"Außerdem studierte er abstruse Bücher, die aus chaldäischen Bibliotheken
gestohlen worden waren, wenn Fafhrd auch aus langer Erfahrung wusste,
dass der Mausling selten über das Vorwort hinauskaum (obwohl er oft die
letzten Kapitel aufrollte und neugierig hineinschaute und beißende Kritik
äußerte)."

Fritz Leiber, Das Spiel des Adepten


Freitag, 30. Oktober 2015

"Anything can happen on Halloween"

Familiäre Verpflichtungen halten mich in diesem Jahr leider davon ab, Halloween auf angemessene Weise zu feiern, doch ist es mir glücklicherweise gelungen, mich zumindest lange genug in meine persönliche Gruft zurückziehen zu können, um einen kurzen Post zum Hohen Fest der Hexen und Gespenster zu schreiben. Als Objekt habe ich mir dafür The Worst Witch ausgesucht, Robert Youngs ungemein charmante Verfilmung des gleichnamigen Kinderbuchs von Jill Murphy aus dem Jahre 1986. Denn nicht nur spielt Halloween eine wichtige Rolle in der Story, der Streifen enthält auch diesen grandiosen Auftritt des unvergleichlichen Tim Curry:

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Ich muss zugeben, dass ich Jill Murphys Buch nicht gelesen habe, doch das Drehbuch von Mary Pleshette Willis soll der Vorlage ziemlich getreu folgen:

Mildred Hubbles (Fairuza Balk) erstes Schuljahr in Miss Cackles (Charlotte Rae) berühmtem Internat für angehende Hexen ist alles andere als angenehm verlaufen. Nicht bloß in den Augen ihrer Lehrerin Miss Hardbroom (der unsterblichen Diana Rigg), die der stets freundlichen Direktorin leider so gar nicht ähnelt, gilt sie als die mieseste Schülerin ihres Jahrgangs. Natürlich verhaut sie auch noch den finalen Test im Tränkebrauen, und als die jungen Hexen ihre ersten Katzen überreicht bekommen, erhält sie die einzige, die kein schwarzes Fell hat. Als wäre das alles nicht  schon schlimm genug, hackt die Klassenbeste Ethel (Anna Kipling), eingebildete Tochter eines traditionsreichen Hexenclans, auch noch ständig auf ihr herum. Wenigstens hat sie mit Maud Warlock (Danielle Batchelor) eine wirklich gute Freundin. Doch so sehr sich Maud auch bemüht, auch ihr gelingt es nicht, Mildred von ihren Minderwertigkeitskomplexen zu befreien. 
Als Halloween herannaht und bekannt wird, dass der Grand Wizard (Tim Curry), in den alle Schülerinnen (und auch Miss Hardbroom) fürchterlich verknallt sind, der Akademie einen Besuch abstatten wird, eröffnet sich Mildred endlich eine Gelegenheit, einmal zu glänzen. Sie darf am geplanten Formations-Besenflug teilnehmen. Dummerweise ist ihr eigener Besen bei einem verunglückten Trainingsflug zu Bruch gegangen, und ein nur notdürftig geflicktes Fluggerät soll bei solch einem illustren Anlass natürlich nicht zu sehen sein. Also ist unsere Heldin genötigt, sich den Ersatzbesen der versnobten Ethel zu leihen. Doch diese hat das gute Stück mit einem Zauber belegt, um Mildred einmal mehr vor aller Augen zu demütigen.
Als Mildred nach der erwartungsgemäß peinlich verlaufenen Halloween-Feier mit ihrem unangemessen gefärbten Kätzchen "Tabby" die Flucht aus dem Internat antritt, stolpert sie zufällig über den Hexenzirkel von Miss Cackles böser Zwillingsschwester Agatha, die einen diabolischen Plan ausgeheckt hat, um die Kontrolle über die Akademie zu übernehmen. Nun endlich wird sie wirklich zeigen können, was in ihr steckt.

Regisseur Robert Young ist Freunden & Freundinnen des Phantastischen vielleicht am ehesten durch Hammers wunderbar verrückten Vampire Circus (1972) und einige Episoden von Robin of Sherwood (1984-86) bekannt. Doch seine im Auftrag von ITV & HBO gedrehte Verfilmung von Jill Murphys Buch verdient meiner Ansicht nach mindestens ebenso große Anerkennung.

Freilich darf man an The Worst Witch nicht herangehen, als handele es sich um einen phantastischen Abenteuerfilm für Kinder. Agatha Cackles hinterhältiger Versuch, die Schule zu übernehmen, spielt im Grunde eine äußerst untergeordnete Rolle, und Mildreds Triumph über die fiese Hexe wird in wenigen Minuten abgehandelt. In Wirklichkeit geht es in diesem Film um Außenseitertum, Freundschaft und die oft so grausamen Hierarchien unter Kindern.
Und wie erfreulich ist es dabei, dass in einer Story, die sich ganz um heranwachsende Mädchen dreht, Jungs so überhaupt keine Rolle spielen. Womit Mildred zu ringen hat, ist nicht, wie sie irgendeinem "coolen Jungen" gefallen könnte {Tim Curry ist der einzige männliche Darsteller in dem Film}. Ihr Problem besteht vielmehr darin, ein gesundes Selbstbewusstsein zu entwickeln, und sich nicht länger von autoritären Lehrerinnen und fiesen Klassenkameradinnen herumschikanieren zu lassen. Wie Molly Tanzer es in einer lang zurückliegenden Episode von Films of High Adventure formuliert hat:
Boys can take it or leave it — whatever they want — because this is a story written by a girl (the author was apparently 15 when she started writing the first book) for girls, about girl stuff that isn’t makeup and nails and looking sexy. It’s about girls learning and playing and trying to find their place in the world and struggling with being outsiders among outsiders and all sorts of stuff.
Natürlich darf man nicht mit gar zu übertriebenen Erwartungen an den Film herangehen. Diana Rigg und Tim Curry geben erwartungsgemäß gute Leistungen ab, und auch die Kinderdarstellerinnen sind alles in allem überraschend überzeugend, doch trotzdem bleibt The Worst Witch eine Fernsehproduktion der 80er Jahre, voller billiger Sets und nicht eben grandioser Spezialeffekte. Was jedoch in meinen Augen durch so neckische Details wie die Pentagramme auf den Bettdecken oder die "Besen-Fliegen-Verboten" - Schilder in den Schulkorridoren mehr als aufgewogen wird. Und letztenendes sollte keines dieser eher "formalen" Argumente im Vergleich zu dem durchgehend menschlichen, warmherzigen und charmanten Charakter des Films ins Gewicht fallen.   
           
       

2 Kommentare:

  1. Hallo, Frank
    Die Story ist natürlich nicht gerade komplex, und der (billige) 80er Jahre - Look mag auf manchen abschreckend wirken, aber ich hab "The Worst Witch" wirklich sehr gern.

    Auch werde ich das Gefühl nicht los, dass wir hier eine der uneingestandenen (vielleicht ja auch unbewussten) Inspirationsquellen für den frühen "Harry Potter" vor uns haben. Natürlich nicht in Bezug auf den ganzen epischen "Auserwählter" & "Gut gegen Böse" - Kram, aber doch in der Darstellung der Hierarchien in der Schule. Im Potterversum wäre Mildred ein "Mudblood/Schlammblut" (ihre Mutter hatte kein Talent zur Magie), während Ethel in vieler Hinsicht eine Art weiblicher Draco Malfoy ist.

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