"Außerdem studierte er abstruse Bücher, die aus chaldäischen Bibliotheken
gestohlen worden waren, wenn Fafhrd auch aus langer Erfahrung wusste,
dass der Mausling selten über das Vorwort hinauskaum (obwohl er oft die
letzten Kapitel aufrollte und neugierig hineinschaute und beißende Kritik
äußerte)."

Fritz Leiber, Das Spiel des Adepten


Montag, 26. Januar 2015

Expeditionen ins Reich der Eighties-Barbaren (IX): "Amazons"

Dem 1946 in Pennsylvania geborenen und seit 1969 in Kanada lebenden afroamerikanischen Schriftsteller Charles R. Saunders gebührt ein ganz besonderer Platz in der Geschichte der literarischen Sword & Sorcery. 
Wie er selbst in seinem erstmals 1975 veröffentlichten Essay Die, Black Dog! beschrieben hat, enthielt das Subgenre seit seiner Entstehung in den 30er Jahren zahlreiche rassistische Elemente, woran sich auch in der Ära von Lin Carter und L. Sprague de Camp wenig geändert hatte. Doch Saunders polemisierte nicht nur gegen diesen Misstand, mit den Geschichten über den "schwarzen Conan" Imaro und die Kriegerin Dossouye und ihre Abenteuer in dem phantastisch verfremdeten Afrika Nyumbani schuf er auch einen äußerst spannenden Gegenentwurf zur gar zu "weißen" Welt der klassischen Fantasy. Leider jedoch betrat er die Bühne zu einem Zeitpunkt, als sich gerade der große Umschwung von der Sword & Sorcery der 70er zur tolkienesken High Fantasy der 80er Jahre vollzog, was sehr stark dazu beigetragen haben dürfte, dass seinem Werk nie der Erfolg beschieden war, den es eigentlich verdient hätte. Wie Gerd Rottenecker in einem Beitrag auf dem Blog der Bibliotheka Phantastika schreibt, stellte DAW Books die Imaro - Reihe nach dem Erscheinen des dritten Bandes Trail of Bohu (1985) "aufgrund schlechter Verkaufszahlen ein", und "als sich die Pläne für einen Sammelband mit den Dossouye-Abenteuern zerschlugen, wandte sich Saunders endgültig von der Fantasy ab und arbeitete jahrelang als Drehbuchautor und Journalist".
Der Schriftsteller hatte eine denkbar niedrige Meinung vom Sword & Sorcery - Film der 80er. Statt die Chance für eine Neubelebung des Subgenres zu eröffen, glichen sie seiner Meinung nach eher einer "lethal injection" für selbiges, insbesondere da sie mit Conan "one of the most dynamic and compelling characters ever created" in "a muscle-bound doofus" verwandelt hätten. Dennoch erklärte er sich bereit, ein auf seiner Kurzgeschichte Agbewe's Sword basierendes Drehbuch zu verfassen, als Roger Cormans New Horizons 1985 bei ihm vorstellig wurde. Wie er in einem Interview mit dem Cimmerian erzählt hat:
New Horizons had recently finished shooting Deathstalker in Argentina, and wanted to use the sets for another S&S movie. The director, an Argentine named Alex Sessa, wanted the movie to be about Amazons. He was scouring a a used bookstore in Los Angeles, and came across [Jessica Salmonson's anthology] Amazons! He liked my story best, so New Horizons tracked me down in Halifax, Nova Scotia, where I just had moved after spending many years in Ottawa, Ontario. Next thing I knew, I was headed for Hollywood!
During this time I learned a lot about how the film industry works. Argentina has a minuscle black population, so I had to make a lot of changes in the African-based story. I ended up keeping just the basics of "Agbewe's Sword." Of course, a lot of cooks had ladles in that stew. So out came a direct-to-video movie called Amazons.
Die Geschichte mit den wiederverwendeten Deathstalker - Sets habe ich auch schon mal über The Warrior and the Sorceress gehört. Ich bin mir deshalb nicht so sicher, ob Saunders hier bloß etwas wiederholt, was er in der großen Gerüchteküche Hollywood aufgeschnappt hat, oder Informationen aus erster Hand weitergibt. Andererseits, es würde zu Corman passen, dasselbe Set gleich dreimal zu benutzen.

Wie dem auch sei. Schaun wir mal, was Produzent Alejandro "Alex" Sessa in seinem Debüt als Regisseur aus Saunders' Script so gemacht hat.



Reden wir nicht lange um den heißen Brei herum: Amazons ist kein guter Film. Und Charles R. Saunders wäre vermutlich der Letzte, der das behaupten würde.

Die Story ist in ihren Grundzügen denkbar generisch: Der böse Hexenmeister Kalungo (Joseph Whipp) will im Bündnis mit irgendwelchen Dämonen das Reich der "Emerald Queen" {und danach am besten gleich die ganze Welt} erobern. Die einzige Waffe, die seinem üblen Treiben Einhalt gebieten könnte, ist das legendäre Schwert von Azundati. Als die junge Amazone Dyala (Ty Randolph) die magische Klinge in einer Vision erblickt, begibt sie sich gemeinsam mit ihrer Kameradin Tashi (Penelope Reed) auf eine lange und gefahrvolle Queste, um das seit Jahrhunderten als verschwunden geltende Artefakt zurückzubringen. Unglücklicherweise jedoch ist Tashi von ihrer Mutter, der Generalin Tashinge (Danitza Kingsley), aufgrund einer alten Familienfehde befohlen worden, Dyala am Ende der Reise zu töten. Und als wäre dies nicht schon unangenehm genug, hat Kalungo auch noch seine mörderische Löwinnen-Vertraute auf die Fährte der beiden Kriegerinnen angesetzt.

In den Namen der Charaktere scheint etwas von Saunders' phantastischem Afrika mitzuschwingen, doch davon {und einigen Kostümen} einmal abgesehen, präsentiert sich uns der gerade einmal 75 Minuten lange Streifen zumindest in der ersten halben Stunde als ein typischer ultrabilliger 80er Jahre - Fantasyflick.
  • Die Kulissen sind ebenso primtiv wie die Spezialeffekte. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich Kalungos Blitzstrahlen irgendwie charmant gefunden habe. Sie sind so unglaublich Eighties ... 
  • Sämtliche Masszenszenen wirken ungeheuer undramatisch und amateurhaft.
  • Bei der überwiegenden Mehrheit der Schauspielerinnen und Schauspieler weiß man nicht, was man schlimmer finden soll: Ihr hölzernes Auftreten oder die erbärmlich miese Nachsynchronisation. Ty Randolph allerdings, die bis dahin nur in irgendwelchen Nebenrollen in Westworld, Body Double und V - The Visitors hatte "glänzen" können, verfügt in der Tat über ein gewisses Charisma: Eine recht gute Wahl für die Hauptrolle.
  • Die Schnitte sind mitunter äußerst ungeschickt, wenn nicht nachgerade bizarr. Mein persönliches Highlight: Nach einem Kampf mit irgendwelchen Wegelagerern sehen wir Dyala und Tashi erst mit nackten Brüsten, nur um in der nächsten Einstellung miterleben zu können, dass ihre Leder-BHs sich auf magisch anmutende Weise urplötzlich wieder geschlossen haben.  
  • Apropos Brüste: Da wir es mit einem von Roger Corman produzierten Film über Amazonen zu tun haben, sollte es niemanden wundern, dass wir inflationär viele halbentblößte Frauen zu sehen bekommen. Und nicht nur das: Der Flick "beglückt" uns sogar mit einer kleinen Sexszene im klassischen Softporno-Stil der 80er Jahre.            
Ich weiß, das klingt jetzt nicht gerade besonders verführerisch, aber vor allem, wenn man sie im Kontext des S&S - Films der Eighties betrachtet, erweisen sich Amazons letztenendes als ein durchaus sehenswerter kleiner Flick, denn ungefähr ab der 30 - Minuten - Marke kommt es zu einer merklichen Wendung.

Nicht, dass der Film plötzlich kompetenter gemacht wirken würde, aber zumindest bekommen wir einige etwas interessantere Sequenzen zu sehen. Alles beginnt mit der Szene, in der Tashi gemeinsam mit einer Gruppe bedrogter Frauen einem geheimnisvollen Baummonster geopfert werden soll. Dem Ganzen ist nicht nur ein leicht verstörender Vibe eigen, hier eröffnet sich darüberhinaus auch endlich eine Gelegenheit für Dyala, sich als coole und kompetente Kriegerin zu präsentieren. Es folgen eine ganze Reihe von Sequenzen, in denen man deutlicher als je zuvor Anklänge an Saunders' mythisch-phantastisches Afrika spüren kann. Ich denke da vor allem an die Begegnung unserer Heldinnen mit der {unsterblichen?} Azundati imitten einer sonnendurchfluteten Ebene, die ohne Zweifel ursprünglich eine Savanne sein sollte.

Es dürfte kaum ein Zufall sein, dass die zweite Hälfte von Amazons keinerlei Sexploitation-Elemente mehr enthält. Hier treten offensichtlich Saunders' ursprüngliche Ideen in den Vordergrund, auch wenn sie immer wieder von Szenen unterbrochen werden, die in Atmosphäre und Qualität der typischen B-Movie - Fantasy der Zeit entsprechen. Das wirkt zwar etwas irritierend, kann aber nicht verhindern, dass der Film Ansätze zu einem individuellen Charakter entwickelt. All dies gipfelt in einem ziemlich überraschenden Finale nach dem genretypischen Finale.

Fazit: Ich kann nur wiederholen, Amazons ist kein guter Film. Aber er enthält einige interessante und eigenwillige Elemente, die sämtlichst mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf Charles R.Saunders zurückgehen.

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