Die hohe Kunst des Cash-in gehört zu den altehrwürdigen Traditionen des italienischen Genrefilms. Wen wundert es da, dass bereits ein knappes halbes Jahr nach der Italienpremiere von Alien im April 1980 ein Film in den Kinos auftauchte, der sich ganz frech als Sequel zu Ridley Scotts SciFi-Horror-Klassiker ausgab? Da der Name des künftigen Franchises zu diesem Zeitpunkt noch nicht von einem Copyright geschützt wurde, konnte sich Ciro Ippolitos Streifen sogar ganz offen Alien 2: Sulla Terra nennen.
Irgendwann einmal sollte ich vielleicht einen kleinen Abstecher in die Welt der Alien - Rip-offs unternehmen, doch für den Moment soll diese hübsche Anekdote nur als Einführung für einen der interessantesten Vertreter des italienischen Horrorfilms der späten 80er und frühen 90er Jahre dienen, der als Schauspieler in Ippolitos Flick mitwirkte: Michele Soavi.
1957 in Mailand geboren entwickelte Soavi schon in frühen Jahren eine große Leidenschaft für den Film. Er begann eine Schauspielausbildung am Studio Fersen di Arti Sceniche, an dem man der Stanislawski-Methode huldigte. Zu seinen ersten winzigen Nebenrollen gehörte auch eine in Marco Modugnos Super-8-Film Bambule (1979). Der junge Filmemacher, der selbst gerade erst dabei war, seine ersten ernsthafteren Gehversuche zu machen, fühlte sich von Soavis Neugier und Leidenschaftlichkeit so stark angesprochen, dass er ihn zu seinem Regieassistenten machte.
Doch so richtig in Fahrt kam dessen Karriere erst, als er zu Beginn der 80er Jahre in den Zirkeln des Genre- und Horrorfilms heimisch zu werden begann und dort eine Reihe wichtiger Bekanntschaften schloss. 1980 und 1982 wirkte er unter der Regie des großen Lucio Fulci bei Paura nella città dei morti viventi / City of the Living Dead und Lo squartatore di New York / The New York Ripper mit – freilich immer noch in kleinen Nebenrollen. Von sehr viel größerer Bedeutung waren seine Begegnungen mit zwei anderen Filmemachern – Horror-Auteur Dario Argento und Schlockmeister Joe D'Amato / Aristide Massaccesi.
Seine Kooperation mit D'Amato als Regieassistent, Schauspieler und Drehbuchschreiber begann 1980 mit der Arbeit an Absurd, dem Pseudo-Sequel zu dessen vermutlich bekanntestem Horrorstreifen Anthropophagus (1980), und umfasste in den folgenden Jahren Filme wie den Sword & Sorcery - "Klassiker" Ator (1982), die postapokalyptischen Flicks Anno 2020 - I gladiatori del futuro (1982) und Endgame (1983), sowie das Caligula - Cash-in Caligola: La storia mai raccontata (1982). Wenn vielleicht auch sonst nichts, so lernte Soavi von dem guten Joe doch auf jedenfall, wie man unter extremsten Budget-Beschränkungen arbeitet.
Doch so richtig in Fahrt kam dessen Karriere erst, als er zu Beginn der 80er Jahre in den Zirkeln des Genre- und Horrorfilms heimisch zu werden begann und dort eine Reihe wichtiger Bekanntschaften schloss. 1980 und 1982 wirkte er unter der Regie des großen Lucio Fulci bei Paura nella città dei morti viventi / City of the Living Dead und Lo squartatore di New York / The New York Ripper mit – freilich immer noch in kleinen Nebenrollen. Von sehr viel größerer Bedeutung waren seine Begegnungen mit zwei anderen Filmemachern – Horror-Auteur Dario Argento und Schlockmeister Joe D'Amato / Aristide Massaccesi.
Seine Kooperation mit D'Amato als Regieassistent, Schauspieler und Drehbuchschreiber begann 1980 mit der Arbeit an Absurd, dem Pseudo-Sequel zu dessen vermutlich bekanntestem Horrorstreifen Anthropophagus (1980), und umfasste in den folgenden Jahren Filme wie den Sword & Sorcery - "Klassiker" Ator (1982), die postapokalyptischen Flicks Anno 2020 - I gladiatori del futuro (1982) und Endgame (1983), sowie das Caligula - Cash-in Caligola: La storia mai raccontata (1982). Wenn vielleicht auch sonst nichts, so lernte Soavi von dem guten Joe doch auf jedenfall, wie man unter extremsten Budget-Beschränkungen arbeitet.
Als er Dario Argento kennenlernte, hatte dieser gerade die Arbeit an Inferno (1980), dem zweiten und für lange Zeit letzten Teil seiner "Mütter" - Trilogie, beendet. Zwischen den beiden entwickelte sich schon bald ein freundschaftliches Verhältnis, das in späteren Jahren allerdings immer wieder von temporären Zerwürfnissen getrübt werden sollte. In ihm fand Soavi zumindest für einige Zeit seinen wichtigsten Mentor. 1982 wirkte er gemeinsam mit Lamberto Bava – dem Sohn von Altmeister Mario – als Regieassistent beim Dreh von Argentos Giallo-Meisterwerk Tenebrae mit. Dieselbe Aufgabe übernahm er später bei Phenomena (1985) und Opera (1987).
Zwar war es Argento, der Soavi zu seinem ersten Regieauftrag verhalf, indem er ihm die Leitung einer Doku über sein eigenes Werk – Il mondo dell'orrore di Dario Argento (1985) – übertrug, doch bei dieser Arbeit eröffneten sich natürlich kaum künstlerische Entfaltungsmöglichkeiten für den angehenden Filmemacher. Als der wirkliche Wegbereiter erwies sich Joe D'Amato, der zwei Jahre später für die Finanzierung von Soavis Spielfilmdebüt Deliria / Stage Fright sorgte. Inhaltlich sicher nicht besonders originell, ist dieser Slasher im Theater in cinematographischer Hinsicht doch recht beeindruckend, und kein Fan des italienischen Horrorkinos sollte darauf verzichten, sich den blutigen Auftritt des Killers in der Eulenmaske wenigstens einmal zu Gemüte zu führen.
Zwar war es Argento, der Soavi zu seinem ersten Regieauftrag verhalf, indem er ihm die Leitung einer Doku über sein eigenes Werk – Il mondo dell'orrore di Dario Argento (1985) – übertrug, doch bei dieser Arbeit eröffneten sich natürlich kaum künstlerische Entfaltungsmöglichkeiten für den angehenden Filmemacher. Als der wirkliche Wegbereiter erwies sich Joe D'Amato, der zwei Jahre später für die Finanzierung von Soavis Spielfilmdebüt Deliria / Stage Fright sorgte. Inhaltlich sicher nicht besonders originell, ist dieser Slasher im Theater in cinematographischer Hinsicht doch recht beeindruckend, und kein Fan des italienischen Horrorkinos sollte darauf verzichten, sich den blutigen Auftritt des Killers in der Eulenmaske wenigstens einmal zu Gemüte zu führen.
Als Soavi es ablehnte, an der von Dario Argento produzierten TV-Serie Giallo: La tua impronta del venerdi (1987) mitzuwirken, und stattdessen lieber Terry Gilliams Angebot annahm, den Posten des Regieassistenten bei The Adventures of Baron Munchausen (1988) zu übernehmen, führte das zur ersten temporären Eiszeit zwischen Mentor und Protegé. Dennoch wandte sich Argento an ihn, als es darum ging, einen Regisseur für den dritten Demoni - Film zu finden.
Der europaweite Erfolg von Lamberto Bavas großartig überdrehtem Gorefest Demoni (1985), an dem Soavi als Regieassistent und Schauspieler mitgewirkt hatte, hatte schon bald ein erstes Sequel (1986) nach sich gezogen. Bei beiden Filmen war Argento Produzent und Co-Autor des Drehbuchs gewesen.
In späteren Jahren sollte sich Demons zu einem jener bizarren Pseudo-Franchises auswachsen, die im Zuge der VHS-Revolution in der Welt der B-Movies durch das schamlose Einverleiben artfremden Materials entstanden. Ist man so skrupulös wie der gute Mr. Jim Moon kann man z.B. sage und schreibe dreiunddreißig offizielle und inoffizielle Sequels zu Night of the Living Dead zählen!.Mit neun Einträgen nimmt sich die Demons - Reihe da beinah noch bescheiden aus. Die wunderbare Rachael Nisbet hat dieses dubiose Konglomerat vor Zeiten einmal auf ihrem Blog Hypnotic Crescendos seziert.
Demoni 3 freilich war anfangs noch als legitimes Sequel geplant, und wenn es nach Argento gegangen wäre, hätte einmal mehr Lamberto Bava auf dem Regiestuhl Platz genommen. Doch die Studiooberen wollten, dass jemand anderes die Leitung übernahm. Weshalb trotz der vorangegangenen Streitigkeiten Michele Soavi zum Zuge kam. Der allerdings machte sehr schnell deutlich, dass er nicht gewillt war, einfach einen weiteren Eintrag in das Franchise zu drehen, zumal er Bavas Original für bloßen "Pizza Schlock" hielt. Er verfolgte sehr viel ehrgeizigere Ziele. Und so entstand mit La Chiesa / The Church (1989) ein Film, der zwar noch einige oberflächliche Anklänge an das Demons - Format aufweist, darüberhinaus jedoch nur wenig mit seinen Vorgängern und sehr viel mehr mit Soavis eigenen künstlerischen Visionen zu tun hat
Angeblich wurde Argento zu dem ursprünglichen Drehbuch u.a. von M.R. James' The Treasure of Abbot Thomas inspiriert. Wenn dem tatsächlich so gewesen sein sollte, hat sich jedenfalls nicht viel von Montys klassischer Spukgeschichte in dem filmischen Endprodukt erhalten.
Finsteres Mittealter. Ein Trupp von Deutschordensrittern veranstaltet unter Anleitung eines irr-fanatischen Predigers ein Massaker unter einer Gemeinschaft vermeintlicher Hexen. Die in ein Massengrab geworfenen Leichen der Opfer scheinen schon bald leicht zombiehafte Ambitionen zu entwickeln, weshalb es als das Beste dünkt, die Grube nicht nur schnellstmöglich zuzuschütten, sondern sicherheitshalber gleich eine gotische Kathedrale über ihr zu errichten
Zeitsprung in die Gegenwart: Evan (Tomas Arana) beginnt seinen neuen Job als Bibliothekar in selbiger Kahedrale {die in Ungarn gefilmt wurde, sich aber in Deutschland befinden soll}. Sein Hauptaugenmerk liegt anfangs weniger auf den alten Folianten, die er zu katalogisieren hat, als vielmehr auf der hübschen Lisa (Barbara Cupisti), die die Restaurierung eines Freskos leitet, das in seinem Stil wohl nicht zufällig an die Gemälde Hieronymus Boschs erinnert. Das ändert sich etwas, als er ein Pergament entdeckt, auf dem sich eine codierte Botschaft befindet, von deren Entschlüsselung er sich einen Wegweiser zum geheimen Herzen der Kathedrale erhofft. Als gläubiger Anhänger der abstrusen Theorien, die der "Alchimist" und Okkultist Fulcanelli in seinem Schmöker Le Mystère des Cathédrales niedergelegt hat, glaubt Evan, dass dort irgendwelche mystischen Wunder auf ihn warten, die Reichtum und unbegernzte Macht versprechen. Tatsächlich führt ihn das Pergament schließlich zu einem verborgenen Schacht in der Krypta, der mit einem steinernen Abbild des apokalyptischen Lamms mit den sieben Augen versiegelt wurde. Doch statt irgendwelche arkanen Schätze zu heben, entfesselt Evan damit dämonische Kräfte oder Wesenheiten, die erst von ihm selbst, später auch von anderen Besitz ergreifen. Dem Demons - Format folgend, kulminiert das Ganze damit, dass eine Gruppe von Leuten in der Kathedrale eingeschlossen wird, derweil sich ein blutig-groteskes Pandämonium in den heiligen Mauern entfaltet.
Wie alle Freunde & Freundinnen italienischer Horrorfilme wissen, gehört eine in sich schlüssige und kohärente Handlung nur selten zu deren hervorstechenden Eigenschaften. The Church bildet da keine Ausnahme. Je weiter die Story fortschreitet, desto abstruser wird sie, und die "What the fuck!?" - Momente beginnen sich zu häufen.
Was für mich keineswegs gegen den Streifen spricht. Ganz im Gegenteil! Dieses vorbehaltlose Abtauchen in bizarren Irrsinn bereitet mir großes Vergnügen. Voraussetzung dafür ist freilich die intensive Atmosphäre, die Michele Soavi dem Streifen zu verleihen versteht.
Von der ersten Szene an,. in der wir einen Trupp Deutschordensritter durch den Wald reiten sehen, erweist sich The Church als ein hochgradig stilisierter Film. Dabei ist der Einfluss Dario Argentos unverkennbar. Einstellungen, Bildkompositionen, Kamerafahrten, Farbgebung – vieles erinnert an die Arbeiten des Meisters, ohne dass dadurch der Eindruck entstehen würde, es mit bloßer Nachäffrerei zu tun zu haben.
Natürlich birgt die gotische Kathedrale als Setting bereits immens viele Möglichkeiten für stimmungsvolle Bilder, doch ist es Soavis Cinematographie, die dieses Potential zur vollen Entfaltung bringt. Auch beschränkt er sich nicht auf das in Szene Setzen mittelalterlicher Architektur und Skulptur, um die beunruhigend phantasmagorische Atmosphäre seines Filmes heraufzubeschwören. Eines der Leitmotive, die sich durch The Church ziehen, sind z.B. Spiegel und spiegelnde Oberflächen: Der geheimnisvolle Code entpuppt sich als Spiegelschrift; Spiegel enthüllen die wahre Natur der Besessenen; in einer Szene sehen wir Father Gus (Hugh Quarshie), den eigentlichen "Helden" des Films, vor einem modernen Hochhaus entlanggehen, in dessen verglaster Front sich die Kathedrale widerspiegelt – eine eindrucksvolle Verbildlichung der Thematik von alter vs. neuer Welt. An anderer Stelle gibt sich Soavi ganz dem Phantatsisch-Grotesken hin, so etwa, wenn er Boris Vallejos Vampire's Kiss anzitiert, oder wenn im Finale die aufeinandergehäuften Opfer des mittelalterlichen Massakers als eine Art groteske "lebende" Skulptur an die Oberfläche gepresst werden. Dasselbe gilt natürlich auch für das bizarre, von Hunderten von Kerzen erleuchtete Ritual, das die Besessenen in der Krypta abhalten und bei dem Lisa Sex mit dem Teufel hat.
Auf keinen Fall unerwähnt bleiben darf der grandiose Soundtrack, der einen immens wichtigen Beitrag zur Atmosphäre des Filmes leistet. Was anderes würde man auch erwarten bei solch einer Phalanx eindrucksvoller Namen wie Fabio Pignatelli (Goblin), Philip Glass und Keith Emerson?
Der Film ist freilich nicht ohne seine Schwächen. Und von der gruselig miesen Synchronisation will ich da gar nicht sprechen, gehört die doch zu den üblichen Charakteristika italienischer Genrefilme.
Wenn The Church in der zweiten Hälfte Teile des Demons - Formats aufgreift, finden dabei auch Elemente von Humor Eingang in den Streifen, die mir nicht so recht zu seiner Gesamtatmosphäre zu passen scheinen. Dass wir keine der Personen, die in der Kathedrale eingeschlossen werden, richtig kennenlernen, bevor sie den Dämonen zum Opfer fallen, ist für mich kein Problem, solange ihr grausiges Schickal Anlass zu solch wundervoll bizarren Szenen gibt, wie etwa der der alten Frau, die den abgeschlagenen Kopf ihres Mannes als Glockenschlegel verwendet, oder der der Freundin des eifersüchtigen Bikers, die von einer aus dem Nichts aufgetauchten U-Bahn mitgerissen wird. Doch dass das stark Karrikaturenhafte einiger dieser Figuren offenbar hin und wieder Anlass zum Lachen geben soll, wirkt auf mich wie ein tonaler Bruch. Lamberto Bavas Original war ein absurd-blutiger Horrorspaß, doch Soavis Pseudo-Sequel besitzt alles in allem eine sehr viel düsterere und verstörendere Atmosphäre, zu der solche Szenen nicht recht passen wollen. .
Sehr viel problematischer allerdings ist für mich, dass The Church in seiner zentralen Thematik merkwürdig widersprüchlich und unausgegoren wirkt.
Jim Pyke schreibt in seinem kleinen Essay The Films of Michele Soavi:
As you might guess, this film turns out to be a meditation on karma and how people bring evil onto themselves. At moments Soavi even suggests that we create evil with our own actions, even if we may intend otherwise (witness the crusaders' brutal and indiscriminate slaying of the entire village populace in the opening sequence). This is certainly not any great revelation on Soavi's part.Dieser Einschätzung kann ich mich nicht recht anschließen. Auch wenn ein solches Element zweifelsohne vorhanden ist, scheint mir die Thematik des Streifens damit doch keinesfalls ausgeschöpft. Es ist in meinen Augen vielmehr ziemlich offensichtlich, dass Soavi und Argento irgendetwas über den repressiven Charakter der katholischen Religion aussagen wollten, ohne dabei jedoch zu einer eindeutigen Position zu gelangen.
Zweifelsohne soll das fürchterliche Massaker, das die Deutschordensritter in der Eröffnungssequenz veranstalten, Abscheu in uns wecken. Unsere Sympathie liegt bei den wehrlosen Opfern. Die Szenerie des gewaltigen Massengrabes ist eindeutig darauf angelegt, Assoziationen zum Holocaust zu wecken. Was später noch dadurch unterstrichen wird, dass Evan die ziemlich verwegene Behauptung aufstellt, Hitler habe sich bei der Gründung der SS durch das Vorbild des Deutschen Ordens inspirieren lassen. Nicht viel sympathischer wirken der alte Bischof (Feodor Chaliapin Jr.) und sein verstaubter, weltfremder, spießiger Klüngel in der Gegenwart. Aus Hass auf die "verdorbene" Welt der Moderne begrüßt der greise Kirchenfürst in gewisser Weise sogar den dämonischen Ausbruch, da er ihm als gerechte Strafe für das sündhafte Treiben der gottlos gewordenen Gesellschaft erscheint.
Die einzigen wirklichen Sympathieträger sind der schwarze Father Gus und die junge Lotte (Asia Argento). Gus soll augenscheinlich den Typus des jungen, liberalen und weltoffenen Priesters verkörpern, der zusammen mit dem Latein auch viele der altmodischen Moralvorstellungen seiner Kirche über Bord geworfen hat. Lotte ist die Tochter des autoritären Sakristans, die sich der erstickenden Atmosphäre der Kathedrale und ihres Elternhauses zu entziehen versucht, um das "sündige" Leben und ihre eigene Sexualität zu erkunden. Dass das fünfzehnjährige Mädchen zugleich die Wiedergeburt eines der Opfer des mittelalterlichen Massakers ist, unterstreicht noch einmal das verbindende Motiv.
Was dazu nicht recht passen will, ist jedoch, dass die von Evan entfesselten Mächte eindeutig satanischer Natur sind. Es handelt sich bei ihnen nicht um die rachsüchtigen Geister unschuldiger Opfer von Intoleranz und Bigotterie, sondern um Beelzebubs Gefolgschaft. Was die Frage aufwirft, ob die Ritter nicht doch einen guten Grund für ihr barbarisches Gemetzel hatten? Auch zeichnet der Film ein Bild der "Moderne", das sich durch Oberflächlichkeit, Gier und Selbstsucht auszeichnet. So gesehen ist der fanatische alte Bischof also vielleicht gar nicht einmal so im Unrecht?
Die eigenartige Ambivalenz dieses Szenarios findet ihren pointierten Ausdruck in zwei Zeilen aus dem Keith Emerson - Song, der in der Disco gespielt wird, die Lotte besucht: "Taste the fruit of modern time. / Taste the fruit of sin." Haben wir das als Kritik an der katholischen Moral zu verstehen, die als sündig verdammt, was in Wahrheit menschlich und erfüllend ist {und hier natürlich vor allem die Welt der Sexualität}? Oder sollen wir daraus den Schluss ziehen, dass der Hedonismus der modernen Gesellschaft im Grunde nicht weniger verwerflich ist als die Bigotterie der Kirche?
Ich denke, dass sich dieser Widerspruch im Kern von The Church nicht befriedigend auflösen lässt, sondern Ausdruck einer in sich widersprüchlichen Weltsicht ist, mit der Michele Soavi auf die gesellschaftlichen Entwicklungen seiner Zeit reagierte. Eine Frage, der ich weiter nachgehen will, wenn es mir gelingen sollte, auch den Rest seines Horror-Ouevres zu besprechen.
PS: The Church ist der einzige mir bekannte Horrorfilm, in dem die Lustigen Taschenbücher einen Auftritt haben ...
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