"Außerdem studierte er abstruse Bücher, die aus chaldäischen Bibliotheken
gestohlen worden waren, wenn Fafhrd auch aus langer Erfahrung wusste,
dass der Mausling selten über das Vorwort hinauskaum (obwohl er oft die
letzten Kapitel aufrollte und neugierig hineinschaute und beißende Kritik
äußerte)."

Fritz Leiber, Das Spiel des Adepten


Sonntag, 25. Dezember 2016

Julzeit-Vergnügen

When I returned to the drawing-room I found the company seated round the fire listening to the parson, who was deeply ensconced in a high-backed oaken chair, the work of some cunning artificer of yore, which had been brought from the library for his particular accommodation. From this venerable piece of furniture, with which his shadowy figure and dark weazen face so admirably accorded, he was dealing out strange accounts of the popular superstitions and legends of the surrounding country, with which he had become acquainted in the course of his antiquarian researches. I am half inclined to think that the old gentleman was himself somewhat tinctured with superstition, as men  are very apt to be who live a recluse and studious life in a sequestered part of the country and pore over black-letter tracts, so often filled with the marvelous and supernatural.   

Wie berichtet, war ich nicht unbedingt in Festtagslaune, als Heilig Abend herannahte. Das hat sich inzwischen erfreulicherweise etwas geändert. Grund hierfür war vor allem ein Weihnachtsgeschenk besonderer Art, als eine sehr liebe Freundin, von der ich seit längerer Zeit nichts mehr gehört hatte, sich plötzlich bei mir zurückmeldete. 
Wie dem auch sei, auf jedenfall befand ich mich heute in der richtigen Stimmung, um das Fest auf eine Weise zu feiern, die mir besonders sympathisch ist.
 
Alle, die meinem Blog schon etwas länger folgen, wissen vermutlich, dass ich ein großer Freund der alten englischen Tradition bin, sich zur Julzeit mit dem Erzählen von Gespenstergeschichten zu unterhalten. Da kam mir ein anderes, etwas materielleres -- aber gleichfalls phantastisches -- Weihnachtsgeschenk sehr entgegen, das ich am Abend zuvor erhalten hatte: Die von Leah Moore und John Reppion kreierte Comicadaption der ersten vier Ghost Stories of an Antiquary des unsterblichen M.R. James.

Ich muss gestehen, dass der Comic eine Kunstform ist, zu der ich lange Zeit keinen rechten Zugang habe finden können. Warum, weiß ich selbst nicht so genau. Auf jedenfall ist meine Vertrautheit mit ihr auch heute noch sehr unterentwickelt. Was mich allerdings nicht davon abgehalten hat, das exquisite kleine Bändchen schon beim ersten Hineinschmökern äußerst ansprechend zu finden. Moore und Reppion beweisen ein tiefes Einfühlungsvermögen in Montys Erzählkunst, deren besondere Qualitäten sie sehr geschickt in das neue Medium zu übertragen verstehen. Die Zeichnungen von Aneke, Kit Buss, Fouad Mezher und Alisdair Wood verleihen aufgrund der sehr unterschiedlichen Stile der Künstlerinnen & Künstler jeder der vier Geschichten (Canon Alberic's Scrap-book, Lost Hearts, The Mezzotint und The Ash-tree) einen distinkten Charakter. Selbstredend kann eine erste, oberflächliche Lektüre einem Werk dieser Art nicht gerecht werden. Es verlangt nach eingehenderer und aufmerksamerer Betrachtung. Dennoch kann ich Ghost Stories of an Antiquary Vol. 1 schon jetzt jedem Freund & jeder Freundin des Phantastischen, und vor allem natürlich allen Verehrerinnen & Verehrern von M.R. James und der klassischen englischen Gespenstergeschichte, wärmstens ans Herz legen. {Interviews mit John Reppion & Leah Moore zu dem Buch kann man sich in diesen Episoden von A Podcast to the Curious und The Northern Soul Podcast anhören.}

Da der 24. Dezember nicht nur Heilig Abend, sondern zugleich der Geburtstag des von mir tief verehrten Fritz Leiber ist, dachte ich mir, die Lektüre einer seiner unheimlichen Kurzgeschichten sei gleichfalls keine schlechte Idee für den ersten Weihnachtstag. Ich entschied mich für The Girl with the Hungry Eyes
Wenn Monty der unbestrittene Großmeister der klassischen Geistergeschichte ist, legt uns Leiber mit dieser beeindruckenden kleinen Story ein frühes Beispiel für einen spezifisch modernen Horror vor.

Doch so schön es auch ist, eine gute Spukgeschichte zu lesen, es ist nicht dasselbe, wie sie erzählt zu bekommen. Für die richtige Julfest-Unterhaltung musste ich mich anderswo umschauen. Glücklicherweise kenne ich genug britische Freunde & Freundinnen des Unheimlichen & Phantastischen, die diese Tradition ihrer Heimat hochhalten und zur Weihnachtszeit entsprechende Beiträge ins Netz stellen.
Da hätten wir z.B. Christopher Browns großartige A Drinker's Story. Was mich an dieser Geschichte besonders angesprochen hat, ist, dass der Akt des Erzählens selbst ein integraler Bestandteil der Erzähluing ist. Sie würde nicht diesselbe Wirkung erzielen, wenn man sie lesen würde.
Der gute Mr. Jim Moon derweil erfreut uns in Do You Hear What I Hear mit einem Bericht darüber, wie die alte Standuhr, die allen Hörern & Hörerinnen seines Podcasts Hypnobobs wohlbekannt sein dürfte, ursprünglich ihren Weg in Darlingtons "Great Library of Dreams" gefunden hat. Dabei wandelt er wieder einmal auf den Spuren des großen Geisterjägers Carnacki.
Und die wundervolle Julia Morgan (Morgan Scorpion) schließlich hat vor einigen Stunden eine von ihr vorgetragene Fassung von Elizabeth Gaskells The Old Nurse's Story hochgeladen. Für weitere nächtliche Julzeit-Vergnügen ist damit gesorgt.

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