"Außerdem studierte er abstruse Bücher, die aus chaldäischen Bibliotheken
gestohlen worden waren, wenn Fafhrd auch aus langer Erfahrung wusste,
dass der Mausling selten über das Vorwort hinauskaum (obwohl er oft die
letzten Kapitel aufrollte und neugierig hineinschaute und beißende Kritik
äußerte)."

Fritz Leiber, Das Spiel des Adepten


Sonntag, 30. April 2017

Strandgut der Woche

Samstag, 22. April 2017

Strandgut der Woche

    Donnerstag, 20. April 2017

    Die Königin der Pulps

    Enthusiasm impels me to pause from burning spines off cactus for my drouth-bedeviled goats long enough to give three slightly dust-choked cheers for the April cover illustration. The color combination is vivid and attractive, the lady is luscious, and altogether I think it’s the best thing Mrs. Brundage has done since she illustrated my “Black Colossus.”

    Robert E. Howard
    in einem Brief an Weird Tales vom Mai (?) 1936 


    Wenn der Name Weird Tales fällt, dann werden die meisten Freundinnen & Freunde der Phantastik vermutlich zuallererst an das legendäre Triumvirat H.P. Lovecraft, Robert E. Howard und Clark Ashton Smith denken. Wozu ich kurz anmerken will, dass es mir zwar genauso geht, die drei jedoch keineswegs die am häufigsten in Farnsworth Wrights legendärem Pulp-Magazin abgedruckten Autoren waren. Mr. Seabury Quinn z.B. war allem Anschein nach zu seiner Zeit sehr viel populärer als die "drei Musketiere". Doch der Name, der den meisten nach den "großen Drei" in den Sinn kommen wird, ist wahrscheinlich gar nicht der eines Schriftstellers, sondern der einer Illustratorin – Margaret Brundage. Von 1933 bis 1938 – d.h. in der Hochzeit von Weird Tales – gehörten die von ihr kreierten Cover zu den unverkennbaren Markenzeichen des Magazins. (1)

    Ich muss gestehen, dass ich selbst nicht der allergrößte Fan ihrer pastellfarbenen Werke bin, die in einer Mischung aus Pin-up, Fantasy und Horror meist mehr oder minder entblößte Frauen darstellen, die von irgendwelchem finsteren Gelichter bedroht werden, wobei nicht selten leicht fetischistische Untertöne oder ein Hauch Sadomasochismus mit hineinspielen. Wohlgemerkt ist es nicht diese Thematik, mit der ich Probleme habe, sondern der zeichnerische Stil. Ich kann mir nicht helfen, aber mitunter scheint mir Clark Ashton Smiths abfällige Bemerkung über Margaret Brundages "weird ideas of anatomy" (2) ein Körnchen Wahrheit zu enthalten.
    Was nicht heißen soll, dass nicht auch ich einige ihrer Bilder sehr ansprechend finden würde. Doch wenn ich mich daran gemacht habe, einen kurzen Blogpost über die Künstlerin zu verfassen, so in erster Linie, weil die Geschichte ihres Lebens ein faszinierendes Beispiel für eine Überschneidung zwischen den Welten der linken Bohème und der Pulps darstellt. Eine biographische Facette, die in den meisten Netzbeiträgen über Maragret Brundage, die ich gelesen habe, entweder völlig ignoriert oder nur am Rande erwähnt wird.

    Die Künstlerin wurde am 9. Dezember 1900 als Margaret Hedda Johnson in Chicago geboren. Ihr Vater starb, als sie acht Jahre alt war, und so wuchs sie ganz unter der Obhut ihrer Mutter und Großmutter auf, die beide überzeugte Anhängerinnen der "Christian Science" waren  einer bizarren religiösen Strömung, deren unbedingter Glaube an die quasi-magische "Macht des Gebetes" ihren Mitgliedern dringend "nahelegt", in keinem Fall die Hilfe der modernen Medizin in Anspruch zu nehmen.
    Während ihrer Zeit an der McKinley High School wurde sie die Herausgeberin der Schulzeitung, zu der auch ein Klassenkamerad mit dem Namen Walter Elias Disney einige Cartoons beisteuerte. Derweil der gute Walt die Schule abbrach, weil er unbedingt am patriotischen Gemetzel des Ersten Weltkriegs teilnehmen wollte {was ihm letztlich nicht vergönnt war}, machte Margaret ihren Abschluss und setzte ihre Ausbildung am Art Institute of Chicago fort. Dort studierte sie von 1921 bis '23 Modedesign und begegnete kurioserweise erneut dem jungen Disney. Diesmal war sie es, die es nicht bis zum Abschluss brachte. In den folgenden Jahren arbeitete sie als freischaffende Zeichnerin für verschiedene Modemagazine.
    Die mir zur Verfügung stehenden Quellen enthalten leider keinen Hinweis darüber, wann Margaret Brundage gegen die religiös-kleinbürgerliche Atmosphäre, in der sie aufgewachsen war, aufzubegehren begann. Doch irgendwann muss es zu einer solchen Rebellion gekommen sein, denn sie wurde alsbad zu einem Mitglied der ebenso vielgestaltigen wie unkonventionellen Bohème von Chicago.

    Die Stadt besaß eine lange Tradition als eines der Zentren von Radikalismus und revolutionärem Sozialismus in den USA, was natürlich viel mit ihrem industriellen Charakter zu tun hatte. (3) Hier hatte 1886 die berühmte Haymarket-Revolte stattgefunden, der zu Ehren der erste Mai von der internationalen Arbeiterbewegung zu ihrem Kampf- und Festtag erklärt wurde. Von hier hatte der landesweite Pullman-Streik von 1894 seinen Anfang genommen, dessen Niederschlagung zu Eugene V. Debs Hinwendung zum Sozialismus und zur Gründung der Social Democracy of America (SDA), einer der Vorläuferinnen der Socialist Party, geführt hatte. Hier waren 1905 die revolutionär-syndikalistischen Industrial Workers of the World (IWW) gegründet worden. Hier hatte William Z. Fosters Karriere als radikaler Gewerkschaftler begonnen, in deren Verlauf er u.a. zu einem der Führer des großen Stahlstreiks von 1919 geworden war. (4)
    Hinzu kam, dass Chicago eines der wichtigsten Zielpunkte der "Great Migration" war, in deren Verlauf zwischen 1916 und 1930 Hunderttausende Afroamerikaner aus dem Süden der Vereinigten Staaten in die industriellen Zentren des Nordens abwanderten. Schon zuvor war die Stadt ein wichtiges Zentrum afroamerikanischen Lebens gewesen. Hier erschien seit 1905 der berühmte Defender, die meist gelesene schwarze Zeitung ihrer Zeit. 
    Der schwarze Bevölkerungsanteil Chicagos stieg von 44.103 im Jahr 1910 auf 233.903 im Jahr 1929. Die meisten der Neuankömmlinge waren gezwungen, sich in dem als "Black Belt" bekannten Stadtteil auf der Southside niederzulassen. Mit seinen Kinos, Nachtclubs, Dance-Halls wurde das Viertel in den Roaring Twenties zur "Black Metropolis" der Jazz-Ära. In seiner Biographie von Louis Armstrong, der 1923 auf Einladung von "King" Oliver nach Chicago gekommen war, beschreibt Laurence Bergreen das Lebensgefühl seiner Bewohner wie folgt:.
    Louis's black neighbors, hardworking porters, stevedores, postal clerks, and laborers by day, went home, rested, washed, and in the middle of the night at 2:00 A.M.! rose, dressed in their best, and went out to the street to meet companions, to find women, to go to the joints over on 35th Street where New Orleans jazz was heard: the Dreamland, the Plantation, the Sunset, the De Luxe, and the Elite Cafe. (5)
    In den 30er/40er Jahren wurde der Stadtteil nun oft "Bronzeville" genannt zur Heimstatt einer blühenden kulturellen Bewegung, die große Ähnlichkeiten mit der sehr viel bekannteren Harlem Renaissance aufweist und deshalb als "Black Chicago Renaissance" bezeichnet wird. Malerei, Musik, Ballett, Lyrik und Literatur umfassend, entwickelte sie sich vor dem Hintergrund der von ökonomischem Elend und heftigen sozialen und politischen Kämpfen geprägten Ära der Großen Depression. Kommunisten und andere Radikale gründeten Arbeitslosenkomitees in "Bronzeville" und organisierten den Kampf gegen Mietwucher und Zwangsräumungen. Anders als die alten Gewerkschaften des AFL, die keine Afroamerikaner in ihren Reihen geduldet hatten, bemühten sich die neuen Industriegwerkschaften des CIO unter dem Slogan "Negro and White: Unite and Fight” alle Teile der Arbeiterklasse zu organisieren – unabhängig von Hautfarbe oder Herkunft. Viele Vertreter und Vertreterinnen der "Black Chicago Renaissance" waren von sozialistischem Gedankengut beeinflusst. Richard Wright, Autor von Native Son und treibende Kraft der South Side Writers Group, stand der KP nahe, der er 1937 schließlich offiziell beitrat. (6)

    Einer der beliebtesten Treffpunkte der Chicagoer Bohème war der Dil Pickle Club.1914 als ein Ort der freien Rede und des Gedankenaustauschs von dem Ex-Wobblie (7) und Anarchisten Jack Jones gegründet, der eine Zeit lang mit "Rebel Girl" Elizabeth Gurley Flynn (8) verheiratet gewesen war, entwickelte sich der Club in den 20er Jahren zu einer einmaligen Mixtur aus Hörsaal, Kleinbühne, Dance-hall und Speakeasy (9). Politische Vorträge, literarische Lesungen, Theateraufführungen, Jazz, Alkohol all das und noch mehr hatte der Dil Pickle Club seinen Besuchern zu bieten. Zu diesen gehörten über die Jahre so bekannte Persönlichkeiten wie Sherwood Anderson, Djuna Barnes, Clarence Darrow, Emma Goldman, Big Bill Haywood, Ben Hecht, Lucy Parsons, Carl Sandburg, Upton Sinclair und William Carlos Williams.

    Und offenbar auch Margaret Johnson. Hier lernte sie ihren Ehemann "Slim" Brundage kennen, der als Hausmeister und Rausschmeißer des Dil Pickle Club arbeitete. Die beiden heirateten 1927. 
    Die meisten Artikel über die Künstlerin, die ich gelesen habe, wissen wenig mehr über ihn zu berichten, als dass er ein versoffener Nichtsnutz gewesen sei, der von Margarets Einkommen lebte, wähend er gleichzeitig zahllose Affären mit anderen Frauen unterhielt. In der Tat endete die Ehe nach zwölf Jahren mit einer Scheidung. Dennoch ist diese Darstellung zumindest einseitig. "Slim" Brundage mag in vielem ein verantwortungsloser Charakter gewesen sein, zugleich jedoch war er ein Wobblie und radikaler Aktivist, und gemeinam waren die beiden offenbar an einer Vielzahl politischer und kultureller Unternehmungen beteiligt. Über die Details ihrer Tätigkeiten weiß ich leider nichts genaues, doch J. David Spurlock – Co-Autor von The Alluring Art of Margaret Brundage – hat Margaret und "Slim" in einem Interview mit der Weird Fiction Review einmal als "an important, revolutionary couple in the birth of the American counterculture" beschrieben, und der Begleitartikel lässt zumindest die Stichworte Dil Pickle Club, IWW und Bronzeville fallen.

    Man mag sich zurecht fragen, wie eine politisch radikale Künstlerin aus der Chicagoer Bohème schließlich zur führenden Cover-Illustratorin von Weird Tales wurde. Auf den ersten Blick wirkt das sicher etwas eigentümlich, doch die Antwort ist denkbar einfach. Mit dem Einsetzen der Großen Depression fiel es Margaret Brundage zunehmend schwieriger, genug Aufträge von Modemagazinen zu erhalten, zumal sie inzwischen nicht nur für sich selbst, sondern auch für "Slim", ihren gemeinsamen Sohn Kerlynn und ihre invalide Mutter sorgen musste. Auch  begann es sie zu langweilen, ausschließlich Schwarzweiß-Zeichnungen anzufertigen. Sie wollte mit Farbe arbeiten. Also machte sie sich 1932 daran, die Redaktionsstuben sämtlicher in Chicago erscheinender Magazine abzuklappern, um ihre Dienste als Cover-Künstlerin anzubieten. Dabei landete sie schließlich auch im Büro von Farnsworth Wright. Dieser zeigte sich begeistert von ihren Arbeiten, und so erschien auf der Frühlingsausgabe von Oriental Stories zum erstenmal ein Cover von Margaret Brundage. Im September desselben Jahres folgte ihr erstes Cover für Weird Tales. Vom Juni 1933 bis zum August 1936 zierten ihre Illustrationen jede Ausgabe des "Unique Magazine".

    Entgegen weitverbreiteter Vorstellungen waren die Pulps keine reine Männerwelt. Wie Keith West in seinem zugegeben provokant-polemischem, doch äußerst lesenswertem Artikel The Women Other Women Don't See schreibt:
    In The Unique Magazine, 127 known women writers published 365 short stories and serials, or 13.45% of the fiction.  These figures do not include female poetry authors (63, or 40% of the poets), nor do they include authors of indeterminate gender.
    Dennoch kam es zu einem Aufschrei moralischer Entrüstung, als Wright im Oktober 1934 enthüllte, dass sich hinter der Signatur "M Brundage" eine Frau verbarg. Viele "besorgte Bürger" waren offenbar der Ansicht, dass Frauen keine erotische Kunst herstellen dürfen, und wenn sie es doch tun, sind sie "verworfene Kreaturen".
    Es ist nicht anzunehmen, dass sich Farnsworth Wright durch die Beschwerdebriefe, die sich auf einmal auf seinem Schreibtisch zu häufen begannen, sonderlich beeindrucken ließ. Der gute Satrap Pharnabosus – wie Lovecraft und Clark Ashton Smith ihn getauft hatten – wusste sehr gut, dass "Sex Sells" und ein kleiner "Skandal" die Verkaufszahlen seines Magazins eher anwachsen, denn schrumpfen lassen würde. 
    Tatsächlich spricht manches dafür, dass Brundages Cover einen wichtigen Beitrag dazu leisteten, Weird Tales in den harten Jahren der Großen Depression vor dem Bankrott zu bewahren. Ihr größter Erfolg war ihre Illustration von Robert E. Howards The Slithering Shadow, die sie für die Septemberausgabe von 1933 anfertigte. Wie sie Jahrzehnte später in einem Interview erzählt hat:   
    We had one issue (the September 1933 number) that sold out! It was the story of a very vicious female, getting ahold of the heroine and tying her up and beating her. Well, the public apparently thought it was flagellation, and the entire issue sold out. They could have used a couple of thousand extra (copies). 
    Autoren wie Howard oder Seabury Quinn begannen, bewusst "erotisch-fetischistische" Szenen in ihre Geschichten einzubauen, um diesen den begehrten Status der Cover-Story zu sichern.

    Von allen Autoren, die für Weird Tales schrieben, war "Two-Gun" Bob übrigens Margaret Brundages erklärter Liebling. Neben erwähntem Cover fertigte sie Illustrationen für acht weitere Conan-Stories an: Black Colossus, Queen of the Black Coast, The Devil in Iron, The People of the Black Circle, A Witch Shall Be Born, Shadows in Zamboula, The Hour of the Dragon und Red Nails. Die Nachricht von seinem Selbstmord im Juni 1936 erschütterte sie zutiefst: "When I learned of Robert Howard’s death, I was very upset . . . . (Wright and I) both just sat around and cried for most of the day. He was always my personal favorite.”     

    Als Weird Tales 1938 von Short Stories, Inc. aufgekauft wurde, bedeutete dies den Anfang vom Ende für Margaret Brundages Karriere als "Königin der Pulps". Die Redaktion des Magazins wanderte zusammen mit Farnsworth Wright, der zwei Jahre später sterben sollte, nach New York. Unglücklicherweise erwies es sich als äußerst schwierig, Brundages Pastellgemälde per Post an die Ostküste zu befördern, ohne dass sie dabei stark beschädigt worden wären. Auch erschien das "Unique Magazine" nunmehr unter den harschen Zensurbestimmungen, die New Yorks Bürgermeister LaGuardia erlassen hatte, um die "öffentliche Moral" zu schützen. Der offene Erotizismus von Brundages Illustrationen war nicht länger tragbar. Die Künstlerin versuchte sich dem anzupassen und ihre Werke etwas zu "entschärfen". Dennoch erhielt sie immer seltener Aufträge von Weird Tales, die zudem deutlich schlechter bezahlt wurden {50$ statt wie bisher 90$ pro Illustration}. Ihr letztes Weird Tales - Cover erschien im Januar 1945.


    (1) Eine Gallerie ihrer Cover-Illustrationen für Weird Tales und Oriental Stories / The Magic Carpet findet sich hier.
    (2) Brief an Virgil Finlay vom 27. September 1937. In: David E. Schultz & Scott Connors (Hg.): Selected Letters of Clark Ashton Smith. S. 317.
    (2) Man denke z.B. an die gewaltigen Schlachthöfe  jene industrielle Hölle, die Upton Sinclair in seinem Klassiker The Jungle beschrieben hat.
    (3) Fosters politische Laufbahn endete auf denkbar unwürdige Weise mit seiner Degeneration zu einem von Stalins bevorzugten amerikanischen Handlangern.
    (4) Zit. nach: Ian Bruce: The music of everyday events
    (5) Das Verhältnis der KPUSA zur Schwarzenbewegung und ihre Kulturpolitik, die die für stalinistische Parteien üblichen, von Moskau diktierten Zickzack-Kurse durchliefen, sind ein zu komplexes Thema, um es hier anzupacken. Zur Beziehung zwischen "Black Chicago Renaissance" und kommunistischer Politik vgl. Alan Wald: African Americans, Culture and Communism (Part 2): National Liberation and Socialism.
    (6) Wobblie = Spitzname für ein Mitglied der IWW.
    (7) Elizabeth Gurley Flynn war eine der führenden Aktivistinnen der IWW. Joe Hill – der legendäre Barde der Wobblies – widmete ihr seinen Song "Rebel Girl". Traurigerweise endete auch sie als linientreue Stalinistin.
    (8) Speakeasy = Bezeichnung für ein Etablissement, in dem während der Prohibition illegal Alkohol ausgeschenkt wurde.

    Freitag, 14. April 2017

    Strandgut der Woche

    Willkommen an Bord der "Liberator" – S01/E08: "Duel"

    Ein Blake's 7 - Rewatch
     
    Wie ich in meinem letzten Bericht aus der wundervollen Welt von Blake's 7 schon angedeutet hatte, kann man Duel als eine Variation auf die legendäre Star Trek - Episode Arena {die mit dem Gorn!} interpretieren.
    Hier wie dort werden zwei verfeindete Raumschiffcaptains, die gerade dabei sind, sich gegenseitig aus dem Weltall zu pusten, von einer mysteriösen, gottgleichen Entität dazu gezwungen, ihren Konflikt im Rahmen eines Zweikampfs Mann gegen Mann {oder Gorn} auszufechten, derweil die zurückgebliebenen Mannschaften die Geschehnisse unerklärlicherweise auf ihren schiffseigenen Teleschirmen mitverfolgen können. Und in beiden Fällen endet das Duell mit dem Triumph unseres Helden, der allerdings darauf verzichtet, seinem Kontrahenten den Todesstoß zu versetzen.
    Und doch ist Duel keine bloße Kopie des berühmten Vorbilds. Zum einen endet die Story – ganz im Geiste der Serie – nicht mit der simplistischen – wenn auch sympathischen  – Roddenberry-Botschaft, dass der ganze Konflikt auf Missverständnissen beruht und Gewalt nie eine Lösung ist. Zum anderen zeichnet sie sich durch eine leicht psychedelisch anmutende Qualität aus. Wahrscheinlich mag ich Duel u.a. deshalb so sehr, weil Blake's 7 hier jene grandiose "Weirdness" aufgreift, die für einen Gutteil der britischen TV-Phantastik der 70er Jahre typisch war.

    In Seek-Locate-Destroy hatten wir erfahren, dass Commander Travis von Servalan drei der modernsten und schnellsten Raumjäger der Föderation, bemannt mit willenlosen "Mutoids", zur Verfügung gestellt wurden, um die Liberator zu jagen. Und zu Beginn der Folge scheint der einäugige Offizier sein Ziel tatsächlich erreicht zu haben. Die Liberator ist in den Orbit um einen erdähnlichen Planeten eingeschwenkt, da die Energiereserven des Schiffs beinah aufgebraucht sind und es 48 Stunden braucht, sie zu regenerieren, als plötzlich Travis' Geschwader auftaucht. Flucht ist unmöglich und auch für eine ernsthafte Gegenwehr fehlt es an Energie, also befiehlt Blake schließlich, Travis' Schiff frontal zu rammen in der vagen Hoffnung, dass die geschwächten Schilde der Liberator einen derartigen Aufprall aushalten könnten. Doch kurz bevor es zu dem Zusammenstoß kommt, wird die Bewegung der beiden Raumschiffe auf mysteriöse Weise gestoppt, und Blake und Travis finden sich auf der Planetenoberfläche wieder, wo sie von zwei Frauen eine jung, eine alt erwartet werden. Sinofar (Isla Blair) und Giroc (Patsy Smart) sind die Avatare einer ausgestorbenen Rasse, die sich in einem planetenweiten Atomkrieg selbst vernichtet hat. Zu einer quasi-unsterblichen Existenz verdammt, ist es ihre Aufgabe, gewaltbereiten Fremden, die es in die Nähe ihrer Welt verschlägt, eine Lektion über Töten und Getötetwerden zu erteilen, indem sie sie dazu zwingen, in einem Duell gegeneinander anzutreten. Dabei wird jedem der Kontrahenten ein Gefährte an die Seite gestellt. In diesem Fall trifft es Jenna und Travis' Mutoid-Pilotin (Carol Royle). Nach einem kurzen Zwischenspiel, in dem die sadistische Greisin Giroc den Kampf noch vor dem offiziellen Beginn zugunsten von Travis zu manipulieren versucht, werden die vier in einen Wald versetzt, wo sie einander mit Macheten, selbstgemachten Spießen und improvisierten Fallen den Garaus zu machen versuchen.

    Der Plot an sich ist weder besonders originell noch tiefgründig. Interessant ist höchstens, dass die beiden allmächtigen Aliens keine wohlmeinenden, durch den Untergang ihrer Rasse weise gewordenen Lehrmeisterinnen sind, was man vielleicht erwarten würde. Sinofar enstpricht am ehesten diesem Stereotyp, doch Giroc ist eine durch und durch bösartige und in ihrer leidenschaftlichen Faszination für Gewalt recht gruselige Gestalt. Die beiden wirken wie von den Göttern Verfluchte, die ihrer Unsterblichkeit längst müde geworden auf Erlösung hoffen, wobei es etwas unklar bleibt, wie genau sie diese erlangen könnten.

    Anders als wir es von SciFi - Serien wie Star Trek gewohnt sind, bemüht sich die Episode nicht, irgendwelche pseudowissenschaftlichen Erklärungen für das Geschehen zu liefern. Wir befinden uns in offen übernatürlichen Gefilden. Dem entsprechen Stil und Atmosphäre. 
    Der Ort, an dem die beiden Frauen auf die Kontrahenten warten – eine Art Mahnmal umgeben von schroffen Felsblöcken, die hier und da den Blick auf ein gewaltiges Gräberfeld freigeben –, ist ein äußerst stimmungsvolles Set. Der Wald, in dem der Kampf schließlich stattfindet, könnte ordinär erscheinen {einmal mehr werden wir an das winzige Budget erinnert}, doch einige simple Trickeffekte und vor allem der Soundtrack schaffen eine leicht unwirkliche, gespenstische Atmosphäre. Interessanterweise ist Duel eine der beiden Episoden von Blake's 7, für die die Musik nicht von Dudley Simpson komponiert wurde. Vielmehr griff Regisseur Douglas Camfield Wikipedia zufolge auf Musik aus den Archiven der BBC zurück.

    Doch so nett das alles auch ist, was mir an Duel besonders gut gefallen hat, sind drei kleine Dialoge.

    Der Zweikampf zieht sich über viele Stunden hin, zumal sich die Gegner und Verbündeten überhaupt erst einmal finden müssen. Als die Nacht hereinbricht, bevor es zu einer offenen Konfrontation gekommen ist, ziehen sich die beiden Paare in die Baumkronen zurück, da die allgemeine Geräuschkulisse vermuten lässt, dass der Wald die Heimstatt einiger eher unfreundlicher Tiere ist. Bevor sie sich schlafen legen, kommt es zu einer kurzen Unterhaltung sowohl zwischen Blake & Jenna als auch zwischen Travis & der Mutoid-Pilotin.
    Jenna:  Do you believe what they [Sinofar & Giroc] told us? About themselves, I mean.
    Blake: With that much power why bother to lie?
    Jenna: That's one way to become a hunted man: trust the powerful.
    Blake: True. What's your excuse?
    Jenna: Oh, I wasn't clever enough, none of us were. The Federation has beaten us all at least once. [...]  If we get out of this, it still won't be any better.
    Erneut wird uns verdeutlicht, dass Blakes fanatischer Glaube an den unausweichlichen Sturz des Regimes keineswegs von allen seinen Gefährten geteilt wird. Leute wie Jenna oder Vila folgen ihm hauptsächlich deswegen, weil das Leben auf der Liberator für sie die beste Alternative darstellt, nicht weil sie überzeugte Revolutionäre wären. Und bei aller Sympathie, die sie für Blake empfinden, sind sie doch nicht von der beinah blinden Loyalität erfüllt, die Gan auszeichnet. {Freilich wissen wir seit Time Squad, das auch dessen Motive nicht so simpel sind}.

    Noch sehr viel interessanter ist der kurze Wortwechsel zwischen Travis und seiner Begleiterin. Wenn ich micht recht erinnere, geht Blake's 7 nie genauer darauf ein, was die "Mutoids" eigentlich sind. Scheinbar handelt es sich bei ihnen um Menschen, die genetisch {und vielleicht kybernetisch} verändert wurden, um sie zu blind gehorsamen Soldaten mit einer übermenschlichen Physis zu machen, wobei ihnen ihre Individualität und jede Erinnerung an ihre frühere Existenz geraubt wurden. Dass sie in regelmäßigen Abständen frisches Blutplasma benötigen und von den "Normalen" deshalb halb spöttisch, halb furchtsam "Vampire" genannt werden, fügt dem ein weiteres makabres Detail hinzu.
    Travis: Tell me something, do you remember who you were?
    Mutoid: I don't understand the question, Commander.  
    Travis: Yes you do - in your previous life before you were modified. Do you know who you were? 
    Mutoid: Of course not. 
    Travis: Aren't you curious about it? 
    Mutoid: No. 
    Travis: I find that hard to believe. 
    Mutoid: Memory is an encumbrance. All trace of it is removed and with it all trace of identity. 
    Travis: And it doesn't concern you? 
    Mutoid: Why should it? That identity doesn't exist, even in the central computers. 
    Travis: Yes it does. I know who you were. Your name was Keyeira, Keyeira. 
    Mutoid: Keyeira. 
    Travis: You were very beautiful, very much admired. Shall I go on? 
    Mutoid: As you wish.
    Travis: This doesn't interest you at all, does it?
    Mutoid: How could it?
    Travis: Keep watch.
    Mutoid: Yes Commander.
    Es fällt äußerst schwer, genau zu bestimmen, was hier in Travis vorgeht. Ist er ernsthaft neugierig? Will er sie mit seinen Fragen quälen und demütigen? Oder versucht er auf eigenartige Weise so etwas wie eine menschliche Beziehung zu seiner Begleiterin aufzubauen, in der er bisher nicht mehr als einen biologischen Roboter gesehen hatte? Wir wissen es nicht, aber genau diese Ambivalenz macht die Szene so faszinierend. Jedenfalls ist Travis sichtlich enttäuscht, als seine Pilotin keine emotionalen Reaktionen zeigt. Einmal mehr verleiht Stephen Greif dem Space Commander Andeutungen einer menschlichen Komplexität, die wir von so einem Charakter eigentlich nicht erwarten würden. Es ist jammerschade, dass die Mutoid-Pilotin nicht noch einmal in der Serie auftaucht.

    Während Blake und Jenna ein wenig Schlaf zu finden versuchen, werden sie weiterhin von ihren Gefährten auf der Liberator beobachtet. Als sich Avon schließlich anschickt, die Brücke zu verlassen, kommt es zu folgendem Wortwechsel.
    Vila: Have you thought of another plan?
    Avon: Yes. I'm going to get some sleep.
    Vila: How can you sleep with all this happening? 
    Avon: With all what happening? Blake is sitting up in a tree, Travis is sitting up in another tree. Unless they're planning to throw nuts at one another, I don't see much of a fight developing before it gets light.
    Gan: You're never involved, are you Avon? You ever cared for anyone?
    Vila: Except youself?
    Avon: I have never understood why it should be necessary to become irrational in order to prove that you care, or, indeed, why it should be necessary to prove it at all. [Exits]
    Vila: Was that an insult or did I miss something?
    Cally: You missed something.
    Und wieder ist es die Ambivalenz, die diesen Dialog so großartig macht. Vila und Gan sehen in Avon einen gefühlskalten Egoisten, und auf den ersten Blick scheint ja auch alles dafür zu sprechen, dass sie mit dieser Einschätzung richtig liegen. Doch Avons Erwiderung ist alles andere als eindeutig. Will er zum Ausdruck bringen, dass er es prinzipiell für unvernünftig hält, an andere zu denken? Oder dass seine Gefährten eigentlich wissen sollten, dass er etwas für sie empfindet, ohne deshalb offen emotional werden zu müssen?
    Callys lächelnd vorgetragener Kommentar, der die Szene abschließt, scheint mir dafür zu sprechen, dass sie von allen Crewmitgliedern der Liberator Avon am besten versteht.

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    Samstag, 8. April 2017

    Strandgut der Woche

    Samstag, 1. April 2017

    Strandgut der Woche


    The Early Women Filmmakers Blogathon: