There were three disappearances by loss in the Isle of Britain.
The first were Gavran and his men, who went in search of the Green Islands of the floods, and were never heard of after.
The second were Merddin the bard of Emrys, and his nine attendant bards, who went to sea in a house of glass, and the place where they went is unknown.
The third was Madog the son of Owain king of North Wales, who went to sea with three hundred persons in ten ships, but the place to which they went is unknown.
So heißt es in der zehnten der Trioedd Ynys Prydein ("Triaden der Insel Britannien"), wie sie William Probert im Anhang zu seinem The Ancient Laws of Cumbria übersetzt hat. Es war dieses Stück mittelalterlicher walisischer Literatur, das H. Warner Munn dazu inspirierte, seinen ersten Fantasyroman King of the World's Edge zu schreiben, der in serialisierter Form von September bis Dezember 1939 in Weird Tales veröffentlicht wurde. Wie er 1978 in einem Gespräch mit der befreundeten Autorin und Herausgeberin Jessica Amanda Salmonson erzählte:
Munn erzählte später, Lovecraft habe ihm umgehend eine "congratulatory note" zukommen lassen, über deren Inhalt wir aber nichts genaueres wissen. Jahre später erklärte der alte Gentleman jedenfalls in einem Brief an Robert Bloch, dass Munns Geschichte nicht wirklich das gewesen wäre, was er im Auge gehabt hatte:
Ungefähr ab 1934 begann H. Warner Munn dann, sich aus dem Kreis der Pulpster zurückzuziehen. Lovecraft wartete oft vergeblich auf eine Antwort, mit Cook kam es zu einem offenen Überwürfnis und ganz allgemein scheint der Schriftsteller auf Distanz zur "Szene" gegangen zu sein. Die Gründe dafür bleiben rätselhaft.
Auch wenn er in seinen Briefen an Munn stets nur aufmunternde Worte für dessen literarische Unternehmungen übrig hatte, war Lovecraft in Wahrheit nicht wirklich begeistert von dem, was der Freund zu Papier brachte. Für ihn stand das alles zu sehr in den Traditionen der "swashbuckling romance" und des "cloak & swordism". Als wäre das was schlechtes! Für mich ein Grund mehr, einmal einen Blick in sein Werk zu werfen ...
Der eigentliche Erzähler ist der romanisierte Brite Ventidius Varro, Centurio in der VI. Legion "Victrix", der letzten Armee, die das Imperium vor einer Generation auf der Insel zurückgelassen hat. Sein Bericht beginnt mit einem kurzen Überblick über die Regentschaft Arthurs, der das Erbe Roms noch einmal gegen die barbarischen Sachsen zu verteidigen versucht. Munn bedient sich dabei vor allem bei der altkymrischen Überlieferung und der Historia Regum Britanniae des Geoffrey of Monmouth, fügt dem aber auch eine {zumindest für mich} originelle Version der Geschichte um Gwenhyvar (Guinevra) und Lanceloc (Lancelot) bei. Schließlich kommt es zu Medrawds (Mordreds) Verrat und zur Schlacht von Camlan, mit der das Reich Arthurs untergeht. Ventidius wird Zeuge der berühmten "Sterbeszene" des Königs, wenn Sir Bedwyr (Bedivere) Caliburn (Excalibur) in einem nahen See versenken soll. Doch dann taucht Myrdhinn (Merlin) auf und versetzt den tödlich verwundeten Arthur in eine Art magisches Koma, aus dem dieser erst in ferner Zukunft wieder erwachen werde. Man zieht nach Lyonesse, doch der Landstrich ist im Meer versunken, wofür Myrdhinns Gattin Vivienne, die Herrin vom See, verantwortlich ist. An der neuentstandenen Küste errichtet der Zauberer eine letzte Ruhestätte für den "Once and Future King".
Myrdhin wird als Vertreter einer Übergangszeit und als Bewahrer uralten Wissens beschrieben:
Nachdem ein Teil der Mannen mit Sir Bedwyr losgezogen ist, um erneut Widerstand gegen die Sachsen zu organisieren, übernimmt Myrdhinn die Führung über den Rest. Er hält Britannien für verloren, doch möglicherweise ließe sich jenseits des Ozeans eine Zuflucht finden. Durch seinen Mund zitiert Munn eine Reihe antiker und frühmittelalterlicher Gewährsleute für die Existenz eines Kontinents im Westen – von Theopompus bis Sankt Brendan. Und so sticht man schließlich von Isca Silurum aus mit dem gewaltigen Kriegsschiff Prydwen in See, dessen im Sonnenlicht funkelnde Panzerung ihm den Beinamen "House of Glass" eingebracht hat.
Und so entstand eine kuriose Mixtur aus Pseudohistorie und Fantasy, die bei aller Fantasterei doch auch immer wieder zeigt, wie wichtig für Munn die Recherche geschichtlicher und kultureller Details war. Denn wie er selbst sagte: "Any fantasy should have a good sound basis of fact".I'd read one of the Welsh triads in which Merlin is mentioned as sailing away in a house of glass with his nine bards, & was never heard of again. Well, there was only one place that he could sail, westward, from where he was. Westward to America.
Geboren am 5. November 1903 in Athol (Massachusetts) wuchs Harold Warner Munn in einem literarisch interessierten Umfeld auf. Seine Großmutter korrespondierte mit Jules Verne und H. G. Wells, und der Schrifsteller behauptete später, er selbst habe schon im Alter von sieben Jahren über hundert Bücher gelesen, u.a. die Bibel, Victor Hugos Les Miserables und Robert Burtons The Anatomy of Melancholy.* Eine weitere frühe Inspiration sei eine Sammlung alter Predigten eines Vorfahren aus dem geistlichen Stand gewesen:***
I was impressed when I read those because they were not dry reading like most sermons naturally would be. Rather, I think he had a vivid imagination. in some of them, he harks back to the time of the puritans. Hell was a lot hotter in those days. Some of those sermons were really scary. I guess imagination ran in the family. It comes out in strange places.
Wann genau H. Warner Munn beschloss, es selbst einmal mit der Schriftstellerei zu versuchen, entzieht sich meiner Kenntnis. Seine ersten Veröffentlichungen waren wohl einige Gedichte, doch dann stieß er in der Märzausgabe 1924 von Weird Tales auf einen Leserbrief von H. P. Lovecraft, in dem dieser die Einfallslosigkeit konventioneller phantastischer Geschichten beklagte:
Als Beispiel für das, was ihm selbst vorschwebte, präsentierte der Gentleman von Providence folgende Idee:Popular authors do not and apparently cannot appreciate the fact that true art is obtainable only by rejecting normality and conventionality in toto, and approaching a theme purged utterly of any usual or preconceived point of view. Wild and "different" as they may consider their quasi-weird products, it remains a fact that the bizarrerie is on the surface alone; and that basically they reiterate the same old conventional values and motives and perspectives. Good and evil, teleological illusion, sugary sentiment, anthropocentric psychology – the usual superficial stock in trade, and all shot through with the eternal and inescapable commonplace.
Also setzte sich Munn an seine Schreibmaschine {oder zückte seinen Füllfederhalter} und schrieb The Werewolf of Ponkert. Die Geschichte eroberte auf Anhieb den begehrten Platz der Cover-Story als sie im Juli 1925 im "Unique Magazine" veröffentlicht wurde. In derselben Ausgabe erschien übrigens auch Robert E. Howards Debüt Spear and Fang.Take a werewolf story, for instance – who ever wrote one from the point of view of the wolf, and sympathizing strongly with the devil to whom he has sold himself?
Munn erzählte später, Lovecraft habe ihm umgehend eine "congratulatory note" zukommen lassen, über deren Inhalt wir aber nichts genaueres wissen. Jahre später erklärte der alte Gentleman jedenfalls in einem Brief an Robert Bloch, dass Munns Geschichte nicht wirklich das gewesen wäre, was er im Auge gehabt hatte:
Doch wie dem auch sei, jedenfalls kam es dank der Vermittlung ihres gemeinsamen Freundes W. Paul Cook ungefähr zwei Jahre später zu einer ersten persönlichen Begegnung in Providence. Es entwickelte sich eine Freundschaft, die sich in einem eifrigen Briefwechsel und regelmäßigen gegenseitigen Besuchen niederschlug. Zur selben Zeit baute Munn auf dem Fundament seines Debüts eine ganze Saga von Werwolfgeschichten auf, die seinen hauptsächlichsten Beitrag zu Weird Tales darstellt. Daneben schrieb er aber auch einige eigenständige Horrorstories wie The City of Spiders (1926) und The Wheel (1933).[He] thought he was following out my idea when he wrote his “Werewolf of Ponkert” (told by a man who was involuntarily became a werewolf, & who regrets his nocturnal deeds), but in reality he wholly missed it. His sympathies were still with mankind – whereas I called for sympathies wholly disassociated from mankind & perhaps violently hostile to it.***
Ungefähr ab 1934 begann H. Warner Munn dann, sich aus dem Kreis der Pulpster zurückzuziehen. Lovecraft wartete oft vergeblich auf eine Antwort, mit Cook kam es zu einem offenen Überwürfnis und ganz allgemein scheint der Schriftsteller auf Distanz zur "Szene" gegangen zu sein. Die Gründe dafür bleiben rätselhaft.
Auch wenn er in seinen Briefen an Munn stets nur aufmunternde Worte für dessen literarische Unternehmungen übrig hatte, war Lovecraft in Wahrheit nicht wirklich begeistert von dem, was der Freund zu Papier brachte. Für ihn stand das alles zu sehr in den Traditionen der "swashbuckling romance" und des "cloak & swordism". Als wäre das was schlechtes! Für mich ein Grund mehr, einmal einen Blick in sein Werk zu werfen ...
King of the World's Edge beginnt mit einer Rahmenhandlung, in der ein Weltkriegsveteran auf Key West einen antiken bronzenen Zylinder findet und zu einem Lokalhistoriker bringt. Dieser entdeckt im Inneren "a tightly rolled bundle of parchment", auf dem in simplem Soldatenlatein ein seeeehr langer Brief an den römischen Kaiser zu lesen ist. Richtig geraten – unser Roman.***
Der eigentliche Erzähler ist der romanisierte Brite Ventidius Varro, Centurio in der VI. Legion "Victrix", der letzten Armee, die das Imperium vor einer Generation auf der Insel zurückgelassen hat. Sein Bericht beginnt mit einem kurzen Überblick über die Regentschaft Arthurs, der das Erbe Roms noch einmal gegen die barbarischen Sachsen zu verteidigen versucht. Munn bedient sich dabei vor allem bei der altkymrischen Überlieferung und der Historia Regum Britanniae des Geoffrey of Monmouth, fügt dem aber auch eine {zumindest für mich} originelle Version der Geschichte um Gwenhyvar (Guinevra) und Lanceloc (Lancelot) bei. Schließlich kommt es zu Medrawds (Mordreds) Verrat und zur Schlacht von Camlan, mit der das Reich Arthurs untergeht. Ventidius wird Zeuge der berühmten "Sterbeszene" des Königs, wenn Sir Bedwyr (Bedivere) Caliburn (Excalibur) in einem nahen See versenken soll. Doch dann taucht Myrdhinn (Merlin) auf und versetzt den tödlich verwundeten Arthur in eine Art magisches Koma, aus dem dieser erst in ferner Zukunft wieder erwachen werde. Man zieht nach Lyonesse, doch der Landstrich ist im Meer versunken, wofür Myrdhinns Gattin Vivienne, die Herrin vom See, verantwortlich ist. An der neuentstandenen Küste errichtet der Zauberer eine letzte Ruhestätte für den "Once and Future King".
Myrdhin wird als Vertreter einer Übergangszeit und als Bewahrer uralten Wissens beschrieben:
[H]e was a foundling brought up in childhood by Druids who still keep up their ancient practices in Cambria, and taught by them their mystical lore, though he in later life embraced Christianity. Druidism warred in his heart with Christian tenets.Viele der Wundertaten, die er im Laufe der Erzählung vollbringt, sollen wohl eine "naturwissenschaftliche" Grundlage besitzen, welche mal mehr, mal weniger klar angedeutet wird. Doch daneben ist der alte Weise auch zu "echter" Magie fähig, die er allerdings nur zögerlich anwendet, da er um sein Seelenheil fürchtet.
It is welll known that the sages of antiquity possessed knowledge lost to us in these times of decadence, and locked fast in Myrdhinn's brain were many secrets, including that of prolonged life.
Nachdem ein Teil der Mannen mit Sir Bedwyr losgezogen ist, um erneut Widerstand gegen die Sachsen zu organisieren, übernimmt Myrdhinn die Führung über den Rest. Er hält Britannien für verloren, doch möglicherweise ließe sich jenseits des Ozeans eine Zuflucht finden. Durch seinen Mund zitiert Munn eine Reihe antiker und frühmittelalterlicher Gewährsleute für die Existenz eines Kontinents im Westen – von Theopompus bis Sankt Brendan. Und so sticht man schließlich von Isca Silurum aus mit dem gewaltigen Kriegsschiff Prydwen in See, dessen im Sonnenlicht funkelnde Panzerung ihm den Beinamen "House of Glass" eingebracht hat.
Mit der Küste von Wales lässt der Roman auch das arthurische Element weitgehend hinter sich. Zwar wird später noch einmal kurz der legendäre "Mantel Arthurs" (Llen Arthyr), einer der in Culhwch ac Olwen erwähnten "Dreizehn Schätze Britanniens", der seinem Träger Unsichtbarkeit verleiht, als Gimmick aus dem Hut gezaubert, aber davon abgesehen gibt es kaum mehr Bezüge zu diesem Sagenkreis. Und dass obwohl Myrdhinn eine der Hauptfiguren bleibt. Doch der Erzähler Ventidius sieht sich und seine Gefährten in erster Linie als Vertreter Roms, nicht Britanniens.
Munn war ein großer Bewunderer von Jules Verne, und vor allem im ersten Viertel des Romans, das die Überfahrt über den Atlantik schildert, beweist er selbst sein Talent als Erzähler einer klassisch anmutenden Reise- und Entdeckergeschichte. Abgesehen von einer Meuterei unter den sächsischen Sklaven, die dank Myrdhinns diplomatischem Geschick mit deren Freilassung endet, kommt es dabei zu keinerlei gewalttätiger Action. Stattdessen bekommen wir u.a. Ventidius' Schilderung fremdartiger Tiere zu lesen, bei denen es sich offensichtlich um Haie und Wale handelt. Interessanterweise werden in demselben Zusammenhang die zeitgenössischen Berichte über fantastischere Meeresungeheuer wie den Riesenfisch Jasconye als Märchen abgetan. Schließlich erreicht man die Küste von "Brandon's Isle" (Kuba), wo man freundschaftlichen Kontakt zu dem dort lebenden Volk aufnimmt. Angesichts des bis hierhin eher "realistisch" gehaltenen Tonfalls mutet es überraschend an, wenn wir wenig später von monströsen Fischmenschen à la "Creature from the Black Lagoon" erzählt bekommen, die in den Sümpfen von Florida hausen. Doch ist diese Episode im Grunde nur ein kleiner Schlenker am Rande, denn nachdem die Prydwen während eines Hurrikanes auf Grund gelaufen ist, beginnt das eigentliche Abenteuer, in dem Monster & Magie auch weiterhin nur eine sehr untergeordnete Rolle spielen.
Der Schiffbruch ist zugleich der Punkt, an dem Ventidius spontan die Führung an sich zu reißen beginnt. Nun, wo's hart auf hart kommt, braucht die Gruppe der Überlebenden einen pragmatisch denkenden Soldaten und keinen weisen Gelehrten an der Spitze. Freilich ist der Legionär selbst nicht ganz glücklich über diese Entwicklung:
Kaum den wütenden Wogen des Meeres entkommen, werden die Schiffbrüchigen auch schon von einem Trupp kriegerischer "Eingeborener" gefangen genommen und in ein Fort im Landesinneren gebracht, das Teil des großen Imperiums von Tlapallan ist.
H. Warner Munns fiktives Amerika "Alata" bildet für mich den vielleicht faszinierendsten Teil des Romans. Die Fischmenschen von Florida hätten den Eindruck erwecken können, dass wir es in der Folge mit einem typischen "Lost Race" - Szenario zu tun bekommen würden. Doch dem ist nicht der Fall. Zwar ist meine Kenntnis der präkolumbischen Geschichte Amerikas und seiner zahlreichen Völker und Kulturen leider sehr beschränkt, doch auch mir wurde schon bald klar, dass in die Schilderung von "Alata" umfangreiche Recherchearbeit eingeflossen sein muss. Nicht dass Munn versucht hätte, ein wirklich realistisches Bild davon zu zeichnen, wie Amerika im 5./6. Jahrhundert ausgesehen haben könnte. In historisch-chronologischer Hinsicht ebenso wie in der geographischen Verteilung der verschiedenen Völkerschaften stellt sein "Alata" vielmehr eine wüste Mixtur dar. Aber zugleich steckt die Erzählung voller realgeschichtlicher Details und Anspielungen, was zu einer ganz eigenartigen Atmosphäre führt.
So liegt Tlapallan zwar nordwestlich von Florida, doch der Name dürfte vom Tillan-Tlapallan der aztekischen Mythologie – dem Ort, an dem Quetzalcoatl stirbt und sich in den Morgenstern verwandelt – abgeleitet worden sein, was am Ende der Erzählung sogar Sinn macht. Die herrschende Volksgruppe des Imperiums, die Mias, hingegen sind ganz offensichtlich Proto-Mayas. Nicht nur trägt ihr Gottkönig den Titel Kukulkan, sie kennen auch die für die Mayas typische kulturelle Praxis der künstlichen Schädeldeformation. Zugleich jedoch werden sie mit den "Mound Builders" identifiziert, und die "City of the Snake", zu der unsere Helden schließlich gebracht werden, liegt am Oberlauf des Ohio River und ist dem Vorbild des dortigen Serpent Mound nachgebildet. Außerdem unterhalten die Mias Kupferminen an den Großen Seen – gleichfalls eine Anspielung auf die reale präkolumbische Geschichte Amerikas. Die Götter, die sie verehren – Ciacoatl und Mixcoatl –, sind dagegen wiederum aztekischer Herkunft. Und das ist erst der Anfang.
King of the World's Edge ist ein Pulproman der 30er Jahre, also wird es nicht verwundern, dass die Beschreibung der "Eingeborenen" nicht frei von rassistischen Klischees ist. Nicht zufällig bekommen wir gleich nach dem ersten Auftauchen der Tlapallicos eine Skalpier-Szene vorgesetzt.**** Dennoch werden die Mias nicht einfach als Barbaren geschildert. So führt z.B. einer ihrer Ärzte eine recht beeindruckende Schädeloperation durch. Auch betont Ventidius mehrfach die große Disziplin, auf der Macht und Zusammenhalt ihres weitgespannten Imperiums basieren. Freilich handelt es sich dabei um die Diszplin einer extrem unmenschlichen Sklavenhaltergesellschaft. Und selbstverständlich spielen blutrünstige Menschenopfer mit herausgeschnittenen Herzen eine große Rolle.
Der Krieger Hayonwatha seinerseits entspricht eher dem Typus des "Edlen Wilden". Beeindruckt von Mut und Ehrenhaftigkeit unseres Helden schließt er schon bald mit diesem Blutsbrüderschaft und erweist sich in der Folge als treuer Kamerad und wichtiger Verbündeter. Soweit eine geläufige Figur derartiger Abenteuergeschichten, doch wie ich erst im Nachhinein festgestellt habe, handelt es sich bei ihm eigentlich um eine halbmythische Gestalt aus der Überlieferung der Irokesen.
Was uns zum nächsten großen Abschnitt in unserer Erkundung von "Alata" führt. Nachdem unsere Helden dank einer recht gruseligen Demonstration von Myrdhinns "echter" Magie den Tlapallicos entkommen sind, setzen sie sich nämlich zusammen mit Hayonwatha nordwärts in die wilden Wälder von Chicameca***** ab. Und dort leben fünf Jäger- und Sammlervölker, die bislang stets in nicht enden wollende Stammesfehden untereinander verstrickt waren. Myrhdinn plant nun, sie in einem Bund zu vereinen, damit sie gemeinsam den Tlapallicos die Stirn bieten könnten.
Was wir in Teil III von King of the World's Edge erzählt bekommen, ist im Grunde eine ins 5. Jahrhundert zurückverlegte Version der Gründung der Irokesen-Föderation, inklusive der korrekten Stammesbezeichnungen. Das fand ich einerseits ziemlich faszinierend, hinterließ andererseits aber auch einen etwas üblen Nachgeschmack. Schlüpft dabei doch mit Myrdhinn ein weißer Mann in die Rolle des "Großen Friedensstifters" Deganawida. Was vielleicht auch erklärt, warum ich bei der Sonnenfinsternis, die er ausnutzt, um die Stämme zu vereinigen, spontan an die entsprechende Szene aus Mark Twains A Connecticut Yankee in King Arthur's Court denken musste. Tatsächlich ist sie jedoch Teil der authentischen Überlieferung der Irokesen.
Auf jedenfall beginnt spätestens an diesem Punkt die denn doch stark kolonialistisch anmutende Erzählung vom "weißen Mann", der sich dank seiner zivilisatorischen Überlegenheit unter den "Wilden" ein eigenes Reich aufbaut.
Dabei ist Myrdhinns "Nation Building" bei den Irokesen noch der harmlosere Teil. Als man nämlich auf Initiative des Zauberers eine Expedition in den Westteil von "Alata" unternimmt, in der vagen Hoffnung dort das Irdische Paradies zu finden, stößt man stattdessen auf ein primtives Volk von Proto-Azteken. Ventidius erkennt in diesem sofort das geeignete Menschenmaterial, um ein militaristisch-diszipliniertes Imperium nach dem Vorbild Roms zu kreieren. Zu diesem Zweck organisiert er nicht nur eine gut gedrillte Legion******, führt das mesoamerikanische "Schwert" Macuahuitl ein und schafft neue Ränge und gesellschaftliche Hierarchien, sondern stiftet sogar eine eigene Religion. Und während Myrdhinn stets bemüht ist, den Völkern von "Alata" die christlichen Ideale von Brüderlichkeit und Barmherzigkeit zu vermitteln, hält der Soldat Ventidius eine solche Ethik für ungeeignet, um ein Reich zu schaffen, das fähig wäre, Tlapallan zu erobern und die Herrschaft der Mias zu beenden:
In seiner zynisch-pragmatischen Handlungsweise erscheint unser Held zunehmend fragwürdig, was aber denk ich ganz in H. Warner Munns Absicht lag. Das letzte Viertel des Romans, in dem der große Krieg gegen Tlapallan beschrieben wird, enthält zwar für meinen Geschmack zu viele langgezogene Schlachtszenen, besitzt aber zugleich einen beunruhigenden Vibe, der mich ein klein wenig an gewisse Szenen aus Dune erinnert hat. Gottkönig Ventidius ist zwar am Ziel seiner Wünsche. Seine Legionen mähen reihenweise die kriegstechnisch unterlegenen Tlapallicos nieder. Doch deutet sich dabei an, dass er eine Entwicklung in Gang gesetzt hat, über die er in Wirklichkeit keine volle Kontrolle mehr besitzt. Als seine Anhänger nach dem ersten großen Sieg über die Tlapallicos munter damit beginnen, zu Ehren Huitzilopochtlis die Leichen der Besiegten zu verstümmeln, Herzen aus Brustkörben zu reißen oder sich gar dem Kannibalismus hinzugeben, hat er keine andere Wahl, als das blutige Spektakel leicht betroffen mitanzusehen. Und je länger der Krieg dauert, desto stärker lässt er sich selbst von der allgemeinen Brutalität mitreißen. Am Ende ist es allein Myrdhinns Eingreifen, das ihn davon abhält, Völkermord zu begehen.
Es wäre interessant gewesen, zu erfahren, wie die weitere Geschichte dieses so blutig geborenen und am Ende des Romans immer noch recht instabilen Imperiums ausgesehen hätte. Doch war dies offensichtlich nicht H. Warner Munns Interesse. Das Sequel Ship from Atlantis – das er zwar schon Anfang der 40er schrieb, das aber erst 1967 bei Ace Books erschien – erzählt vielmehr von den Abenteuern, die Ventidius' Sohn Gwalchmai fernab seiner amerikanischen Heimat erlebt. Dasselbe gilt für den dritten Band Merlin's Ring.
* Vgl.: Todd B. Vick: The Coincidental Friendship of H. Warner Munn and H. P. Lovecraft.
** Weird Tales, März 1924, S. 90.
*** Zit. nach: Todd B. Vick.
**** Was Myrdhinn zu dem Kommentar veranlasst: "These folk must be kin to the Skythians." Eine Anspielung auf Herodot, der diesem Steppenvolk vergleichbare Praktiken zugesprochen hatte.
***** Chichimeca ist eine Nahuatl-Bezeichnung für "Barbaren".
****** Ventidius lässt seinen Truppen sogar die alte Adlerstandarte der "Victrix" vorantragen, was die spätere Rolle des Adlers in der aztekischen Heraldik (Eagle Warriors) "erklärt".
Munn war ein großer Bewunderer von Jules Verne, und vor allem im ersten Viertel des Romans, das die Überfahrt über den Atlantik schildert, beweist er selbst sein Talent als Erzähler einer klassisch anmutenden Reise- und Entdeckergeschichte. Abgesehen von einer Meuterei unter den sächsischen Sklaven, die dank Myrdhinns diplomatischem Geschick mit deren Freilassung endet, kommt es dabei zu keinerlei gewalttätiger Action. Stattdessen bekommen wir u.a. Ventidius' Schilderung fremdartiger Tiere zu lesen, bei denen es sich offensichtlich um Haie und Wale handelt. Interessanterweise werden in demselben Zusammenhang die zeitgenössischen Berichte über fantastischere Meeresungeheuer wie den Riesenfisch Jasconye als Märchen abgetan. Schließlich erreicht man die Küste von "Brandon's Isle" (Kuba), wo man freundschaftlichen Kontakt zu dem dort lebenden Volk aufnimmt. Angesichts des bis hierhin eher "realistisch" gehaltenen Tonfalls mutet es überraschend an, wenn wir wenig später von monströsen Fischmenschen à la "Creature from the Black Lagoon" erzählt bekommen, die in den Sümpfen von Florida hausen. Doch ist diese Episode im Grunde nur ein kleiner Schlenker am Rande, denn nachdem die Prydwen während eines Hurrikanes auf Grund gelaufen ist, beginnt das eigentliche Abenteuer, in dem Monster & Magie auch weiterhin nur eine sehr untergeordnete Rolle spielen.
Der Schiffbruch ist zugleich der Punkt, an dem Ventidius spontan die Führung an sich zu reißen beginnt. Nun, wo's hart auf hart kommt, braucht die Gruppe der Überlebenden einen pragmatisch denkenden Soldaten und keinen weisen Gelehrten an der Spitze. Freilich ist der Legionär selbst nicht ganz glücklich über diese Entwicklung:
I felt I had usurped authority, had rebelled against my superior, had made a breach between myself and one whom I respected and feared.Es kommt nie zum vollständigen Bruch, doch das Motiv konkurrierender Weltanschauungen, die von den beiden vertreten werden, wird bis zum Ende immer wieder auftauchen.
Yet it was not my fault if our natures conflicted. I am a practical man, a man of earth and things earthy. Myrdhinn was a man of spirit [...]
Kaum den wütenden Wogen des Meeres entkommen, werden die Schiffbrüchigen auch schon von einem Trupp kriegerischer "Eingeborener" gefangen genommen und in ein Fort im Landesinneren gebracht, das Teil des großen Imperiums von Tlapallan ist.
H. Warner Munns fiktives Amerika "Alata" bildet für mich den vielleicht faszinierendsten Teil des Romans. Die Fischmenschen von Florida hätten den Eindruck erwecken können, dass wir es in der Folge mit einem typischen "Lost Race" - Szenario zu tun bekommen würden. Doch dem ist nicht der Fall. Zwar ist meine Kenntnis der präkolumbischen Geschichte Amerikas und seiner zahlreichen Völker und Kulturen leider sehr beschränkt, doch auch mir wurde schon bald klar, dass in die Schilderung von "Alata" umfangreiche Recherchearbeit eingeflossen sein muss. Nicht dass Munn versucht hätte, ein wirklich realistisches Bild davon zu zeichnen, wie Amerika im 5./6. Jahrhundert ausgesehen haben könnte. In historisch-chronologischer Hinsicht ebenso wie in der geographischen Verteilung der verschiedenen Völkerschaften stellt sein "Alata" vielmehr eine wüste Mixtur dar. Aber zugleich steckt die Erzählung voller realgeschichtlicher Details und Anspielungen, was zu einer ganz eigenartigen Atmosphäre führt.
So liegt Tlapallan zwar nordwestlich von Florida, doch der Name dürfte vom Tillan-Tlapallan der aztekischen Mythologie – dem Ort, an dem Quetzalcoatl stirbt und sich in den Morgenstern verwandelt – abgeleitet worden sein, was am Ende der Erzählung sogar Sinn macht. Die herrschende Volksgruppe des Imperiums, die Mias, hingegen sind ganz offensichtlich Proto-Mayas. Nicht nur trägt ihr Gottkönig den Titel Kukulkan, sie kennen auch die für die Mayas typische kulturelle Praxis der künstlichen Schädeldeformation. Zugleich jedoch werden sie mit den "Mound Builders" identifiziert, und die "City of the Snake", zu der unsere Helden schließlich gebracht werden, liegt am Oberlauf des Ohio River und ist dem Vorbild des dortigen Serpent Mound nachgebildet. Außerdem unterhalten die Mias Kupferminen an den Großen Seen – gleichfalls eine Anspielung auf die reale präkolumbische Geschichte Amerikas. Die Götter, die sie verehren – Ciacoatl und Mixcoatl –, sind dagegen wiederum aztekischer Herkunft. Und das ist erst der Anfang.
King of the World's Edge ist ein Pulproman der 30er Jahre, also wird es nicht verwundern, dass die Beschreibung der "Eingeborenen" nicht frei von rassistischen Klischees ist. Nicht zufällig bekommen wir gleich nach dem ersten Auftauchen der Tlapallicos eine Skalpier-Szene vorgesetzt.**** Dennoch werden die Mias nicht einfach als Barbaren geschildert. So führt z.B. einer ihrer Ärzte eine recht beeindruckende Schädeloperation durch. Auch betont Ventidius mehrfach die große Disziplin, auf der Macht und Zusammenhalt ihres weitgespannten Imperiums basieren. Freilich handelt es sich dabei um die Diszplin einer extrem unmenschlichen Sklavenhaltergesellschaft. Und selbstverständlich spielen blutrünstige Menschenopfer mit herausgeschnittenen Herzen eine große Rolle.
Der Krieger Hayonwatha seinerseits entspricht eher dem Typus des "Edlen Wilden". Beeindruckt von Mut und Ehrenhaftigkeit unseres Helden schließt er schon bald mit diesem Blutsbrüderschaft und erweist sich in der Folge als treuer Kamerad und wichtiger Verbündeter. Soweit eine geläufige Figur derartiger Abenteuergeschichten, doch wie ich erst im Nachhinein festgestellt habe, handelt es sich bei ihm eigentlich um eine halbmythische Gestalt aus der Überlieferung der Irokesen.
Was uns zum nächsten großen Abschnitt in unserer Erkundung von "Alata" führt. Nachdem unsere Helden dank einer recht gruseligen Demonstration von Myrdhinns "echter" Magie den Tlapallicos entkommen sind, setzen sie sich nämlich zusammen mit Hayonwatha nordwärts in die wilden Wälder von Chicameca***** ab. Und dort leben fünf Jäger- und Sammlervölker, die bislang stets in nicht enden wollende Stammesfehden untereinander verstrickt waren. Myrhdinn plant nun, sie in einem Bund zu vereinen, damit sie gemeinsam den Tlapallicos die Stirn bieten könnten.
Was wir in Teil III von King of the World's Edge erzählt bekommen, ist im Grunde eine ins 5. Jahrhundert zurückverlegte Version der Gründung der Irokesen-Föderation, inklusive der korrekten Stammesbezeichnungen. Das fand ich einerseits ziemlich faszinierend, hinterließ andererseits aber auch einen etwas üblen Nachgeschmack. Schlüpft dabei doch mit Myrdhinn ein weißer Mann in die Rolle des "Großen Friedensstifters" Deganawida. Was vielleicht auch erklärt, warum ich bei der Sonnenfinsternis, die er ausnutzt, um die Stämme zu vereinigen, spontan an die entsprechende Szene aus Mark Twains A Connecticut Yankee in King Arthur's Court denken musste. Tatsächlich ist sie jedoch Teil der authentischen Überlieferung der Irokesen.
Auf jedenfall beginnt spätestens an diesem Punkt die denn doch stark kolonialistisch anmutende Erzählung vom "weißen Mann", der sich dank seiner zivilisatorischen Überlegenheit unter den "Wilden" ein eigenes Reich aufbaut.
Dabei ist Myrdhinns "Nation Building" bei den Irokesen noch der harmlosere Teil. Als man nämlich auf Initiative des Zauberers eine Expedition in den Westteil von "Alata" unternimmt, in der vagen Hoffnung dort das Irdische Paradies zu finden, stößt man stattdessen auf ein primtives Volk von Proto-Azteken. Ventidius erkennt in diesem sofort das geeignete Menschenmaterial, um ein militaristisch-diszipliniertes Imperium nach dem Vorbild Roms zu kreieren. Zu diesem Zweck organisiert er nicht nur eine gut gedrillte Legion******, führt das mesoamerikanische "Schwert" Macuahuitl ein und schafft neue Ränge und gesellschaftliche Hierarchien, sondern stiftet sogar eine eigene Religion. Und während Myrdhinn stets bemüht ist, den Völkern von "Alata" die christlichen Ideale von Brüderlichkeit und Barmherzigkeit zu vermitteln, hält der Soldat Ventidius eine solche Ethik für ungeeignet, um ein Reich zu schaffen, das fähig wäre, Tlapallan zu erobern und die Herrschaft der Mias zu beenden:
[F]rom priests ordained by myself (who know nothing of priestcraft), was being preached a new religion, worthy of a fighting people, the Children of Destiny.Kein Wunder, dass Ventidius selbst schließlich zum Kriegsgott Huitzilopochtli erklärt wird.
In seiner zynisch-pragmatischen Handlungsweise erscheint unser Held zunehmend fragwürdig, was aber denk ich ganz in H. Warner Munns Absicht lag. Das letzte Viertel des Romans, in dem der große Krieg gegen Tlapallan beschrieben wird, enthält zwar für meinen Geschmack zu viele langgezogene Schlachtszenen, besitzt aber zugleich einen beunruhigenden Vibe, der mich ein klein wenig an gewisse Szenen aus Dune erinnert hat. Gottkönig Ventidius ist zwar am Ziel seiner Wünsche. Seine Legionen mähen reihenweise die kriegstechnisch unterlegenen Tlapallicos nieder. Doch deutet sich dabei an, dass er eine Entwicklung in Gang gesetzt hat, über die er in Wirklichkeit keine volle Kontrolle mehr besitzt. Als seine Anhänger nach dem ersten großen Sieg über die Tlapallicos munter damit beginnen, zu Ehren Huitzilopochtlis die Leichen der Besiegten zu verstümmeln, Herzen aus Brustkörben zu reißen oder sich gar dem Kannibalismus hinzugeben, hat er keine andere Wahl, als das blutige Spektakel leicht betroffen mitanzusehen. Und je länger der Krieg dauert, desto stärker lässt er sich selbst von der allgemeinen Brutalität mitreißen. Am Ende ist es allein Myrdhinns Eingreifen, das ihn davon abhält, Völkermord zu begehen.
Es wäre interessant gewesen, zu erfahren, wie die weitere Geschichte dieses so blutig geborenen und am Ende des Romans immer noch recht instabilen Imperiums ausgesehen hätte. Doch war dies offensichtlich nicht H. Warner Munns Interesse. Das Sequel Ship from Atlantis – das er zwar schon Anfang der 40er schrieb, das aber erst 1967 bei Ace Books erschien – erzählt vielmehr von den Abenteuern, die Ventidius' Sohn Gwalchmai fernab seiner amerikanischen Heimat erlebt. Dasselbe gilt für den dritten Band Merlin's Ring.
* Vgl.: Todd B. Vick: The Coincidental Friendship of H. Warner Munn and H. P. Lovecraft.
** Weird Tales, März 1924, S. 90.
*** Zit. nach: Todd B. Vick.
**** Was Myrdhinn zu dem Kommentar veranlasst: "These folk must be kin to the Skythians." Eine Anspielung auf Herodot, der diesem Steppenvolk vergleichbare Praktiken zugesprochen hatte.
***** Chichimeca ist eine Nahuatl-Bezeichnung für "Barbaren".
****** Ventidius lässt seinen Truppen sogar die alte Adlerstandarte der "Victrix" vorantragen, was die spätere Rolle des Adlers in der aztekischen Heraldik (Eagle Warriors) "erklärt".