Als ich mich vor einem Monat an dieser Stelle mit Jessica Amanda Salmonsons bahnbrechender Sword & Sorcery - Anthologie Amazons! aus dem Jahr 1979 beschäftigte, die u.a. Janrae Franks Kurzgeschichte The Wolves of Nakesht enthält, versprach ich, alsbald auch den Sammelband In the Darkness, Hunting zu besprechen, der sämtliche Stories enthält, die Frank im Verlauf von zwei Jahrzehnten über die Kriegerin Chimquar geschrieben hat. Zugegeben, ich bin nicht unbedingt gut darin, solche Versprechen zu halten. Im Grunde sind sie ja bloß Ideen für Artikel, die mir im jeweiligen Moment reizvoll zu schreiben erscheinen, die aber gar zu oft nie ihre Verwirklichung erleben. Doch Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel.
Ich habe leider nur sehr bruchstückhafte Informationen über Janrae (Janice) Franks Leben finden können. Sie wurde 1954 geboren, doch wo genau in Amerika sie aufwuchs, ist mir unbekannt. Ende der 70er lebte sie jedenfalls in (oder in der Nähe von) Arlington (Texas). Im Alter von acht Jahren erkrankte sie an Kinderlähmung (Polio). "While in the CD ward, she was
given an expensive pen and pencil set by her grandmother, who told her 'Whip them with a pencil.'" Dies bildete wohl den ersten Anstoß für sie, sich schreibend zu betätigen. Zugleich entwickelte sie sich während ihrer anstrengenden Rekonvaleszenz zu einer heißhungrigen Leserin.
Über ihren formalen Bildungsweg ist mir nichts bekannt. Ebensowenig weiß ich, wann genau sie ihre Lieber zur Phantastik entdeckte und mit der Erschaffung ihrer Sekundärwelt Daverana begann, in der auch die Chimquar-Geschichten angesiedelt sind. Auf jedenfall nahm sie 1977/78 erstmals Kontakt zu Jessica Amanda Salmonson auf. "That was partly because her zine was the only entry under fantasy in the Writer's Digest. I had not yet learned about Locus and other sources of market gossip", schreibt sie im Vorwort zu The Ruined Tower. Bei dem erwähnten Magazin handelte es sich wohl um Windhaven - A Matriarchal Fanzine, das Salmonson in diesen Jahren herausgab. Dies war Janrae Franks erster "professioneller" Deal, auch wenn die Bezahlung bloß aus ein paar Autorexemplaren bestand. The Ruined Tower erschien später als Chapbook bei Atalanta Press. Doch als Salmonson kurz darauf begann, im Auftrag von DAW Books Amazons! zusammenzustellen, wandte sie sich erneut an Frank und bat um eine weitere Chimquar-Geschichte. Die Autorin erzählt:
I never expected to get paid for it; it was another 4theluv as they call it now. I got a letter from her and carried it around in my purse for a week without opening it because I was having some family problems and had taken temporary refuge at the friend's home. When my folks and I got things (apologies mostly) worked out and I went home, I finally opened it and there was a check inside with a note saying she had just sold an anthology to DAW and my story was her first purchase. It became my first pro sale. When Amazons came out I walked into a bookstore in an Arlington, Texas mall and found it had come out sooner than I expected. With my boyfriend trailing me, I bought a copy and managed, by iron will, to get out of the bookstore before breaking into a loud Rebel Yell and racing through the mall to the car.
Amazons! schlug gehörig Wellen in der Szene und wurde 1980 mit dem World Fantasy Award ausgezeichnet. In der Folge scheint auch Janrae Franks Chimquar für kurze Zeit eine recht beliebte Figur gewesen zu sein. 1979/80 erschienen zwei weitere Stories über ihre Abenteuer (Last Night of the Troll und The Hawk That Hunted Lions) in Nr. #4 und #5 von Lois Wickstroms Magazin Pandora. Etwas schwerer fiel es, einen Abnehmer für die Novelle In the Darkness, Hunting, zu finden. Doch schließlich erschien auch sie 1980 in der Anthologie Dragontales von TSRs Kim Mohan.
Janrae Frank hatte eigentlich vor, die Stories zu einer regelrechten Saga auszubauen:
Janrae Frank hatte eigentlich vor, die Stories zu einer regelrechten Saga auszubauen:
I was striving to figure out how the character was different when she first came to the Great Plains of Murshay'di and what might have led into her becoming the person she appeared as in Wolves of Nakesht. I wanted to show over the course of a number of adventure shorts how the character evolved.
Aber offensichtlich ebbte das Interesse an Chimquar sehr schnell wieder ab.
Über die Gründe dafür kann man natürlich bloß spekulieren. Jessica Salmonson erwähnt in ihrem Vorwort zu dem Sammelband eine New Yorker Verlegerin, die eines von Janrae Franks Manuskripten mit dem Argument abgelehnt habe, dass "the author's writing was just a little rough around the edges". Eine Einschätzung, der man zwar schwerlich widersprechen kann, wenn man den Sammelband gelesen hat, die aber kaum ein ausreichender Grund dafür ist, warum Chimquar so rasch wieder von der Bühne der Sword & Sorcery abtrat.
Dies könnte erklären, warum eine Figur wie Chimquar, die zu keinem Zeitpunkt über ihre romantischen Beziehungen definiert wird, offenbar so rasch an Popularität einbüßte.
Wie dem auch sei, auf jedenfall wandte sich Janrae Frank schon bald verstärkt journalistischer, später auch verlegerischer Tätigkeit zu. Einige ihrer Essays erschienen in dem weithin geschätzten Fanzine Thrust. Sie schrieb u.a. für Cinefantastique und Movieline. Erst in der zweiten Hälfte der 90er Jahre wandte sie sich erneut Chimquar zu. Vorerst allerdings ohne die da bei entstandenen Geschichten (The Changeling Son [1996] und A String of Werewolves' Teeth [1999]) auch veröffentlichen zu können. Dies geschah erst 2004 im Rahmen des bei Wildside Press erschienenen Sammelbandes In the Darkness, Hunting. Wenig später begann Frank damit, ihre umfangreichen Dark Fantasy - Zyklen Dark Brothers of the Light, Lycan Blood und Journey of the Sacred King als e-Books herauszugeben, die gleichfalls alle auf Daverana angesiedelt sind, von denen aber wohl nur die letzte in direkter Verbindung zu den Chimquar-Geschichten steht.
Janrae Frank starb am 12. Januar 2014 an den Folgen eines Schlaganfalls.
Es ist ziemlich klar, dass die Autorin stark vom Second Wave - Feminismus der 70er Jahre geprägt wurde. In Women Warriors and Earth Mothers legt sie zwar eine durchaus nunacierte Sicht an den Tag und begnügt sich nicht damit, die Entwicklung in den 80er Jahren einfach als eine Art "Verrat" an der feministischen Phantastik der vorangegangenen Jahrzehnte zu verdammen. Allerdings gibt Frank in demselben Artikel auch dem damals weit verbreiteten simplistischen Bild von der Geschichte des Genres Ausdruck, demzufolge Frauen vor der "Revolution" der späten 60er und 70er in der amerikanischen Phantastik extrem marginalisiert gewesen seien und ihre Identität regelmäßig "behind deliberately ambiguous names, like Leigh Brackett, or with initials, like C.L. Moore" hätten verstecken müssen. Was in dieser verabsolutierten Form (und gerade in Bezug auf die beiden namentlich erwähnten Autorinnen) schlicht inkorrekt ist. Janrae Frank trug selbst ganz direkt zum Fortleben dieses Mythos bei, als sie 1994 zusammen mit ihrer Partnerin Jean Marie Stine und Forrest J. Ackerman die Anthologie New Eves: Science Fiction About the Extraordinary Women of Today and Tomorrow herausgab. Die Storysammlung, die einen Überblick über den Beitrag zur Science Fiction liefert, den Autorinnen von Francis Stevens (1918) bis Nancy Kress (1986) geleistet haben, war ohne Zweifel ein begrüßenswertes Unternehmen. Das von den drei Herausgeber*innen verfasste Vorwort entwirft jedoch leider "an amazingly confused account of the 1930s", um Eric Leif Davins Partners in Wonder zu zitieren* Die dort aufgestellte Behauptung, es habe in diesem Jahrzehnt einen bewussten (und erfolgreichen) Versuch gegeben, Autorinnen aus den SF-Pulps zu verdrängen, lässt sich durch nichts belegen und widerspricht den tatsächlichen Veröffentlichungszahlen. Da New Eves scheinbar auch sehr gerne im akademischen Bereich benutzt wurde, begegnet man dieser verzerrten Sicht auf die 30er auch heute noch immer mal wieder.
Mit In the Darkness, Hunting hat das alles zwar nichts tun, aber es ist halt eines meiner Pet Peeves. Nicht weil es mir darum gehen würde, ein idealisiertes Bild der Pulp-Ära als eines egalitären Utopias zu zeichnen. Was natürlich offensichtlicher Unsinn wäre. Sondern weil die Tendenz, die gesamte Vergangenheit des Genres als eine Art "finsteres Zeitalter" darzustellen, im Grunde nur dazu beiträgt, die Diversität der Stimmen, die immer schon existiert hat, zu verschleiern und das Klischee der SF als eines Boys' Club zu zementieren.
Ich habe keine Ahnung, wann Janrae Frank und Jean Marie Stine (geb. Henry Eugene Stine) ein Paar wurden. Auf jedenfall hatten sie eine gemeinsame Tochter, Sovay Jennifer Fox. Stine war selbst SciFi-Autorin und verarbeitete in vielen ihrer Werke offenbar ihre Erfahrungen mit der eigenen Transsexualität: "Issues concerning gender, such as change, role reversal and misalignment thereof, are recurrent themes in Stine's work." 2008 und 2010 erschienen ihre Stories in den beiden Sammelbänden Trans-Sexual: Transgressive Erotica for Gender Queers und Herstory & Other Science Fictions.
Ich erwähne dies eigentlich nur, weil auch die Figur Chimquar in der Vergangenheit mitunter auf eine Art interpretiert wurde, die sie in einen motivisch ähnlichen Zusammenhang stellt. So schreibt Jessica Amanda Salmonson in ihrem Vorwort zu In the Darkness, Hunting:
Doch bevor wir näher auf diese Frage eingehen, ist es wohl langsam an der Zeit für einen kurzen Überblick über den eigentlichen Inhalt der Geschichten. Dabei verzichte ich darauf, zu versuchen, nachzuzeichnen, wie sich Janrae Franks Umgang mit ihrer Figur im Verlauf von mehr als zwanzig Jahren verändert hat. Zumal die Stories vor ihrer Neuveröffentlichung noch einmal überarbeitet wurden. In the Darkness, Hunting versucht eine Art Saga von Chimquar the Lionhawk zu sein, und genau so werde ich den Band auch behandeln.
In the Darkness, Hunting ist nicht nur die längste, sondern ohne Zweifel auch die ehrgeizigste Erzählung der Saga. Oberflächlich betrachtet enthält die Novelle alle Zutaten einer klassischen Sword & Sorcery - Geschichte: Monsterkämpfe, eine holde Maid in Gefahr und einen finsteren Zauberer. Doch daneben geht es um Chimquars fortdauernde Schwierigkeiten, einen ihr gemäßen Platz in der Welt zu finden, in der sie seit ihrem Exil gezwungen ist zu leben.
Der Lionhawk ist inzwischen zum anerkannten Kriegsführer der Dazalero Euzadi geworden. Maruics anfangs skeptische Haltung hat sich zu Respekt und sogar Freundschaft gewandelt. Doch der Umstand, dass der Häuptling Chimquars wahre Identität kennt, wird schon bald zu einem Problem. Denn der wünscht sich mehr als bloß eine Freundschaft und kann das nicht anders ausdrücken als durch ein aggressiv-übergriffiges Verhalten, das man problemlos als eine versuchte Vergewaltigung bezeichnen kann. Und Chimquar fasst das auch genau so auf. Nunmehr allein unterwegs in der Steppe rettet sie wenig später die hübsche Scheiharia vor einem Trupp monströser Laufvögel, die offenbar unter dem Bann eines Schwarzmagiers stehen. Wie jede gute Damsel-in-Distress verliebt sich Scheiharia natürlich sofort in ihren "Retter", den sie ebenso selbstverständlich für einen Mann hält. Chimquar fühlt sich äußerst unwohl in dieser Situation und lässt sich schließlich zu einer impulsiven Gewalttätigkeit hinreißen. Dass sie sich wieder einemal von ihrer alten Schwäche hat überwältigen lassen, die ja auch für ihre Verbannung verantwortlich war, stürzt sie in tiefe Selbstzweifel. Doch als Scheiharia erneut in die Klauen des finsteres Zauberers fällt, söhnt sie sich mit Maruic aus und setzt alles daran, um "ihre Frau" zu befreien. Dabei muss sie sich auch noch mit ihrem zwölfjährigen Ziehsohn Hazier herumschlagen, der glaubt es sei an der Zeit, dass er ein "Mann" wird, und der sie deshalb in die Magierstadt Marique begleiten will.
Diese Novelle zeigt am Besten, was ich damit meine, dass es in den Chimquar-Stories um Geschlechterrollen, nicht aber um Genderidentitäten geht. Tomyris/Chimquar sieht sich selbst nie anders denn als eine Frau. Alle ihre Probleme erwachsen aus den in der Gesellschaft der Euzadi existierenden Geschlechterrollen. Sie zwingen sie dazu, die Identität eines Mannes anzunehmen. Und sie machen es zugleich unmöglich, dass sie irgendeine romantische Beziehung eingeht, obwohl sie keinesfalls frei von sexuellem Verlangen ist. Auch wenn sie nicht wirklich in Maruic "verliebt" ist, wäre sie einer sexuellen Beziehung vielleicht gar nicht einmal abgeneigt. Jedenfalls nicht vor dessen Übergriff. Doch das würde automatisch dazu führen, dass sie ihre Identität als Frau offenlegen müsste. Und dann bliebe ihr keine andere Wahl, als auch die Rolle einer Euzadi-Frau zu spielen. Was ihrem ganzen Wesen widerspräche. Ironischerweise basiert Maruics Zuneigung vermutlich gerade darauf, dass Chimquar eben keine typische Euzadi-Frau ist, doch gegen die Macht kultureller Konventionen kommt auch ein Häuptling nicht an. Noch komplizierter wird es, als Scheiharia ins Spiel kommt. Chimquar fühlt sich zwar sexuell zu ihr hingezogen, kann aber auf ihre Avancen ebensowenig eingehen. Schließlich hat diese sich in einen "Mann" verliebt, und wie wir aus The Changeling Son wissen, gilt Homosexualität in der Gesellschaft der Euzadi als ein verachtenswertes Tabu. Sich ihr gegenüber als Frau zu erkennen zu geben, hätte vermutlich verheerende Konsequenzen. Und so schlüpft Chimquar in die traditionelle Männerrolle, erklärt ihren "Besitzanspruch" an Scheiharia ("my woman"), kann ihrem Verlangen aber dennoch nicht nachgeben.
Der kleine Subplot um Hazier fügt sich dem sehr gut bei. Einerseits zeigt er Chimquar in einer Art "Mutterrolle". Andererseits muss sie sich damit auseinandersetzen, dass ihr "Sohn" logischerweise den Männlichkeitsvorstellungen zu folgen versucht, die in der Kultur existieren, in der er aufwächst. Und diese Kultur ist nicht die seiner "Mutter".
In Last Night of the Troll sorgt Hazier erneut für Schwierigkeiten. Der inzwischen Sechzehnjährige zeigt erstmals Interesse für Mädchen. Was natürlich weiter nicht schlimm wäre, wenn das Objekt seines Begehrens nicht ausgerechnet die Tochter des Bauern wäre, bei dem Chimquar und ihr Ziehsohn für die Nacht Unterschlupf gefunden haben. Und an der ist unglücklicherweise auch ein creepy Nachbar interessiert, der sich am Ende als eine Art Dämonenhalbblut entpuppt.
Eine gediegene kleine Sword & Sorcery - Story, bei deren Lektüre es mich allerdings langsam etwas zu irritieren begann, dass Chimquar bei ihren Abenteuern andauernd über irgendwelche finsteren Gesellen stolpert, die stets auf die eine oder andere Weise mit jenen dämonischen Waejontari und ihren Höllengöttern in Verbindung stehen, gegen die Tomyris in dem Großen Krieg kämpfen musste, der bei ihr so tiefe Spuren hinerlassen hat. Ab und an etwas konventionellere Gegenspieler wären eine angenehme Abwechselung gewesen.
Über die Gründe dafür kann man natürlich bloß spekulieren. Jessica Salmonson erwähnt in ihrem Vorwort zu dem Sammelband eine New Yorker Verlegerin, die eines von Janrae Franks Manuskripten mit dem Argument abgelehnt habe, dass "the author's writing was just a little rough around the edges". Eine Einschätzung, der man zwar schwerlich widersprechen kann, wenn man den Sammelband gelesen hat, die aber kaum ein ausreichender Grund dafür ist, warum Chimquar so rasch wieder von der Bühne der Sword & Sorcery abtrat.
Natürlich erlebten die 80er Jahre die Wende hin zu ellenlangen High Fantasy - Epen à la Shannara, Midkemia, Belgariad oder Mithgar. Und interessanterweise hatte Frank selbst eine solche "epische" Trilogie (The Moonstone of Riyanon) geschrieben, "[which] sold to Donning/Starblaze in 1980, but
never came out because of a change of editors". Doch der Wandel der Moden bedeutete ja nicht, dass das Subgenre der Barbaren und Gauner mit Anbruch des Jahrzehnts schlagartig aus den Regalen verschwunden wäre. Das allein kann also auch kaum der Grund für Chimquars Verschwinden gewesen sein. Salmonson vertritt allerdings die Ansicht, dass das Interesse an "echten" Amazonenfiguren wie dem Lionhawk schon Anfang der 80er sehr rasch nachgelassen habe:
Einen ähnlichen Standpunkt vertritt Janrae Frank selbst in ihrem 1985 in der Washington Post erschienen Artikel Women Warriors and Earth Mothers und verknüpft dies dort mit der Entwicklung vom radikalen Feminismus der 60er/70er zum sog. Post-Feminismus der 80er Jahre.In the wake of [...] Amazons! […] a floodgate opened, and amazon heroic fantasy became a commonplace. For a year or two these included pretty good books exploring genuinely imaginative landscapes. In a very short time, however, the "women writers' perspective" of sword and sorcery began to resemble nothing so much as it resembled historical love stories, which is to say, bodice rippers, somewhat liberated from the damselish weaknesses of girls in love, but even so less about magic and adventure or heroism as about the sentimentality of getting together with some hot swordsman.
Dies könnte erklären, warum eine Figur wie Chimquar, die zu keinem Zeitpunkt über ihre romantischen Beziehungen definiert wird, offenbar so rasch an Popularität einbüßte.
Wie dem auch sei, auf jedenfall wandte sich Janrae Frank schon bald verstärkt journalistischer, später auch verlegerischer Tätigkeit zu. Einige ihrer Essays erschienen in dem weithin geschätzten Fanzine Thrust. Sie schrieb u.a. für Cinefantastique und Movieline. Erst in der zweiten Hälfte der 90er Jahre wandte sie sich erneut Chimquar zu. Vorerst allerdings ohne die da bei entstandenen Geschichten (The Changeling Son [1996] und A String of Werewolves' Teeth [1999]) auch veröffentlichen zu können. Dies geschah erst 2004 im Rahmen des bei Wildside Press erschienenen Sammelbandes In the Darkness, Hunting. Wenig später begann Frank damit, ihre umfangreichen Dark Fantasy - Zyklen Dark Brothers of the Light, Lycan Blood und Journey of the Sacred King als e-Books herauszugeben, die gleichfalls alle auf Daverana angesiedelt sind, von denen aber wohl nur die letzte in direkter Verbindung zu den Chimquar-Geschichten steht.
Janrae Frank starb am 12. Januar 2014 an den Folgen eines Schlaganfalls.
Es ist ziemlich klar, dass die Autorin stark vom Second Wave - Feminismus der 70er Jahre geprägt wurde. In Women Warriors and Earth Mothers legt sie zwar eine durchaus nunacierte Sicht an den Tag und begnügt sich nicht damit, die Entwicklung in den 80er Jahren einfach als eine Art "Verrat" an der feministischen Phantastik der vorangegangenen Jahrzehnte zu verdammen. Allerdings gibt Frank in demselben Artikel auch dem damals weit verbreiteten simplistischen Bild von der Geschichte des Genres Ausdruck, demzufolge Frauen vor der "Revolution" der späten 60er und 70er in der amerikanischen Phantastik extrem marginalisiert gewesen seien und ihre Identität regelmäßig "behind deliberately ambiguous names, like Leigh Brackett, or with initials, like C.L. Moore" hätten verstecken müssen. Was in dieser verabsolutierten Form (und gerade in Bezug auf die beiden namentlich erwähnten Autorinnen) schlicht inkorrekt ist. Janrae Frank trug selbst ganz direkt zum Fortleben dieses Mythos bei, als sie 1994 zusammen mit ihrer Partnerin Jean Marie Stine und Forrest J. Ackerman die Anthologie New Eves: Science Fiction About the Extraordinary Women of Today and Tomorrow herausgab. Die Storysammlung, die einen Überblick über den Beitrag zur Science Fiction liefert, den Autorinnen von Francis Stevens (1918) bis Nancy Kress (1986) geleistet haben, war ohne Zweifel ein begrüßenswertes Unternehmen. Das von den drei Herausgeber*innen verfasste Vorwort entwirft jedoch leider "an amazingly confused account of the 1930s", um Eric Leif Davins Partners in Wonder zu zitieren* Die dort aufgestellte Behauptung, es habe in diesem Jahrzehnt einen bewussten (und erfolgreichen) Versuch gegeben, Autorinnen aus den SF-Pulps zu verdrängen, lässt sich durch nichts belegen und widerspricht den tatsächlichen Veröffentlichungszahlen. Da New Eves scheinbar auch sehr gerne im akademischen Bereich benutzt wurde, begegnet man dieser verzerrten Sicht auf die 30er auch heute noch immer mal wieder.
Mit In the Darkness, Hunting hat das alles zwar nichts tun, aber es ist halt eines meiner Pet Peeves. Nicht weil es mir darum gehen würde, ein idealisiertes Bild der Pulp-Ära als eines egalitären Utopias zu zeichnen. Was natürlich offensichtlicher Unsinn wäre. Sondern weil die Tendenz, die gesamte Vergangenheit des Genres als eine Art "finsteres Zeitalter" darzustellen, im Grunde nur dazu beiträgt, die Diversität der Stimmen, die immer schon existiert hat, zu verschleiern und das Klischee der SF als eines Boys' Club zu zementieren.
Ich habe keine Ahnung, wann Janrae Frank und Jean Marie Stine (geb. Henry Eugene Stine) ein Paar wurden. Auf jedenfall hatten sie eine gemeinsame Tochter, Sovay Jennifer Fox. Stine war selbst SciFi-Autorin und verarbeitete in vielen ihrer Werke offenbar ihre Erfahrungen mit der eigenen Transsexualität: "Issues concerning gender, such as change, role reversal and misalignment thereof, are recurrent themes in Stine's work." 2008 und 2010 erschienen ihre Stories in den beiden Sammelbänden Trans-Sexual: Transgressive Erotica for Gender Queers und Herstory & Other Science Fictions.
Ich erwähne dies eigentlich nur, weil auch die Figur Chimquar in der Vergangenheit mitunter auf eine Art interpretiert wurde, die sie in einen motivisch ähnlichen Zusammenhang stellt. So schreibt Jessica Amanda Salmonson in ihrem Vorwort zu In the Darkness, Hunting:
Ich habe das Gefühl, dass eine derartige Einschätzung falsche Erwartungen bei Leser*innen wecken könnte. Gender spielt ohne Frage eine nicht unwichtige Rolle in den Stories, doch geht es dabei durchweg um kulturell determinierte Geschlechterrollen, nicht um Genderidentitäten.Her culturally intergendered nature was a fascinating addition. This was highly original at the time of first composition, and surprisingly not exploitive. Had these stories gotten the attention they deserved in the 1970s they might have been recognized as ground-breaking, as were the intergender characterizations in Ursula LeGuin's Left Hand of Darkness and John Varley's Gaea series, which were among the works that helped bring science fiction to maturity. All these years later when GLBT fantasy and science fiction is sufficiently common it even has its own awards and award categories, Chimquar may not seem as novel as she would have seemed twenty-five years ago when nothing like her had ever been seen in heroic fantasy. The stories really were in the vanguard, not in the wake, of changes that occurred in genre fiction during the 1970s.
Doch bevor wir näher auf diese Frage eingehen, ist es wohl langsam an der Zeit für einen kurzen Überblick über den eigentlichen Inhalt der Geschichten. Dabei verzichte ich darauf, zu versuchen, nachzuzeichnen, wie sich Janrae Franks Umgang mit ihrer Figur im Verlauf von mehr als zwanzig Jahren verändert hat. Zumal die Stories vor ihrer Neuveröffentlichung noch einmal überarbeitet wurden. In the Darkness, Hunting versucht eine Art Saga von Chimquar the Lionhawk zu sein, und genau so werde ich den Band auch behandeln.
Der wirkliche Name unserer Heldin lautet Tomyris und sie stammt aus dem Amazonenreich von Shaurone, dessen Bewohnherinnen keine gewöhnlichen Menschen sind, sondern "a genetic and magical mutation", was sich in einer längeren Lebensdauer und einer stärkeren körperlichen Konstitution niederschlägt. Auch braucht es zur Zeugung einer Shaurani drei Partner*innen: "sire, bloodmother and wombmother".** Tomyris war Heerführerin im großen Krieg gegen die dämonischen Waejontori, doch nachdem sie in blindem Zorn eine junge Adelige erschlug, wurde sie in die Verbannung geschickt. Statt im Nachbarreich abzuwarten, bis ihre politisch einflussreiche Schwester für die Aufhebung des Urteils sorgen kann, wandert die wütende und vom Grauen des Krieges schwer gezeichnete Tomyris weiter nach Osten, bis sie in die Steppenlande der nomadisierenden Euzadi-Stämme gelangt.
In The Changeling Son begegnet unsere Heldin in einer verfallenen Tempelanlage dem alten Euzadi-Schamanen Azkani und seiner jungen Begleiterin Sarana. Während die drei einen verzweifelten Kampf gegen eine mörderische Rotte von Nakesht – werwolfartigen Kreaturen – führen müssen, sieht sich Tomyris vor die Frage gestellt, wie ihre Zukunft im Exil aussehen soll. Impulsiv schreckt sie davor zurück, erneut emotionale Bande zu anderen Menschen zu knüpfen, und fühlt sich stattdessen zu einem ziellosen Einzelgängerdasein getrieben. Doch Azkani, der sich am Ende als ihr lang verschollener Vater entpuppt (Koinzidenzen ohne Grenzen!), schlägt ihr ein Leben unter den Euzadi vor. Dazu müsste sie freilich die Identität eines Mannes annehmen, da die Stämme eine Frau wie sie niemals in ihren Reihen akzeptieren würden. Derweil ist Sarana, selbst eine Außenseiterin unter ihrem Volk, sehr deutlich an einer romantisch-sexuellen Beziehung mit der Kriegerin interessiert.
Sarana war offensichtlich eine späte Zutat zum Chimquar-Zyklus. Gut möglich, dass es Frank in den 70er/80er Jahren noch unmöglich erschienen wäre, im Rahmen einer Sword & Sorcery - Story eine lesbische Liebesbeziehung zu schildern. Ebenso könnte sich darin aber auch das gewandelte Verhältnis der Autorin zu ihrer eigenen Sexualität widerspiegeln. Wie dem auch sei, jedenfalls ist die junge Frau in The Hawk That Hunted Lions spurlos verschwunden und wird auch später nie wieder erwähnt. Die Geschichte schildert Tomyris' endgültige Verwandlung zu Chimquar. Sie erringt ihren (herkulesmäßigen) Löwenfellumhang und den Beinamen "Lionhawk", erwirbt sich den Respekt der Dazalero Euzadi und ihres Häuptlings Maruic und gewinnt die ewige Feindschaft des Verräters Bakran. Dass sie in Wahrheit eine Frau ist, wissen auch im Stamm nur einige wenige wie Azkani und Maruic. Außerdem übernimmt sie die Verantwortung für zwei Waisenkinder – Hazier und seine kleine Schwester Makajia –, deren Eltern einem Drachen zum Opfer gefallen sind.
In the Darkness, Hunting ist nicht nur die längste, sondern ohne Zweifel auch die ehrgeizigste Erzählung der Saga. Oberflächlich betrachtet enthält die Novelle alle Zutaten einer klassischen Sword & Sorcery - Geschichte: Monsterkämpfe, eine holde Maid in Gefahr und einen finsteren Zauberer. Doch daneben geht es um Chimquars fortdauernde Schwierigkeiten, einen ihr gemäßen Platz in der Welt zu finden, in der sie seit ihrem Exil gezwungen ist zu leben.
Der Lionhawk ist inzwischen zum anerkannten Kriegsführer der Dazalero Euzadi geworden. Maruics anfangs skeptische Haltung hat sich zu Respekt und sogar Freundschaft gewandelt. Doch der Umstand, dass der Häuptling Chimquars wahre Identität kennt, wird schon bald zu einem Problem. Denn der wünscht sich mehr als bloß eine Freundschaft und kann das nicht anders ausdrücken als durch ein aggressiv-übergriffiges Verhalten, das man problemlos als eine versuchte Vergewaltigung bezeichnen kann. Und Chimquar fasst das auch genau so auf. Nunmehr allein unterwegs in der Steppe rettet sie wenig später die hübsche Scheiharia vor einem Trupp monströser Laufvögel, die offenbar unter dem Bann eines Schwarzmagiers stehen. Wie jede gute Damsel-in-Distress verliebt sich Scheiharia natürlich sofort in ihren "Retter", den sie ebenso selbstverständlich für einen Mann hält. Chimquar fühlt sich äußerst unwohl in dieser Situation und lässt sich schließlich zu einer impulsiven Gewalttätigkeit hinreißen. Dass sie sich wieder einemal von ihrer alten Schwäche hat überwältigen lassen, die ja auch für ihre Verbannung verantwortlich war, stürzt sie in tiefe Selbstzweifel. Doch als Scheiharia erneut in die Klauen des finsteres Zauberers fällt, söhnt sie sich mit Maruic aus und setzt alles daran, um "ihre Frau" zu befreien. Dabei muss sie sich auch noch mit ihrem zwölfjährigen Ziehsohn Hazier herumschlagen, der glaubt es sei an der Zeit, dass er ein "Mann" wird, und der sie deshalb in die Magierstadt Marique begleiten will.
Diese Novelle zeigt am Besten, was ich damit meine, dass es in den Chimquar-Stories um Geschlechterrollen, nicht aber um Genderidentitäten geht. Tomyris/Chimquar sieht sich selbst nie anders denn als eine Frau. Alle ihre Probleme erwachsen aus den in der Gesellschaft der Euzadi existierenden Geschlechterrollen. Sie zwingen sie dazu, die Identität eines Mannes anzunehmen. Und sie machen es zugleich unmöglich, dass sie irgendeine romantische Beziehung eingeht, obwohl sie keinesfalls frei von sexuellem Verlangen ist. Auch wenn sie nicht wirklich in Maruic "verliebt" ist, wäre sie einer sexuellen Beziehung vielleicht gar nicht einmal abgeneigt. Jedenfalls nicht vor dessen Übergriff. Doch das würde automatisch dazu führen, dass sie ihre Identität als Frau offenlegen müsste. Und dann bliebe ihr keine andere Wahl, als auch die Rolle einer Euzadi-Frau zu spielen. Was ihrem ganzen Wesen widerspräche. Ironischerweise basiert Maruics Zuneigung vermutlich gerade darauf, dass Chimquar eben keine typische Euzadi-Frau ist, doch gegen die Macht kultureller Konventionen kommt auch ein Häuptling nicht an. Noch komplizierter wird es, als Scheiharia ins Spiel kommt. Chimquar fühlt sich zwar sexuell zu ihr hingezogen, kann aber auf ihre Avancen ebensowenig eingehen. Schließlich hat diese sich in einen "Mann" verliebt, und wie wir aus The Changeling Son wissen, gilt Homosexualität in der Gesellschaft der Euzadi als ein verachtenswertes Tabu. Sich ihr gegenüber als Frau zu erkennen zu geben, hätte vermutlich verheerende Konsequenzen. Und so schlüpft Chimquar in die traditionelle Männerrolle, erklärt ihren "Besitzanspruch" an Scheiharia ("my woman"), kann ihrem Verlangen aber dennoch nicht nachgeben.
Der kleine Subplot um Hazier fügt sich dem sehr gut bei. Einerseits zeigt er Chimquar in einer Art "Mutterrolle". Andererseits muss sie sich damit auseinandersetzen, dass ihr "Sohn" logischerweise den Männlichkeitsvorstellungen zu folgen versucht, die in der Kultur existieren, in der er aufwächst. Und diese Kultur ist nicht die seiner "Mutter".
In Last Night of the Troll sorgt Hazier erneut für Schwierigkeiten. Der inzwischen Sechzehnjährige zeigt erstmals Interesse für Mädchen. Was natürlich weiter nicht schlimm wäre, wenn das Objekt seines Begehrens nicht ausgerechnet die Tochter des Bauern wäre, bei dem Chimquar und ihr Ziehsohn für die Nacht Unterschlupf gefunden haben. Und an der ist unglücklicherweise auch ein creepy Nachbar interessiert, der sich am Ende als eine Art Dämonenhalbblut entpuppt.
Eine gediegene kleine Sword & Sorcery - Story, bei deren Lektüre es mich allerdings langsam etwas zu irritieren begann, dass Chimquar bei ihren Abenteuern andauernd über irgendwelche finsteren Gesellen stolpert, die stets auf die eine oder andere Weise mit jenen dämonischen Waejontari und ihren Höllengöttern in Verbindung stehen, gegen die Tomyris in dem Großen Krieg kämpfen musste, der bei ihr so tiefe Spuren hinerlassen hat. Ab und an etwas konventionellere Gegenspieler wären eine angenehme Abwechselung gewesen.
Ähnliches gilt für A String of Werewolves' Teeth. Gefallen hat mir an dieser Story allerdings, dass Chimquar dabei jemandem aus ihrer Vergangenheit begegnet, der kein hehrer Paladin, sondern der Chef der örtlichen Assassinengilde ist. Das gibt dem im Allgemeinen doch sehr "High Fantasy" - mäßig anmutenden Hintergrund unserer Heldin einen etwas schmutzigeren Anstrich, was mir ausgesprochen sympathisch ist. Auch zeigt sich Chimquar hier von ihrer weicheren Seite, wenn sie auf ein Abenteuer auszieht, um die entführte Tochter eines alten Freundes zu retten.
In The Ruined Tower muss Chimquar ihre eigene "Tochter" Makajia aus den Klauen eines ... na, was schon? richtig! ... eines Waejontori-Nekromanten befreien. Dabei ist sie auf die Hilfe der mysteriösen und nicht sehr vertrauenserweckenden "Zigeunerin" ("gypsy") Anna angewiesen, die erstaunlich viel über die wahre Identität unserer Heldin zu wissen scheint.
Auch dies eine durchaus lesenswerte kleine S&S - Story, die uns von einer lebendig geschilderten Tavernenszene durch die nächtlichen Straßen der Hafenstadt Marleone und unterirdische, monsterbevölkerte Tunnel bis zu einem verfallenen Turm und in die Gemächer des gestaltswandlerischen Nekromanten führt. Auch die finale Enthüllung von Annas wahrer Natur und ihrer Motive ist nicht ohne Reiz.
Über die Verwendung des Begriffs "gypsy" möchte ich kein Urteil fällen, da es diesbezüglich auch unter Sinti und Roma sehr unterschiedliche Ansichten gibt. Allerdings schmeckt zumindest die Schilderung von Annas erstem Auftritt in der Taverne schon etwas nach entsprechenden Klischees. Und ich fand es sehr merkwürdig, dass Janrae Frank an einigen Stellen auch die Bezeichnung "Rom" verwendet, ist ihre Welt Daverana doch anders als etwa Robert E. Howards Hyborian Age keine mythische Vergangenheit unserer Erde.
Damit wären wir bei The Wolves of Nakesht, der Story, die Chimquar 1979 der Fantasyleserschaft bekannt machte. In ihr muss sich unsere Heldin – diesmal zusammen mit Hazier und Makajia – erneut mit den werwolfartigen Nakesht herumschlagen. Und auch ihr alter Erzfeind Bakran hat noch einmal einen Auftritt.
Leider sind einige der Probleme, die ich bei meiner ersten Lektüre der Geschichte in Amazons! hatte, geblieben. Zwar kann ich nun die Partien, in denen Chimquar nach all den Jahren ihres Exils erstmals wieder mit Shaurani-Amazonen zusammentrifft, besser einordnen. Und auch das Ende, wenn sie endlich wieder mit ihrer Schwester Anaria vereint wird, besitzt nach der Lektüre der übrigen Geschichten etwas von der Gravitas, die der Szene eigentlich zukommt. Doch vieles bleibt weiterhin verwirrend und mysteriös. Warum haben Chimquar und ihre "Kinder" vor dem Beginn der Geschichte die Euzadi verlassen? Und was ist das für in Krieg, in den das Reich von Shaurone verwickelt zu sein scheint? Diese Fragen werden auch durch die vorhergehenden Stories nicht beantwortet. Alles in allem ist Wolves of Nakesht dennoch ein angemessener Abschluss der Saga.
Bevor wir zum Ende kommen, noch ein paar kritische Anmerkungen zum Worldbuilding von In the Darkness, Hunting. Wie wir gesehen haben, hatte Janrae Frank schon früh mit der Entwicklung ihrer Sekundärwelt Daverana begonnen und siedelte schließlich die allermeisten ihrer Fantasystories und -romane in ihr an. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass sie die Geschichte und Geographie, die Kulturen und Kreaturen von Daverana und die der Welt zugrundeliegende Mythologie mit ihren Höllengöttern und ihren apokalyptischen Kriegen sehr detailliert ausgearbeitet hat. Doch die Art, in der sich das in den Stories niederschlägt, besteht leider gar zu oft in dem, was ich gerne als RPG - Worldbuilding bezeichne. Man bekommt sehr deutlich den Eindruck, dass Janrae Frank ein riesiges Quellenbuch neben sich liegen hat, in dem alle Details ihrer Welt in fein säuberlich kategorisierter Form niedergelegt sind. Und während sie ihre Geschichten schreibt, greift sie immer mal wieder zu diesem Wälzer und zitiert aus ihm. Und man kann spüren, dass sie das macht. Das wird immer dann besonders deutlich, wenn es um Chimquars Vergangenheit in Shaurone geht. Dann bekommen wir sehr häufig Spezialbegriffe wie ha'taren und bradae vorgesetzt. Die werden uns zwar knapp erklärt, doch wird ihnen damit kein wirkliches Leben eingehaucht. Die entsprechenden Passagen sind nicht eigentlich Infodumps. Dazu sind sie zu kurz. Dennoch wirken sie wie Fremdkörper und stören den Erzählfluss und die Atmosphäre der Geschichte. Ein weiteres Beispiel wäre etwa der folgende kurze Abschnitt aus The Ruined Tower:
Auch dies eine durchaus lesenswerte kleine S&S - Story, die uns von einer lebendig geschilderten Tavernenszene durch die nächtlichen Straßen der Hafenstadt Marleone und unterirdische, monsterbevölkerte Tunnel bis zu einem verfallenen Turm und in die Gemächer des gestaltswandlerischen Nekromanten führt. Auch die finale Enthüllung von Annas wahrer Natur und ihrer Motive ist nicht ohne Reiz.
Über die Verwendung des Begriffs "gypsy" möchte ich kein Urteil fällen, da es diesbezüglich auch unter Sinti und Roma sehr unterschiedliche Ansichten gibt. Allerdings schmeckt zumindest die Schilderung von Annas erstem Auftritt in der Taverne schon etwas nach entsprechenden Klischees. Und ich fand es sehr merkwürdig, dass Janrae Frank an einigen Stellen auch die Bezeichnung "Rom" verwendet, ist ihre Welt Daverana doch anders als etwa Robert E. Howards Hyborian Age keine mythische Vergangenheit unserer Erde.
Damit wären wir bei The Wolves of Nakesht, der Story, die Chimquar 1979 der Fantasyleserschaft bekannt machte. In ihr muss sich unsere Heldin – diesmal zusammen mit Hazier und Makajia – erneut mit den werwolfartigen Nakesht herumschlagen. Und auch ihr alter Erzfeind Bakran hat noch einmal einen Auftritt.
Leider sind einige der Probleme, die ich bei meiner ersten Lektüre der Geschichte in Amazons! hatte, geblieben. Zwar kann ich nun die Partien, in denen Chimquar nach all den Jahren ihres Exils erstmals wieder mit Shaurani-Amazonen zusammentrifft, besser einordnen. Und auch das Ende, wenn sie endlich wieder mit ihrer Schwester Anaria vereint wird, besitzt nach der Lektüre der übrigen Geschichten etwas von der Gravitas, die der Szene eigentlich zukommt. Doch vieles bleibt weiterhin verwirrend und mysteriös. Warum haben Chimquar und ihre "Kinder" vor dem Beginn der Geschichte die Euzadi verlassen? Und was ist das für in Krieg, in den das Reich von Shaurone verwickelt zu sein scheint? Diese Fragen werden auch durch die vorhergehenden Stories nicht beantwortet. Alles in allem ist Wolves of Nakesht dennoch ein angemessener Abschluss der Saga.
Bevor wir zum Ende kommen, noch ein paar kritische Anmerkungen zum Worldbuilding von In the Darkness, Hunting. Wie wir gesehen haben, hatte Janrae Frank schon früh mit der Entwicklung ihrer Sekundärwelt Daverana begonnen und siedelte schließlich die allermeisten ihrer Fantasystories und -romane in ihr an. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass sie die Geschichte und Geographie, die Kulturen und Kreaturen von Daverana und die der Welt zugrundeliegende Mythologie mit ihren Höllengöttern und ihren apokalyptischen Kriegen sehr detailliert ausgearbeitet hat. Doch die Art, in der sich das in den Stories niederschlägt, besteht leider gar zu oft in dem, was ich gerne als RPG - Worldbuilding bezeichne. Man bekommt sehr deutlich den Eindruck, dass Janrae Frank ein riesiges Quellenbuch neben sich liegen hat, in dem alle Details ihrer Welt in fein säuberlich kategorisierter Form niedergelegt sind. Und während sie ihre Geschichten schreibt, greift sie immer mal wieder zu diesem Wälzer und zitiert aus ihm. Und man kann spüren, dass sie das macht. Das wird immer dann besonders deutlich, wenn es um Chimquars Vergangenheit in Shaurone geht. Dann bekommen wir sehr häufig Spezialbegriffe wie ha'taren und bradae vorgesetzt. Die werden uns zwar knapp erklärt, doch wird ihnen damit kein wirkliches Leben eingehaucht. Die entsprechenden Passagen sind nicht eigentlich Infodumps. Dazu sind sie zu kurz. Dennoch wirken sie wie Fremdkörper und stören den Erzählfluss und die Atmosphäre der Geschichte. Ein weiteres Beispiel wäre etwa der folgende kurze Abschnitt aus The Ruined Tower:
"Chimquar!" Hazier shouted. She caught the alarm in his voice, whirling, sword in hand.Bright light streamed from an opening in the ground, silhouetting eight seven foot shapes. The stench of decaying flesh hung upon those eaters of carrion, warriors of Diangar; and she knew them by it."Kargrens!“ Spawn of demons and satyr women, they hated the bright sun of the plains, haunting the shadowed woodlands. It took great power to summon them from the north.
Die Kargrens sind offenbar so was wie Ghule, die im Dienst eines Nekromanten stehen. Das ist alles, was man als Lesender über sie wissen muss. Und das ergibt sich bereits aus ihrer Erscheinung bzw. dem sie umgebenden Leichengeruch. Die Information, dass sie der Verbindung zwischen Dämonen und weiblichen Satyrn entsprungen sind und grelles Sonnenlicht nicht mögen, fügt dem nichts hinzu. Der entsprechende Absatz wirkt vielmehr wie ein Auszug aus dem "Monster Manual".
Dieselbe Kurzgeschichte enthält allerdings auch ein Beispiel dafür, wie dasselbe Worldbuilding auf organische Weise in die Erzählung einfließen und deren Atmosphäre verstärken kann. Es handelt sich dabei um die schon erwähnte Tavernenszene vom Anfang der Story:
Ein interessantes Detail von Janrae Franks Worldbuilding ist jedoch ganz sicher die Sprache. So verwendet sie u.a. das Wort "myn" als geschlechtsneutrales Plural. Allerdings dürfte ihr Einsatz des generischen Maskulinums gerade auf heutige deutschsprachige Leser*innen etwas eigenartig wirken: "I eliminated the feminine endings on words (priest instead of priestess) except when necessary to show cultural differences."
Was bleibt zum Abschluss zu sagen? Janrae Franks Geschichten sind vielleicht keine vergessenen Meisterwerke der Sword & Sorcery. Aber auf jedenfall stellen sie einen weiteren Beleg dafür dar, dass das Genre auch schon in den 70er Jahren sehr viel vielgestaltiger war als man ihm manchmal unterstellt. Chimquar the Lionhawk ist eine komplexe und ziemlich interessante Figur, und ihre Abenteuer geben durchweg unterhaltsame Lektüre ab. Auch wenn keine der kürzeren Geschichten an die Qualität von In the Darkness, Hunting heranreicht.
* Eric Leif Davin: Partners in Wonder. Women and the Birth of Science Fiction 1926-1965. S. 138.
** Wie genau sich das abspielt, wird in den Chimquar-Geschichten nicht erörtert.
Dieselbe Kurzgeschichte enthält allerdings auch ein Beispiel dafür, wie dasselbe Worldbuilding auf organische Weise in die Erzählung einfließen und deren Atmosphäre verstärken kann. Es handelt sich dabei um die schon erwähnte Tavernenszene vom Anfang der Story:
Man darf davon ausgehen, dass sich in Franks Quellenbuch ein ganzes Kapitel über die "fae" findet. Doch sie verzichtet darauf, uns weitere Infromationen zu geben als dass dieses Volk "pale skin" und "almond eyes" besitzt. Dasselbe gilt von den "Sea Hawks" mit ihren "blond braids and beards". Zwei evokative Namen und ein paar äußerliche Details und schon entsteht vor unserem inneren Auge ein Bild der von allen möglichen exotischen und fremdländischen Gestalten bevölkerten Taverne in einer kosmopolitischen Hafenstadt.All manner of myn filled the Red Lion's smoky, ill-lit common room. She scanned the faces from the doorway, seeking the young pair. Eyes turned to discern her nature, but those that knew the Euzadi tribesmyn did not stare. She glided through the crowded room, making for a table in the farthest corner where she could have the wall to her back.Two fae stood behind a Casrain merchant while he argued with a Marleonan buyer, their pale, pale skin shimmered faintly in the lamplight. Their almond eyes narrowed to slits, following Chimquar as she passed. The blond braids and beards of the Ocealayen Sea Hawks, kandoyarin from the City of the Five Captains, stood out conspicuously. They roared a bawdy chantey, grabbing at the serving wenches.
Ein interessantes Detail von Janrae Franks Worldbuilding ist jedoch ganz sicher die Sprache. So verwendet sie u.a. das Wort "myn" als geschlechtsneutrales Plural. Allerdings dürfte ihr Einsatz des generischen Maskulinums gerade auf heutige deutschsprachige Leser*innen etwas eigenartig wirken: "I eliminated the feminine endings on words (priest instead of priestess) except when necessary to show cultural differences."
Was bleibt zum Abschluss zu sagen? Janrae Franks Geschichten sind vielleicht keine vergessenen Meisterwerke der Sword & Sorcery. Aber auf jedenfall stellen sie einen weiteren Beleg dafür dar, dass das Genre auch schon in den 70er Jahren sehr viel vielgestaltiger war als man ihm manchmal unterstellt. Chimquar the Lionhawk ist eine komplexe und ziemlich interessante Figur, und ihre Abenteuer geben durchweg unterhaltsame Lektüre ab. Auch wenn keine der kürzeren Geschichten an die Qualität von In the Darkness, Hunting heranreicht.
* Eric Leif Davin: Partners in Wonder. Women and the Birth of Science Fiction 1926-1965. S. 138.
** Wie genau sich das abspielt, wird in den Chimquar-Geschichten nicht erörtert.
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