Grunde gut, eine andere erwiedert, dem sei ganz und gar nicht so, man müsse bloß die Regeln aufheben, und schon habe man einen wilden Mob vor sich. Und tatsächlich folgt die Mehrheit der Leute sehr bald der anfangs noch belächelten Fanatikerin und ist nur zu rasch bereit, einige ihrer Mitmenschen zu töten, weil sie hoffen, dadurch dem Zorn Gottes (sprich: den Monstern) entkommen zu können.
Einige Kommentatoren haben hierin einen damals aktuellen gesellschaftspolitischen Subtext erkennen wollen. So schrieb Bloody Disgusting in einer Retrospektive der zwanzig besten Horrorfilme der Jahre 2001-2010:
[W]hat really drives this one home is Darabont’s focus on the divide that forms between two factions of the townspeople – the paranoid, Bible-thumping types led by rabid fundamentalist Mrs. Carmody [...] and the more rational-minded, decidedly left-wing members of the populace. [...] [T]his allegorical microcosm of Bush Jr.-era America is spot on, and elevates an already-excellent film to even greater height.
Stephen Kings Erzählung ist natürlich schon sehr viel älter (sie erschien erstmals 1980 in Dark Forces), und Darabonts Interesse an dem Stoff reicht beinahe ebenso weit zurück. Dennoch dürfte an dieser Interpretation etwas dran sein, zumal eine der Hasspredigten von Mrs. Carmody sehr deutlich an die Rhetorik und Mentalität der christlichen Rechten gemahnt.
Viele mehr oder weniger "linke" Intelektuelle hatten während der Bush-Ära das Gefühl, der religiöse Fundamentalismus sei unaufhaltsam auf dem Vormarsch. Der Konflikt zwischen der christlichen Rechten und den "Liberalen" schien ihnen der alles beherrschende Gegensatz der amerikanischen Gesellschaft zu sein. Natürlich existiert dieser Gegensatz tatsächlich, und er spiegelt auf gewisse Weise den immer heftigeren Klassenkonflikt wider, der die USA auseinanderzureißen droht. Doch tut er dies auf sehr verzerrte Art. Wie die Obama-Administration inzwischen hinlänglich bewiesen hat, lässt sich eine extrem rechte Wirtschafts-, Sozial- und Außenpolitik zumindest momentan noch sehr gut mit einem halbherzigen "Liberalismus" in sekundären, "weltanschaulichen" Fragen vereinbaren. Und wenn man sich anschaut, wie viele der "linken" Kritiker Bushs unter seinem Nachfolger zu mehr oder weniger begeisterten Fürsprechern der US-Regierung geworden sind, zeigt sich daran sehr deutlich, wie gefährlich es war, die Bedeutung des "kulturellen" Konfliktes so maßlos zu überschätzen. Zumal die Einschätzung, die Frontlinie verlaufe zwischen "fanatischen Frömmlern" und "aufgeklärten Liberalen" nicht selten eine ordentliche Dosis elitären Hochmuts gegenüber dem "dummen" Pöbel enthält.
Etwas von all dem findet sich auch in The Mist wieder. Sehr gut lässt sich dies z.B. einem Interview entnehmen, in dem die Schauspieler Parallelen zur Situation in New Orleans während des Hurrikanes Katrina ziehen:
Laurie Holden: "You think about Katrina and what was going on in the Dome. It was incredible who helped who, who was stealing from who. There was violence. They’ve just been through something not as apocalyptic or as scientific, whatever your point of view is, but we’ve been through something that is heinous.”
Thomas Jane: “How many rapes happened in the Dome while people were trapped in that Dome? Disgusting number of rapes were happening and there was even a couple of murders, I think. It’s amazing how quickly people turn into animals.”
Laurie Holden: "Or not always animals, because I don’t think everybody in The Mist turns into an animal, I think that it’s a morality tale of what happens to people under dire circumstances – fear. And some people rise to the occasion, some people become leaders, like your character, and some people become mothers like my character, and some people become religious crusaders like Mrs. Carmody."
Warum mir dieser mögliche Subtext den Film trotzdem nicht ernsthaft vergällen konnte? Ein Gutteil der Antwort steckt bereits in Laurie Holdens Bemerkungen. Ich denke, dass sich The Mist unabhängig von Darabonts Intentionen auch ganz einfach als die Darstellung unterschiedlicher Reaktionsweisen betrachten lässt, die Menschen in einer extremen Krisensituation an den Tag legen, ohne dass man dabei gleich an die "Wahrheit über die menschliche Natur" oder ähnlichen Nonsense denken müsste. Und dass diese verschiedenen Verhaltensformen tatsächlich existieren, steht ja außer Frage. Einerseits können wir immer wieder erleben, wie Menschen in vergleichbaren Situationen ein großes Maß an Solidarität, Selbstlosigkeit und Heroismus entwickeln. Andererseits kann es aber auch zu antisozialem Verhalten oder zu Ausbrüchen von Mobmentalität kommen. Warum Einzelne oder ganze Gruppen sich so oder so verhalten, hängt sicher von einer ganzen Reihe von Faktoren ab – persönlichen, kulturellen, gesellschaftlichen. In The Mist werden uns beide Varianten vorgeführt, aber ich wüsste nicht, warum wir eine von ihnen unbedingt zur Grundlage für ein allgemeines Urteil über "die Menschen" machen müssten, selbst wenn der Film uns dies nahezulegen versucht.
Und so bleibt es für mich dabei: Dank sympathischer und lebendiger Charaktere, einer unheimlichen und bedrückenden Atmosphäre sowie einiger wunderbar grotesker Monster ist The Mist ein wirklich sehenswerter Horrorstreifen, den man freilich nicht so ernst nehmen sollte, wie sein Schöpfer das gerne hätte.
Allerdings wäre keine Besprechung dieses Films vollständig, die nicht wenigstens ganz kurz auf das Ende eingehen würde. Keine Angst, ich verzichte auf Spoiler. Es sei nur so viel gesagt, dass das Finale ungemein bitter ist und mit einer ganzen Reihe der ungeschriebenen Gesetze des amerikanischen Blockbusterkinos bricht. Allerdings hat es mich nicht so stark erschüttert wie viele der Blackdoger. Der Grund hierfür mag darin liegen, dass ich das Gefühl hatte, Darabont habe diese letzte fiese Wendung in erster Linie vollzogen, um seinem Film damit den Anschein des Unkonventionellen zu geben und Zuschauer wie Kritiker zu beeindrucken. Die Wendung ist ohne Zweifel sehr effektvoll, aber sie ergibt sich nicht aus der Logik der Geschichte. So gesehen ist sie überflüssig und besitzt deshalb den Beigeschmack eines cleveren Zynismus.
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