"Außerdem studierte er abstruse Bücher, die aus chaldäischen Bibliotheken
gestohlen worden waren, wenn Fafhrd auch aus langer Erfahrung wusste,
dass der Mausling selten über das Vorwort hinauskaum (obwohl er oft die
letzten Kapitel aufrollte und neugierig hineinschaute und beißende Kritik
äußerte)."

Fritz Leiber, Das Spiel des Adepten


Dienstag, 17. Dezember 2019

Willkommen an Bord der "Liberator" – S03/E06: "City at the Edge of the World"

Ein Blake's 7 - Rewatch

Den Comic Relief - Charakter zu spielen, kann ein ziemlich undankbarer Job sein. Während andere sich in heroische Posen werfen oder den coolen Antihelden markieren dürfen, gibt man selbst meist eine etwas lächerliche Figur ab. So verlangt es halt die Rolle. Dass einem das irgendwann auf die Nerven gehen kann, ist nachvollziehbar.
Michael Keating hat später erzählt, seine fünf- oder sechsjährige Tochter habe einmal zu ihm gesagt, sie fände Vila "doof" ("stupid"). Daraufhin habe Chris Boucher beschlossen, extra eine Episode zu schreiben, in der der feige Langfinger ausnahmsweise mal der unumstrittene Held sein darf.

Der Titel dürfte eine Anspielung auf The City on the Edge of Forever, die berühmte Harlan Ellison - Folge von Star Trek, sein, auch wenn das inhaltlich nicht gar zu viel Sinn macht. Wir bekommen zwar eine Art Variante auf den "Guardian of Forever" zu sehen, doch damit enden die Ähnlichkeiten dann auch schon.

Die Episode beginnt mit einer jener grandiosen Chris Boucher - Dialogszenen, bei denen einfach jedes Wort sitzt. Tarrant hat einen Deal mit den angeblich höchst friedvollen Bewohnern des Planeten Kezarn ausgehandelt. Im Austausch für einige seltene Kristalle, ohne die die Energiekanonen der Liberator schon bald den Geist aufgeben würden, soll Vila dem Völkchen bei der Lösung eines nicht näher beschriebenen Problems behilflich sein. Doch der fingerfertige Dieb weigert sich, allein und unbewaffnet auf eine solche Mission zu gehen. Also droht der Exoffizier ihm damit, ihn andernfalls einfach von Bord zu werfen:
Tarrant: I can't make you go, of course.
Vila: That's right, you can't.
Tarrant: But I can toss you off this ship.
Vila: What?
Tarrant: You're no use to me.
Vila: I don't have to be any use to you. I was here first. I was with Blake. I've more right on this ship than you have. 
Tarrant: "Right"? No one survives as long as you have, Vila, without learning the facts of life. 
Vila: The facts of life are that I --
Tarrant: -- are that I can dump you any time. The others wouldn't stop me. And you couldn't, could you? Now I suggest you reconsider your decision. But don't take too long. I'm not a patient man.
Vila: All my life, for as long as I can remember, there's been people like you.
Tarrant: And I thought I was unique.
Vila: You're not even unusual, Tarrant.
Avon und Cally merken sofort, dass mit ihrem alten Crew-Kameraden etwas nicht stimmt, als sich der eingeschüchterte Vila auf die Planetenoberfläche teleportieren lässt. Und Tarrant macht aus seinen Bully-Methoden auch gar keinen Hehl. Woraufhin ihm Avon sehr deutlich zu verstehen gibt, dass er solches Verhalten nicht zu tolerieren bereit ist:
Avon: Leave him alone in future.
Tarrant: Or?
Avon: Do you want me to threaten you?
Selbst Cally ist etwas überrascht, dass der arrogante Zyniker, der für gewöhnlich nie eine Gelegenheit verstreichen lässt, seiner Verachtung für Vila Ausdruck zu verleihen, sich plötzlich schützend vor ihn stellt. Avons Antwort klingt durchaus vernünftig: "He's irritating, but he's useful. We can easily replace a pilot [Tarrant], but a talented thief is rare." Aber seine Reaktion hat auch ein bisschen was von: "Nur ich darf meinen kleinen Bruder schlagen". Wir wissen inzwischen ja, dass Avon nicht ganz so kaltherzig und egozentrisch ist wie er zu sein vorgibt.

Natürlich geht bei Vilas Mission etwas schief. Der Dieb ist plötzlich wie vom Erdboden verschluckt und statt der versprochenen Kristalle wartet ein Sprengsatz auf Cally, die sich als erste hinunter begibt. Avon folgt und zusammen machen sich die beiden auf die Suche nach ihrem verschwundenen Kameraden.

Dieser ist inzwischen von den nicht eben gesprächigen Kezarnern, die allesamt wie pseudo-keltische Hippies aussehen, zu der verlassenen "City at the Edge of the World" gebracht worden. Dort erwartet ihn eine böse Überraschung in Gestalt des psychopathischen Gangsters Bayban und seiner in schmucke Lederrüstungen gewandeten Gang. Colin Baker spielt den irren Sadisten mit sichtlichem Vergnügen, und darf dabei so grandiose Zeilen von sich geben wie die folgenden:
Vila: You're top of the Federation's Most Wanted list -- after Blake.
Bayban: What do you mean, "after Blake"? I was working my way up that list before he crept out of his creche. Working my way up. I didn't take any political shortcuts.
Vila soll für Bayban eine mysteriöse Tür öffnen, hinter der dieser eine gut gefüllte Schatzkammer vermutet. Die Indizien, die dafür sprechen, klingen zwar nicht sehr überzeugend, aber wer weiß schon, was in dem Kopf dieses Typen vor sich geht? Für die Bewohner Kezarns scheint die Tür jedenfalls eher eine mystisch-religiöse Bedeutung zu haben.

Wie dem auch sei, Vila bleibt nicht viel anderes übrig, als sich an die Arbeit zu begeben, wenn er nicht auf der Stelle abgemetzelt werden will. Auch erwacht schon bald sein "beruflicher" Ehrgeiz. Komplizierte Schlösser zu knacken, ist für den Meisterdieb eine intellektuelle Herausforderung, eine Art Duell mit dem Konstrukteur des Mechanismus.

Während Vila sich mit reflektierenden Kraftfeldern und anderen Sicherungen herumplagt, gesellt sich Kerril (Carol Hawkwins) zu ihm. Sie war es, die ihn in den Korridoren der Stadt überwältigte und zu Bayban brachte. Obwohl sie ihm anfangs mit aggressiver Verachtung begegnet ist ("little man"), kommen sich die beiden schnell näher. Seine ebenso methodische wie leidenschaftliche Herangehensweise an das ihm gestellte Problem fasziniert und beeindruckt sie ganz offenbar, und Vila seinerseits hat noch nie einer hübschen Frau widerstehen können. Als das Kraftfeld schließlich zusammenbricht und einen Durchgang enthüllt, dringen die beiden gemeinsam in die dahinter liegenden Gewölbe vor. Eine Schatzkammer finden sie dort allerdings nicht. Stattdessen werden sie auf ein Tausende von Lichtjahren entferntes Raumschiff teleportiert.
Diese ganze Einrichtung wurde vor Äonen von den Bewohnern Kerzans kreiert, als sich deren Gesellschaft unaufhaltsam auf einen allgemeinen Zusammenbruch zubewegte. Die Idee war, ein unbemanntes Schiff in die Weiten des Alls zu schicken, um nach einem geeigneten Planeten für einen Neuanfang zu suchen. Es war klar, dass dies sehr lange dauern würde und so pflanzte man der eigenen Bevölkerung einen genetischen Trieb ein, alle fünfundvierzig Generationen jemanden durch das Tor in der "City at the Edge of the World" zu schicken. Soweit klingt das alles ja noch ganz einleuchtend {na ja, eigentlich nicht}, aber jetzt kommt der Haken: Falls das Schiff noch keinen geeigneten Planeten gefunden haben sollte, darf die betreffende Person nicht nach Kerzan zurückkehren, sondern ist dazu verdammt, nach ein paar Stunden an Sauerstoffmangel zu sterben.
Und unglücklicherweise scheint genau das das Schicksal von Vila und Kerril zu sein. Den sicheren Tod vor Augen, beschließen die beiden, dass sie sich ihr letztes Stündchen mit ein bisschen nettem Sex versüßen könnten. {Nicht dass dieses Wörtchen je ausgesprochen würde. Auch scheinen die beiden es anschließend sehr eilig zu haben, wieder in ihre Kleider zu schlpfen ...}

Während der Rest der Liberator - Crew einen Überraschungangriff auf Bayban und seine Gang startet, stellen Vila und Kerril überrascht fest, dass sie noch nicht erstickt sind. Sollte das Schiff doch bereits sein Ziel erreicht haben?

City at the Edge of the World ist keine tiefgründige, aber dafür eine grundsympathische Episode. Chris Boucher gelingt es, eine Blake's 7 - Folge zu schreiben, in der Vila der Held ist, ohne dazu dem Charakter des etwas hasenfüßigen Diebes Gewalt antun zu müssen. Er verwandelt ihn nicht einfach in einen furchtlosen Krieger. Vila triumphiert durch sein Talent im Schlösserknacken. Und an einer Stelle lässt er sogar für einen kurzen Moment Kerril im Stich und ergreift die Flucht, als ihm die Situation zu brenzlig zu werden scheint. Er ist immer noch "unser" Vila. Und doch wird er am Ende von den Kerzanern zurecht als ihr Retter gefeiert: "Vila, you're a clever man, and brave."
Selbst die kleine Liebesgeschichte besitzt ihren Charme. Natürlich entwickelt sie sich viel zu schnell, aber das ist halt der Fluch des episodischen Erzählens im Fernsehen. Es bleibt nie genug Zeit, um Beziehungen zwischen einem Mitglied des Ensembles und dem Gast der Woche glaubhaft zu entwickeln. Kerril ist eine sympathische Figur, höchst charmant gespielt von Carol Hawkins, die ihre Karriere zwar mit phantastischen Flicks wie The Body Stealers (1969), dem Spy-Fi-Spoof Zeta One (1969) und When Dinosaurs Ruled the World (1970) begonnen hatte, dem Publikum zu diesem Zeitpunkt aber hauptsächlich aus einer Reihe mehr oder weniger "erotischer" Seventies-Komödien bekannt gewesen sein dürfte. Etwas bedauerlich finde ich allerdings, dass es die Macher für nötig empfanden, Kerril im Laufe der Handlung "femininer" zu machen, da sie offenbar glaubten, nur dann wäre die Liebesgeschichte glaubhaft. Sie beginnt die Story als toughe Killerin, Bayban nennt sie "the best gun hand I ever had", und auch wenn sie am Ende nicht völlig zur "Damsel" gemacht worden ist, geht die Entwicklung doch eindeutig in diese Richtung. Äußeres Anzeichen dafür ist, dass sie schon bald ihre Lederkluft ablegt und in eine Art Tunika-Kleid schlüpft. Eine bedauerliche und meines Erachtens völlig unnötige Entscheidung Bouchers. Für mich hätte das Ganze sehr gut auch ohne diese Verwandlung funktioniert.

Doch abgesehen davon, zeigt der Drehbuchschreiber hier wieder einmal, warum er zurecht als einer der besten Blake's 7 - Autoren gilt. Dies ist zwar Vilas große Show, doch auch alle übrigen Crew-Mitglieder werden von Boucher aufs treffsicherste gezeichnet, so kurz ihre Auftritte auch sein mögen. Mitunter reicht dafür eine einzige Dialog-Zeile. So wenn Dayna Tarrant freundlich lächelnd erklärt, dass sie ihn töten würde, wenn sie an Vilas Stelle wäre.
Avon ist so sarkastisch und eiskalt wie wir ihn lieben. Tarrant darf wieder einmal seine autoritäre Arschlochseite zur Schau stellen. Dayna ihre Waffenbastler-Talente unter Beweis stellen. Und Cally ist wie immer die warmherzigste von allen, ohne dabei sentimental zu wirken.       

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