"Außerdem studierte er abstruse Bücher, die aus chaldäischen Bibliotheken
gestohlen worden waren, wenn Fafhrd auch aus langer Erfahrung wusste,
dass der Mausling selten über das Vorwort hinauskaum (obwohl er oft die
letzten Kapitel aufrollte und neugierig hineinschaute und beißende Kritik
äußerte)."

Fritz Leiber, Das Spiel des Adepten


Montag, 31. Dezember 2018

"Die Zeit ist aus den Fugen"

"Die ganze Welt, dachte er, ist durchsichtig.
Ich bin drinnen und sehe nach draußen.
Ich spähe durch einen Schlitz und sehe Leere."

Vor gut zwei Wochen konnten wir am 16. Dezember den 90. Geburtstag des großartigen, ewig faszinierenden Philip K. Dick feiern.
Schnell erwies es sich als unmöglich, termingerecht einen Jubiläumsbeitrag fertigzustellen. Die Weihnachtszeit ist im Einzelhandel halt alles andere als besinnlich. Auch stattete mir der Schwarze Hund mal wieder einen kurzen Besuch ab.
Darüberhinaus war ich mir ganz einfach unsicher, ob ich überhaupt über die nötige Kompetenz verfüge, einen allgemeinen Würdigungspost zu verfassen. Zu viele auch seiner wirklich bedeutenden Werke kenne ich nicht aus eigener Leseerfahrung. Zudem bin ich mit zahlreichen Details seiner Biographie unzureichend oder nur sehr oberflächlich-anekdotisch  vertraut – das beginnt mit der turbulenten Geschichte seiner fünf Ehen und endet bei seinem legendären VALIS ("Vast Active Living Intelligence System") - Erlebnis von 1974, jener bizarren, von Halluzinationen begleiteten gnostischen "Erleuchtung", die schließlich zur Abfassung der Exegesis und der VALIS - Romantrilogie führte. Kurz gesagt, mir fehlt so etwas wie ein "umfassender Zugriff" auf Philip K. Dicks Leben und Werk.
Dennoch wollte ich den Anlass für einen kurzen Beitrag nutzen, auch wenn mir schnell klar wurde, dass dieser nicht rechtzeitig fertig werden würde. Schließlich mag ich den guten PKD sehr.  Also beschloss ich, wieder einmal Time Out of Joint (Zeit aus den Fugen) in der Übersetzung von Gerd Burger & Barbara Krohn zu lesen. Der Roman zählt wohl nicht zu den bekanntesten Werken des Autors, wie etwa Do Androids Dream Of Electric Sheep? oder The Man In The High Castle, obwohl manche ihn für Dicks erstes "reiferes" Werk halten, aber seit ich ihn zum ersten Mal vor gut zehn Jahren gelesen habe, besitzt er einen besonderen Platz in meinem Herzen. Würde ich endlich einmal dazu kommen, einen erneuten, etwas ausgedehnteren Trip in die bizarren Welten von PKD zu unternehmen, würde ich vielleicht neue und andere Favoriten entdecken. Doch für den Moment steht er in meiner persönlichen Hitliste immer noch ganz oben.

Das Amerika der 50er Jahre – so scheint es zumindest. Ragle Gumm lebt zusammen mit seiner Schwester Margo und seinem Schwager Vic ein unaufgeregtes Leben in der geordneten, sauberen und sicheren Welt von Suburbia, in der die  Besuche der Nachbarn Bill und Junie Black die einzige Abwechselung im immer gleichen Rhythmus der Wochen und Monate darstellen.
In der beengten Umgebung kleiner Häuser, wo das Auto unter dem Küchenfenster parkt, die Wäsche im Garten hängt, zahllose läppische Besorgungen die Hausfrau beschäftigt halten, bis nichts mehr übrig bleibt, nur noch die Sorge um die Sachen, die erledigt werden müssen, die Sachen, die man fertig haben muss.
Selbst Ragles Geflirte mit der deutlich jüngeren und ziemlich naiven Junie stellt nicht wirklich einen Bruch in dieser kleinbürgerlichen Existenz dar. Allerdings verdient er sich seinen Lebensunterhalt auf eine recht eigenartige Weise, so dass "die Sachen, die erledigt werden müssen", für ihn etwas andere aussehen, als für die Menschen um ihn herum. Während Vic als Abteilungsleiter in einem Supermarkt und Bill bei der Stadtverwaltung arbeitet, löst Ragle Tag für Tag ein Zeitungsrätsel, das daraus besteht, vorherzusehen, in welchem von unzähligen Quadranten "das grüne Männchen auftauchen wird". Eine Aufgabe, in der er der nationale Champion ist und die eine stundelange, konzentrierte Anstrengung erfordert, bei der statistische Berechnungen und Intuition zusammenfließen. Aber auch wenn ihn das zu einer kleineren Berühmtheit gemacht hat, entspricht es wohl doch nicht ganz dem, was man allgemein als eine "echte Arbeit" bezeichnen würde. So gesehen steht Ragle von Anfang an ein wenig außerhalb der normalen Gesellschaft.
Doch ist es nicht das, was sein Leben schließlich aus der Bahn wirft. Vielmehr hat er das wachsende Gefühl, dass mit der ihn umgebenden Welt irgendetwas auf grundlegende Weise nicht stimmt, dass die Realität, die er tagtäglich wahrnimmt, nicht die wahre Realität ist. Gegenstände scheinen sich auf unerklärliche Weise in Luft aufzulösen, und zurück bleibt jedesmal nichts weiter als ein kleiner Zettel mit dem Namen des betreffenden Objektes. Das ließe sich vielleicht noch irgendwie als Halluzination erklären, doch dann findet Ragle in den Ruinen eines ehemaligen Apartmenthauses ein Magazin, das einen Artikel über eine scheinbar weltberühmte Hollywood-Schauspielerin enthält, deren Namen niemand in seiner Familie kennt – eine gewisse Marilyn Monroe. Als dann auch noch Vics und Margos Sohn Sammy mit seinem improvisierten Radioempfänger mysteriöse und beunruhigende Funksprüche auffängt, gelangt Ragle zu der Überzeugung, im Mittelpunkt einer gewaltigen Verschwörung zu stehen. Die Welt, in der er lebt, ist unecht, eine Illusion, geschaffen und aufrecht erhalten, um ihm ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit zu vermitteln. Um ihn zu kontrollieren. Tatsächlich scheinen alle Menschen, denen er begegnet – die wartenden Passagiere am Busbahnhof; der Angestellt einer Tankstelle; der motorisierte Highway-Polizist; die nette Mrs. Kesselman und ihr Sohn –, alles zu tun, um zu verhindern, dass er die Stadt verlässt.
Als ihm mit Hilfe von Vic die Flucht schließlich doch gelingt, findet er sich in einer von Krieg und Unterdrückung geprägten Welt wieder, in der ihm dann endlich auch klar wird, welchem Zweck sein tagtägliches Rätsellösen eigentlich dient.

Philip K. Dick schrieb Time Out Of Joint im Winter 1957/58. Das Buch sollte ihn aus einer finanziellen wie künstlerischen Zwickmühle befreien, in der seit einigen Jahren steckte.
Seit 1955 schrieb er SciFi-Romane für Ace Books, wo Don Wollheim das Gernre eingeführt und das Format der Ace Doubles (zwei Romane [meist von unterschiedlichen Autoren] in einem Band) etabliert hatte. Was dabei herauskam (Solar Lottery, The World Jones Made, The Man Who Japed, Eye in the Sky, The Cosmic Puppets, Dr. Futurity und Vulcan’s Hammer) befriedigte Dick nicht wirklich. Zu stark musste er sich dabei den Klischees des Genres unterwerfen. Auch fühlte er sich durch Wollheims willkürliche Eingriffe und Umarbeitungen gedemütigt. Louis Stathis beschreibt in seinem Vorwort zu Time Out Of Joint Dicks Arbeit für Ace wie folgt:
According to Dick, the scenario went like this: broke and hungry, he would sell Wollheim an idea for a novel – either something off the top of his head, or an old story published in a SF magazine that he would propose expanding into Ace Double length, 40-50,000 words. The check would arrive (usually a thousand or fifteen hundred bucks), and Dick would launch himself into batting the thing out (in those days, Dick routinely dosed himself to the eyeballs on amphetamines in order to write). By the time the book was done and sent off to Ace, the money he’d gotten for the thing was long gone (apparently, Dick never got royalties beyond the advance from Ace back then, no matter how well the book seemed to sell), and he’d have to start the cycle all over again.
Parallel dazu verfasste Dick eine ganze Reihe nicht-phantastischer Romane, die jedoch keinen Abnehmer fanden. Als sich dieser Fluchtweg als offenbar hoffnungslos erwies, beschloss er, ein Buch zu schreiben, dass Wollheim unter Garantie hassen und ablehnen, zugleich aber genug SF-Elemente enthalten würde, um es anderswo unterbringen zu können: Time Out Of Joint. Tatsächlich hielt der gute Don das Werk für "unveröffentlichbar" und forderte eine massive Überarbeitung, die den SciFi-Anteil zu Gunsten der 50er Jahre - Geschichte stark aufgestockt hätte. Doch glücklicherweise hatte Dick zu diesem Zeitpunkt bereits eine Zusage von dem Verlag J.P. Lippincott & Co erhalten, wo der Roman im Frühjahr 1959 als seine erste Hardcover-Veröffentlichung erschien. Die Bezahlung war zwar noch schlechter als bei Ace – scheinbar erhielt er bloß $750 –, dennoch war Dick überglücklich, schien er doch endlich einen Ausweg aus seinem Dilemma gefunden zu haben. Eine Fehleinschätzung, wie sich schon bald herausstellen sollte.    

Wie wohl die meisten Bücher von Philip K. Dick, kann man auch Time Out Of Joint aus sehr unterschiedlichen Perspektiven lesen und interpretieren. Dick hatte die Angewohnheit, eine Vielzahl von Themen, Motiven und Ideen in seinen Geschichten zu verarbeiten, ohne dass dabei immer ein bis ins letzte schlüssiges Gesamtbild entsteht.

Natürlich enthält der Roman ein wenn man so will "metaphysisches" Element. Die Frage nach der wahren Natur der Realität beschäftigte Dick seit seinem nur wenige Monate umfassenden Philosophiestudium an der Universität Berkeley im Herbst 1949 und taucht in vielen seiner Werke auf. Wenn Objekte verschwinden und bloße Namensschilder zurückbleiben, ist es sicher nicht falsch, an Platos Ideenlehre zu denken. Zumal auch die SciFi-Auflösung am Ende der Geschichte diese eigentümlichen Brüche in der Realität nicht erklärt. Mehrfach fällt der Name von Bischof George Berkeley, dem berühmten Vertreter des subjektiven Idealismus aus dem 18. Jahrhundert, und an einer Stelle vergleicht Ragle die Wahrheit, die er zu ergründen sucht, mit Kants "Ding an sich". Dick selbst erklärte später einmal:
I was trying to … account for the diversity of worlds that people live in. There’s a scene where the protagonist goes to the bathroom, reaches in the dark for a pull-cord, and suddenly realized there is no cord, there’s a switch on the wall, and he can’t remember when he ever had a bathroom where there was a cord hanging down. Now, that actually happened to me, and that was what caused me to write the book. It reminded me of the idea Van Vogt had dealt with, of artificial memory, as occurs in The World of Null-A where a person has false memories implanted
Für mich persönlich ist dieser eher "philosophische" Aspekt des Romans allerdings nicht das, was seine ungemeine Faszination ausmacht. Ich lese Time Out Of Joint in erster Linie als ein Buch über das Amerika der 50er Jahre.

Philip K. Dicks Hang zur Paranoia hatte sicher eine ganze Reihe von Gründen, die in seiner Psyche und seinen persönlichen Lebensumständen gesucht werden müssen. Aber wenn er ihr in seinem künstlerischen Werk Ausdruck verlieh, wurde sie zur Widerspiegelung sehr viel allgemeinerer, gesellschaftlicher Befindlichkeiten. Die beunruhigende Atmosphäre einer Welt, die nicht wirklich das ist, was sie zu scheint, hinter deren so geordneter und sauberer Fassade sich etwas zutiefst Bedrohliches verbirgt, gibt meiner Ansicht nach etwas sehr essentielles über die gesellschaftliche Realität der USA in den 50er Jahren wieder, wie sie von einem sensiblen Menschen wie Dick empfunden werden musste.

Um zu verdeutlichen, was ich damit meine, ist ein "kleiner" historischer Exkurs vielleicht von Nutzen.

Vielen ist vermutlich nicht bewusst, dass dem Ende des 2. Weltkriegs in den USA die größte Streikwelle in der Geschichte des Landes folgte, die vor allem in Hinblick auf die Anzahl der beteiligten Arbeiter und Arbeiterinnen selbst das Jahr 1937 den Höhepunkt der militanten Klassenkämpfe der 30er, die der Roosevelt-Administration die bedeutendsten Errungenschaften des New Deal abgerungen hatten in den Schatten stellte. "In 1937 there were 4,740 strikes involving 1,861,000 workers for over 28 million days, by 1945 there were 4,750 strikes involving 3,470,000 workers for 38 million days, and in 1946 there were 4,985 strikes involving 4,600,000 workers for 116 million days." (1) Es gab Arbeitsniederlegungen in der Auto-, Öl-, Kohle-, Fleisch-, Elektro-, Stahl-, Holz-, Textilindustrie, unter Eisenbahnern, Lehrern, Staatsangestellten. "On April 1 [1946], 340,000 soft-coal miners struck, causing a nation wide brown-out. A nationwide railroad strike by engineers and train men over work-rule changes on May 23 brought 'an almost complete shutdown of the nation's commerce.'" In einer Reihe von Städten wie Lancaster (Pennsylvania), Stamford (Connecticut), Rochester (New York) und Oakland (Kalifornien) kam es zu Generalstreiks. Nach Einschätzung des Historikers Jeremy Brecher war die Streikwelle von 1945/46 "the closest thing to a national general strike of industry in the twentieth century." (2) Die Regierung zögerte nicht, zu allerlei repressiven Maßnahmen zu greifen, um der Bewegung Herr zu werden. Doch es waren vor allem die Gewerkschaftsführungen, die diese mächtige Rebellion der Arbeiterklasse eindämmten und schließlich abwürgten.
Während des Krieges hatte ein allgemeines Streikverbot geherrscht, bei dessen Durchsetzung sich eine enge Kooperation zwischen Staat, Unternehmen und Gewerkschaftsbürokratie entwickelte. (3) Zwar war es den dreien nicht gelungen, eine ab Sommer 1942 kontunierlich anwachsende Welle von Wilden Streiks zu unterbinden, aber man hatte die gemeinsame Arbeit zu schätzen gelernt, die für die Gewerkschaftsführungen mit der Sicherung ihrer finanziellen Basis verknüpft war. Und so bemühten sich die Führer von AFL und CIO, diese Übereinkunft auch nach dem Ende des Krieges fortzusetzen. Zwar waren sie gezwungen, dem Druck der Basis bis zu einem gewissen Grad nachzugeben, doch taten sie zugleich alles, um eine weitere Radikalisierung der Bewegung zu verhindern.
Der vielleicht bekannteste Vertreter dieser Strategie war Walter Reuther, der 1946 zum Präsidenten der UAW (United Auto Workers) gewählt wurde. Allsogleich begann er, die bislang ziemlich einflussreichen Anhänger der KPUSA aus der Gewerkschaft auszuschließen. Als im Juni 1947 trotz des Vetos von Präsident Truman der "Taft-Hartley Act" erlassen wurde, protestierten die Gewerkschaften zwar gegen diese "slave-labor bill", die eine massive Einschränkung des Streikrechts bedeutete. Doch der Erlass stärkte zugleich die Kontrolle der Gewerkschaftsführungen über die einfachen Mitglieder und führte einen obligatorischen "antikommunistischen Treueeid" für alle Funktionäre ein, was Bürokraten wie Reuther durchaus entgegenkam. Eines der wichtigsten Ziele des UAW-Bosses war die politische Unterordnung der Arbeiterbewegung unter die Demokratische Partei. 1948 sprach er sich strikt gegen die Bildung einer unabhängigen Labor Party aus (4). Im selben Jahr wurde Truman wiedergewählt und die Demokraten erhielten die Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses. Im Wahlkampf hatten sie die antikommunistische Rhetorik des beginnenden Kalten Krieges mit dem Versprechen sozialer Reformen im Interesse der arbeitenden Bevölkerung verbunden. Auf dieser doppelten Grundlage kam es zum Bündnis der Partei mit den rechten Gewerkschaftsführern. Obwohl Truman die Aufhebung des Taft-Hartley Acts versprochen hatte, setzte er ihn in seiner zweiten Amtszeit häufiger ein als jeder andere US-Präsident. Besonders radikale Gewerkschaften wurden zerschlagen, alle übrigen von "unamerikanischen Elementen" "gesäubert". Dabei arbeitete die Regierung Hand in Hand mit den rechten Bürokraten. Diese gaben außerdem der Außenpolitik Trumans ihre volle Unterstützung, einschließlich des 1950 beginnenden Koreakriegs. Um den offen rassistischen Südstaatenflügel der Demokraten zu begütigen, beendeten sie schließlich sogar alle Versuche, die Arbeiterschaft im Süden zu organisieren ("Operation Dixie"), und leisteten damit einen wichtigen Beitrag zum Fortbestand der Jim Crow - Ordnung.
Der Wirtschaftsboom der 50er Jahre, die längste Wachstumsperiode in der Geschichte des Kapitalismus, erlaubte es Amerikas Elite der Arbeiterklasse im Gegenzug eine ganze Reihe ökonomischer Zugeständnisse zu machen. Als Modell diente dabei der 1950 von Walter Reuther ausgehandelte "Pakt von Detroit" mit den "drei Großen" – General Motors, Ford und Chrysler. Breitere Schichten der arbeitenden Bevölkerung kamen in der Folge erstmals in den Genuss eines bescheidenen Wohlstands.
Ohne die militanten Streikkämpfe von 1945/46 wäre es nie zu diesen Zugeständnissen gekommen. Wie stets hatte man sie der herrschenden Klasse abringen müssen. Aber der politische Kontext, in dem sie sich schließlich materialisierten, musste dazu führen, dass sie zum Nährboden für ein Klima des Konformismus und der kleinbürgerlichen Spießigkeit wurden. Jede grundlegende Kritik an der herrschenden Ordnung war im Zuge von McCarthys Hexenjagden und der allgemeineren "Red Scare" - Hysterie quasi kriminalisiert worden. Die Gewerkschaften hatten sich von Kampforganisationen in bürokratische Apparate verwandelt, die für die Aufrechterhaltung der Ordnung in den Betrieben verantwortlich waren und deren Führer amerikanischen Exzeptionalismus, Nationalismus, Antikommunismus und Klassenharmonie predigten. Radikale Parolen wie "industrielle Demokratie" und "Arbeiterkontrolle" gehörten der Vergangenheit an. Unter diesen Umständen musste der steigende Lebensstandard vielen als das Resultat der Klassenzusammenarbeit erscheinen, und damit als Beweis für die Überlegenheit des allerortens propagandistisch glorifizierten "american way of life", auch wenn bedeutende Teile der Arbeiterklasse von ihm ausgeschlossen blieben. 1952 wurde Eisenhower Präsident und die Republikaner übernahmen die Kontrolle über den Kongress, nachdem sie den Demokraten eine zu versöhnlerische Haltung gegenüber der "kommunistischen Bedrohung" vorgeworfen hatten.

Philip K. Dick war sich dieser historischen Zusammenhänge sicher nicht bewusst. Auch wenn er sich in seinem Werk immer wieder mit Fragen von Unterdrückung und Freiheit beschäftigte, war er nicht das, was man einen politischen Denker nennen würde. Die soziale Perspektive, aus der heraus er die Welt betrachtete, war mehr oder weniger die der unteren Mittelklasse. Viele seiner Protagonisten sind kleine Angestellte, Bürokraten oder Selbstständige. Die industrielle Arbeiterklasse hingegen taucht in seinen Werken wenn überhaupt dann nur am Rande auf. Ihr Leben war Dick fremd. So zumindest ist mein Eindruck. Schließlich bin ich nur mit einem Teil seines Werkes hinlänglich vertraut.
Time Out Of Joint gibt uns also keinerlei Einsicht in die ökonomischen und politischen Kräfte, die die gesellschaftliche Wirklichkeit des Amerikas der 50er Jahre geformt hatten, doch zeichnet der Roman meiner Ansicht nach trotzdem ein Bild dieser Realität, das einige tiefe Wahrheiten über sie enthüllt. 
Die Welt, in der Ragle lebt mag etwas banal und kleinkarriert wirken, doch bei oberflächlicher Betrachtung erscheint sie zumindest geordnet, friedlich und sicher. Doch in Wirklichkeit ist sie bloß eine Kulisse, hohl und ohne echten Inhalt. Je mehr sich Ragle dessen bewusst wird, desto stärker werden seine Verunsicherung uind Paranoia, bis er schließlich von einem Gefühl unbeschreiblicher Angst gepackt wird: "Und dann überkam ihn ohne jede Warnung ein scheckliches Gefühl von Gefahr. Das Gefühl war so greifbar, so wirklich, dass es ihn völlig überwältigte." Denn nicht nur ist die ihn umgebende Welt unecht, hinter ihr verbirgt sich außerdem etwas zutiefst Bedrohliches und Unmenschliches. 
Worauf der Roman in diesem Zusammenhang ganz offen anspielt ist die in den 50er Jahren sehr akut empfundene Gefahr eines möglichen Atomkriegs, doch ist das für mich bloß ein {ziemlich offensichtliches} Beispiel für all die finsteren Abgründe, die sich hinter der ach so sauberen Fassade verbergen. Es ließen sich ohne Probleme noch viele weitere finden, vom Fortbestehen der Jim Crow - Ordnung über die finsteren Umtriebe von J. Edgar Hoovers FBI bis hin zu den blutigen Metzeleien des Koreakrieges. Doch die Atmosphäre von Time Out Of Joint wirkt auf mich um so stärker, je weniger ich sie auf eine solch parabelhafte "Konkretheit" zu reduzieren versuche. In meinen Augen geht es mehr um das allgemeine und darum nur um so verstörendere Gefühl, dass die ganze "heimelige" Welt des Fifties - Amerika in Wahrheit ein Lügengebäude ist, das eine höchst beunruhigende Wirklichkeit zu verschleiern versucht.
Am Ende des Romans erfahren wir, dass diese Kulisse von einem repressiven Zukunftsstaat kreiert wurde, um Ragle in eine illusionäre Variante seiner Kindheit zu versetzen. In eine Welt, in der er sich sicher und geborgen fühlte. Nur auf diese Weise schien es möglich, sein Gewissen einzuschläfern, damit er weiterhin die Berechnungen anstellen würde, die die terrazentristische "Eine Welt" - Regierung braucht, um die Raketen der rebellischen Mondkolonisten ("Lunatiker") abzuwehren. {Die eigentliche Bedeutung von Ragles Zeitungsrätsel.} Auf den ersten Blick könnte man meinen, diese SciFi-Wendung untergrabe ein wenig den zeitkritischen Charakter von Time Out Of Joint. Doch ich denke, dass dem eigentlich ganz und gar nicht so ist. Die nachgebauten 50er Jahre von "Old Town" sind eine Art Opiat, das Ragle die brutale Realität und seine Verstrickung in sie vergessen lassen soll. Ließe sich ähnliches nicht auch über das kleinbürgerliche Suburbia - Paradies der realen 50er Jahre sagen?              
   


(1) John Newsinger: From Class War to Cold War.
(2) Jeremy Brecher: The World War II and Post-War Strike Wave.
(3) Nach dem Überfall Nazideutschlands auf die Sowjetunion wurden die Stalinisten auf Order Moskaus zu den halsstarrigsten Verteidigern dieses Burgfriedens, was ihr Ansehen unter den militanten Arbeitern und Arbeiterinnen massiv untergrub.
(4) "In Europe, where you have society developed along very classical economic lines, where you have rigid class groupings, there labor parties are a natural political expression because there you have a highly fixed and class society. [W]e have a society that is not rigid in character along class lines, and that is the great hope of America." (Zit. nach: Tom Mackaman: The UAW and the Democratic Party)

Montag, 17. Dezember 2018

Strandgut der Woche

Sonntag, 9. Dezember 2018

Strandgut der Woche

Samstag, 8. Dezember 2018

Let Me Tell You Of The Days Of High Adventure (5)

Henry Kuttners Elak of Atlantis

Im Dezember 1963 erschien bei Pyramid Books die von L. Sprague de Camp herausgegebene Anthologie Swords & Sorcery. Ihr folgten mit The Spell of Seven (1965), The Fantastic Swordsmen (1967) und Warlocks and Warriors (1970) drei weitere Sammelbände, die zusammen mit den ab 1966 bei Lancer Books erscheinenden Neuauflagen von Robert E. Howards Conan-Geschichten (in der von de Camp "überarbeiteten" Form) einen wichtigen Beitrag zur "Wiedergeburt" der Sword & Sorcery leisteten, welche von Ende der 60er bis Anfang der 80er Jahre dann so etwas wie ihr Goldenes Zeitalter erleben sollte. 
Wirft man einmal einen kurzen Blick in diese Anthologie, so stellt man mit Erstaunen fest, dass sie nicht nur Stories von Howard, Fritz Leiber, C.L. Moore, Henry Kuttner, Poul Anderson, Clark Ashton Smith und Lord Dunsany enthält, sondern auch H.P. Lovecrafts The Doom That Came To Sarnath.  Im ersten Beitrag zu dieser Blogpostreihe bin ich ja bereits kurz darauf eingegangen, warum ich Dunsany höchstens unter großen Vorbehalten zu den Vorvätern der Sword & Sorcery zählen würde. Der Gentleman von Providence erscheint mir freilich als ein noch sehr viel fragwürdigerer Kandidat. Am ehesten ließen sich da vielleicht noch einige Passagen aus The Dream-Quest of Unknown Kadath heranziehen, aber alle übrigen Dreamlands - Geschichten scheinen mir dem Subgenre noch ferner zu stehen als die Erzählungen Dunsanys, nach deren Vorbild sie geschaffen wurden.
Doch auch wenn er selbst meiner Ansicht nach keine eigenen literarischen Werke zu dem sich allmählich herausbildenenden  Subgenre beitrug, spielte er doch ohne Frage eine nicht ganz unwichtige Rolle in dessen Frühphase. Praktisch alle bedeutenden Autoren & Autorinnen der jungen Sword & Sorcery gehörten dem Lovecraft-Zirkel an: Neben Howard und Clark Ashton Smith gilt das auch für C.L. Moore, Fritz Leiber und Henry Kuttner. Und so ist es nicht unbedingt erstaunlich, dass sich in deren Fantasystories immer mal wieder Anklänge an den Cthulhu-Mythos finden. Wohlgemerkt werden die Helden & Heldinnen dabei nie direkt mit Gestalten wie Yog-Sothoth oder Nyrlathotep konfrontiert. Ebensowenig blättern sie in verstaubten Bibliotheken in besonders altertümlichen Ausgaben des Necronomicon herum. (1) Die Verbindung äußerst sich mehr in motivischer und atmosphärischer Hinsicht. Nichtsdestoweniger ist sie deutlich erkennbar.

Dass Henry Kuttners Geschichten um Elak of Atlantis dafür ein gutes Beispiel abgeben, überrascht nicht, hatte der Autor seine Karriere doch mit einer Reihe von Lovecraft - Pastiches begonnen.
Nicht dass sich alle seine 1936/37 in Weird Tales, Thrilling Mystery, Thrilling Wonder Stories und Spicy Mystery erschienenen Geschichten dieser Kategorie zuordnen ließen. Die 1995 erschienene, von Robert M. Price zusammengestellte Sammlung seiner Mythos-Stories The Book of Iod enthält gerade einmal elf Titel. Allerdings verraten auch einige andere frühe Werke Kuttners sehr deutlich den Einfluss Lovecrafts. Natürlich habe ich nicht alle von ihnen gelesen, aber sein Debüt The Graveyard Rats zum Beispiel enthält zwar keine direkten Bezüge zum Cthulhu-Mythos, und findet sich deshhalb auch nicht im Book of Iod, ahmt jedoch in Stil wie Inhalt sehr wohl den Gentleman von Providence nach. Zu den bona fide Mythos-Geschichten gehören u.a. The Secret of Kralitz, die sowohl an The Festival als auch an Rats in the Walls erinnert, sowie The Salem Horror, eine Variante auf Dreams in the Witch-House, in der wir zum ersten Mal dem "okkulten Detektiv" Michael Leigh begegnen und die Anklänge an die Gut-Böse-Dichotomie aufweist, welche August Derleth allmählich in den Mythos einzuführen begann. Für unser Thema am interessantesten sind jedoch die beiden kurzen Geschichtchen The Eater of Souls und The Jest of Droom-Avista, in denen Kuttner sich im dunsany'esken Dreamlands-Stil versucht. Vergleichbaren Szenen von andersweltlicher Weirdness werden wir auch in seiner Sword & Sorcery begegnen. In The Jest of Droom-Avista bemüht er sich außerdem, eine an Clark Ashton Smith erinnernde Ironie einfließen zu lassen, allerdings mit eher mäßigem Erfolg.

Henry Kuttner wurde am 7. April 1915 als Sohn eines gleichnamigen Buchhändlers in Los Angeles geboren. Seine Großeltern väterlicherseits waren in den 1850er Jahren aus Posen nach Amerika ausgewandert. Urgroßvater Josua Heschel Kut(t)ner war Rabbiner der Gemeinde von Lissa/Leszno und ein recht bekannter jüdisch-orthodoxer Theologe gewesen. Nach dem frühen Tod des Vaters (1920) war die finanzielle Situation der Familie ziemlich prekär. Der junge Henry begann schon bald in der Literaturagentur seines Onkels Laurence D'Orsay zu jobben. Jahre später sollte er dabei den Verkauf von Leigh Bracketts erster Story Martian Quest an John W. Campbells Astounding Science Fiction vermitteln. Von früh an ein begeisterter Leser von Weird Tales, wurde Kuttner in der zweiten Hälfte der 30er Jahre zu einem festen Mitglied der SFF-Gemeinde Kaliforniens. Er lernte u.a. Pulp-Autor E. Hoffman Price kennen, der als einziger aus dem Lovecraft-Zirkel alle drei Mitglieder des "Triumvirats" (HPL, REH und CAS) in persona getroffen hatte, und der Kuttners ersten Besuch bei Clark Ashton Smith in Auburn organisierte. Zu seinem Freundes- und Bekanntenkreis zählten später neben Brackett, Price und Smith u.a. Forrest J. Ackerman, Ray Bradbury, für den er dessen erste Horrorstory The Candle fertigschrieb, und Richard Matheson, der ihm seinen berühmten Roman I Am Legend widmete. Kuttners Korrespondenz mit Lovecraft war aufgrund von dessen frühem Tod im März 1937 eher kurz, führte aber immerhin dazu, dass er Catherine L. Moore kennenlernte, die der alte Gentleman für eines der größten Talente von Weird Tales hielt. Die beiden heirateten 1940 und begannen zugleich eine äußerst enge schriftstellerische Partnerschaft. Alle Werke von Kuttner und Moore, die nach diesem Termin entstanden sind, dürfen als Gemeinschaftswerke gelten. Sein Debüt als veröffentlichter Autor hatte Henry mit der Märzausgabe 1936 von Weird Tales feiern können.

Wie wir in unserem letzten Beitrag gesehen haben, suchte das "Unique Magazine" nach Robert E. Howards Tod und der postumen Veröffentlichung seiner letzten Conan-Story Red Nails (Juli-Oktober 1936) nach einem Ersatz für den Cimmerier, der sich bei Leserschaft großer Beliebtheit erfreut hatte. Die Sword & Sorcery - Stories des Pulp-Neulings Clifford Ball waren ein erster solcher Versuch gewesen, doch 1938 kam schließlich Henry Kuttner zum Zuge, der stets Spaß daran hatte, sich in unterschiedlichen Genres der Phantastik zu versuchen. In den Ausgaben Mai/Juni erschien Elaks erstes Abenteuer, Thunder in the Dawn.

Die Geschichte beginnt in der atlantischen Hafenstadt Poseidonia und an einem der klassischsten Schauplätze der Sword & Sorcery einer rauchgeschwängerten Taverne voller dubioser und nicht ganz nüchterner Gestalten. Elaks Kumpel Lycon wartet ungeduldig auf das Erscheinen seines Freundes, der an diesem Abend ein Stelldichein mit Velia, der Ehefrau von Herzog Granicor, hat. Es dauert nicht lange und schon stecken wir mitten in einer zünftigen Kneipenschlägerei, an der neben Lycon ein baumlanger Wikinger, der gerade rechtzeitig eingetroffene Elak, eine geflügelte Schlange und der Druide Dalan beteiligt sind. Nach einer ersten recht eindrucksvollen Demonstration druidischer Feuermagie, machen sich Lycon und Elak zusammen mit Dalan schnellst möglich aus dem Staub. Wir erfahren, dass Elak kein gewöhnlicher Söldner und Glücksritter ist, sondern ein Prinz aus dem nordatlantischen Reich Cyrena, der ein Leben im Exil wählte, nachdem er seinen Adoptivvater unter {scheinbar ehrenhaften} Umständen erschlagen hatte. Dalan bittet ihn nun, in seine Heimat zurückzukehren. Der böse Zauberer Elf hat mit Hilfe seiner übserseeischen Wikingerverbündeten die Macht an sich gerissen und Elaks Bruder Orander gefangen gesetzt. Nur der "verlorene Prinz" sei in der Lage, die zerstrittenen Feudalherren zu einen und in einen Aufstand gegen den Magier zu führen. Vor dem Aufbruch aus Poseidonia will Elak sich allerdings noch von Velia verabschieden, die es ihm wirklich angetan hat. Unglücklicherweise kommt es dabei zu einer recht unfreundlichen Konfrontation mit ihrem herzöglichen Gemahl..Velia, die dem Leben als Ehesklavin eines ihr verhassten Mannes ohnehin zu entfliehen wünscht, schließt sich unserem Trio an, und schon bald befinden sich die vier auf einer Galeere, die über den zentralen Fluss von Atlantis Richtung Norden fährt, verfolgt von dem wütenden Granicor und bedroht von Elfs finsterer Magie.
Henry Kuttner war offenbar nicht daran interessiert, einen simplen Conan-Klon im Stile von Clifford Balls Duard the Accursed zu kreieren. Sein Elak ist kein grimmiger Barbar, der voller Verachtung durch die Städte einer dekadenten Zivilisation streift. Sein Außenseitertum ist von anderer Art. Selbst ein Spross der feudalen Aristokratie von Atlantis hat er deren Kreise aus persönlichen {wenn auch nie genau definierten} Gründen verlassen, um stattdessen das Leben eines vagabundierenden Glücksritters zu führen. Bezeichnenderweise ist seine bevorzugte Waffe kein mächtiger Bihänder, sondern ein eher zierliches Rapier. Freilich bleibt seine Charakterisierung insgesamt ziemlich blass, was sich leider auch in den weiteren drei Geschichten nicht groß ändern wird.
Dasselbe gilt auch für Lycon. Die Beziehung zwischen den beiden ist keine von ebenbürtigen Gefährten, wie wir sie bei Clark Ashton Smiths Helden Zobal und Cushara in The Black Abbot of Puthuum gesehen haben und bei Fritz Leibers Fafhrd und dem Gray Mouser wiederfinden werden. Lycon bleibt über die ganze Serie ein relativ eindimensionaler Sidekick-Charakter, dessen hervorstechendste Eigenschaft sein unstillbarer Durst auf Met, Wein und andere Alkoholika ist. Wenn ich ihn dennoch ganz ansprechend finde, so vor allem, weil er nicht den genretypischen heroischen Standards entspricht. Er ist ein kleiner dicker Kerl, dessen Erscheinungsbild später sogar einmal mit einem Affen verglichen wird. Nichtsdestoweniger erweit er sich als ein geschickter Schwertkämpfer und loyaler Kamerad. Zumindest unter Kuttners Nebenfiguren gillt nicht die archetypische Gleichsetzung von körperlicher Hässlichkeit mit moralischer Verworfenheit. Der Druide Dalan mit seinem krötenhaften Gesicht ist gleichfalls keine besonders ansprechende Erscheinung.

Thunder in the Dawn ist die mit Abstand längste Elak of Atlantis - Geschichte, allerdings auch die schwächste. Der Stil ist stellenweise recht holprig, vor allem aber wirkt der Handlungsaufbau ziemlich unbeholfen. Die eigentlich sehr geradlinige Story der Reise nach Cyrena wird abrupt unterbrochen, wenn Elak erst über Bord geht und dann in die Hände zwergenhafter Pikten fällt, die ihn einer monströsen Wesenheit dem "Schatten" opfern wollen.
Dass es sich bei den Gesellen um "Pikhts" handelt, haben wir ohne Frage Robert E. Howard zu verdanken, der dieses Volk immer wieder in seinen Sword & Sorcery - Geschichten hatte auftauchen lassen Kulls engster Gefolgsmann Brule ist ein Pikte, Conan bekommt es in Beyond the Black River mit einem barbarischen Stamm desselben Namens zu tun, und Bran Mak Morn ist gar selbst König des dem Untergang geweihten Piktenvolkes. Zugleich jedoch scheint mir Kuttners Beschreibung der degeneriert wirkenden, unterirdisch lebenden Zwerge von Arthur Machens Version des "Kleinen Volkes" der keltischen Sagenwelt beeinflusst zu sein:
Was diese seitenlange Abschweifung, die für die weitere Handlung keinerlei nennenswerte Folgen hat, interessant macht, ist jedoch etwas ganz anderes: Erstmals betritt Elak mit dem Reich des "Schattens" eine bizarre, phantasmagorische Dimension jenseits unserer Welt:
It was no earthly landscape which he saw. Obscure color-patterns, shifting and dancing strangely, weaved in the cool air all around him. He thought of the shadows of trees painted on white rock, flickering arabesques of dancing leaves fluttering in the wind. [...]
Colorless shadows, dancing. Or were they colorless? He did not know, nor was he ever to know, the color of the grotesque weaving that laced him in a web of magic, for while his mind told him that he saw colors, his eyes denied it.
Conan hatte nie vergleichbar fremdartige Welten betreten müssen. Ähnliches hatte es in der jungen Sword & Sorcery bislang nur in C.L. Moores Jirel of Joiry - Stories gegeben, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt. Elak wird auch in späteren Geschichten immer wieder solche andersweltlichen Universen besuchen, und ihre Schilderung ist das vielleicht reizvollste Element von Henry Kuttners Erzählungen. Auch scheint sich mir in ihnen am deutlichsten der eingangs erwähnte Einfluss des Cthulhu-Mythos zu zeigen. Man betrachte sich etwa den folgenden Absatz:
The sound of wings came to Elak. Something was flying far overhead, something that wailed endlessly and mournfully, keening the cry of one lost and wandering in eternal night. A sense of overpowering awe touched Elak, and horror beyond all imagination – the horror one feels in the presence of a thing so alien that the flesh of mankind instinctively shrinks and shudders. Elak knew, somehow, that he had entered a land in which men had not been intended to exist.
Auch wenn die Episode innerhalb der eigentlichen Handlung wie eine unnötige und darum leicht irritierende Abschweifung wirkt, ist sie aufgrund ihres bizarren Charakters doch recht faszinierend.

Abschließend möchte ich noch kurz auf Velia zu sprechen kommen. Betrachtet man sich die Gesamtheit von Henry Kuttners Sword & Sorcery, so bekommt man das Gefühl, der Autor habe sich immer wieder bemüht, seine Frauengestalten aktiver und selbstbewusster darzustellen, als dies zu dieser Zeit im Genre üblich war. So erleben wir am Anfang der großen Schlacht gegen die Wikinger, wie sich Velia von der bloßen Geliebten unseres Helden in eine regelrechte Kriegerin verwandelt:
[Elak] tested the metal of his rapier. "It's good to have a weapon like this again. I'll give this blade its baptism today."
"And I'll give mine," Velia broke in, coming lightly up the hill toward them. Her slim armor-clad body gleamed in the gray light of false dawn. Her bronze hair foamed out from a helmet that was too small to prison its bright masses. "This is different from Poseidonia, Elak. This was the life I was meant for – not a perfumed harem in Granicor's palace."
Das wirkt zuerst einmal natürlicht recht sympathisch, und man ist versucht, anzunehmen, dass dieses Bemühen auf den Einfluss Catherine L. Moores zurückzuführen ist. Doch leider weiß Kuttner mit diesen vermeintlich so eigenständigen Frauenfiguren nichts rechtes anzufangen. Er steckt sie in Rüstungen, aber er gibt ihnen keine echte Persönlichkeit. Sie bleiben bloße Randfiguren, die kaum Einfluss auf die eigentliche Handlung haben. Es wirkt beinahe so, als habe Kuttner eine Art moralische Verpflichtung verspürt, seine weiblichen Charaktere nicht zu bloßen Damsels zu machen, doch sei andererseits unfähig gewesen, wirklich aktive und glaubhafte Frauenfiguren für seine Sword & Sorcery - Szenarien zu kreieren.   

Interessanterweise begegnen wir in der zweiten Elak - Geschichte, The Spawn of Dagon, dann einer weiblichen Figur, die auf geradezu absurde Weise keine andere erzählerische Funktion besitzt, als die, als eine Art sexuelle Belohnung für unseren Helden zu dienen. Sie bekommt nicht einmal einen Namen! Mir scheint dies allerdings weniger etwas über Henry Kuttner als vielmehr über die Macht und Zählebigkeit von Klischees auszusagen.
Spawn of Dagon erschien in der Juliausgabe 1938 von Weird Tales und wurde als einzige von Kuttners Sword & Sorcery - Geschichten in das Book of Iod aufgenommen. Robert M. Price erschien sie demnach als besonders "cthulhuid". Was insofern erstaunlich ist, da sie anders als die übrigen Elak-Stories keine Schilderung phantasmagorischer Dimensionen jenseits von Zeit und Raum, keine Konfrontation mit dem "völlig Fremdem" enthält. Von Kuttners Geschichten erinnert diese vielmehr am stärksten an Howards Conan-Abenteuer. Doch da unsere Helden es in ihr mit Wesen zu tun bekommen, die eine gewisse Ähnlichkeit mit Lovecrafts Deep Ones aufweisen, ist die Entscheidung wohl schon irgendwie nachvollziehbar.
Die Geschichte beginnt in einer nächtlichen Gasse mit einer makabren Wette zwischen Elak und Lycon, bei der es um das ausströmende Blut eines erschlagenen Mannes und den Inhalt seiner Geldbörse geht. Schon bald befinden sich die beiden auf der Flucht vor der Stadtgarde von San-Mu. Der mysteriöse Gesti sichert ihr Entkommen und bietet Elak einen lukrativen Auftrag an, nachdem der sturzbesoffene Lycon in dem unterirdischen Versteck auf einem Stuhl zusammengesackt und eingeschlafen ist.  Er soll in die Residenz des berüchtigten Zauberers Zend eindringen und diesen töten. Da ein weiteres Verbleiben in San-Mu nicht ratsam erscheint, wäre ein vorheriges Aufstocken der Reisekasse durchaus wünschenswert. Also nimmt Elak das Angebot an und befindet sich wenig später auch schon in Zends Palast, wo der zwergenhafte Magier und sein riesiger untoter Gehilfe gerade dabei sind, eine holde Maid für irgendein gar schröckliches Experiment vorzubereiten. Die Situation scheint ziemlich klar für unseren Helden: Zauberer killen Maid befreien Belohnung kassieren Abhauen. Doch in Wirklichkeit ist die Lage etwas komplizierter und bald schon steht nicht weniger auf dem Spiel als die Existenz von Atlantis. Was für ein Glück, dass der gute Lycon selbst im volltrunkenen Zustand zu perfekt "getimeten" Rettungsaktionen fähig ist.
Spawn of Dagon ist gut gemachter klassischer Sword & Sorcery - Spaß. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Gerade einmal zwölf Seiten lang, voller Action, ohne Längen oder unnötige Abschweifungen, aber dafür mit der einen oder anderen neckischen kleinen Wendung. Elak und Lycon erscheinen hier deutlich abgebrühter und moralisch ambivalenter als in Thunder in the Dawn. Überhaupt gibt es in dieser Geschichte keine simple Gut-Böse-Dichotomie. Zend ist ganz sicher kein sonderlich sympathischer Zeitgenosse, aber am Ende erweist er sich als übernatürlicher Beschützer von Atlantis, ohne dessen Magie das Inselreich längst im Meer versunken wäre. Was andererseits kein Grund für unsere Helden ist, ihm irgendwelche gekidnappten Frauen für seine finsteren Experimente zu überlassen, nachdem die unmittelbare Bedrohung durch Gesti und sein monströses Meervolk gebannt ist.

Wenn Spawn of Dagon also am ehesten einer "klassischen" Sword & Sorcery - Story howard'scher Prägung ähnelt, liegt in der dritten Elak-Geschichte Beyond the Phoenix, die im Oktober 1938 in Weird Tales erschien, die Betonung ganz auf der Schilderung einer wirklich bizarren Anderswelt.(2)
Elak und Lycon haben sich als Palastwachen für König Phrygior von Sarhaddon verdingt. Nachdem es ihnen nicht gelungen ist, ihn vor den mörderischen Ränken des Priesters Xandar zu bewahren, erhalten sie von dem sterbenden Monarchen einen ungewöhnlichen Auftrag. Sie müssen seinen Leichnam gemeinsam mit Prinzessin Esarra auf einer Barke durch das Phönixtor befördern. Xandar hat ein Bündnis mit Baal-Yagoth geschlossen, einer finsteren Gottheit, die vor Urzeiten von unserer Welt verbannt wurde und nur in sie zurückkehren kann, wenn ihr jemand den eigenen Körper und das eigene Hirn als Gefäß für eine neuerliche Manifestation zur Verfügung stellt. Genau das hat der machthungrige Priester getan. Um diese Bedrohung zu bekämpfen, braucht es göttliche Unterstützung, die in der Welt hinter dem Phönixtor erlangt werden könne, wo Assurah leben soll, dessen Blut angeblich in den Adern der Königsdynastie fließt. 
Auf den ersten paar Seiten kommt es zwar auch hier zum genreüblichen Kreuzen der Klingen, wobei sich Esarra als den Männern vollkommen ebenbürtig erweist. Wie Lycon sich ausdrückt: "[H]er dagger drew blood as often as my sword." Doch sobald die drei das Phönixtor durchquert haben, befinden sie sich in einer Welt, bizarrer als alles, was wir in den Elak-Stories bisher zu sehen bekommen haben:
Now it seemed to Elak that he dreamed, or so he thought; for, though his eyes were closed, he clearly saw what occured around him. There was at first only a thick shroud of fog, swirling slowly in drab grayness; and very slowly this mistfaded and was gone. In its place was a cold, blue emptiness that seemed to stretch into infinite distances.
But it was not the sky, despite the gleaming points of light that swam into view like stars. That Elak knew. For the glowing specks grew brighter and larger, and he saw that they resembled flowers, many-petaled yet no flowers of earth. With a cold and dreadful certainty he knew that they were alive.
They watched him, hanging motionless in the blue vastness, until the grip of nightmare cltched Elak. Nothing existed but these malefic flowers, it seemed, and they seemed to press toward him with avid hunger; they strained against the blueness that held them back. It was impossible to judge their size. They might have been small as a man's hand, and very close; or unimaginably huge and far away. They waited ...
Das klingt schon nach einem ziemlich irren Drogentrip, oder? 
In diesem grotesken Jenseitsreich begegnen unsere Helden zwei gottähnlichen Gestalten, der weiblichen Tyrala und dem männlichen Ihthron. Die beiden scheinen die Rolle von Richtern des Totenreiches zu spielen,  aber es zeigt sich schnell, dass zwischen ihnen deutliche Diskrepanzen bestehen. Tyrala hat sich gleichfalls mit Baal-Yagoth eingelassen, und ihr Weinkelch und sein Inhalt erwecken außerdem Assoziationen zur Hure Baylon aus der Johannesapokalypse. (3). Was genau in diesem "Nyrvana" jenseits des Phönixtors vor sich geht bleibt ebenso verschwommen wie die Motive Ithrons und Tyralas. Aber das trägt nur um so mehr zu der faszinierenden Weirdness des Szenarios bei. Es kommt offenbar zu einer Art Kampf zwischen den beiden, bei dem Tyrala die Oberhand behält. Das Ganze gipfelt in einer bizarren Tanzszene, die leichte Anklänge an Lovecrafts hirnlosen Dämonen-Sultan Azathoth aufweist. (4)
A muffled drumming throbbed out; shrill insane flutings piped weirdly. There were monstrously misshapen beings that squatted on scaled haunches, demoniac toad-like creatures whose flaming eyes dwelt on the two figures that danced before the altar. Tyrala – and Ithron! Both nude, Ithron's pale body in strange contrast to the dark vividness of the witch-woman – and Ithron dancing, whirling like a weightless leaf in Tyrala's grasp. An empty goblet lay on the stones. Ithron had tasted the dreadful wine! The two figures moved in a swift, grotesque saraband, to the tunes of the evil drumming and the pipes. The flower-things in the walls waited.
Wenn sich am Ende doch noch alles zum Guten wendet, so bloß aufgrund des Eingreifens des völlig mysteriös bleibenden Phönix-Assurah.

Die vierte und letzte Elak-Geschichte Dragon Moon erschien erst im Februar 1941. Schaut man zurück über die Reihe, kann man erkennen, wie Henry Kuttners Stil im Laufe der Jahre gereift ist. Dragon Moon beginnt als eine Art Remake von Thunder in the Dawn, wodurch dies noch deutlicher ins Auge springt.
Erneut werden Elak und Lyon in einer Hafenkneipe von Poseidonia in eine Schlägerei verwickelt. Wieder kommt ihnen dabei der Druide Dalan mit seiner Feuermagie zur Hilfe. Und wie zuvor bitte er unseren Helden in seine alte Heimat Cyrena zurückzukehren, um Atlantis vor einer diabolischen Bedrohung zu bewahren. Diesmal jedoch soll er dabei selbst den Drachenthron seiner Väter besteigen, denn sein Bruder hat sich selbst getötet, um einem sehr viel grausigeren Schicksal zu entgehen: Das willenlose Gefäß einer monströsen, andersweltlichen Entität zu werden:
Out of the unknown has come a being named Karkora. What he is I know not. I have cast the runes, and they say little for me. The altar fires have whispered of a shadow that will come upon Cyrena, a shadow that may spread over all Atlantis. Karkora, the Pallid One, is not human, nor is he a demon. He is – alien, Elak.         
Sepher, der Herrscher des Nachbarreiches Kiriath, ist diesem cthulhuid anmutenden Wesen "beyond good and evil", "beyond humanity or deitiy" bereits zum Opfer gefallen. Er ist bloß noch die menschliche Hülle für einen unmenschlichen Geist. Nun strebe Karkora danach, seine Herrschaft auf Cyrena auszuweiten, und wenn ihm dies nicht durch die Korrumpierung des Königs gelingen könne, was Oranders Selbstmord unmöglich gemacht hat, dann eben durch Krieg.
Elak jedoch hat kein Verlangen nach der Krone. Vielleicht hält er sich aufgrund seines Vagabundenlebens auch für unwürdig, Anspruch auf den Thron zu erheben. Er weist das Ansinnen Dalans deshalb zurück, woraufhin der Druide wutentbrannt aus Poseidonia abreist.
Als unser Held in der darauffolgenden Nacht in einer Traumvision die monströse Präsenz Karkoras zu spüren bekommt, revidiert er seine Entscheidung. Die Idee, eine Galeere nach Norden zu nehmen, entpuppt sich allerdings als wenig glücklich. Wenig später sind Elak und Lycon auch schon an die Ruderbank gekettet. Doch so schnell lassen sich die beiden natürlich nicht unterkriegen. Nach einem conanmäßig organisierten Sklavenaufstand steuert man das Schiff an die raue Steilküste von Amenalk. Einer von Dalan gesandten Traumvision folgend will Elak dort die Hilfe eines gewissen Aynger suchen. Der entpuppt sich als ein stolzer Barbar mit leichtem Highlander-Einschlag. Einst habe sein Volk über das heutige Kiriath geherrscht. Dies allein ist Grund genug für ihn, Cyrena die Unterstützung seiner Gefolgsleute im rasch heraufziehenden Krieg zuzusichern. Um einen Weg zu finden, Karkora selbst zu bekämpfen, müsse Elak sich jedoch an die mysteriöse Mayana wenden, die in einer alten Burg über dem Meer lebt. 
Erneut betritt unser Held mit den Kavernen unter der Ruine eine phantasmagorische Anderswelt. Mayana ist eine "Tochter Poseidons", Angehörige eines uralten Meervolkes. Aus Liebe zu Sepher nahm sie vor Zeiten menschliche Gestalt an und die beiden lebten als Mann und Frau. Doch ihr größter Wunsch, ihrem Gemahl einen Sohn zu schenken, blieb ihr verwehrt. Also schloss sie schließlich einen Handel mit dem finsteren Zauberer Erykion. Mit Hilfe von dessen Magie gebahr sie tatsächlich ein Kind, doch handelte es sich um eine grausig deformierte Totgeburt. Erykion versprach, dem Kind Leben einzuhauchen, wenn er es danach in seine eigene Obhut nehmen dürfe. Und so kam es zur grauenhaften, widernatürlichen Geburt von Karkora:
I remembered something Erykion had once told me. 'We have in us a sixth sense, primeval und submerged, which can be very powerful once it is brought to light. I know how to do that. A blind man's hearing may become acute; his power goes to the sense remaining. If a child, at birth, be deprived of all five senses, his power will got this sixth sense. My magic can insure that.' So Erykion made of my man-child a being blind and dumb and without conciousness, almost; for years he worked his spells and opened the gates of Time and Space, letting alien powers flood through.This sixth sense within the child grew stronger. And the dweller in his mind waxed great, unbound by the earthly fetters that bind humans. This is my son – my man-child – Karkora, the Pallid One!
Entstanden aus fehlgeleiteter Liebe, grenzenlosem Ehrgeiz und der Folterung eines hilflosen Kindes ist Karkora eine wahrhaft monströse Kreatur. Wenn Elak ihn im großen Finale schließlich zu sehen bekommt, ist das ein zutiefst verstörender Anblick:
And below was a shapeless and flesh-colored hulk that lay inert ten feet down. It was man-sized and naked. But it was not human. The pulpy arms had grown to the sides; the legs had grown together. Not since birth had the thing moved by itself. It was blind, and had no mouth. Its head was a malformed grotesquerie of sheer horror.
Eine der irritierendsten Eigenheiten von Henry Kuttners Sword & Sorcery ist die  anachronistische Verwendung von Namen und Begriffen aus einer ganzen Reihe realer Kulturen. Poseidon mag noch durchgehen, schließlich ist diese Gottheit seit den platonischen Dialogen aufs engste mit dem mythischen Atlantis verknüpft. Aber Thor, Odin, Bifröst, Ragnarök, Nirvana, Shaitan, Ischtar, Tammuz, die Elysischen Gefilde, Lethe? Der Name des Gottes der Druiden, Mider, könnte der altirischen Erzählung Tochmarc Étaíne ("Das Werben um Étaín") entnommen sein. Ein solch wahlloses Plündern der Kulturgeschichte  ist in meinen Augen der Atmosphäre einer Fantasyerzählung eher abträglich.
Die Figur Mayanas dagegen ist ein exzellentes Beispiel für eine etwas subtilere und deshalb wirkungsvollere Verwendung von Motiven aus Mythos und Sage. Sie entstammt jenem altehrwürdigen Geschlecht von feenähnlichen Frauengestalten, die aus Liebe zu einem Menschenmann ihr eigenes Reich verlassen, mit meist tragischen Folgen. Zu ihren Vorfahrinnen gehören die mittelalterliche Melusine, Fouqués Undine und natürlich Hans Christian Andersens Kleine Meerjungfrau. Anders als bei dem oberflächlichen Name-Dropping, das Kuttner sonst auf so inflationäre Weise betreibt, greift er in diesem Fall nicht bloß die äußere Form, sondern auch den inneren Gehalt der mythischen Figur auf. Nicht nur endet Mayanas Liebe zu Sepher unglücklich, sie hat darüberhinaus mit der Entstehung von Karkora katastrophale Folgen, die zum Untergang von ganz Atlantis führen könnten. Mayana fühlt sich stark zur Welt der Menschen hingezogen "green fields with the bright cornflowers and daisies gay amid the grass", "fresh winds", "hearth-fires", "the sound of human voices", "a man's love". Aber sie weiß zugleich, dass sie ewig eine Außenseiterin und Fremde in ihr bleiben wird. Dennoch ist sie am Ende von Dragon Moon bereit, ihr eigenes Leben zu opfern, um das Leben ihres monströsen Kindes zu beenden – "to save a world to which she had never belonged". Ein Opfer, das noch größer erscheint, da sie wie ihre mythischen Vorläuferinnen keine Seele besitzt und damit auch kein Ewiges Leben im Jenseits erwarten kann:
It is cold in my kingdom, Elak – cold and lonely. And I have no soul, only my life, while it lasts. My span is long, but when it ends, there will be only darkness
Dragon Moon ist in sprachlicher wie inhaltlicher Hinsicht der krönende Abschluss der Elak of Atlantis - Reihe. Vielleicht kein vergessen gegangenes Juwel der Fantasyliteratur, aber doch ein Werk, das ich allen Freundinnen & Freunden der Sword & Sorcery nur wärmstens ans Herz legen kann. Waren Spawn of Dagon und Beyond the Phoenix bereits zwei durchaus lesenswerte und interessante Vertreter des Subgenres, wäre ich geneigt, diese letzte Erzählung sehr wohl in die Nähe der klassischen Werke von Robert E. Howard, C.L. Moore und Fritz Leiber zu rücken. Kuttners größte Schwäche, die es mir verbietet, sie mit diesen auf eine Stufe zu stellen, bleibt bis zum Ende die mangelnde Ausarbeitung seiner Charaktere.

Warum Kuttner keine weiteren Geschichten über Elak geschrieben hat, ist nicht ganz klar. Es geht das Gerücht, Dorothy McIlwraith, die 1940 die Nachfolge von Farnsworth Wright an der Spitze von Weird Tales, antrat, habe wenig für die Stories übrig gehabt und sei nicht daran interessiert gewesen, weitere zu erwerben. Handfeste Belege für diese Theorie scheint es aber nicht zu geben. Keith West stellt in diesem Artikel die Vermutung auf, die Verhältnisse auf dem Pulp-Markt seien für Kuttners Entscheidung letztlich ausschlaggebend gewesen:
Kuttner was trying to establish a professional writing career.  Weird Tales had a reputation, much deserved, for being slow in paying.  And not always paying that well.  There were a lot more science fiction markets than there were fantasy.  Kuttner didn't restrict himself to just fantasy and science fiction, but also wrote weird menace and mysteries, and he continued to write fantasy for a number of years, especially for Unknown.  However, he had his greatest success in science fiction.  It seems to me, and this is just speculation, that Kuttner began to focus on writing more science fiction because he could make a better living at it.
Allerdings hatte er zuvor noch zwei weitere Geschichten zur jungen Sword & Sorcery beigetragen, die wir uns nun abschließend kurz anschauen wollen.

1939 erschien unter der Leitung von Mort Weisinger mit Strange Stories ein neues Pulpmagazin, das Weird Tales Konkurrenz zu machen versuchte. Freilich wurde das Projekt nach dreizehn Ausgaben 1941 auch schon wieder eingestellt, da man sich nicht bloß gegen W.T., sondern auch gegen John W. Campbells gleichzeitig an den Start gegangenes Magazin Unknown behaupten musste, was sich schnell als unmöglich erwies. Zu den Stories, die Kuttner während des kurzen Lebens von Strange Stories dort hatte unterbringen können, gehören auch seine zwei Sword & Sorcery - Geschichten über die Abenteuer von Prinz Raynor.
Cursed Be The City (April 1939) beginnt mit dem Fall von Raynors Heimatstadt Sardopolis. Der siegreiche Eroberer König Cyaxares befiehlt auf Antreiben seines dämonisch-mephistophelischen "Ratgebers" Necho, den Prinzen zu Tode zu foltern. Doch dieser wird von seinem nubischen Diener Eblik befreit, und die beiden machen sich auf die Suche nach dem geheimnisvollen "Valley of Silence", um eine uralte Prophezeiung zu erfüllen und Tod und Vernichtung über die Invasoren zu bringen. Der Eingang des Tales wird von der Burg des "Reavers" bewacht, bei dem es sich um eine Art Räuberfürsten handelt einen netten Räuberfürsten allerdings. Wie sich herausstellt, war der Ort, an dem Sardopolis errichtet wurde, einst die Heimstatt des urzeitlichen Gottes Pan. Raynors Vorfahren die auch die Vorfahren des "Reavers" waren verbannten den Gott in das "Tal der Stille". Nun ist es die Aufgabe des Prinzen, ihn wieder zu erwecken und zu befreien, damit er in seine alte Heimat zurückkehren und dort Chaos und Vernichtung unter Cyaxeres' Truppen anrichten könne. Gemeinsam mit Delphia, der Tochter des "Reavers", betreten Raynor und Eblik das verzauberte Tal.
Die erste Prinz Raynor - Geschichte gehört meiner Meinung nach mit zum Besten, was Henry Kuttner in der Sword & Sorcery geleistet hat. Zugegeben, das anachronistische Mythenmixen wird hier wirklich auf die Spitze getrieben, wobei in der Schilderung von Pan vielleicht auch noch eine kleine Dosis Arthur Machen mit einfließt. Dennoch ist die Story atmosphärisch dicht und verfügt darüberhinaus über ein ansehnliches Ensemble interessanter Figuren. Das gilt sowohl für Cyaxares und Necho, als auch für Eblik und Delphia. Natürlich entspricht der riesige Nubier in mancherlei Hinsicht dem Klischee des "treuen schwarzen Dieners", aber er ist bei weitem nicht so simpel gestrickt und einfältig, wie man es bei dieser Rolle vielleicht erwarten würde. Dass seine äußére Erscheinung als "hässlich" beschrieben wird, muss übrigens keinesfalls rassistisch interpretiert werden, schließlich waren Elaks Gefährten Lycon und Dalan gleichfalls keine Schönheiten. Alles in allem ist der Auftritt eines heroischen Schwarzen, wenn auch bloß als Sidekick, zu diesem Zeitpunkt in der Sword & Sorcery immer noch etwas erstaunliches. Delphia wiederum ist Kuttners wohl gelungenster Versuch, eine "starke Frauenfigur" zu schaffen. Wenn wir ihr zum ersten Mal begegnen, ist sie gerade von einem Raubzug der "Reavers"-Bande zurückgekehrt, den sie selbst angeführt hat. Und anders als im Falle von Velia aus Thunder in the Dawn dürfen wir sie nicht bloß in Rüstung durch die Gegend marschieren, sondern auch aktiv im Schlachtgetümmel die Klinge schwingen sehen.
Um so trauriger mutet es an, dass Delphia im Sequel The Citadel of Darkness (August 1939) zur Damsel-in-Distress gemacht wird, die von Raynor und Eblik aus den Klauen des Zauberers Ghiar befreit werden muss. Trotz dieses großen Wermuttropfens ist auch diese Story durchaus lesenswert. Und immerhin darf Eblik erstmals vorsichtig andeuten, dass sich Raynor nach dem Untergang von Sardopolis ihm gegenüber vielleicht nicht länger als Prinz und Herr aufspielen sollte.

Henry Kuttners Beitrag zur jungen Sword & Sorcery war sicher nicht welterschütternd oder revolutionär, aber doch weit entfernt von bloßen Howard-Pastiches. Allen Freundinnen & Freunden des Subgenres kann ich guten Gewissens empfehlen, sich einmal auf die Suche nach den sechs Geschichten zu machen.  




(1) Wem eine direktere Mixtur aus Cthulhu-Mythyos und Sword & Sorcery verführerisch erscheint, möge sich etwas gedulden. Ich habe vor, mir die 2016 von Molly Tanzer und Jesse Bullington herausgebene Anthologie Swords v. Cthulhu zu besorgen und zu besprechen – when the stars are right ...

(2) Die Illustration für Beyond the Phoenix war die letzte Arbeit von Jim Mooney, der später eine bedeutende Karriere als Comickünstler machen sollte, die in Weird Tales erschien. Es war Kuttner gewesen, der seinen Freund dazu animiert hatte, probeweise einige seiner Zeichnungen an Farnsworth Wright zu schicken. Mooneys erste professionell veröffentlichte Arbeit war eine Illustration zu Kuttners I, The Vampire in der Februarausgabe 1937 des "Unique Magazine".  

(3) "Dort sah ich eine Frau auf einem scharlachroten Tier sitzen, das über und über mit gotteslästerlichen Namen beschrieben war und sieben Köpfe und sieben Hörner hatte. Die Frau war in Purpur und Scharlach gekleidet und mit Gold, Edelsteinen und Perlen geschmückt. Sie hielt einen goldenen Becher in der Hand, der mit dem abscheulichen Schmutz ihrer Hurerei gefüllt war. Auf ihrer Stirn stand ein Name, ein geheimnisvoller Name: Babylon, die Große, die Mutter der Huren und aller Abscheuchlichkeiten der Erde. Und ich sah, dass die Frau betrunken war vom Blut der Heiligen und vom Blut der Zeuegn Jesu." (Off 17,1-6) 

(4) Vgl. z.B. das zweiundzwanzigste Sonett aus seinem Gedichtzyklus Fungi from Yuggoth:
Out in the mindless void the daemon bore me,
Past the bright clusters of dimensioned space,
Till neither time nor matter stretched before me,
But only Chaos, without form or place.
Here the vast Lord of All in darkness muttered
Things he had dreamed but could not understand,
While near him shapeless bat-things flopped and fluttered
In idiot vortices that ray-streams fanned.

They danced insanely to the high, thin whining
Of a cracked flute clutched in a monstrous paw,
Whence flow the aimless waves whose chance combining
Gives each frail cosmos its eternal law.
“I am His Messenger,” the daemon said,
As in contempt he struck his Master’s head.
In The Haunter of the Dark wird von den "ancient legends of Ultimate Chaos" berichtet, "at whose center sprawls the blind idiot god Azathoth, Lord of All Things, encircled by his flopping horde of mindless and amorphous dancers, and lulled by the thin monotonous piping of a demonic flute held in nameless paws".