"Außerdem studierte er abstruse Bücher, die aus chaldäischen Bibliotheken
gestohlen worden waren, wenn Fafhrd auch aus langer Erfahrung wusste,
dass der Mausling selten über das Vorwort hinauskaum (obwohl er oft die
letzten Kapitel aufrollte und neugierig hineinschaute und beißende Kritik
äußerte)."

Fritz Leiber, Das Spiel des Adepten


Montag, 24. Mai 2021

Strandgut

Samstag, 22. Mai 2021

Dan Dare - The Audio Adventures

Dan Dare ist britisches SciFi-Urgestein, älter noch als selbst Doctor Who. Die Abenteuer des "Pilot of the Future", die seit April 1950 als Comic Strips in The Eagle erschienen, bildeten für mehrere Generationen von Kindern im Vereinigten Königreich die Eingangspforte in das Genre. Selbst ein späterer New Wave - Ikonoklast wie M. John Harrison begann mit ihnen seine lebenslange Reise in die Welt des Phantastischen.
 
Spiritus rector des Eagle war der anglikanische Reverend Marcus Morris. Sein Magazin war als eine Art Antidot gegen die "fürchterlichen", "amoralischen", "gewalttätigen" US-Horror-Comics gedacht, die sich in der unmittelbaren Nachkriegszeit auch in England großer Beliebtheit erfreuten. Kein Wunder also dass Dan Dare ganz den Typus des aufrechten, moralisch einwandfreien Actionhelden verkörperte -- eine Art britischer Buck Rogers, der zugleich Vertreter der "ehrenhaften" Traditionen des Empire ist. Aus gutem Grund wird der Comic manchmal als "Biggles in Space" beschrieben. Daneben waren es die äußerst detaillierten Zeichnungen von Frank Hampson, sowie verhältnismäßig komplexe, oft viele Ausgaben des Eagle überspannende Handlungsbögen, die Dan Dares Abenteuer charakterisierten. Als Morris 1959 den Posten des Herausgebers aufgab und das Magazin an Odhams Press überging, drängten die neuen Besitzer das kreative Team, die Geschichten um den "Pilot of the Future" stromlinienförmiger und "moderner" zu gestalten. Woraufhin auch Hampson seinen Abschied nahm und Frank Bellamy die Leitung übernahm. 

Der ursprüngliche Comic fand 1967 sein Ende, doch über die Jahrzehnte kehrte Dan Dare immer mal wieder in neuen Inkarnationen zurück, u.a. auf den Seiten von 2000 A.D. (1977-79). Dabei änderten sich Ton und Stil zum Teil drastisch. Am krassesten vielleicht in Grant Morrisons Dare von 1990, einem finster-nihilistischen Kommentar auf die bleierne Zeit der Thatcher-Ära.
 
Verglichen mit so extremen "Neuinterpretationen" nimmt sich das Hörspiel The Voyage to Venus, das man sich derzeit bei BBC Radio 4 zu Gemüte führen kann, beinahe "klassisch" aus. Was jedoch in meinen Augen keineswegs etwas schlechtes ist. 
2016 brachte das Studio B7 Media, das u.a. auch für eine ganze Reihe von Blake's 7 - Hörspielen verantwortlich zeichnet, eine erste Staffel von Dan Dare - Adaptionen heraus, von der Voyage to Venus das Eröffnungskapitel ist. The Red Moon Mystery und Marooned on Mercury werden im Laufe der nächsten Wochen gleichfalls bei der BBC zugänglich gemacht werden. 2018 folgte eine zweite Staffel.
Nun kenne ich bislang ja nur den Auftakt des Ganzen, doch der hat mir ausgesprochen gut gefallen. Story und Figuren wurden auf unaufdringliche und geschickte Weise modernisiert, ohne dass die abenteurliche Geschichte dadurch etwas von ihrem Pulp-Charme eingebüßt hätte. Ein Riesenspaß ganz nach meinem Geschmack! 
 
Die Handlung wurde in die Gegenwart oder nahe Zukunft verpflanzt. Im Zentrum steht das ursprüngliche Trio Dan Dare, Professor (Jocelyn Mabel) Peabody und Digby. Allerdings wurden alle drei Figuren mehr oder weniger stark umgeformt.
Col. Dan Dare (Ed Stoppard) ist ein wagemutiger Testpilot für die Royal Air Force. Doch seit sein Vater vor Jahren bei einem Testflug ums Leben gekommen ist und von der RAF-Führung anschließend zum Sündenbock für das Unglück gestempelt wurde, ist sein Verhältnis zu den Militärs gespannt. Sein größter Traum ist es, einmal am Vorstoß in den Weltraum teilzunehmen. Aber da das britische Raumfahrtprogramm offiziell eingemottet wurde, scheinen die Chancen dafür ziemlich schlecht zu stehen. Doch dann wird er eines Tages überraschend zum militärischen Leiter der eigentlich gar nicht mehr aktiven Abteilung beordert. Es stellt sich heraus, dass vor einiger Zeit ein UFO von der Venus in England abgestürzt ist. In der Folge  wurde das Raumfahrtprogramm im Geheimen wieder gestartet. Angesichts staatlicher Budgetkürzungen allerdings weitgehend in privatisierter Form. Neben dem Militär hat darum nun vor allem die Eagle Corporation (Zwinker! Zwinker!) das Sagen.
Deren Repräsentantin ist Prof. Peabody (Heida Reed). Wenn Dan anfangs ziemliche Probleme mit ihr hat, so nicht, weil ihm eine Frau als Vorgesetzte zugeteilt wurde, sondern weil er ganz allgemein  wenig für Befehlshierarchien übrig hat und ihm außerdem die Idee, die Erforschung des Weltraums zu einem profitgetriebenen Geschäft zu machen, gehörig gegen den Strich geht. Trotzdem sagt er natürlich nicht nein, als man ihm anbietet, an einer Expedition zur Venus teilzunehmen. Auch wenn die Gründe, warum man ausgerechnet ihn für diesen Posten ausgewählt hat, nicht unbedingt schmeichelhaft klingen. Dans überragende Fähigkeiten als Testpilot waren dabei natürlich schon von Bedeutung, doch wie Peabody ganz offen erklärt, ging es der Eagle Corporation auch darum, der Öffentlichkeit eine werbewirksame Heldenfigur präsentieren zu können. Und dafür stellte der wagemutige Col. Dare eine ideale Wahl dar, nicht zuletzt, weil er "easy on the eyes" ist!
Digby (Geoff McGivern) hat die stärksten Veränderungen erfahren. Im ursprünglichen Comic war er Dan Dares "Batman" (~ "Offiziersbursche") und spielte in erster Linie die Rolle eines Comic Relief - Charakters. Davon hat sich nichts erhalten, außer seinem Working Class - Background. Lieutenant und in Ehren ergrauter Veteran mit zwanzig Jahren Diensterfahrung, wird der ruppige Digby dem Team als "militärischer Berater" zugeteilt. Gegen Ende von Voyage to Venus deutet sich allerdings an, dass ihn seine Vorgesetzten noch mit einer anderen, wahrscheinlich etwas zwielichtigeren Mission betraut hatten.
 
Und damit wären wir auch schon bei der wahrscheinlich deutlichsten tonalen Veränderung gegenüber dem Original: Es steht zwar nicht im Zentrum, doch schwingt in der ganzen Story ein unverkennbares Misstrauen gegenüber Autoritäten, dem Militär und der Großíndstrie mit. 
Die eigentliche Handlung ist trotzdem feinster, "traditioneller" Pulp-Spaß. Den in dem abgestürzten UFO angegebenen Koordinaten folgend, erreichen unsere Held*innen mit ihrem Raumschiff Anastasia die Venus. Auf der Oberfläche des Planeten könnte es selbstverständlich kein Leben geben, doch im dichten Wolkenmeer der Atmosphäre entdecken sie eine gewaltige fliegende Stadt. Aber die erwartete freundliche Begrüßung bleibt aus, stattdessen werden sie umgehend gefangen genommen und vor den Mekon (Raad Rawi) geführt -- Dan Dares traditionellen Erzwidersacher. Der hyperintelligente Diktator herrscht mit eiserner Faust und eiskalter Logik über das Volk der Treen. Doch Sondar (Bijan Daneshmand) und seine mutigen Rebellen wollen seiner Tyrannei ein Ende setzen und hoffen dabei auf die Unterstützung der Erdlinge.
Das Regime des Mekon erinnert zwar recht deutlich an antikommunistische Klischees aus der Ära des Kalten Krieges, aber das gehört für mich beinahe zum Flair einer solchen Geschichte. Viel wichtiger fand ich es, dass unsere Held*innen wirkliche Held*innen sein dürfen. Peabody spielt anfangs zwar mit dem Gedanken, ob man nicht zu einer profitablen Übereinkunft mit dem Mekon gelangen könnte. Und Digby fragt sich, ob der Diktator nicht im Recht ist, wenn er Sondars "Terroristen" das Handwerk zu legen versucht. Doch am Ende schlagen alle drei Befehle und Profit in den Wind und entscheiden sich, das zu tun, was richtig ist: Den unterdrückten Treen in ihrem Kampf um die Freiheit beizustehen.
 
Ich bin schon sehr gespannt, welche Abenteuer unser Trio in The Red Moon Mystery erleben wird. Für den Moment kann ich bloß noch einmal betonen, dass alle Freund*innen hübsch pulpiger SciFi auf jedenfall die Gelegenheit nutzen sollten, sich die erste Staffel von Dan Dare - The Audio Adventures zu Gemüte zu führen, solange sie auf BBC Radio 4 zugänglich ist. Es lohnt sich!

Dienstag, 11. Mai 2021

Sword, Sorcery & Psychedelia

In der Welt der Sword & Sorcery - Comics ist Zeichner Esteban Maroto vielleicht am bekanntesten dafür, dass er Red Sonja ihren berühmt-berüchtigten Chainmail Bikini verpasste. Zuerst in einem Pin-up, das im Januar 1973 in der "Giant Sword & Sorcery" - Ausgabe von Comixscene erschien, dann ein Jahr später in einer Standalone - Zeichnung für Band 3 von Savage Tales. (1) Ob man ihn dafür feiern oder verfluchen sollte, muss jede*r für sich selbst entscheiden. In der Folge arbeitete er auch am allerersten Soloabenteuer des She-Devils mit, das im August 1974 unter dem simplen Titel Red Sonja in Band 1 von The Savage Sword of Conan abgedruckt wurde. Es sollten zwei Jahrzehnte vergehen, bis Maroto zu Red Sonja zurückkehren würde, um die Adaption von David C. Smiths und Richard L. Tierneys Roman The Ring of Ikribu für Savage Sword of Conan #230-233 zu zeichnen. Zu dieser Zeit war der Chainmail Bikini aus der Mode gekommen, was Maroto überhaupt nicht gefiel. Wie er in Letter to a Redheaded Goddess schreibt:

They asked me to do a story with you dressed in a steal breastplate and some leather straps, which made you look like a Roman centurion or a transvestite disguised as a drag queen. I'm a contractor who must work for money, so I accepted the job. It was like making love with a street hooker, some episodes I'd rather forget and hope you can forgive me. (2)
Über Marotos Kostümgeschmack (und seine Ausdrucksweise) kann man sicher geteilter Meinung sein, aber dass die Zeichnungen in The Ring of Ikribu tatsächlich von ziemlich mieser Qualität sind, lässt sich nicht leugnen. Savage Sword of Conan lag Mitte der 90er in den letzten Zügen, und das sieht man dem Magazin auch an.
Der optisch beeindruckendste Beitrag, den Esteban Maroto zum Red Sonja - Universum geleistet hat, ist ohne Zweifel der 2018 bei Dynamite erschienene Band The Ballad of the Red Goddess. Exquisite Schwarz-Weiß-Zeichnungen, in denen hier und da einzelne Elemente durch eine blutrote Farbgebung akzentuiert werden. Allerdings ist die von Roy Thomas geschriebene Geschichte ein sehr bewusster Rückgriff auf die "klassische" Ära und wirkt darin beinah wie eine gewollte Provokation. Zum x-ten Mal wird Sonjas Origin Story erzählt, wobei all die fragwürdigen Elemente (Vergewaltigung, Göttererscheinung, "Keuschheitsschwur"), die seit Gail Simones Run (2013-15) aus den Comics verschwunden waren, eine Wiederauferstehung erleben. Das zentrale Motiv von Ballad of the Red Goddess ist die Verwandlung vom "Opfer" zur "Heldin", und bizarrerweise fällt der Höhepunkt dieser Metamorphose mit Sonjas Wahl des Chainmail Bikinis als Rüstung zusammen. So visuell großartig der Band auch ist, hinterlässt die Lektüre deshalb einen etwas unangenehmen Beigeschmack.
Aber genug jetzt von Red Sonja. Denn eigentlich wollen wir heute einen Blick in einen ganz anderen Comic werfen, der in den frühen Tagen von Marotos Karriere entstand, Jahre bevor die hyrkanische Abenteurerin aus dem Stadttor von Makkalet auf die Bühne von Conan the Barbarian stürmte
 
Geboren 1942 in Madrid gehörte Esteban Maroto zusammen mit Carlos Giménez zu den Schülern von Manuel López Blanco, dem Gründer der sog. "Escuela de Madrid". Sein erster richtig großer Erfolg war die SciFi-Comicreihe Cinco por Infinito (hierzulande anscheinend als Die Fünf von Terra bekannt), die ab 1967 im Magazin Delta 99 erschien. Wie viele spanische Comics-Künstler der Zeit, arbeitete auch Maroto schon bald stark für den ausländischen Markt. Die Verbindungen wurden u.a. von Joseph Toutains berühmter Agentur Selecciones Illustradas (S.I.) hergestellt, über die er 1971 dann zu Warren Publishing gelangte. (3) Seine Mitarbeit an Creepy, Eerie und Vampirella etablierte ihn in der amerikanischen Szene und führte ihn schließlich auch zu Marvel und DC. Die britische Leserschaft hatte seine Zeichnungen allerdings schon früher kennengelernt -- unter anderem auf den Seiten eines Magazins mit dem verführerischen (aber etwas irreführenden) Titel Dracula.
 
Eigentlich ein spanisches, von dem Verlag Buru Lan de Ediciones herausgebenes Magazin, erschienen die ersten zwölf Ausgaben von Dracula doch auch in englischer Übersetzung bei der New English Library. Gemessen an den Standards britischer Comics jener Zeit, müssen die gerade einmal vierundzwanzig Seiten starken Hefte ein recht ungewöhnlicher, aber auch ziemlich teurer, Spaß gewesen sein. Wie man auf Blimey! nachlesen kann:

With just 24 pages for 13p it was considerably more expensive than other comics. (Most IPC comics were 3p for 32 pages back then, whilst Mighty World of Marvel was 40 pages for 5p.) However this was no ordinary comic. [...] it was full colour throughout (at a time when most British comics were mainly black and white) and was printed on quality paper stock. Dracula was closer in format to the partwork magazines that were increasing in number around that time 
Der Graf selbst hat übrigens nur einen einzigen Auftritt in den Heften, und selbst die Bezeichnung "Horror-Comic" ist eigentlich nicht ganz zutreffend, denn nur ungefähr die Hälfte der abgedruckten Stories lassen sich tatsächlich diesem Genre zuordnen. 
Von wenigen Ausnahmen abgesehen, enthält jede Ausgabe von Dracula vier Geschichten von vier verschiedenen Künstlern. 
Am eigenwilligsten wirkten auf mich dabei die Arbeiten von Enric Sió. In einem eher skizzenhaften Stil gehalten und mitunter beinah völlig auf Text und Dialoge verzichtend, entfalten viele seiner Stories einen wirklich verstörenden Effekt oder sind schlicht bizarr. 
José Beá konzentriert sich stark auf die Figur des okkulten Detektivs Sir Leo Wooldrich, dessen Abenteuer zwar in viktorianischen Zeiten angesiedelt sind, der aber auch -- wie John Coulthart ganz richtig bemerkt -- leichte Anklänge an Michael Moorcocks Jerry Cornelius aufweist. Wofür Zeichenstil und Farbgebung eine nicht unwichtige Rolle spielen. 
In Alberto Solsonas Agar-Agar wird's dann richtig Sixties - psychedelisch, wenn sich eine blauhaarige Hippie-Elfe ("sprite") vom Planeten Xanadu auf eine abenteuerliche Reise zu anderen Welten begibt. Dabei begegnet sie nicht nur allerlei mythischen und phantastischen Kreaturen, sondern auch einem eingebildeten Superhelden, fernsehsüchtigen Marsianern und dem Prinzen aus Schneewittchen. Eigentlich soll es bei ihrer Expedition irgendwie um die Rettung ihres Volkes gehen, aber die fröhlich-freizügige Agar-Agar nutzt den Trip in erster Linie dazu, sich immer neue Liebhaber zu angeln. Alle Gefahren, denen sie auf ihrer Odyssee begegnet, weiß sie mit Klugheit, Witz und Magie zu überwinden. Nebenbei watscht sie dabei die Übel von Kapitalismus und Konsumgesellschaft ab. Für mich stellten die acht Episoden Agar-Agar den absoluten Höhepunkt von Dracula dar. Grund dafür sind in erster Linie die prachtvollen, hübsch bunten und stark psychedelisch angehauchten Zeichnungen. Der ganze Comic wirkt wie ein putziges Zeitfenster in die Swinging Sixties. Sicher gibt's den einen oder anderen Cringe-Moment, wenn die Sexual Politics der Zeit hervorlugen. Doch alles in allem fand ich die Stories amüsant und sympathisch. Und dann ist da noch der historische Kontext. Immerhin entstand Agar-Agar einige Jahre vor dem Ende der Franco-Diktatur. Meine Kenntnisse sind da zwar sehr oberflächlich. So  kam es offenbar in den 60ern selbst unter dem faschistischen Regime zu einer zaghaften Liberalisierung und die Zensur wurde etwas gelockert. Aber die katholische Hierarchie und ihre erzkonservativen Moralvorstellungen (u.a. natürlich auch patriarchale Geschlechterordnung und "Heiligkeit der Ehe") hatten ja immer eine wichtige Rolle im repressiven System des Francoismus gespielt. Vor diesem Hintergrund müssen Hedonismus und fröhliche Promiskuität der Hippie-Elfe noch etwas subversiver und rebellischer wirken.
Den Anfang jeder Ausgabe von Dracula aber bildet eine Episode von Esteban Marotos Sword & Sorcery - Comic Wolff. Und den wollen wir uns jetzt einmal etwas genauer anschauen.
 
Der barbarische Held der Geschichte ist ein klassischer Clonan. Wie groß dabei der Einfluss der frühen Roy Thomas / Barry Smith - Comics war, kann ich nicht beurteilen, aber ganz sicher war Maroto mit den berühmten Frank Frazetta - Covern vertraut. Die Ähnlichkeiten mit dem Cimmerier gehen so weit, dass auch Wolff regelmäßig den Gott Crom anruft, obwohl das im Kontext der Geschichte überhaupt keinen Sinn macht. Auch die Namen anderer Götter des Hyborian Age wie Mitra und Set werden ab und an fallengelassen. Dabei ist das Setting der Geschichte erstaunlicherweise gar keine Kopie der howard'schen Welt. Wie wir gleich zu Anfang erzählt bekommen, lebt Wolff vielmehr in einer postapokalyptischen Zukunft. Die alte Welt ist in einem gewaltigen Kataklysmus, dem "Day of Doom", untergangen, "when the sky itself wept blood". Auch wenn das nie ausdrücklich gesagt wird, sollen wir dabei vermutlich an einen weltweiten Atomkrieg denken. Ein klein wenig erinnert das Szenario an Fred Saberhagens Empire of the East - Bücher. Denn hier wie dort wurden durch das apokalytpische Ereignis die Gesetze der Realität selbst verändert, Magie und phantastische Kreaturen ins Leben gerufen. Allerdings war der dritte Band Changeling Earth, in dem die wahre Natur des 'großen Wandels' ("The Change") enthüllt wird, zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht erschienen. Wie dem auch sei, jedenfalls wandert Wolff durch eine Welt, in der nur sehr wenige Menschen, dafür aber um so mehr Monster zu leben scheinen. Hier gibt's keine stolzen Burgen oder brodelnden Fantasymetropolen, ja nicht einmal eine schmierige Taverne, in der sich ein durstiger Barbar einen hinter die Binde kippen könnte. 
Gleich zu Anfang wird Wolffs Stamm in genreklassischer Weise von den Handlangern der bösen "Witches" (hier als geschlechtsneutraler Begriff verwendet) abgemetztelt. Ziel unseres Helden ist es, seine Ehefrau Bruma, die mit den übrigen Überlebenden in irgendwelche teuflischen Sümpfe verschleppt wurde, zu retten. Diese Queste stellt den übergreifenden Handlungsbogen des Ganzen dar. Tatsächlich jedoch besitzt Wolff einen äußerst episodischen und ziemlich erratischen Charakter. In beinahe jeder Folge trifft der Barbar auf einen neuen Antagonisten (häufig eine Antagonistin!) und darf sich nebenbei noch mit irgendwelchen Monstern herumprügeln. Nur selten wird der Handlungsfaden von einer zur nächsten Episode fortgeführt. Zum Teil erreicht diese sprunghafte Erzählweise geradezu groteske Höhen. So wird unser Barbar zwischendurch mal zu einem Werwolf (!), was im übernächsten Heft dann aber auch schon wieder vergessen ist. Oder er macht sich auf die Suche nach dem geheimnisvollen "fourth manuscript of Rep-tah", das den Schlüssel zur Vernichtung der "Witches" enthalten soll, findet dieses zwar nie, triumphiert am Ende aber doch über seine diabolischen Widersacher. Ganz krass wird es, wenn Wolff in einem Heft endlich die sadistische, peitschenschwingende Hexe Sadya erschlägt, wir die Gute im nächsten dann aber wieder putzmunter auf ihrem Drachen durch die Gegend fliegen sehen!
Aber um ehrlich zu sein, es ist ohnehin nicht die Story, die die Lektüre von Wolff zu einem Vergnügen macht. Sicher, es gibt zahllose wunderhübsch bizarre Details. So etwa, wenn Wolff sich in Wolfsgestalt mit einer Werwölfin paart. (Trotz seiner angeblich so unsterblichen Liebe zu Bruna hat der Barbar keine Probleme damit, immer wieder kurzlebige sexuelle Beziehungen zu allerlei Hexen, Werwölfinnen & Prinzessinnen einzugehen). Oder wenn ein Zauberer seine Beschwörung mit den Worten schließt: "In long-dead R'lyeh where mighty Rep-tah lies sleeping" (Cthulhu fhtagn!) Oder wenn leichte Zardoz - Vibes aufkommen, als der virile Barbar einem unfruchtbar gewordenen Magiergeschlecht zu einem Nachkommen verhelfen soll.
Alles nett kurios, aber letztenendes sind es Esteban Marotos zum Teil wirklich atemberaubend schöne Zeichnungen, von denen Wolff lebt. Auch hier sind die Einflüsse der Sixties-Psychedelia deutlich spürbar. Allein schon in der Farbgebung. Doch anders als in Solsonas Agar-Agar haftet dem Stil nichts Pop Art - mäßiges an. Vielmehr fühlt man sich an Décadence und Fin de Siècle erinnert. Dazu passt es sehr gut, dass der Barbar auf seiner Queste immer wieder überlebensgroßen Femme Fatales begegnet, von Sadya und der "Sorceress of the Red Mist" über Hohepriesterin Tanit (bei der eindeutig Alphonse Muchas Salammbô als Vorbild diente) und Werwölfin Rulah bis zur göttlichen "Mother of All Waters". Neben diesen grandios in Szene gesetzten Frauengestalten wirkt Möchtegern-Conan Wolff blass und langweilig. Sie und die zum Teil einfach wunderbar bizarr anzuschauende Welt, die sie bevölkern, sind es, was Wolff zu so viel mehr macht als einem schlampig konstruierten Clonan-Comic.

 

(1) Glaubt man Esteban Marotos Bemerkungen im Vorwort zu Ballad of the Red Goddess, so war es eine ausdrückliche Order von Stan Lee, Sonja noch mehr Sex Appeal zu verleihen: "In his own words: 'Show as much skin as possible'"

(2) In: Red Sonja: The Ballad of the Red Goddess. S. 10. 

(3) Über die Geschichte des Verlags habe ich mich im Zusammenhang mit Amazonia schon einmal etwas genauer ausgelassen.

  

Strandgut