"Außerdem studierte er abstruse Bücher, die aus chaldäischen Bibliotheken
gestohlen worden waren, wenn Fafhrd auch aus langer Erfahrung wusste,
dass der Mausling selten über das Vorwort hinauskaum (obwohl er oft die
letzten Kapitel aufrollte und neugierig hineinschaute und beißende Kritik
äußerte)."

Fritz Leiber, Das Spiel des Adepten


Montag, 30. März 2015

Camelot-Kino – Teil 1

 
Swer an rehte güete
Wendet sîn gemüete
Dem volget sælde und êre.
Des gît gewisse lêre
Künec Artûs der guote,
Der mit rîters muote
Nâch lobe kunde strîten.
Er hât bî sînen zîten
Gelebet alsô schône
Daz er der êren krône
Dô truoc und noch sîn name treit.
Des habent die wârheit
Sîne lantliute:
Si jehent er lebe noch hiute:
Er hât den lop erworben,
Ist im der lîp erstorben,
Sô lebt doch iemer sîn name.  

Hartmann von Aue: Iwein, 1-17


Seit dem 12. Jahrhundert gehört König Artus zu den großen und scheinbar unsterblichen Gestalten der westeuropäischen Literatur und Kunst. Kein Wunder, dass er im 20. Jahrhundert seinen Weg auch auf die Kinoleinwand gefunden hat.
Angeregt von Nachrichten über Guy Ritchies für 2016 in Aussicht gestellten Film King Arthur {über die ich aber erst im zweiten Teil ablästern werde}, dachte ich mir, ein kleiner Spaziergang durch die Geschichte des arthurischen Kinos sei eigentlich mal eine ganz nette Idee. 
Allerdings muss ich einschränkend vorausschicken, dass mir nicht alle Einträge in seine Annalen aus eigener Anschauung bekannt sind. Und auch bei einigen der Filme, die ich schon einmal gesehen habe, war es mir nicht möglich, meine Erinnerungen durch einen erneuten Besuch aufzufrischen. Die nun folgenden Schreibereien können deshalb nicht den Anspruch erheben, eine lückenlose Darstellung der Geschichte des Artusfilms zu liefern. Auch behalte ich mir natürlich das Recht vor, meine Meinung über die hier vorgestellten Filme jederzeit wieder zu ändern. Das gilt erst recht für Werke, die ich das letzte Mal vor gut zehn Jahren gesehen habe.

Die Frühphase des arthurischen Kinos umfasste die Jahre 1904-16. Das allererste Werk dieser Ära – Edwin S. Porters für Edison produzierter Parsifal hatte freilich mehr mit Wagner als mit Malory zu tun. Ähnliches gilt für zwei Filmfassungen der Geschichte von Tristan und Isolde aus den Jahren 1909 und 1911 sowie Mario Caserinis Parsifal von 1912. 1909 schuf Charles Kent den Film Launcelot and Elaine, basierend auf dem gleichnamigen Gedicht von Alfred Lord Tennyson. Nur wenig ist über Giuseppe de Liguoros Il Re Artù e i cavalieri della tavola rotonda aus dem Jahre 1910 bekannt, doch soll es sich um einen prachtvoll ausgestatteten Streifen gehandelt haben.
The most interesting cinematic Arthurian project [dieser Ära] was never completed. In 1916, D. W. Griffith announced plans for a spectacle, The Quest of the Holy Grail, to be based on the famous series of fifteen murals by Edwin Austin Abbey that decorate the Book Delivery Room in the Boston Public Library. After obtaining the rights from Abbey's widow, Griffith, for reasons never explained, abandoned the project.*
Danach wurde es erst einmal ziemlich still um die Ritter der Tafelrunde. Lediglich A Connecticut Yankee at King Arthur's Court erhielt zwischen 1920 und '49 drei Adaptionen, die allerdings sämtlichst Mark Twains  bösartige Satire in eine romantische Komödie verwandelten. So richtig gelang König Arthur und seinen Edlen erst 1949 die Rückkehr auf die Leinwand, und zwar in Gestalt der einundvierzigteiligen, von Columbia Pictures produzierten Adventures of Sir Galahad mit George Reeves in der Titelrolle. Ein Serial, das ich wirklich gern mal in die Finger bekommen würde. Allein schon wegen des fies-fröhlichen Merlins (William Fawcett), den wir in diesem kurzen Ausschnitt zu sehen bekommen:



Vier Jahre später erlebte dann der erste echte Klassiker des arthurischen Kinos seine Premiere: Richard Thorpes Knights of the Round Table mit Robert Taylor als Lancelot, Ava Gardner als Guinevere, Maureen Swanson als Elaine und Mel Ferrer als Arthur.
Ich habe eine große Schwäche für Thorpes Mittelalterfilme, in denen stets Robert Taylor die Hauptrolle spielte. Na ja, zumindest für die Knights und Ivanhoe (1952)** an seine Adaption von Walter Scotts Quentin Durward (1955) habe ich nur noch äußerst verschwommene Erinnerungen. Grandios altmodische Filmepen, die uns in eine farbenprächtige Wunderwelt voll naiver Romantik und edler Ritterlichkeit entführen. Was nicht heißen soll, es wäre korrekt, wenn man Knights of the Round Table einfach als hübschen, doch vielleicht etwas sentimental-spießigen Eskapismus abtun würde.
Ohne Zweifel spielt der Film in einer leicht entrückt wirkenden Märchenwelt, und interessanterweise wurden dabei all jene Elemente, die der offiziellen amerikanischen Gesellschaftsmoral der 50er Jahre anstößig erscheinen mussten, aus Malorys Geschichte {die ausdrücklich als Grundlage genannt wird} entfernt. So dürfen wir mit der Affäre zwischen Lancelot und Guinevere den vielleicht keuschesten "Ehebruch" der Filmgeschichte erleben. Außer ein-zwei Küssen passiert da nichts, und dem Film ist es wichtig, dies ausdrücklich hervorzuheben. Auch handelt es sich bei Mordred (Stanley Baker) nicht länger um Arthurs illegitimen Sohn {und schon gar nicht um einen mit der eigenen Schwester gezeugten}, sondern um den Gatten von Arthurs Halbschwester Morgan Le Fay (Anne Crawford)..
Und doch erweist sich der Film bei genauerem Hinsehen als keineswegs so eindimensional und romantisch-verklärend, wie man auf den ersten Blick vielleicht annehmen könnte. Ich denke da weniger an die Szenen der durch den Feudalkrieg aller gegen alle angerichteten Verheerungen zu Beginn der Geschichte oder an die zweifellos recht interessante Figur des Merlin (Felix Aylmer), der hier nicht als weiser Magier, sondern als weltkluger, mitunter leicht sarkastischer und ziemlich unsentimentaler Ratgeber des anfangs ziemlich überheblichen Arthur auftritt. Was für mich den Streifen vor der Gefahr bewahrt, zu einem in Schwarz und Weiß gemalten pseudoheroischen Epos zu erstarren, ist vor allem die Beziehung zwischen Lancelot und Elaine. Die junge und naive Elaine verliebt sich unsterblich in den edlen Ritter, dem sie zufällig in den Wäldern begegnet. Lancelot empfindet sehr viel für die junge Frau, doch ähneln seine Gefühle eher denen eines älteren Bruders. Als ihm aber bewusst wird, dass Guinevere und er früher oder später ihren wechselseitigen Empfindungen nachgeben werden, wenn er länger in Camelot bleibt, heiratet Lancelot Elaine und zieht gemeinsam mit ihr in die Nordmarken, um dort gegen die Pikten zu kämpfen. Mit anderen Worten, er nutzt Elaine und ihre Gefühle für ihn aus, um der gefährlichen Versuchung zu entgehen. Das macht Lancelot in meinen Augen zu etwas mehr als einem "guten" und "tragischen" Helden. Er wird damit zu einem ambivalenten Charakter. Und wenn es ihm anders als Elaines Bruder Percival (Gabriel Woolf) am Ende verwehrt bleibt, den Heiligen Gral zu schauen, so ist der Grund hierfür in meiner Vorstellung stets sein Verhalten gegenüber Elaine gewesen, nicht der {gar nicht einmal "vollzogene"} Ehebruch mit Guinevere.
Für all diejenigen, die sich mir in diesem Punkt nicht anschließen können, bleibt immer noch die prachtvolle Musik von Miklós Rózsa. Allein schon Grund genug, sich den Film einmal anzuschauen:



Ein Jahr später brachte Irving Allens & Albert R. Broccolis englische Produktionsfirma Warwick Films den arthurischen Abenteuerstreifen The Black Knight mit Alan Ladd als Titelhelden in die Kinos. Ein Film, den ich gern einmal sehen würde, allein schon, weil Peter Cushing in ihm einen der Bösewichter spielt. Etwas betrübt stimmt mich allerdings der Name, den er dabei trägt: Sir Palamides. Der edle Sarazene am Hof von Camelot gehörte eigentlich immer zu meinen Lieblingsfiguren aus Malorys Morte Darthur. Ihn in einen bösen Verschwörer verwandelt zu sehen, behagt mir deshalb ganz und gar nicht.

Bereits einige Monate zuvor hatte Prince Valiant / Eisenherz seinen Einstand auf der Kinoleinwand feiern können. Das letzte Mal habe ich diesen Film im Alter von zehn-zwölf Jahren gesehen. Höchste Zeit ihm mal wieder einen Besuch abzustatten! Zur Einstimung der wunderbare Soundtrack von Franz Waxman:



Man könnte darüber streiten, ob Henry Hathaways Adaption von Hal Fosters Comic überhaupt als ein legitimes Mitglied der filmischen Tafelrunde angesehen werden darf. Sicher, ein Gutteil der Handlung spielt im Reich Arthurs und am Hof von Camelot, und mit Sir Gawain als dem Mentor und Freund unseres jungen Helden ist eine der Hauptfiguren zweifelsohne ein waschechter Ritter der Tafelrunde. Doch davon abgesehen enthält der Streifen kaum Elemente aus dem traditionellen Sagenkreis, und mit der Story um Valiants Vater Aguar den im Exil lebenden König von Scandia*** , den Usurpator Sligon und den Kampf zwischen heidnischen und christlichen Wikingern erhält er doch ein eher unarthurisches Flair.
In gewisser Weise handelt es sich um zwei Geschichten, die zwar miteinander verknüpft sind, aber doch ihre je ganz eigene Atmosphäre besitzen. Und so gipfelt der Film auch in zwei sehr unterschiedlichen Finalen: Dem nächtlichen Massenkampf in Sligons Burg mit brennenden Menschen, axtschwingenden Nordmännern und einem an Turmmauern herumkletternden Valiant. Und dem Schwertkampf Mann gegen Mann zwischen Valiant und Sir Brack am Hof von Camelot.
Diese Doppelstruktur verleiht dem Film einen etwas ungewöhnlichen Charakter, und es ließe sich argumentieren, dass dabei keiner der beiden Geschichten genügend Zeit eingeräumt wird, um sich wirklich entfalten zu können. Dem mag so sein, dennoch hinterlässt Prince Valiant nicht den Eindruck des Zusammengestückelten. Vielmehr gelingt es Henry Hathaway auf mühelos anmutende Weise die beiden Handlungsstränge zu einem in sich stimmigen Ganzen zu vereinen. Wenn die einzelnen Charaktere dabei auch kaum die Möglichkeit erhalten, größere Tiefe zu entwickeln, präsentiert sich uns der Film am Ende doch als eine durchweg unterhaltsame, charmante kleine Abenteuergeschichte – und mehr will er nicht sein.
Was mir meine neuerliche Begegnung mit Prince Valiant wieder einmal zu Bewusstsein geführt hat, ist die selbstverständliche Kompetenz, über die die Filmemacher jener Zeit verfügten. Gar zu oft bekommen wir heute Filme vorgesetzt, die wie die mehr oder weniger willkürliche Aneinanderreihung irgendwelcher Szenen wirken, die sich nicht zu einem organischen und in sich schlüssigen Ganzen zusammenfügen. In Anbetracht seiner eigentümlichen Struktur hätte Prince Valiant besonders leicht zu einem derart amorphen Etwas werden können. Doch das ist nicht der Fall. Leute wie Hathaway verstanden ihr Handwerk, sie wussten wie man eine Geschichte filmisch erzählt, wie man eine Handlung aufbaut und Charaktere entwickelt. 
Henry Hathaway gehörte sicher nicht zu den ganz Großen des klassischen Hollywood. Andrew Sarris schreibt über ihn: "[His] charm consists chiefly of minor virtues, particularly a sense of humor, uncorrupted by major pretensions".**** Diese Charakterisierung beschreibt recht genau auch den Charme von Prince Valiant. Der Film versucht nicht die epische Grandezza der Knights of the Round Table zu kopieren, sondern ist zufrieden damit, eine farbenfrohe Abenteuergeschichte im Mittelaltergewand zu sein. Der humoristische Mittelteil mit seiner kleinen "Comedy of Errors", in die sich Valiant, Aleta (Janet Leigh), Sir Gawain und Ilene (Debra Paget) verstricken, hätte im Kontext eines anderen Filmes vielleicht wie ein Fremdkörper gewirkt. Hier trägt er dazu bei, der Geschichte als Ganzem einen lockereren und humaneren Ton zu verleihen, was dieser sehr zugute kommt. Zumal der große Sterling Hayden (Johnny Guitar, The Asphalt Jungle, Dr. Strangelove, The Godfather, The Long Goodbye) einen äußerst sympathischen Gawain abgibt.
Der einzige echte Schwachpunkt des Filmes ist sein Hauptdarsteller. Robert Wagner gelingt es leider nicht so recht, unserem jugendlichen Helden das nötige Charisma zu verleihen. Sein Valiant wirkt im Umgang mit anderen gar zu oft unmotiviert aggressiv und beinah etwas feindselig. Mir ist klar, dass der Wikingerprinz impulsiv und etwas naiv wirken soll, und sein Verhalten in der Artuswelt ließe sich als Ausdruck der Unsicherheit interpretieren, die er in einer ihm fremden Gesellschaft empfinden muss, in der er nicht länger der Sohn des Königs, sondern bloß Sir Gawains Knappe ist. Doch Wagners Spiel ist nicht nuanciert genug, um das rüberzubringen, was wirklich jammerschade ist. Es hätte dem Film eine weitere interessante Facette hinzufügen können.
Dafür haben wir mit James Masons Sir Brack einen ausgezeichneten Bösewicht, der – anders als der gänzlich unentwickelte Sligon über einen echten Charakter verfügt. 

Der von dem englischen Schauspieler Brian Aherne verkörperte König Arthur bleibt in Prince Valiant im Grunde eine Randfigur. Als Haupt der Tafelrunde ist er die lebendige Verkörperung aller ritterlichen Werte und hält einige diesbezügliche "programmatische" Reden, doch er spielt keine aktive Rolle innerhalb der Story. In gewisser Weise gleicht seine Funktion hier derjenigen, die er in den klassischen Artusromanen des Mittelalters innegehabt hatte, welche sich ja auch nie wirklich um Arthur, sondern stets um einen seiner Ritter drehen. So gesehen ist Prince Valiant vielleicht doch sehr viel "arthurischer", als ich dem Film ursprünglich zuzubilligen bereit war.
Wie dem auch sei, auf jedenfall sollte Aherne ein knappes Jahrzehnt später ein weiteres Mal Gelegenheit erhalten, den König auf Camelot zu spielen. Und diesmal würde es sich dabei um eine sehr viel bedeutendere Rolle handeln, denn der Film stellte eine Art Alternativversion der Geschichte dar, die Knights of the Round Table erzählt hatte. Die Rede ist von Cornel Wildes Lancelot and Guinevere (UK) aka The Sword of Lancelot (US) aus dem Jahr 1963.



Um das von vornherein klarzustellen: Der Streifen besitzt auch nicht annähernd die Qualität von Knights of the Round Table, und Brian Aherne trägt dafür einen nicht unbedeutenden Teil an Mitschuld. Doch gerade wenn man ihn im Kontrast zu Thorpes Werk betrachtet, verfügt Lancelot and Guinevere durchaus über einige interessante Elemente.

Der Film scheint ein Herzensprojekt von Cornel Wilde gewesen zu sein, der nicht nur die Hauptrolle spielte, sondern auch gemeinsam mit Universal-Veteran Richard Schrayer das Drehbuch geschrieben hatte, die Regie führte und als einer der Co-Produzenten fungierte. Seine damalige Ehefrau Jean Wallace übernahm den Part der Guinevere.  
Es wäre interessant zu wissen, warum es Wilde offenbar soviel bedeutete, eine eigene Version der Geschichte auf die Leinwand zu bringen. Die Produktionsfirma Rank Films ließ seinerzeit im Rahmen ihrer Werbekampagne verkünden, der Film sei "the realization of a dream. As a boy [Wilde] had read the 'Mort d'Arthur' of Sir Thomas Malory, and the story of Lancelot and Guinevere was one that stayed vividly in his mind."***** Leider sagt das nicht eben viel aus, auch wenn es stimmen sollte. Was genau faszinierte Wilde so sehr an dieser Geschichte? Unter welchem Blickwinkel ging er an sie heran, als er sie in einen Film verwandelte? Der Ton des Endproduktes wirkt merkwürdig uneinheitlich, so als wären sich Wilde und Schrayer nicht sicher gewesen, was für eine Art von Film sie eigentlich drehen wollten.

Die Handlung beginnt mit einer offen "humoristischen" Szene: Eines der Mitglieder der Tafelrunde bringt König Arthur und seinen Gefährten die furchtbare Nachricht, dass Sir Lancelot offenbar an irgendeiner geheimnisvollen Krankheit leidet. Er habe den Ritter dabei beobachtet, wie dieser versuchte, irgendeinen grauslichen Schaum von seinem nackten Körper zu kratzen. Wie sich schnell herausstellt, handelte es sich dabei natürlich um Seife – ein Kulturgut, dass den in Sachen Hygiene offenbar nicht sonderlich bewanderten Rittersleuten bisher unbekannt war. {Kicher - Kicher}
Ein Film, der auf dieser Note anhebt, vermittelt den Eindruck, dass er nicht hundertprozentig ernst genommen werden will. Was selbstredend völlig in Ordnung wäre, wenn wir nicht wenig später mit allerlei fürchterlich gestelzten und mit zahllosen "thees" und "thous" durchsetzten Dialogen konfrontiert würden, die zwar gleichfalls ziemlich lächerlich wirken, aber unter Garantie nicht so wirken sollten. 
Die erste Hälfte von Lancelot and Guinevere lässt sich am ehesten als eine bizarre Mischung aus Pathos und Farce beschreiben ... Der permanent mit einem etwas zu klein geratenen Jagdfalken auf der Schulter umherspazierende Mordred (Michael Meacham) hält Monologe, die wie schlecht gemachte Plagiate auf Shakespeares Richard III wirken. Der schon etwas in die Jahre gekommene Arthur schwingt pathetische Reden und wirkt zugleich wie ein etwas vertrottelter Naivling. Lancelot nervt alle mit seinem fürchterlich aufgesetzt wirkenden französischen Akzent, den er vermutlich in erster Linie pflegt, um seinem Image als großer Charmeur gerecht zu werden ... Und nichts davon ist als Parodie intendiert, andernfalls bräuchte es ja nicht die offen "humoristischen" Szenen, die immer mal wieder in die Handlung eingeschoben werden.

Wenn sich überhaupt ein durchgehendes Motiv ausmachen lässt, so am ehesten noch das Bemühen, der Geschichte etwas mehr Realismus zu verleihen. Lancelot and Guinevere spielt anders als Knights of the Round Table nicht in einer romantisch verklärten Märchenwelt. Das Plakat für den Film hatte verkündet: "This was the loving ... battling ... lusty age of King Arthur", und ungefähr in diesem Stil ist der Streifen auch gehalten. Darin wird man vor allem eine Widerspiegelung der sich verändernden Gesellschaftsmoral erkennen dürfen. Die in Thorpes Version "wegretuschierten" "anstößigen" Elemente der Geschichte gelangen wieder zu ihrem alten Recht. Mordred ist erneut König Arthurs Bastard. Lancelot und Guinevere schmachten sich nicht bloß an, sondern steigen gemeinsam ins Bett. In Camelots Festhalle unterhält man sich mit makabren Puppenspielen, säuft und rülpst. Lancelots Kumpel Sir Lamorak (Archie Duncan) stellt hübschen Schankmädchen nach ... Dass die gestelzten Reden und Dialoge in diesem Kontext besonders absurd wirken müssen, braucht wohl nicht eigens hervorgehoben werden.
Der neue "Realismus" zeigt sich am deutlichsten in den Darstellungen von Kampf und Gewalt. Wenn Lancelot einen Gerichtskampf beendet, indem er seinem Gegner den Schädel spaltet, wirkt dies wie ein kleiner Schock. Die Szene ist äußerst kurz und nicht besonders drastisch, aber in den Ritterspektakeln der 50er Jahre hätte man so etwas nicht zu sehen bekommen. In diesem Zusammenhang besonders interessant ist die Nebenfigur des Sir Tors (Iain Gregory). Er ist als Lancelots archetypischer jugendlicher Protegé angelegt. Gemeinsam mit seinem Mentor bestreitet er seinen ersten echten Kampf, gesteht ihm in der Nacht vor der großen Schlacht seine Ängste und wird von dem erfahrenen Veteranen mit aufmunternden Worten und einer neuen Rüstung versehen ... und plötzlich ist er tot! Die Schlacht ist eigentlich bereits gewonnen, da spannt einer der fliehenden Barbaren noch einmal seinen Bogen und im nächsten Moment bekommen wir zu sehen, wie Tors Kopf von einem Pfeil durchbohrt wird! Das schockierende an dieser Szene ist nicht so sehr die Brutalität des Dargestellten, sondern der krasse Bruch mit gewohnten Konventionen. Man lässt jugendliche Sidekicks nicht einfach sterben. Es sei denn, ihr Tod würde dem Protagonisten als Motivation für einen Rachefeldzug oder etwas ähnliches dienen. Doch das ist hier nicht der Fall.

Die Art, in der der Film die Beziehung zwischen Lancelot und Guinevere darstellt, ist gleichfalls nicht ohne Reiz. Die Tochter von König Leodogran wird als selbstbewusste und lebenslustige junge Frau eingeführt. Als einziges Kind von ihrem Vater "wie ein Junge" erzogen, versteht sie es "wie ein Mann" zu reiten, hat eine Vorliebe für die Jagd und schwingt an einer Stelle sogar das Schwert. Die Szene, in der sie und Lancelot in einem Waldsee baden, wirkt erstaunlicherweise nicht peinlich, sondern geradezu charmant. Wenn man die beiden gemeinsam im Wasser herumtollen sieht, bekommt man ein Gefühl dafür, warum sie sich ineinander verlieben. Leider jedoch gesellen sich zu diesem anfangs so sympathisch menschlich anmutenden Bild im weiteren Verlauf der Handlung zunehmend problematisch wirkende Elemente.
Als Lancelot beschließt, Camelot zu verlassen und in seine bretonische Heimat zurückzukehren, wirft ihm Guinevere vor, er sei ihrer ganz einfach überdrüssig geworden und wolle sich nun bei Nacht und Nebel davonmachen, um sich anderswo eine neue Geliebte zu suchen. Lancelots Argument, dass ihre Affäre früher oder später von Mordred dazu benutzt werden könnte, Arthur zu stürzen, stößt bei ihr auf taube Ohren. Guinevere geht es ausschließlich um ihre Gefühle, und so beschimpft sie ihren Geliebten als einen Verräter, um sich gleichzeitig verzweifelt an ihn zu klammern. Mit anderen Worten: Sie verwandelt sich vor unseren Augen in die sexistische Karrikatur des irrationalen, beinah hysterischen, egoistischen Weibchens.
Allerdings soll nicht verschwiegen werden, dass Guinevere in einer späteren Szene eine durchaus nachvollziehbare Erklärung für ihr Verhalten liefert. Als Mann könne Lancelot jederzeit fortziehen und sich anderswo ein neues Leben aufbauen. Sie hingegen ist für immer an die bedrückend enge Welt der königlichen Kemenate gebunden. Ihre gemeinsame Liebesbeziehung ist der einzige Bereich, in dem sie so etwas wie Freiheit und Glück erfahren kann, und besitzt deshalb für sie einen völlig anderen Stellenwert als für ihn.
Ein interessanter Gedanke. Doch leider gelingt es dem Film nicht, ihn innerhalb der Handlung auch glaubhaft und anschaulich umzusetzen, obwohl es ein-zwei Szenen gibt, die in diese Richtung gehen. Auch zerstört das Ende, wenn Guinevere sich als bußfertige Sünderin ins Kloster zurückzieht, alles, was hier an Potential vielleicht vorhanden gewesen wäre.

Zum Abschluss noch ein kleines Detail am Rande: Im letzten Drittel des Films, wenn Arthurs Heer Lancelots Burg Joyeuse Garde belagert, wird verhältnismäßig viel Zeit darauf verwendet, einen dramatischen Handlungsanstieg aufzubauen, der im Zweikampf zwischen Gawein und Lancelot gipfeln müsste. Und dann wird uns dieser Kampf einfach nicht gezeigt! Er findet offscreen statt! Für uns setzt die Handlung erst wieder ein, wenn Lancelot seinem bezwungenen Gegner die Klinge auf die Brust setzt.
Meine Vermutung ist, dass nicht mehr genug Geld und/oder Zeit vorhanden war, um einen weiteren Kampf zu drehen. Ob diese Annahme stimmt,weiß ich natürlich nicht. Auf jedenfall wirkt das Ganze äußerst bizarr.

  
 Fortsetzung folgt ...
  



* Kevin J. Harty: Cinema Arthuriana: An Overwiev. In: Ders. (Hg.): Cinema Arthuriana. Twenty Essays. S. 9f.
**  Interessanterweise war Marguerite Roberts, die zusammen mit Aeneas MacKenzie und Noel Langley das Drehbuch für den Film geschrieben hatte, eines der Opfer der Schwarzen Listen. Dass der ultrakonservative Robert Taylor einer der übelsten Denunzianten während der antikommunistische Hexenjagd der 50er Jahre war und eigenhändig eine ganze Reihe von Karrieren zerstörte, verleiht diesem Umstand noch eine ganz besondere Note. Ich sollte mich bei Gelegenheit vielleicht mal wieder etwas eingehender mit Ivanhoe beschäftigen – und damit meine ich sowohl Walter Scotts Roman als auch Richard Thorpes Film.
*** Ich kenne mich mit den Comics nicht so aus, aber stammte Valiant da nicht aus Thule? Ob der Name einen gar zu "völkischen" Beigeschmack hatte und deshalb in Scandia umgewandelt wurde?
**** Andrew Sarris: The American Cinema. Directors and Directions 1929-1968. S. 179.
***** Zit. nach: Kevin J. Harty: "Arthur? Arthur? Arthur?" – Where Exactly Is the Cinematic Arthur to Be Found? In: Alan Lupack (Hg.): New Directions in Arthurian Studies. S. 137

Sonntag, 29. März 2015

Strandgut der Woche

Donnerstag, 26. März 2015

Houdini & Doyle? – Nicht mit mir!

Nach wie vor finde ich es problematisch, wenn aus Figuren der Geschichte die Protagonisten phantastischer Abenteuergeschichten gemacht werden. {Es sei denn, das Ganze ist als Farce angelegt.} 

Ich will gar nicht grundsätzlich ausschließen, dass man dabei zu interessanten Resultaten gelangen könnte. Unabdingbare Voraussetzung wäre allerdings, dass man dem realen Charakter der jeweiligen Personen und dem, wofür sie stehen, treu bleibt. Sich einfach irgendeine berühmte Persönlichkeit aus der Vergangenheit zu schnappen und eine generische Story um sie herum zu entwickeln, ist in meinen Augen schlicht respektlos. Noch schlimmer wird es, wenn diese Story all dem widerspricht, womit wir ihren Helden oder ihre Heldin eigentlich assoziieren.

Die Nachricht, dass Fox eine zehnteilige phantastische Fernsehserie mit Harry Houdini und Arthur Conan Doyle als den Protagonisten zu produzieren gedenkt, erfüllt mich deshalb nicht eben mit den freudigsten Gefühlen:         
In Houdini And Doyle, two of the great characters of the 20th century Houdini, master magician, escape artist and paranormal debunker, and Doyle, creator of the world’s greatest detective and a paranormal aficionado grudgingly join forces to investigate crimes with a supernatural slant. Although they’re both rich, famous and brilliant, they’re the original odd couple, with Houdini believing in nothing, Doyle in everything.
Stefan Holzhauer von PhantaNews schreibt ganz richtig: "Na­tür­lich fühlt man sich da an Mul­der und Scully erinnert …" Und genau da liegt für mich das Problem. 

Schon bei den X-Files fand ich das Konzept, die Ansichten eines "Gläubigen" und einer Skeptikerin einander gegenüberzustellen, nur um letztenendes stets den "Gläubigen" recht behalten zu lassen, irgendwann ziemlich irritierend. Die anfangs als intelligente und kompetente Wissenschaftlerin gezeichnete Dana Scully musste dabei schon bald als verbohrte Fanatikerin erscheinen, die offensichtliche Tatsachen nicht akzeptieren will, weil sie nicht in ihr "wissenschaftsgläuiges" Weltbild passen.

Mit anderen Worten: Ihr Verhalten glich aufs Haar demjenigen, das wir in Wirklichkeit gerade bei vielen Anhängern des "Paranormalen" beobachten können. Und ausgerechnet Sir Arthur Conan Doyle ist dafür ein ausgezeichnetes Beispiel.
In einem Artikel für den Skeptical Inquirer beschreibt Massimo Polidoro eine erstaunliche Demonstration scheinbarer Hellseherei, mit deren Hilfe Harry Houdini seinen Freund davon zu überzeugen versuchte, dass "unerklärliche Phänomene" keine übernatürlichen Ursachen haben müssen. Doch alle Beteuerungen Houdinis, dass es sich bei dem Experiment um einen mundanen Zauertrick gehandelt hatte, konnten Conan Doyle nicht davon abbringen, zu glauben, der Illusionist habe sich in Wahrheit übersinnlicher Methoden bedient. 
Die Leichtgläubigkeit des Schriftstellers gegenüber allen Arten "paranormaler" Phänomene kannte keine Grenzen und führte schließlich zum Bruch mit Houdini.

Die reale Geschichte der Beziehung zwischen Arthur Conan Doyle und Harry Houdini ist unauflöslich verbunden mit dem Thema des Kampfes zwischen Aberglaube und Rationalität. 
Selbst wenn die geplante TV-Serie nicht hundertprozentig dem X-Files - Format folgen sollte, und wir einige Folgen zu sehen bekommen würden, in denen Houdinis Skeptizismus sich als die korrekte Sichtweise herausstellt, finde ich es deshalb schwer, mich mit der Grundidee von Houdini And Doyle anzufreunden. 
Der große Magier und Entfesselungskünstler widmete in den 20er Jahren viel Zeit und Energie dem Entlarven von "Medien" und anderen "esoterischen" Scharlatanen. Damit wurde er zum Begründer einer sehr erfreulichen Tradition unter Zauberkünstlern und Illusionisten, ihre Expertise in den Dienst der Aufklärung vermeintlich "paranormaler" Phänomene und der Überführung "mystischer" Trickbetrüger zu stellen. Was bisher über den Inhalt von Houdini And Doyle bekannt ist, wirkt auf mich wie eine (unbewusste) Beleidigung dieses Vermächtnisses.  

Man verstehe mich bitte nicht falsch: Ich habe absolut nichts gegen das Genre der "okkulten Detektivgeschichte". Ganz im Gegenteil! Aber könnten die Fernsehmacher statt Houdini And Doyle nicht lieber eine Adaption von William Hope Hodgsons Stories um Carnacki, the Ghost Finder auf die Beine stellen? Die würde ich wirklich gerne sehen.   


PS: Die Nachricht, dass die X-Files nach dreizehn Jahren eine Wiederauferstehung feiern werden, hat mich aus ganz anderen Gründen nicht recht vom Hocker zu reißen vermocht. Als Chris Carters Serie nach neun Staffeln 2002 zu einem Ende gelangte, hatte sie ihr Verfallsdatum schon lange überschritten. Und so nett der Gedanke an eine Wiederbegegnung mit dem charismatischen Duo Gillian Anderson / Dana Scully und David Duchovny / Fox Mulder auch klingen mag, meine Erwartungen sid nicht besonders hoch. Es sei denn, Carter & Co würden für das Comeback den ganzen öden und blödsinnigen Alien-Weltverschwörungs-"Mytharc" über Bord werfen und uns ganz einfach sechs nette kleine "Monster of the Week" - Episoden präsentieren. Doch dass es dazu kommen könnte, halte ich nicht für besonders wahrscheinlich ...

Dienstag, 24. März 2015

"Hello, little green friend"

Fotographin Amanda Norman aus Liverpool konzentriert sich in ihrem Werk ganz auf das "Gotische" und "Unheimliche" sei es in ihren "alternativen Porträts", sei in stimmungsvollen Aufnahmen alter Kirchen und Friedhöfe. Vor kurzem machte sie sich auf eine kleine Tour durch Lincolnshire, die Heimat des 2012 verstorbenen Fotographen Simon Marsden. Dabei besuchte sie u.a. St. Botolph Church in der Nähe von Skidbrooke und Louth. In ihrem Blog schreibt sie darüber:
It’s a beautiful building and a sanctuary for bats, not that I saw any on my visit.
If you look this place up on the Internet, you will find numerous reports of it being haunted with the ghost of a monk and that it was a place used for Devil worship and animal sacrifices in the early 70’s and 80’s.   Whilst I was there, I did have the feeling of being watched, but when I looked around, I would find Mark taking sneaky shots of me. The location made me think of the film, Psychomania when I was out there.  I’m glad I didn’t see a motorbike in the distance heading for the lonely churchyard.
Durch diese Schilderung fühlte ich mich auf einmal dazu getrieben, besagtem Kultstreifen, den Kim Newman in seinen Nightmare Movies zu den "almost art-films"* zählt, die in den Randbereichen des Brit-Horrors der 60er und 70er Jahre entstanden seien, einen Besuch abzustatten.

Regisseur Don Sharp hatte in den 60er Jahren einige Filme für Hammer gedreht – u.a. Kiss of the Vampire (1963) und Rasputin, the Mad Monk (1966). Daneben hatte er mit The Face of Fu Manchu (1965) und The Brides of Fu Manchu (1966) für die ersten beiden Episoden in der von Produzent Harry Alan Towers initiierten filmischen Wiederauferstehung des chinesischen Superschurken verantwortlich gezeichnet. Als er sich 1971 im Auftrag der kleinen Produktionsfirma Benmar daranmachte, Psychomania zu filmen, zeichnete sich bereits recht deutlich das Ende der Ära des klassischen Brit-Horrors ab. Doch gerade diese Spätphase brachte ja noch einmal eine ganze Reihe origineller und interessanter Streifen wie z.B. The Vampire Lovers (1970), Blood on Satan's Claw (1971), Demons of the Mind (1972) und The Wicker Man (1973) hervor. Ob wir auch Psychomania dazuzählen dürfen? Schaun wir mal.

Die Eröffnungssequenz ist ganz ohne Frage grandios und erweckt den verführerischen Eindruck, dass wir es mit einem bizarren Mix aus Folk Horror und Bikerfilm zu tun bekommen werden:



Das Drehbuch für diesen Film stammte von Julian Zimet & Arnaud d'Usseau, die auch das Script für den ein Jahr später entstandenen Horror Express verfasst haben, der übrigens gleichfalls von Benmar (co)produziert wurde: Ein in Spanien gedrehter Low Budget - Streifen mit Christopher Lee, Peter Cushing und Telly Savalas, den ich hier schon einmal besprochen habe.

Es hilft nichts, groß darum herum zu reden: Der in besagtem Drehbuch entwickelte Plot ist an vielen Stellen wirr, undurchsichtig und unzusammenhängend: 

Wenn Tom Latham (Nicky Henson) und seine Bikergang "The Living Dead" nicht gerade in der Umgebung der "Seven Witches" – eines Kreises aus Stehenden Steinen – abhängen, amüsieren sie sich damit, Autos von der Straße zu drängen, die Bewohner ihrer Heimatstadt zu terrorisieren oder sich wilde Verfolgungsjagden mit der Polizei zu liefern. Alles sicher sehr spaßig, doch für den verwöhnten Sohn einer reichen Witwe sind solche Eskapaden allmählich nicht mehr genug, um gegen Langeweile und Lebensüberdruss anzukommen. Während eines kleinen Techtelmechtels auf dem örtlichen Friedhof eröffnet er seiner Freundin Abby (Mary Larkin) deshalb, es sei endgültig an der Zeit, gemeinsam Selbstmord zu begehen. Nicht dass Tom dieser Welt auf ewig Ade zu sagen wünscht. Vielmehr ist er überzeugt davon, dass sie beide auf mysteriöse Weise zu einem neuen, völlig befreiten und ewigen Leben wiederauferstehen würden. Abby ist das verständlicherweise etwas unheimlich: "Sometimes you scare me, Tom!" Worauf dieser erwiedert: "It's not me that scares you it's the world!". Nur um sich im nächsten Augenblick voller Begeisterung auf die Jagd nach einer zwischen den Grabsteinen herumhüpfenden Kröte zu machen. "Hello, little green friend."
Klingt alles ziemlich abstrus? Nun ja, sobald wir erfahren, dass Toms Mutter (Beryl Reid) eine Okkultistin ist, die vor Zeiten offenbar einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hat, macht das Ganze vielleicht ein klein Bisschen mehr Sinn. Und natürlich hat auch die Kröte irgendeine okkulte Bedeutung. Nachdem sich Tom trotz der Warnungen seiner Mama und ihres diabolischen Butlers Shadwell (George Sanders) Zugang zu dem geheimnisvollen "verschlossenen Zimmer" verschafft hat, in dem sein Vater Jahre zuvor gestorben ist, um dort einige recht bizarre Visionen zu durchleben, gelangt er zum Wissen um das Geheimnis der Unsterblichkeit. Im Grunde ist es ganz einfach: Man muss bloß wirklich sterben wollen, darf auch im letzten Augenblick keine Reue empfinden oder zögern, und man wird als Unsterblicher zurückkehren.
Nichts leichter als das: Bei der nächsten großen Verfolgungsjagd braust der gute Tom mit seinem Motorrad von der nächsten Brücke, und tatsächlich ... wenig später schon macht er als unverwundbarer Zombie-Biker die Gegend unsicher, killt dabei jeden, der ihm dumm kommt, und überzeugt schließlich alle seine Kumpels davon, denselben Weg wie er einzuschlagen. Nur die herzensgute Abby bekommt allmählich ein schlechtes Gewissen. Und auch Frau Mama bereitet die Entwicklung ihres von den Toten zurückgekehrten Sprösslings zunehmend Sorgen.

Zugegeben, nur wenige der Szenen in Psychomania sind ähnlich atmosphärisch wie die Eröffnungssequenz. Einige finden sich allerdings schon, so etwa Teile von Toms Visionen im "verschlossenen Zimmer" und Abbys Nahtoderfahrung. Und auch wenn die Geschichte um Toms Mutter, ihren Pakt mit dem Teufel und die Rolle, die Shadwell in dem Ganzen spielt, äußerst undurchsichtig bleibt, besitzen beinah alle Szenen, die in dem im mondänen Sixties-Stil eingerichteten Haus der Lathams spielen, eine leicht verstörende und gerade deshalb faszinierende Note. Verantwortlich dafür ist zum einen die zwar nur angedeutete, aber offensichtlich ziemlich ungesunde Beziehung zwischen Mutter und Sohn, zum anderen der großartige George Sanders, der tragischerweise im darauffolgenden Jahr in den Freitod gehen sollte. Gleichfalls recht beeindruckend wirken einige der Selbstmorde der Gangmitglieder. Vor allem, wenn man dabei auch noch Tom und "Hellcat" Jane (Ann Michelle; B-Movie Fans vielleicht am ehesten aufgrund ihrer Hauptrolle in Tigons Sexploitation-Horror The Virgin Witch bekannt) auf ihren Motorrädern zu sehen bekommt, wie sie ihre Kumpels auf stumme Weise anfeuern, den entscheidenden letzten Schritt zu tun.

Ja, zumindest streckenweise verfügt Psychomania tatsächlich über jene ebenso verwirrende wie faszinierende "weirdness", die man von den besten Vertretern britischer Filmphantastik der 70er Jahre gewohnt ist. Und auch wenn man die Story problemlos als konservativen Kommentar zur Jugendrevolte und "Counter Culture" der 60er Jahre verstehen kann – man braucht sich ja bloß den von David Whitaker & John Worth geschriebenen Song anzuhören, der Toms bizarrem Begräbnis unterlegt ist  –, so denke ich, dass man sie ebensogut als Illustration des selbstzerstörerischen Nihilismus interpretieren kann, in dem eben jene Rebellion für viele letztenendes mündete, nachdem sich herausgestellt hatte, dass ein Bisschen Provokation und "Flower Power" nicht ausreichen würden, um die bürgerliche Gesellschaft zu Fall zu bringen. Freilich ist nicht ganz klar, wogegen Tom und seine Freunde eigentlich rebellieren, aber im Grunde ist das ja nur eine weitere Facette desselben Problems.

Die meisten Besprechungen des Films, die ich gelesen habe, bemängeln, dass die "Living Dead" für eine echte Bikergang der Zeit zu brav und beinah unschuldig-naiv wirken. In der Tat sehen sie weder aus wie echte Hells Angels, noch kommen sie entsprechend aggressiv und bedrohlich rüber – selbst wenn sie mit Messern herumspielen oder Autos von der Fahrbahn drängen. Ich gebe zu, auch ich fand das etwas problematisch, doch im Nachhinein kam mir der Gedanke, ob diese Darstellung nicht vielleicht zumindest teilweise Absicht gewesen sein könnte. Der Film spielt irgendwo im ländlichen England und die "Living Dead" sind letztenendes bloß eine Clique rebellischer Kleinstadtkids, keine Hardcore-Biker, auch wenn sie das vermutlich gerne wären.
Was der Film allerdings in der zweiten Hälfte wirklich gebraucht hätte, wären einige explizitere Gewaltszenen und etwas Gore gewesen. Schon am ersten Tag nach seiner Rückkehr aus dem Grab ermordet Tom ein gutes halbes Dutzend Leute, und nach ihrer Verwandlung in Untote benehmen sich seine Kumpels nicht weniger gewalttätig. Doch sämtliche Morde geschehen Off-Screen. Bestenfalls hört man ein paar Schreie. Dadurch büßt der Film viel an Intensität ein. Auch wird viel Zeit mit irgendwelchen Verfolgungsjagden verschwendet, die bald schon eher langweilig als aufregend wirken.
Hauptgrund für all das dürfte das winzige Budget gewesen sein, welches Don Sharp und seinem Team zur Verfügung stand. Überzeugende Szenen von Gore und Gewalt kosten halt Geld, und das war einfach nicht vorhanden. Die Stehenden Steine waren offenbar der teuerste Teil des Films, wie man der Website Psychomania Locations entnehmen kann. Freilich lässt sich damit nicht alles entschuldigen, so enthält der Streifen auch einige Szenen wie die in der Polizeistation oder die in der Leichenhalle, welche nicht aufgrund mangelnder Spezialeffekte, sondern mieser Regie unfreiwillig komisch wirken, obwohl sie doch bedrohlich und brutal hätten rüberkommen müssen.

Letztenendes kann ich nicht behaupten, dass Psychomania mich wirklich überzeugt hätte. Dazu sind seine Schwächen gar zu offensichtlich, ohne dass der Film dabei in die Regionen des "So mies, das es wieder toll ist" übergeht. Eine solche Einschätzung wäre auch deshalb unfair, weil er zuviele wirklich interessante und faszinierende Elemente enthält. Wer wie ich etwas für "weirdness" übrig hat, sollte sich Psychomania bei Gelegenheit auf jedenfall einmal anschauen. Doch sollte er oder sie nicht mit gar zu hohen Erwartungen an den Streifen herangehen, andernfalls könnte es zu einer argen Enttäuschung kommen. 


* Kim Newman: Nightmare Movies. A Critical History of the Horror Film, 1968-88. S. 20.