"Außerdem studierte er abstruse Bücher, die aus chaldäischen Bibliotheken
gestohlen worden waren, wenn Fafhrd auch aus langer Erfahrung wusste,
dass der Mausling selten über das Vorwort hinauskaum (obwohl er oft die
letzten Kapitel aufrollte und neugierig hineinschaute und beißende Kritik
äußerte)."

Fritz Leiber, Das Spiel des Adepten


Sonntag, 27. April 2014

Vampire in Amerika (VII): Count Yorga

Unser kleiner Spaziergang durch die Welt des amerikanischen Vampirfilms der 70er Jahre nähert sich seinem Ende. Wie zu Beginn bereits von mir angekündigt, hat er uns nicht zu allen Vertretern des Genres geführt, und unglücklicherweise musste ich ausgerechnet George A. Romeros Martin außen vor lassen, obwohl es sich bei diesem sicher um eine der interessantesten filmischen Auseinandersetzungen mit dem Vampirstoff handelt, die dieses Jahrzehnt hervorgebracht hat. 
Auch muss ich mich in einem wichtigen Punkt korrigieren. In der Einleitung zu dieser kleinen Serie habe ich geschrieben, Martin und Nightmare in Blood bildeten 1978 den Schlusspunkt der durch Count Yorga ausgelösten, kurzlebigen Vampirmode der 70er Jahre. Das ist nicht ganz richtig. Noch ein Jahr später wurde Zoltan - Hound of Dracula auf das Kinopublikum losgelassen. Sicher kein Klassiker des Genres, aber doch ein legitimes Mitglied der Yorga-Familie und auf jedenfall ein engerer Verwandter des Grafen als The Velvet Vampire, Lemora oder Martin.* Im November desselben Jahres strahlte CBS außerdem die unter der Regie von Tobe Hooper gedrehte Miniserie Salem's Lot aus. Doch obwohl es in dieser gleichfalls um untote Blutsauger geht, gehört sie meiner Meinung nach in einen etwas anderen Zusammenhang, den des kometenhaften Aufstiegs von Stephen King. Der phänomenale Erfolg des Autors musste beinah zwangsläufig Verfilmungen seiner Werke nach sich ziehen. Schon drei Jahre zuvor hatte Brian De Palma seine Adaption von Carrie vorgelegt, und ein Jahr später würde Stanley Kubrick mit The Shining folgen. 
Nachdem das richtiggestellt wäre, nun also zum Abschluss unserer Vampirtour. Und was anderes könnte an ihrem Ende stehen als Count Yorga, der Film, mit dem alles begonnen hatte. Oder genauer gesagt: Count Yorga, Vampire (1970), The Return of Count Yorga (1971) und Deathmaster (1972) – die drei AIP-Filme, in denen Robert Quarry einen Vampir verkörperte.

Genaugenommen handelte es sich bei allen dreien um Independent-Produktionen, bei denen American International Pictures lediglich als Filmverleih fungierte. Dennoch macht es Sinn, sie im Rahmen der Entwicklung zu betrachten, die das altehrwürdige B-Movie-Studio zu dieser Zeit durchmachte. Auch wenn ich mich wiederhole: Zu Beginn der 70er Jahre lag im Horrorgenre Veränderung in der Luft. Die Ära des "gotischen" Horrorfilms neigte sich ihrem Ende entgegen, und Männer wie Samuel Z. Arkoff und James H. Nicholson hatten eine Nase für solche Entwicklungen, andernfalls wäre AIP nie zu einer so erfolgreichen Schlockschmiede geworden. Doch noch war den Bossen nicht ganz klar, wie das Studio auf das allmähliche Wegbrechen seines alten Marktes reagieren sollte. Hinzu kam, dass sich das Verhältnis zwischen AIP und ihrem hauseigenen Horrorstar Vincent Price merklich verschlechtert hatte. Auf Studioseite war man der Ansicht, dass der Schauspieler nicht länger der große Publikumsmagnet war, dessentwegen man ihn ursprünglich durch einen Exklusivvertrag an sich gebunden hatte. Auf jedenfall schien es nicht länger gerechtfertigt, sich einen Star zu "halten", der so hohe Gagen verlangen konnte wie Mr. Price. Andererseits hatte man den "gotischen" Horror noch nicht vollständig aufgegeben, und der Todesstoß sollte dem Subgenre ja in der Tat erst 1973 durch William Friedkins The Exorcist versetzt werden. Also produzierte AIP 1971 mit The Abominable Dr. Phibes noch einmal einen der echten Vincent Price - Klassiker des Horrors alter Schule, der sich als erfolgreich genug erwies, um ein Sequel zu rechtfertigen. Daneben startete man mit einer Adaption von Emily Brontës Wuthering Heights (1970) den kurzlebigen Versuch, der Schattenwelt des B-Movies zu entfliehen und in die sonnigen Gefilde "echter" Filmkunst aufzusteigen. Interessanterweise engagierte AIP dafür in beiden Fällen den selben Regisseur – den ausgesprochen talentierten Robert Fuest, der bis dahin hauptsächlich im TV-Bereich {vor allem bei The Avengers} gearbeitet hatte. Doch die zu diesem Zeitpunkt vermutlich wichtigste Entscheidung war, dass man den Versuch startete, dem kränkelnden Horror, mit dem man lange Zeit das meiste Geld verdient hatte, eine Art Frischzellenkur zu verabreichen. Nicht dass man dabei der von George A. Romeros Night of the Living Dead (1968) eingeschlagenen Richtung zu folgen beabsichtigte. Arkoff und Nicholson hatten zwar ein Gespür für die Entwicklungen auf dem B-Movie-Markt, aber sie waren nicht die Männer, die ihre Firma in den Dienst eines avantgardistischen Projektes gestellt hätten. Was ihnen vorschwebte ist eher vergleichbar mit Hammers etwas später unternommenem Versuch, Christopher Lees Dracula ins Swinging London der frühen 70er zu versetzen (Dracula A.D. 1972 [1972] & The Satanic Rites of Dracula [1973]). Daneben war es das Ziel von AIP, eine Art Nachfolger für Vincent Price aufzubauen, einen Horrorstar, der das Publikum ebenso unwiderstehlich in die Kinos locken sollte, dem Studio aber sehr viel weniger Geld kosten würde.

Der von Michael Macready und Autor-Regisseur Bob Kelljan mit einem lächerlich kleinen Budget von nicht ganz $100.000 produzierte Count Yorga, Vampire schien die ideale Antwort auf diese Situation zu sein. Als sie die Rechte an dem Flick erwarben, dürfte Nicholson und Arkoff dies freilich noch gar nicht bewusst gewesen sein. Doch als er zu einem echten "Sleeper Hit" in den Autokinos wurde, öffnete ihnen das vermutlich die Augen. Nicht nur sicherten sie sich sofort die Rechte an dem ein Jahr später produzierten Sequel, sie begannen auch mit dem Gedanken zu spielen, aus Robert Quarry ihren neuen Horrorstar zu machen.
In der Tat verdankte Count Yorga seinen Erfolg in mehrfacher Hinsicht seinem Hauptdarsteller. Ursprünglich war der Film nämlich als ein Horror-Softporno-Mix geplant gewesen. Eine Masche, die zu dieser Zeit allmählich in Mode zu kommen begann, wie u.a. der unterirdisch grottige Dracula, The Dirty Old Man aus dem Jahr 1969 zeigt. Dieser Plan wurde schließlich verworfen, als Macready und Kelljan Robert Quarry für das Projekt zu gewinnen versuchten:   
They asked me to read the script. I said why don’t you just make a regular horror film out of it? They said will you do it? Of course I said yes, if it’s going to be a straight horror film. So you notice several places in the movie — in case it didn’t sell as a horror film — they left places where they could add whatever was necessary — two more breasts, or whatever.
So zumindest hat Quarry selbst es erzählt. Ob es sich tatsächlich so abgespielt hat, scheint nicht ganz unumstritten zu sein. Auf jedenfall enthält Count Yorga immer noch einige Szenen, denen man die Sexploitation-Herkunft des Filmes ansehen kann. Nichts wildes, aber doch deutlich genug, vor allem, wenn man die Hintergrundsgeschichte kennt.
Wie die meisten Horrorstars der alten Schule à la Bela Lugosi, Christopher Lee, Peter Cushing oder Vincent Price war auch Robert Quarry ein gebildeter Mann mit einem weiten kulturellen Horizont. Der 1925 in Santa Rosa/Kalifornien geborene Quarry war von seiner Großmutter, die selbst Schauspielerin gewesen war, in die Welt des Theaters eingeführt worden. Mit vierzehn Jahren brach er die Schule ab und begann als Sprecher für jugendliche Rollen im Radio zu arbeiten. Er gewann ein Stipendium für das Pasadena Playhouse, wo er von Alfred Hitchcock entdeckt wurde, der ihn für Shadow of Doubt (1943) engagierte. Während seiner Zeit in der Armee gründete Quarry eine Schauspieltruppe und landete nach dem Ende des Krieges erst bei RKO und dann bei MGM. Eine wirkliche Hollywoodkarriere blieb ihm allerdings versagt. Wie wir in dem Nachruf des Telegraph auf den Schauspieler lesen können:
Little came of Quarry's time at MGM. He appeared in Soldier of Fortune (1955) and House of Bamboo (1955), then played Dwight Powell opposite Robert Wagner, Joanne Woodward and Mary Astor in A Kiss Before Dying (1956). His other films included Crime of Passion (1957), Winning (1969) and WUSA (1970), the last two starring Paul Newman. 
Dafür schloss er u.a. Freundschaft mit Katharine Hepburn und Paul Newman. 1950 war er zusammen mit Hepburn in einer Broadway-Inszenierung von As You Like It aufgetreten.
Wie groß Quarrys Einfluss auf die Gestalt, die Count Yorga schließlich erhalten sollte, wirklich gewesen ist, muss ungewiss bleiben. Offenbar wollte er am ersten Drehtag alles hinschmeißen, ließ sich dann aber doch dazu überreden, weiterzumachen. Und schließlich wurde der Dreh zu einem wenn auch anstrengenden, so doch positiven  Erlebnis für ihn:
Once I got off my high horse, we got to working together. But it was hard work. We had just four crewmembers — that’s it. They were all happy on plum wine and grass! There was one make-up man and a few guys with little arc lights. You say the film was ‘dark and mysterious’ — the film was dark and mysterious because we didn’t have enough lights!
Zwar ärgerte er sich in späteren Jahren oft darüber, dass man ihn nur in dieser Rolle in Erinnerung behalten hatte, dennoch bereitete ihm die Figur des Count Yorga offenbar großen Spaß: 
Actors always wanted to play the good guys first. I was different, and, boy, I did have a lot of fun drinking the blood of the lovely DJ Anderson. I always tried to play villains like the heroes. Vincent Price always over-egged the pudding. I played Count Yorga straight.**
Auf die sehr spezielle Beziehung zwischen Quarry und Price werde ich weiter unten noch etwas genauer eingehen. Was für den Moment sehr viel wichtiger ist: In der Tat trägt Quarrys ernsthaftes, elegantes und eher zurückhaltend wirkendes Spiel sehr viel zum Charme von Count Yorga bei.



Das erstaunlichste an diesem Film ist, dass sein Grundkonzept – wir schicken einen Dracula-Klon ins Kalifornien der 70er Jahre – sehr viel besser funktioniert, als es eigentlich sollte. Von einer solchen Geschichte würde man erwarten, dass sie beinah zwangsläufig ins Lächerliche abrutschen müsste, wobei sie bestenfalls in ein prachtvoll groteskes Schlockfest übergehen könnte. Doch das trifft auf Count Yorga nicht zu. Der Film besitzt zwar einen leicht ironischen Unterton, aber gerade dieser hilft zu verhindern, dass der Effekt des unfreiwillig Komischen eintritt. Wir wissen, dass wir die Geschichte nicht hundertprozentig ernst nehmen sollen, und sind deshalb eher geneigt, über ihre unausweichlichen Absurditäten hinwegzusehen. Vor allem da uns mit Robert Quarrys Yorga ein wirklich interessanter Vertreter der Gattung Vampir entgegentritt.
Die Figur ist eine gelungene Mischung aus traditionellen und neuartigen Elementen. Einerseits ist der gute Graf ganz der untote osteuropäische Aristokrat mit finsterem Charme und schwarzem Cape, wie wir ihn aus den Dracula-Filmen mit Bela Lugosi oder Christopher Lee gewohnt sind. Zugleich jedoch bereitet es ihm keinerlei Schwierigkeiten, sich in den Kreisen der kalifornischen Mittelklasse zu bewegen. Dort betrachtet man ihn entweder als interessanten Exzentriker oder bringt ihm als vermeintlichem "bulgarischen Mystiker" offene Bewunderung entgegen. Dies war schließlich die Zeit und das Milieu, in denen das Verlangen nach esoterischer Selbstfindung schwer in Mode war. Yorga seinerseits scheint sich aufs Köstlichste über all diese Ärzte, Ehefrauen und Halbhippies zu amüsieren. In seinen Augen sind sie bloß Spielzeug und Beute. Sein sarkastischer Humor und seine herablassende Attitüde machen ihn zu einem echten Original unter den Erben Draculas, und Robert Quarry verleiht ihm dabei ein Charisma, das an das der ganz Großen unter den untoten Fürsten der Finsternis heranreicht.
Dass Count Yorga den Untiefen des Exploitation-Films entstiegen war, hat hie und da recht deutliche Spuren hinterlassen. Neben den bereits erwähnten "erotischen" Sequenzen, die nicht groß stören, gibt es da vor allem eine recht unappetitliche, weil völlig unnötige Vergewaltigungsszene. Und außerdem dürfen wir miterleben, wie die halb vampirifizierte Erica, ihre eigene Katze auffrisst. Diese Szene wurde seinerzeit von AIP radikal gekürzt, um einer Einstufung des Films als R oder X zu entgehen. Inzwischen bekommt man sie in ihrer ursprünglichen Länge zu sehen, und ich muss sagen, dass sie für mich einen nicht unwichtigen Beitrag zur Gesamtatmosphäre des Filmes geleistet hat. Ein kleines bisschen Gore passt sehr gut zu dem sarkastisch-zynischen Tonfall von Count Yorga.              

Das ein Jahr später gedrehte Sequel The Return of Count Yorga war seinerzeit zwar ähnlich erfolgreich, reicht für mich jedoch nicht an den Charme des Originals heran.



Rein handwerklich wirkt der Streifen sehr viel professioneller gemacht, und offenbar stand dem Team ein größeres {wenn auch sicher immer noch nicht besonders üppiges} Budget zur Verfügung. Die ersten zwanzig Minuten sind denn auch in der Tat recht gelungen.
Mit irgendwelchen mehr oder minder logischen Erklärungen für Yorgas Wiedererwachen gibt sich der Film gar nicht erst ab, dafür setzt er selbiges ziemlich atmosphärisch in Szene. Während der Abend hereinbricht und die ominösen "Winde von Santa Ana" durch die Büsche und Bäume streifen, spielt der kleine Tommy auf einem verfallenen Friedhof in der Nähe des Waisenhauses, zu dessen Schützlingen er gehört. Plötzlich vernimmt er eine körperlose Stimme, die wispert, es sei "Zeit, zu erwachen". Wenig später beginnen sich die zombiehaften "Bräute" Yorgas, die wir bereits aus dem ersten Teil kennen, an die Oberfläche zu graben. Und während sie in ihren zerlumpten Gewändern durch die Dämmerung auf den verängstigten Jungen zuwanken, taucht auch der Graf persönlich auf, makellos gekleidet wie stets ...
Derweil findet in erwähntem Waisenhaus eine Wohltätigkeitsveranstaltung statt. Den kostümierten Gästen nach zu urteilen, offenbar eine Halloweenfeier. Kein Wunder, dass man Count Yorga in seinem schwarzen Cape hier zuerst für einen weiteren Gast hält, der sich als Dracula verkleidet hat. Was es dem guten Grafen erlaubt, einige seiner wunderbar trockenen Bemerkungen zu machen: "Where are your fangs?" fragt ihn einer der leicht angetrunkenen Gäste. "Where are your manners?" erwiedert Yorga. Überhaupt darf der zurückgekehrte Untote in dieser Sequenz noch einmal so richtig mit seiner charmanten, sarkastischen, herablassend-amüsierten Attitüde glänzen, wegen derer wir ihn im ersten Teil so liebgewonnen haben.
Leider jedoch dauert es nicht lange, und es wird gar zu deutlich, dass Bob Kelljan und sein Team zwei entscheidende Veränderungen an ihrem alten Konzept vorgenommen haben. Zum einen wollten sie Yorga offenbar etwas menschlicher machen, also muss sich der Graf in Cynthia (Mariette Hartley), eine der Lehrerinnen des Waisenhauses, verlieben. Zum anderen hielten sie es scheinbar für eine gute Idee, der Geschichte einen stärker humoristischen Charakter zu verleihen. Zeichnete sich Count Yorga, Vampire durch einen leisen ironischen Unterton aus, so nimmt das Sequel streckenweise offen komödienhafte Züge an.
Keines von beiden zeitigt sonderlich positive Ergebnisse. Die Liebesgeschichte bildet zwar den Kern des Plots, wirkt jedoch zu keiner Zeit besonders packend oder überzeugend. Und der Humor reicht in den meisten Fällen höchstens für ein müdes Lächeln aus. Wer eine wirklich gute Vampirkomödie sehen will, sollte lieber in Erwägung ziehen, sich wieder einmal Roman Polanskis Fearless Vampire Killers / Tanz der Vampire anzuschauen. Wenigstens zwei gute Szenen gibt es in dieser Hinsicht allerdings schon. So ist es in der Tat recht amüsant, wenn wir zu sehen bekommen, wie sich Count Yorga eine spanische (?) Version der Vampire Lovers im Fernsehen anschaut. {Erst recht, wenn man dabei an eine der "erotischen" Szenen aus dem Original zurückdenkt, in der angedeutet wurde, dass es dem Grafen offenbar Spaß macht, seinen "Bräuten" beim Sex zuzuschauen.} Auch konnte ich mir ein Kichern nicht verkneifen, als der Reverend langsam im Treibsand versinkt, sein Kruzifix in die Höhe haltend und Yorga verfluchend, derweil der Vampir stumm und ohne die Miene zu verziehen, daneben steht. Ich weiß, das klingt nicht witzig, wenn man es erzählt. Man muss die Szene gesehen haben.
Alles in allem ist The Return of Count Yorga immer noch ein unterhaltsamer kleiner Flick, aber eine Ausnahme von der alten Regel, dass kaum ein Sequel an die Qualität des Originals heranreicht, stellt er nicht dar.

Der Doppelerfolg des untoten Grafen überzeugte Arkoff und Nicholson endgültig davon, dass sie ihren Price-Nachfolger gefunden hatten. Wie Quarry in einem Interview mit Cinefantastique einmal erzählt hat:
Vincent didn’t care to work any more at AIP. His contract was up; they were not going to re-option it. They wanted to get rid of him because his salary was going up and up and up, and his last two pictures had not done that well. They didn’t know where the horror thing was going, and I was being brought in. They had somebody new they thought they could build into the horror thing. I was told that I was going to be set up to take Vincent’s place at AIP ... 
Er erhielt einen ähnlichen Exklusivvertrag wie ihn Vincent Price besessen hatte, wenn auch mit einer weit geringeren Gage.

Für kurze Zeit spielte man bei AIP mit dem Gedanken, im Sequel zu The Abominable Dr. Phibes Count Yorga zum Gegenspieler des von Price verkörperten Doktors zu machen. Diese Idee wurde zwar schon bald wieder fallengelassen, dennoch besetzte man den Part des Antagonisten Darrus Biederbeck mit Quarry.
Es gibt zahllose Geschichten über die heftige Rivalität zwischen den beiden, die die Atmosphäre hinter den Kulissen von Dr. Phibes Rises Again (1972) vergiftet habe. Die vielleicht bekannteste Anekdote lautet folgendermaßen: Quarry habe in der Garderobe gesungen und zu Price gesagt: "You didn't know I could sing did you?" Worauf dieser erwiedert habe: "Well I knew you couldn't act". Viele Jahre später würde Quarry zu all dem erklären: "We were put at odds by the bastard Sam Arkoff and his slimy errand boy Deke Hayward". Eine im Großen und Ganzen wohl ziemlich korrekte Einschätzung. Offenbar hatte man Price sehr deutlich zu verstehen gegeben, Quarry solle sein Nachfolger werden, was das Verhältnis zwischen den beiden beinah zwangsläufig vergiften musste. Um noch einmal Quarry zu zitieren:   
An English publicist came up to him and asked, ‘How do you feel about Mr. Quarry coming in as your replacement?’ Vincent told me what had happened; he wasn’t happy about it. It was as if I was a ‘threat’ to his career – to this man with this long, distinguished career that nobody could repalce. After that happened, Vincent was never the same. That made a rift between us.
Quarry würde in den folgenden Jahren und Jahrzehnten mehr als einmal abfällige Bemerkungen über Price von sich geben und dessen Stil als überzogen und "campy" verspotten. Tatsächlich jedoch wusste er den großen Vincent sehr wohl zu schätzen. Wie David Del Valle, der mit beiden Künstlern befreundet war, geschrieben hat: "Bob admired Price both as a movie star as well as a erudite, cultured man in private life." Price empfand ähnlich:
After I explained that Bob was still around, Price shook his head and reflected, “This town can be a Paradise or a Hell, and I have seen it both ways in my career. He should have had a bigger career than he did. Robert was a good character man; he just couldn’t carry a tune.”
Für Madhouse (1974) sollten die beiden noch einmal gemeinsam vor der Kamera stehen, und scheinbar gelang es ihnen diesmal, auf eher kollegiale Weise zusammenarbeiten, auch wenn sich dabei ganz sicher kein ähnlich freundschaftliches Verhältnis entwickelte wie zwischen Quarry und Peter Cushing, der gleichfalls in dem Streifen mitwirkte. Es heißt, Price habe seinen Kollegen darum gebeten, seine Dialoge für ihn zu überarbeiten, nachdem dieser dasselbe für die eigenen getan hatte. Eine Bitte, die Quarry geschmeichelt haben soll, die aber auch darauf hindeutet, dass es sich um eine – milde ausgedrückt – problematische Produktion handelte. Auf die Details will ich jetzt nicht näher eingehen, möchte aber doch betonen, dass Madhouse bei all seinen offensichtlichen Schwächen meiner Ansicht nach besser ist als sein Ruf.



Der Flick leidet ganz offensichtlich unter einem hastig zusammengestoppelten Drehbuch, aber wenn man sich den genrehistorischen Hintergrund vergegenwärtigt, vor dem er entstanden ist, wirkt er ausgesprochen faszinierend. Dann nämlich kann man ihn als eine Art metafiktionalen Kommentar zum damaligen Umbruch im Horrorkino und dem Ende der Karriere von Vincent Price verstehen. Dieser spielt Paul Toombes, einen in die Jahre gekommenen Horrordarsteller der alten Schule, der seinen Ruhm vor allem der Figur des "Dr. Death" verdankt, den er in fünf Filmen verkörperte. Die kurzen Ausschnitte aus diesen Streifen, die wir im Verlaufe von Madhouse immer wieder zu sehen bekommen, stammen aus alten Roger Corman/Vincent Price - Klassikern wie House of Usher (1960), Pit and the Pendulum (1961) und The Haunted Palace (1963). Toombes hatte sich nach der Ermordung seiner Verlobten jahrelang aus dem Filmgeschäft zurückgezogen, doch sein Freund Herbert Flay (Peter Cushing) überredet ihn schließlich zu einem Comeback. Und während sich der Schauspieler mit den Dämonen aus seiner Vergangenheit und dem schleimigen Produzenten Oliver Quayle (Robert Quarry) herumschlagen muss, beginnt eine mysteriöse Gestalt im Kostüm von "Dr. Death" reihenweise Leute in Toombes Umfeld zu ermorden.
Einige Szenen enthalten mehr oder weniger deutliche Bezüge zu den realen Karrieren von Price und Quarry. So etwa soll "Doctor Death" auf Quayles Drängen hin eine Assistentin zur Seite gestellt werden, was Toombes zwar überhaupt nicht gefällt, aber wie eine Anspielung auf Dr. Phibes und Vulnavia wirkt. Oder wir sehen Quayle auf einer Party ein Count Yorga - Kostüm tragen. Aber es sind nicht diese oberflächlichen Winke, die den besonderen Reiz von Madhouse ausmachen. Vielmehr wirkt die Geschichte als Ganzes wie eine Illustration der Akzentverschiebung vom stilvoll-dekadenten Horror der 60er, verkörpert in Toombes und seinen "Dr. Death" - Filmen, hin zum brutaleren und dreckigeren Horror der 70er, verkörpert in den Mordtaten des "realen" "Dr. Death". Zugegebenermaßen lässt sich das bizarre Finale nur schwer mit dieser Interpretation in Einklang bringen. Aber zum einen wäre es wohl verfehlt, von einem offensichtlich hastig und streckenweise inkompetent zusammengeschusterten Film wie Madhouse innere Geschlossenheit zu erwarten. Und zum anderen hat Mr. Jim Moon in in der 34. Episode seines exzellenten Podcasts Hypnobobs sogar für die groteskeren Elemente des Streifens eine Interpretation gefunden, die in das Gesamtschema passen würde: "This kind of strangeness we normally associate with the Italian school. And so in a strange way we can see Madhouse as the missing link between Giallo and the later Slasher genre." (01.14.00)
Jeder, der sich für die Geschichte des Horrorfilms oder für die Karrieren von Vincent Price und Robert Quarry interessiert, sollte sich diesen Film auf jedenfall einmal anschauen.

Die Arbeit für AIP war eine alles andere als angenehme Erfahrung für Robert Quarry. Noch Jahrzehnte später blickte er mit großer Verbitterung auf diese Zeit zurück, die in seinen Augen für das Ende seiner Karriere in Hollywood verantwortlich gewesen war. Mit besonders großem Hass bedachte er dabei Samuel Z. Arkoff, der nach dem Weggang von Nicholson seit 1972 der alleinige Boss des Studios war:
Arkoff, with little regard for building my chances of a real movie career, chose to put it firmly in the toilet with shitty films that exploited my name and little else, which is basically what he did to Vincent as well. 
Nicht viel besser schnitt in seinen Augen Louis M Heyward ab, der Leiter von AIPs europäischer Niederlassung in London. Die Gründe für Quarrys Hass waren in diesem Fall allerdings eher persönlicher Natur, wie David Del Valle in einem Artikel für Films in Review beschrieben hat:
According to Bob it was “Deke“ Hayward who stabbed him in the back by going to some of Bob’s posh English friends during filming and “outing” him to them as well as trying to take them away from Quarry by slandering him in any way possible. When this gossip was related back to Quarry he rightly or not never stopped feeling betrayed by all this bad blood, which probably led to his contract being terminated ...
Bevor es zur Trennung von AIP kam war Quarry allerdings noch gezwungen, Gangsterboss Morgan in dem Blaxploitation-Zombieflick Sugar Hill (1974) zu spielen. Eine Rolle, die eigentlich für einen schwarzen Darsteller geschrieben worden war, und in der er Sprüche wie "Listen Fabulous, I may make an honest nigger out of you yet" von sich geben musste ... Quarrys Kommentar zu dem Flick:
If Sam went out and had his cleaning lady write a movie, it couldn’t have been any worse than this piece of junk they dumped on me. And everything was judged by Mrs. Arkoff, who sat home and ate chocoaltes and read paperbacks all her life.
Doch so sehr man Quarrys Unmut auch nachvollziehen kann, letztlich war es nicht Sam Arkoff, der für das Ende seiner kurzen Horrorkarriere verantwortlich war, auch wenn selbiges durch ihn möglicherweise eine besonders unrühmliche Gestalt erhielt. Im Horror der 60er Jahre hätte Quarry möglicherweise zu einem Star werden können, wenn auch vielleicht nicht zu einem der ganz Großen vom Rang eines Vincent Price, Peter Cushing oder Christopher Lee. Was seiner werdenden Karriere den Boden entzog, war der Wandel im Genre. Eine Entwicklung, auf die Produzenten wie Arkoff keinen Einfluss hatten. Die Filme, in denen er mitwirkte, waren Produkte einer Übergangszeit. Und so bedauernswert es auch ist, dass Quarry nie die Gelegenheit erhielt, sein ohne Zweifel vorhandenes Talent weiter zu entfalten, so folgerichtig wirkt es irgendwie doch auch, dass der Star dieser Filme bloß für die kurze Zeit des Wandels – als das Alte noch nicht ganz gestorben, das Neue noch nicht zu voller Größe herangewachsen war – ein Star sein durfte.


PS: Dem bizarren Count Yorga - Charles Manson - Mix Deathmaster werde ich einen eigenen kurzen Post widmen, mit dem diese Serie dann endgültig abgeschlossen werden soll.

* Jim Moon hat dem oft verspotteten Flick in der zwanzigsten Episode von Hypnobobs eine herzerwärmende Liebeserklärung gemacht.
** Ob das "over-egged" eine Anspielung auf Bösewicht "Egghead" sein sollte, den Vincent Price in der Batman - TV - Serie mit Adam West gespielt hatte? DJ Anderson jedenfalls war das Pseudonym der Schauspielerin Donna Anders, die die weibliche Hauptrolle in Count Yorga spielte.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen