"Außerdem studierte er abstruse Bücher, die aus chaldäischen Bibliotheken
gestohlen worden waren, wenn Fafhrd auch aus langer Erfahrung wusste,
dass der Mausling selten über das Vorwort hinauskaum (obwohl er oft die
letzten Kapitel aufrollte und neugierig hineinschaute und beißende Kritik
äußerte)."

Fritz Leiber, Das Spiel des Adepten


Mittwoch, 8. Februar 2017

Die Wunderbare Welt des Karel Zeman

Dem tschechischen Regisseur Karel Zeman gebührt ohne Zweifel ein ganz besonderer Platz in den Annalen des phantastischen Films. Ich kann allen Freundinnen & Freunden des Genres nur wärmstens ans Herz legen, sich unbedingt einmal einige seiner Werke wie Cesta do pravěku / Reise in die Urzeit (1955) oder seine grandiose Otfried Preußler - Adaption Krabat (1977) anzuschauen, falls sie noch nicht mit ihm und seinem Oeuvre vertraut sein sollten. 
Da wir heute den 189. Geburtstag Jules Verne feiern können, dachte ich mir allerdings, es sei angemessen, die Aufmerksamkeit meiner Leserschaft insbesondere auf Zemans Vynález zkázy / Die Erfindung des Verderbens aus dem Jahre 1958 zu lenken. Im Laufe seiner Karriere wandte sich der Filmemacher zwar immer wieder einmal dem Werk des großen Franzosen zu, den er tief verehrte, doch dieser Streifen gilt wohl zurecht als seine bedeutendste Verne - Adaption.

Für eine ausführlichere Besprechung fehlt mir die Zeit. Über den Inhalt des Films sei deshalb nur soviel gesagt, dass er eine Art Potpourri verne'scher Motive darstellt -- neben dem namengebenden Roman werden u.a. Robur der Eroberer, 20.000 Meilen unter dem Meer, In 80 Tagen um die Welt und Die 500 Millionen der Begum anzitiert --, wobei zugleich die humanistische Begeisterung für den Fortschritt der Technik mit einer Warnung vor deren möglichem Missbrauch verbunden wird. Die Entwicklung und der erste Einsatz der Atombombe sind als zeitgeschichtlicher Hintergrund stets präsent, ohne dass der Streifen dabei je zu einer plumpen politischen Parabel degenerieren würde. Vielmehr atmet er ganz den Geist verne'scher Romantik, und dabei spielt sein eigenwilliger filmerischer Stil eine zentrale Rolle.
Eines der großen Probleme, die ich mit dem heutigen Einsatz von Tricktechnik im Film habe, ist die ihm zugrundeliegende pseudo-naturalistische Ästhetik. Die Möglichkeiten, die sich durch die Entwicklung von CGI eröffnet haben, werden in erster Linie dazu genutzt, die möglichst perfekte Illusion einer vermeintlichen Realität zu erschaffen. Tricktechnik gilt dann am besten, wenn man sie nicht mehr als solche erkennen kann. Eine solche Herangehensweise kann selbstverständlich zu interessanten Ergebnissen führen, aber wenn sie zum alles beherrschenden Dogma wird, geht die Möglichkeit verloren, die Kunst der SFX-Magier als ein bewusstes Stilmittel einzusetzen -- als Stimulans für die Fantasie der Zuschauer oder als Mittel der Verfremdung. Vynález zkázy ist ein großartiges Beispiel für das, was uns dabei verloren zu gehen droht.
Karel Zemans Werk ist eine höchst eigenwillige Mixtur aus Real- und Animationsfilm. Ein Großteil der Welt, in welcher sich seine Figuren bewegen, besteht nicht aus materiellen Sets, sondern ist dem Zeichenstift entsprungen. Und der Grund dafür ist nicht allein in den beschränkten tricktechnischen Ressorcen zu suchen, die den tschechischen Künstlern & Künstlerinnen zur Verfügung standen. Diese waren ohne Frage gegeben, doch wenn sie überhaupt eine Rolle bei der Entwicklung des Films gespielt haben sollten, macht Zeman aus der Not eine Tugend. Mehr noch, er kreiert eine ganz eigene Ästhetik, die ihre Inspiration aus den klassischen Jules Verne - Illustrationen von Édouard Riou und Léon Benett bezieht. Der Film erweckt den Eindruck, als sei er ein zum Leben erwachter Kupferstich. Sehr oft werden selbst "Requisiten" oder Teile der "Kulisse", welche man ohne Schwierigkeiten materiell hätte reproduzieren können, durch Zeichnungen ersetzt. Einzelne Szenen gehen dabei mitunter ins Surrealistische über (Fische verwandeln sich in Schmetterlinge) oder erinnern an die grotesken Animationen, die Terry Gilliam später für Monty Python's Flying Circus kreieren würde (die Wochenschau, die sich der böse Graf Artigas anschaut).

Ich fürchte, dass viele, deren Sehgewohnheiten durch den Pseudo-Naturalismus des zeitgenössischen phantastischen Films geprägt wurden, ein Werk wie Vynález zkázy als primitiv, vielleicht sogar als ein bisschen peinlich ansehen würden. Und das stimmt mich traurig. Denn während sie sich darüber amüsieren werden, wie offensichtlich "unecht" vieles in diesem Film ausschaut, geht ihnen der Genuss einer ganz eigenen Form der cineastischen Schönheit verloren -- träumerisch, idiosynkratisch und fantasievoll.   

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