"Außerdem studierte er abstruse Bücher, die aus chaldäischen Bibliotheken
gestohlen worden waren, wenn Fafhrd auch aus langer Erfahrung wusste,
dass der Mausling selten über das Vorwort hinauskaum (obwohl er oft die
letzten Kapitel aufrollte und neugierig hineinschaute und beißende Kritik
äußerte)."

Fritz Leiber, Das Spiel des Adepten


Samstag, 28. April 2018

Strandgut der Woche

Samstag, 21. April 2018

Strandgut der Woche

Donnerstag, 19. April 2018

The Witches and the Grinnygog

Das phantastische Kinderfernsehen der Briten ist eine Welt, mit der ich mich auf meinem Blog bisher viel zu selten beschäftigt habe. In den frühen Tagen von Skalpell und Katzenklaue habe ich mal eine Besprechung der Tripods / Dreibeinigen Herrscher (1984/85) veröffentlicht, dann einen Post über Children of the Stones (1977), den legendären "Wicker Man for Kids", und schließlich einen vorweihnachtlichen Beitrag über The Box of Delights (1984). Na ja, The Worst Witch (1986) gehört wohl auch noch dazu. Ein Artikel über den walisischen Arthur of the Britons (1972/73) ist leider nie über den ersten Entwurf hinausgelangt und wartet bis heute auf seine Vollendung.
Ich glaube, es war Mr. Jim Moons Podcast-Episode über King of the Castle (1977), die mich vor einiger Zeit dazu animierte, einmal wieder einen Abstecher in diese Gefilde zu unternehmen. Eher zufällig landete ich bei der 1983 von TVS {damals noch Teil von ITV} produzierten Miniserie The Witches and the Grinnygog. Ich hab' halt was übrig für Geschichten über Hexen, auch hatte es mir der frühneuzeitlichen Holzschnitten nachempfundene Vorspann sofort angetan.

Als die alte Kirche St. Cuthbert abgerissen und {auf Druck einer kleinen Bürgerinitiative} Stein für Stein zum künftigen Wiederaufbau an einen anderen Ort transportiert wird, fällt eine groteske Skulptur von einem dahinrasenden Laster und der guten Mrs. Firkettle (Jane Wood) quasi in den Schoß. Die alleinerziehende Mutter dreier Kinder beschließt, das {ähem} "Fundstück" mitzunehmen und ihrem Vater zu schenken. Schließlich hat sich Granddad Adams (John Barrard) schon immer einen Gartenzwerg gewünscht. Derweil machen sich auf Initiative von Reverend Sogood (Robert Swann) dessen Kinder Colin (Giles Harper) und Nan (Heidi Mayo) zusammen mit ihren Freunden Essie (Zoe Loftin) und Dave (Adam Woodyatt) Firkettle daran, ein kleines Heimatmuseum einzurichten. Unter den potentiellen Exponaten finden die vier das Tagebuch eines früheren Pastors der Gemeinde, in dem von den örtlichen Hexenverfolgungen während des 17. Jahrhunderts die Rede ist.
Dinge beginnen etwas wunderlich zu werden, als Daves und Essies kleiner Bruder Jimmy (Paul Curtis) felsenfest behauptet, dass die groteske Steinfigur im Garten zu ihm gesprochen habe, und wenig später der geheimnisvolle Mr. Twebele Alabaster (Olu Jacobs) im Dorf auftaucht. Der aus Afrika angereiste Gentleman behauptet, Anthropologe zu sein und die englische Folklore erforschen zu wollen. Sein besonderes Interesse gilt einem Artefakt, das er "Grinnygog" nennt, und das sich schon bald als Granddads neuer "Gartenzwerg" entpuppt.
Mr. Alabaster bleibt nicht der einzige ungewöhnliche Neuankömmling. Da wären zuerst einmal drei ältliche und ziemlich exzentrische Frauen: Mrs. Ems (Heila Grant), die sich zusammen mit ihrer stummen und leblos wirkenden Tochter bei den Firkettles einmietet; Miss Bendybones (Patricia Hayes), die eine Stelle als Haushälterin bei Rev. Sogood antritt; und die umhervagabundierende Miss Edie (Anna Wing), die ihr Lager zeitweilig auf dem Golfplatz aufschlägt -- sehr zum Ärger des versnobten Major Gilmour, der sich allerdings überraschend schnell durch eine ihm angebotene Tasse Tee versöhnen lässt. Und dann ist da auch noch ein mysteriöses Mädchen namens Margaret (Eva Griffith), das etwas verloren und verängstigt wirkend durch die Gegend streift und scheinbar auf seine Mutter wartet.
Wie unsere vier jungen Heldinnen und Helden nach und nach herausfinden, stehen alle diese Geschehnisse in Zusammenhang mit den Hexenverfolgungen. Auch wenn der stets skeptische Dave dies lange Zeit nicht eingestehen will, kann doch schon bald kein Zweifel mehr daran bestehen, dass es sich bei den drei seltsamen Frauen um die zurückgekehrten "Hüterinnen" ("Guardians") handelt, die in dem alten Tagebuch erwähnt werden und die im 17. Jahrhundert der Hexerei angeklagt worden waren. So wie es aussieht, geht es darum, eine uralte Geschichte von Intoleranz und Gewalt endlich zu einem friedvollen und versöhnenden Abschluss zu bringen. Eine zentrale Rolle scheinen dabei der "Grinnygogg" und das herannahende Mittsommerfest zu spielen.

The Witches and the Grinnygog basiert auf dem zwei Jahre zuvor erschienenen, gleichnamigen Kinderbuch von Dorothy Edwards, die ungefähr zur selben Zeit auch "several anthologies of short stories, folklore and poetry for children, chiefly on the subjects of magic, witchcraft and ghosts" herausgab, u.a. Ghosts and Shadows (1980) und Mists and Magic (1983).
In ihrer Darstellung der Hexen knüpfte die Schriftstellerin an die von Margaret Murray (The Witch-Cult in Western Europe [1921]) populär gemachte Vorstellung an, dass es sich bei den Opfern der Hexenprozesse des 16. und 17. Jahrhunderts um die Anhängerinnen einer vorchristlichen Naturreligion gehandelt habe. Eine Idee, die auch bei der Gründung der Wicca - Religion durch Gerald Gardner (1884-1964) eine wichtige Rolle gespielt hatte. Wissenschaftlich haltbar ist diese These nach heutigem Erkenntnisstand zwar nicht, aber das tut meiner Meinung nach nicht wirklich was zur Sache. Als Stellvertreterinnen für alle unterdrückten und marginalisierten Gruppen, die aufgrund ihres "Andersseins" unter Diskriminierung, Verfolgung und Gewalt zu leiden hatten, funktionieren die "Hexen" allemal. Und eben darin besteht ihre Rolle in dieser Geschichte. So habe ich das jedenfalls interpretiert.
Schon bei der ersten Unterhaltung der Kinder über die Hexenverfolgungen lässt Essie die Bemerkung fallen: "They never burned men, did they?" Historisch ganz korrekt ist zwar auch das nicht, aber es verweist sogleich auf den Subtext der Geschichte. Wie wir später erfahren, gehörten auch die Vorfahren der Firkettles zu jenen "besonderen" {eine bessere Bezeichnung wäre wohl "andersartigen"} Leuten, denen man mit Misstrauen, Intoleranz und im Extremfall brutaler Gewalt begegnete. Was auch erklärt, warum sofort eine übersinnliche Verbindung zwischen dem kleinen Jimmy und dem Grinnygog besteht, und sich Essie im Laufe der Ereignisse immer stärker zu der "paganen" Welt der Hexen hingezogen fühlt. {Und ist es bloßer Zufall, dass Zoe Loftin rote Haare hat?} Eigentlich schade, dass sie am Ende nicht das Erbe ihrer Ahnen antritt und selbst zu einer Hexe wird.* Doch in diesem Punkt ist die Serie eindeutig: Die Hexen sind Vertreterinnen einer vergehenden Welt. Wenn sie in der letzten Epiosode am Abend des Mittsommerfestes gemeinsam mit Mr. Alabaster nach Afrika fliegen, hat das ein bisschen was von der Abfahrt der Elben von den Grauen Anfurten im Lord of the Rings. Auch wenn die drei ganz sicher nichts von der aristokratischen Aura der tolkienschen Eldar an sich haben. Die Magie verlässt die Welt.
Und natürlich ist Mr. Alabaster als Afrikaner selbst einer jener "Anderen". In einer Uminterpretation der alten Folklore übernimmt der Anthropologe und Schamane ("Witch Doctor") die Rolle des "Black Man" für den Hexenzirkel.** Nicht dass er eine diabolische Gestalt wäre. Er selbst erklärt, dass dieselbe Rolle in seiner Heimat oft von einem "weißen Mann" gespielt werde. Was zwar kaum etwas mit realen afrikanischen Traditionen zu tun haben dürfte, aber noch einmal hervorhebt, dass es um das "Anderssein" geht.
Wenn Afrika am Ende der Miniserie als der letzte Zufluchtsort für Magie und Naturreligion erscheint, haftet dem natürlich unverkennbar ein Element von Exotismus an. Doch möchte ich betonen, dass Mr. Alabaster nie als eine Art "edler Wilder" gezeichnet wird. Ab und an legt er zwar die traditionelle Gewandung eines Schamanen an, aber selbst dann bleibt er ganz der kultivierte und höfliche Gentleman. Und wenn er zum Abschluss gemeinsam mit den Hexen nach Afrika fliegt, geschieht dies nicht auf magische Weise, sondern in einem Helikopter, dessen schwarzer Pilot darauf hindeutet, dass er unmittelbar aus Mr. Alabasters Heimat gekommen ist, welche wir uns also nicht als ein antimodernes, magisches Paradies am Ende der Welt vorstellen sollen.

Eine der auffälligsten Eigenheiten von The Witches and the Grinnygog ist, dass es keine wirklichen Antagonisten in der Miniserie gibt. Trotz des Subtextes über Intoleranz und Verfolgung begegnen wir niemandem, der als Vertreter von christlicher Bigotterie, weißem Rassismus oder männlichem Chauvinismus erscheinen würde. Das schlimmste, was man von den Erwachsenen sagen kann, ist, dass sie blind für die ungewöhnlichen Ereignisse sind, die sich um sie herum abspielen. Doch dafür gibt es eine gute Erklärung: Sie haben schlicht keine Zeit, sich damit zu beschäftigen. So erscheint vor allem Mrs. Firkettle oft ungeduldig und genervt, aber wir können ihr Verhalten recht gut verstehen, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass sie eine alleinerziehende Mutter mit drei Kindern ist, die täglich in eine Nachbarortschaft pendeln muss, wo sie {für einen recht mageren Lohn} in einem kleinen Kaufhaus als Verkäuferin arbeitet.  
Damit wird dem Thema sicher etwas an Schärfe genommen. Ganz allgemein herrscht ein Geist der Versöhnung. Doch gerade das hat für mich auch zum besonderen Charme der Miniserie beigetragen. Das große Mittsommerfest, mit dem The Witches and the Grinnygog ausklingt, erhält dadurch beinah eine Art utopischen Vibe.
Wenn z.B. Miss Edie ihre Nachfahrin Miss Possett (Anne Dyson) besucht, eine fromme Christin und ehemalige Sonntagsschullehrerin, und ihr als Geschenk einen prächtigen, mit zahllosen farbenfohen Blumen geschmückten Hut herbeizaubert, ist klar, dass sie der stets schwarze, puritanisch anmutende Kleider tragenden alten Dame etwas Lebensfreude schenken will, die ihr durch ihre Religion {scheinbar} verwehrt wurde. Dennoch kommt es nicht zu einer Auseinandersetzung zwischen zwei gegensätzlichen  Weltanschauungen. Miss Possett freut sich über das Geschenk, aber das ändert nichts an ihrem Glauben. Man trennt sich in einm Geist gegenseitigen Respektes.
Interessanterweise hält Miss Possett die Firkettle-Kinder davon ab, während der finalen Szene ein "heidnisches" Lied anzustimmen, das sie zuvor mit ihrem Großvater gesungen hatten und das bei Essie ein euphorisches Gefühl des Losgelöstseins, beinah des "Fliegens", ausgelöst hatte. Aber dies muss wohl in erster Linie im Kontext des Motivs vom "Schwinden der Magie" gesehen werden. Was dem versöhnlichen Abschluss eine leicht wehmütige Note verleiht. Das Mittsommerfest ist in gewisser Hinsicht ein letztes Abschiedsgeschenk jener, die nun für immer verschwinden werden. Beinahe als ginge es darum, die Dorfgemeinschaft daran zu erinnern, was sie nun verloren haben.

Trotz des im allgemeinen so versöhnenden Tones, besitzt die Miniserie durchaus auch ihre düsteren Momente. Diese konzentrieren sich hauptsächlich auf die Figur der jungen Margaret oder Daisy. Bei dieser handelt es sich um Mrs. Ems' Tochter, die während des blutigen Chaos der Hexenverbrennungen von ihrer Mutter getrennt wurde und seitdem verloren durch die Zeitalter irrt. Besonders eindringlich ist dabei vor allem eine Szene. Mrs. Firkettle begegnet der verängstigen Margaret bei Anbruch der Nacht im Wald, und plötzlich verwandelt sich das abendliche Dorf in der Ferne in die Szenerie aus dem 17. Jahrhundert mit den flackernden Lichtern der Scheiterhaufen und dem fernen Gegröhle des Lynchmobs.
Während Margaret offenbar unablässig von der Erinnerung an die Schrecken der Vergangenheit verfolgt wird, scheint der Verlust ihres Kindes bei Mrs. Ems ein so großes Trauma verursacht zu haben, dass sie nicht bereit ist, sich offen mit dieser Tatsache auseinanderzusetzen, sondern stattdessen eine Schaufensterpuppe als ihre Tochter kostümiert und felsenfest davon überzeugt zu sein scheint, dass es sich bei dieser tatsächlich um Margaret handelt. Wenn man etwas länger darüber nachdenkt, ist das ziemlich düster.

Eine weitere recht interessante Eigenart der Miniserie ist es, dass unsere kindlichen Heldinnen und Helden letztenendes nur wenig zum glücklichen Ausgang der Geschichte beitragen. Trotz all ihrer Nachforschungen und kleinen Abenteuer erschöpft sich ihre Rolle hauptsächlich darin, Zeugen der Ereignisse zu sein, die sich um sie herum abspielen. Die Serie macht das sogar ganz explizit, wenn Nan am Ende von Miss Bendybones die Aufgabe erteilt wird, die "Wahrheit" aufzuschreiben, was diese dann auch in ihrem Tagebuch macht. Ich habe das für mich als ein weiteres Leitmotiv der Geschichte gedeutet: Versöhnung ist nur möglich, wenn sich eine Gesellschaft über die von ihr in der Vergangenheit verübten Verbrechen Rechenschaft ablegt und die Wahrheit über sich und ihre Opfer ausspricht.

Es erübrigt sich eigentlich, am Ende noch einmal zu sagen, dass ich The Witches an the Grinnygog für ein sehr sehenswertes Stück TV-Phantastik halte. Aufgrund rechtlicher Komplikationen ist die Miniserie leider nie auf DVD erschienen. Allerdings kann man auf Youtube die Videoaufzeichnung einer alten Fernsehausstrahlung finden.



* Die thematisch verwandte, aber sehr viel düsterere Episode The Witch's Bottle aus der ITV-Serie Shadows (1975) geht auch in dieser Hinsicht deutlich weiter.
** Aufgrund von Nathaniel Hawthornes The Scarlet Letter und H.P. Lovecrafts Dreams in the Witch House hatte ich den "Black Man" bislang immer für eine spezifisch amerikanische Zutat zur Hexen-Folklore gehalten. Tatsächlich jedoch war seine Gestalt auch in England fester Bestandteil des volkstümlichen Aberglaubens, wie ich durch meine Lektüre von Frank J. Gents sehr informativem Büchlein über die Hexenprozesse von Bideford (1682) erfahren habe. Das "schwarz" bezog sich übrigens nie auf die Hautfarbe, sondern stets auf die Kleidung.

Samstag, 14. April 2018

Strandgut der Woche

Mittwoch, 11. April 2018

Meine alternative Lovecraft - Film - Liste

Habe ich schon einmal meine tiefe Abneigung gegen Listen erwähnt, die von sich behaupten, die zehn/fünfzig/hundert besten Filme eines bestimmten Genres {oder gleich der gesamten Filmgeschichte} aufzuführen? Ich weiß, so was klingt gut und gibt vorzügliches Clickbait ab, aber mal ehrlich: wer kann für sich die Autorität in Anspruch nehmen, solch eine Liste zusammenzustellen? Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass sich die Qualität eines Filmes nach völlig objektiven Maßstäben beurteilen ließe, bliebe immer noch das kleine Problem, dass die betreffende Person sämtliche Filme in dem betreffenden Genre gesehen haben müsste, bevor sie eine derart autoritative Liste zusammenstellen könnte. Es wäre so viel ehrlicher, solche Artikel mit "Meine zehn/fünfzig/hundert Lieblingsfilme in dem und dem Genre" zu überschreiben.

Es wird deshalb nicht verwundern, dass es der kürzlich auf Tor-Online erschienene Beitrag von Peter Osteried Die zehn besten Lovecraft-Verfilmungen von Anfang an schwer hatte, meine Sympathie zu wecken. Hätte der Titel "Zehn Filme, die ich mag und die irgendwas mit Lovecraft zu tun haben" gelautet, dann wäre ich der Liste selbst sicher sehr viel wohlgesonnener. Denn auch aus meiner Sicht sind die aufgeführten Filme durchaus einen Besuch wert. Manche von ihnen auch mehr als einen. Und doch kann ich nicht umhin, festzustellen, dass das Ganze sich für mich ein bisschen wie die üblichen Verdächtigen ausnimmt. 

Mit Ausnahme vielleicht von Takashi Shimizus Marebito (2004) -- einem äußerst faszinierenden Streifen, den ich vor Zeiten hier besprochen habe, der trotz cthulhuider Untertöne aber ganz sicher keine "Lovecraft-Verfilmung" ist. Und wenn wir uns tatsächlich über den eng begrenzten Kreis selbsterklärter {oder klar erkennbarer} Adaptionen hinausbegeben und in die Gefilde des lovecraftianischen Horrorfilms im Allgemeinen vorstoßen wollten, gäbe es ohne Frage neben Marebito noch eine Menge Kandidaten, die eher einen Platz auf dieser Liste verdient hätten, als viele der Angeführten.
 
Etwas ärgerlich finde ich u.a., dass der älteste aufgelistete Film Stuart Gordons Re-Animator aus dem Jahre 1985 ist. Es gibt in meinen Augen keine Entschuldigung dafür, dass eine Liste der "besten Lovecraft-Verfilmungen", die The Unnamable aka The White Monster (1988; hier besprochen), Necronomicon (1993; hier besprochen) und The Resurrected (1991; hier besprochen) enthält, die AIP-Adaptionen der 60er Jahre mit der Bemerkung abtut, "besonders erfolgreich waren sie nicht", und sie nicht einmal einer namentlichen Erwähnung würdigt. Ich denke, dass sowohl Roger Cormans als Teil seines Poe-Zyklus getarnte Verfilmung von The Case of Charles Dexter Ward, der er den Titel The Haunted Palace (1963) verpasste und in dem nicht nur Vincent Price, sondern auch Lon Chaney Jr. und Debra Paget mitwirkten, als auch Daniel Hallers bizarr-psychedelische Counter Culture - Variante von The Dunwich Horror (1970) einen Vergleich mit den drei vorgenannten Flicks nicht zu scheuen brauchen.
Gleichfalls etwas problematisch finde ich, dass beinah die Hälfte von Osterieds Liste aus Stuart Gordon - Filmen besteht. Ich mag Gordons Flicks, insbesondere Re-Animator (1985) und From Beyond (1986), aber ob diese grandios-grotesken Gore-Spektakel besonders gelungene filmische Umsetzungen von Geist und Atmosphäre des lovecraftschen Horrors sind, ließe sich meiner Ansicht nach in Frage stellen. Und Castle Freak (1995) hat wirklich so gut wie nichts mit dem Werk des alten Gentleman von Providence zu tun. Um so verwirrender finde ich es, dass Osteried ausgerechnet Gordons Dreams in the Witch House (2005; hier besprochen) außen vor gelassen hat, obwohl es sich dabei neben Dagon (2001) um die getreueste Lovecraft-Adaption des Regisseurs handelt. Vielleicht, weil es ein Fernsehfilm ist?
Und so erfreulich ich es auch finde, dass die von der H.P. Lovecraft Historical Society produzierte Stummfilm-Version von The Call of Cthulhu (2005) ihren Weg auf die Liste gefunden hat, irritiert es mich doch, dass die zweite filmische Unternehmung der HPLHS, ihre im Stil der 30er Jahre gehaltene Adaption von The Whisperer in Darkness (2011), ungenannt bleibt.

Aber ich will nicht bloß rumnörgeln. Deshalb habe ich ich eine eigene kleine alternative Liste zusammengestellt. 

Mein Ziel war es dabei nicht, "bessere" Lovecraft-Verfilmungen zu präsentieren, sondern auf unbekanntere Werke hinzuweisen, die im Großen und Ganzen eigenwilliger und experimenteller sind, als die meisten der von Osteried aufgelisteten Werke. Viele dieser Streifen sind Low Budget - Produktionen, die meisten Kurzfilme. Sie stellen bloß einen kleinen Ausschnitt dessen dar, was es neben den üblichen Verdächtigen an lovecraftianischer Filmkunst so gibt. Die meisten von ihnen kann man sich auf Youtube oder Vimeo problemlos anschauen.

  • Cthulhu (2007) von Dan Gildark & Grant Cogswell. Der einzige Kinofilm auf meiner Liste. Ich habe mich mit ihm und seiner faszinierenden Entstehungsgeschichte hier in aller Ausführlichkeit beschäftigt.
  • H.P. Lovecraft's Dunwich Horror and Other Stories (2007) von Ryo Shinagawa.
  • The Music of Erich Zann (1980) von John Strysik. {Hier besprochen.}
  • Nyarlathotep (2001) von Christian Matzke.
  • The Shadow Out of Time (2012) von Richard Svensson & Daniel Lennée. {Svensson hat eine ganz Reihe wundervoll bizarrer Kurzfilme gedreht, z.T. basierend auf Gedichten von Lovecraft. Sie finden sich sämtlichst auf seinem Youtube-Kanal.}
  • Fyren - Keeper of the Light (2010) von Robert P. Olsson. Keine direkte Adaption einer Lovecraft-Story, aber eindeutig inspiriert vom Werk des alten Gentleman. {Hier besprochen.}
  • Behind (2015) von Kendy Ty. Gleichfalls keine Adaption, doch greift das gerade einmal fünf Minuten lange, minimalistische Werk die subtileren Elemente des lovecraftschen Grauens -- apokalyptische Angst, Gefühle von Verlorenheit und Hilflosigkeit -- auf sehr effektvolle Weise auf.
  • The Captured Bird (2012) von Jovanka Vuckovic. Selten wohl wurde cthulhuider Horror auf so poetische Weise eingefangen wie in diesem Kurzfilm.

Samstag, 7. April 2018

Strandgut der Woche

Freitag, 6. April 2018

Mexikanischer Monsterspaß

Ich muss zugeben, dass die wunderlichen Gefilde des mexikanischen Genrefilms für mich noch weitgehend Terra Incognita darstellen. Ich bin mit den Aztec Mummy - Streifen vertraut und habe mich vor einigen Jahren auch einmal an der großartigen Bizzarrerie von Santa Claus vs The Devil (1959) erfreut. Doch sehr viel weiter reicht meine persönliche Bekanntschaft mit dieser Provinz des phantastischen B-Movies nicht.
Nun habe ich als kleines Ostergeschenk an mich selbst letzten Sonntag einen weiteren zaghaften Schritt getan, um diesen betrüblichen Zustand aufzubessern, und mir mit La Nave De Los Monstruos / The Ship of Monsters (1960) von Rogelio A. González einen Flick zu Gemüte geführt, der im Rufe steht, ein echter Schlock-Klassiker zu sein. Ich sollte nicht enttäuscht werden.
Ein recht beliebtes Subgenre des angloamerikanischen SciFi-B-Movies der 50er Jahre war der "Frauen aus dem Weltall" - Film, zu dem u.a. Cat-Women of the Moon (1953), Devil Girl from Mars (1954) und Fire Maidens from Outer Space (1956) gehörten. Zwar geht es nur in Devil Girl from Mars tatsächlich um eine Außerirdische, die sich zwecks Männerjagd auf die Erde begibt, doch ist es diese Variante, die auch in späteren Jahren immer mal wieder gerne aufgegriffen wurde. Wenn auch meistens ein wenig "tongue in cheek". Wenn mein Gedächtnis mich nicht täuscht, gibt es neben La Nave De Los Monstruos mindestens noch einen weiteren mexikanischen SciFi-Flick, der sich dieses Motivs bedient.
Allerdings verleihen José María Fernández Unsáin und Alfredo Varela, Jr. ihrer Story den einen oder anderen originellen Dreh, so dass das filmische Endprodukt zu einer völlig verrückten und ziemlich sympathischen Genre-Melange wird.

Dabei beginnt das Ganze recht traditionell. Die Herrscherin des Venus (Consuelo Frank) schickt Gamma (Ana Bertha Lepe) und Beta (Lorena Velázquez) auf eine interplanetarische Mission, um die vorzüglichsten männlichen Exemplare der Bewohnerschaft des Sonnensystems zu entführen und zwecks Fortpflanzung auf ihre ausschließlich von Frauen bevölkerte Heimatwelt zu bringen. Dass man in der Kostümabteilung Bade- und Raumanzüge durcheinander gebracht hat, ist gleichfalls noch nicht so erstaunlich. 
Interessanter wird es da schon, wenn unsere männerraubenden Raumfahrerinnen nicht etwa straks zur Erde fliegen, sondern erst einmal eine bizarre Kollektion monströser außerirdischer Männchen einsammeln und in Eisblöcken einfrieren, sowie den Roboter Torr aufgabeln, der zugleich eine wandelnde Enyklopädie ist, bevor sie durch einen Triebwerksschaden gezwungen werden, auf einem unbedeutenden "Planetoiden" notzulanden, der sich natürlich als die gute alte Terra entpuppt.
Es folgt die Einführung unseres männlichen Protagonisten Lauriano Gómez (Eulalio "Piporo" González). Der erweist sich nicht als der "manly man", den man vielleicht erwarten würde, sondern als singender Vaquero, liebenswerter Schwätzer und schamloser Lügenbold, der bei seinen Kumpels in der örtlichen Kneipe regelmäßig mit wüsten Geschichten über seine angeblichen Kämpfe gegen Banditen und Dinosaurier {!!} Eindruck zu schinden versucht.
Als er den beiden Alien-Ladies über den Weg läuft, sind diese sofort davon überzeugt, das hervorragendste männliche Exemplar der Erdbevölkerung gefunden zu haben. {Eine Einschätzung, die wir als Publikum nicht unbedingt teilen werden.} Und anders als die anderen Mitglieder der monströsen Menagerie, die die beiden bisher zusammengesammelt haben, scheint der Bursche sogar der selben Spezies anzugehören wie unsere Raumfahrerinnen. Lauriano seinerseits ist selbstverständlich nur zu gerne bereit, die beiden hübschen, aber {aus seiner Sicht unerklärlich} naiven Frauen in die Mysterien der Liebe einzuführen. Dabei hat es ihm Gamma besonders angetan.
Erwartungsgemäß enthält dieser Part des Filmes einige etwas peinliche Momente. Und selbstverständlich kann man von einem B-Movie der 50er Jahre nicht erwarten, frei von Sexismus zu sein -- erst recht nicht, wenn er diesem Subgenre angehört. Doch es hätte deutlich schlimmer kommen können. Alles in allem bewahrt sich La Nave De Los Monstruos bei aller sexuellen Augenzwinkerei eine merkwürdig sympathische Unschuld und Naivität.

Natürlich kommt es augenblicklich zu Eifersüchteleien unter den Ladies, was mich schlimmes befürchten ließ. Zwei Frauen, die um die Gunst eines Mannes buhlen? Auf so eine Story hatte ich nun wirklich keine Lust. Doch es dauerte nicht lang, bis diese Befürchtungen durch eine Szene beseitigt wurden, die mich in lautes und begeistertes Gelächter ausbrechen ließ. Denn kaum ist das erste große Geflirte zwischen Lauriano und den beiden über die Bühne, da entdeckt die herzensgute Gamma auch schon, dass ihre Kollegin in Wirklichkeit eine Vampirin ist! Kein Witz. Die Gute schlüpft in ein schwarzes Cape, saugt Menschen das Blut aus und macht sich flugs daran, zusammen mit den Monstermännern aus dem Raumschiff das Projekt "Eroberung der Weltherrschaft" anzugehen!
Und wie großartig-liebenswert-primitiv realisiert sind diese Puppen- und Stop Motion {?}- Monster: Der Zyklop Uk, das Spinnenungeheuer Utirr, der skelettöse Zok und der marsianische Prinz Tagual mit dem Riesenhirn, der Betas Skrupellosigkeit und Grausamkeit so bezaubernd findet, dass er ihr quasi einen Heiratsantrag stellt. Ich hätte es mir so gewünscht, dass die beiden am Ende gemeinsam auf den Mars fliegen, um dort in Liebe vereint in ihrer gemeinsamen Bösartigkeit schwelgen zu können!
Doch ein Happy End für Marsianer und Vampirladies wäre wohl selbst bei diesem verrückten Streifen zu viel verlangt gewesen. Und alles in allem sind Gamma, Lauriano, dessen kleiner Bruder Chuy (Heberto Dávila, Jr.) und Roboter Torr ja auch kein unsympathisches Team. Darum wollen wir ihnen ihren letztendlichen Sieg über Beta und ihre Monsterkumpanen ruhig gönnen. {Allerdings hatte ich das Gefühl, dass der Regisseur im Eifer des Drehs irgendwann den guten Zok vergessen haben muss. Jedenfalls kann ich mich nicht an das Ableben des putzigen Skelett-Ungeheuers erinnern}. Die Szene, in der Lauriano die böse Beta zu umgarnen versucht, um an den lebenswichtigen "Kontrollgürtel" zu gelangen, hätte noch einmal für Bauchgrimmen sorgen können, wenn González sie nicht für eine charmante kleine Gesangs- und Tanzeinlage genutzt hätte.
Und ja, in La Nave De Los Monstruos wird eine Menge gesungen {einmal geht der Film sogar so weit, im Hintergrund einen Gitarrenspieler auftreten zu lassen}, und so wundert es nicht, dass auch die Schlussszene eine kleine Musiknummer ist. Und was für eine! Gamma bleibt natürlich auf der Erde bei ihrem Lauriano. Roboter Torr startet das Raumschiff, um zur Venus zurückzufliegen. Doch er ist nicht allein. Auch er hat auf der Erde die wahre Liebe gefunden: Laurianos Jukebox! Und während die beiden in den Weltraum düsen, stimmen sie gemeinsam ein Liebesduett an!

Niemand wird behaupten wollen, La Nave De Los Monstruos sei ein guter Film. Die Story ist hanebüchen, die Trickeffekte äußerst primtiv, und auch der {bewusste} Humor ist höchstens für das eine oder andere Grinsen gut. Doch alle Freundinnen und Freunde bizarren Trashs werden ihren Heidenspaß mit diesem Flick haben. Mir jedenfalls hat er einen äußerst unterhaltsamen Ostersonntag beschert.