"Außerdem studierte er abstruse Bücher, die aus chaldäischen Bibliotheken
gestohlen worden waren, wenn Fafhrd auch aus langer Erfahrung wusste,
dass der Mausling selten über das Vorwort hinauskaum (obwohl er oft die
letzten Kapitel aufrollte und neugierig hineinschaute und beißende Kritik
äußerte)."

Fritz Leiber, Das Spiel des Adepten


Montag, 1. August 2016

"Secretum meum mihi et filiis domus meae"

Als ich vor etlichen Jahren das erste Mal Bekanntschaft mit der phantastischen Welt des großen Montague Rhodes James schloss, dessen 154. Geburtstag wir heute feiern können, gehörte Mr. Humphreys and His Inheritance zu den Kurzgeschichten Montys, die einen besonders starken Eindruck bei mir hinterließen. Und auch heute noch zähle ich sie zu meinen Favoriten. 
Grund hierfür ist weniger die – zweifelsohne sehr eindrucksvolle – Szene, in der sich ein Tintenklecks vor den Augen des Protagonisten in einen bodenlosen Schacht zu verwandeln scheint, aus dem eine grausige Gestalt zu ihm emporsteigt:
It took shape as a face a human face a burnt human face: and with the odious writhings of a wasp creeping out of a rotten apple there clambered forth an appearance of a form, waving black arms prepared to clasp the head that was bending over them. 
Was mich an dieser Story besonders stark anspricht ist vielmehr die gespenstisch-mysteriöse Atmosphäre, die den "Tempel der Freundschaft", den Irrgarten und die "Himmelskugel" mit ihren gnostisch-okkultistischen Anklängen umgibt. Die Lektüre des in Ghosts and Scholars veröffentlichen Artikels James Wilson's Secret von Rosemary Pardoe & Jane Nicholls hat diesen Eindruck in gewisser Weise noch verstärkt, legen die beiden Autorinnen doch recht überzeugend dar, dass die in der Geschichte verwendete Symbolik darauf hindeutet, dass wir in dem Erbauer des Irrgartens einen Kainiten, d.h. den Anhänger einer ganz bestimmten gnostischen Sekte, zu sehen haben.

Abgesehen von The Lost Will of Dr. Rant (1951), Jacques Tourneurs Klassiker Night of the Demon (1957) sowie einigen neueren Indie-Produktionen wie den A Pleasing Terror - Filmen von Daniel & Richard Mansfield habe ich die allermeisten M.R. James - Adaptionen bereits mehr oder minder ausführlich auf diesem Blog besprochen. {hier * hier * hier * hier * hier}. Dass ich dabei ausgerechnet die 1976 von ITV produzierte Verfilmung von Mr. Humphreys and His Inheritance außen vor gelassen habe, mag angesichts meiner Liebe für die Story zurecht merkwürdig erscheinen.  Also hole ich das jetzt rasch nach.
Das gerade einmal sechzehn Minuten lange, unter der Regie von Tony Scull gedrehte Filmchen ist so etwas wie eine Kuriosität. Es wurde ursprünglich als Teil eines Schulprogramms ausgestrahlt, mit dem Kinder dazu animiert werden sollten, sich mit Musik zu beschäftigen. Warum Scull dafür auf eine M.R. James - Geschichte zurückgriff, erscheint nicht recht nachvollziehbar. Allerdings erklärt es, warum der Film mit einer recht interessanten Komposition von Philip Wilby unterlegt ist. Inhaltlich hält sich der Streifen realtiv eng an seine literarische Vorlage, auch wenn das zweifellos äußerst magere Budget u.a. dazu geführt hat, dass wir den "Tempel der Freundschaft" nicht zu sehen bekommen und auf Lady Wardrops Besuch verzichten müssen. Auch wurde die puritanische Predigt vom Irrgarten, die Humphreys in einem alten Buch entdeckt, ersatzlos gestrichen. Dafür ist die Erscheinung des höllischen Gesichtes ziemlich effektvoll – und in Anbetracht des ursprünglichen Publikums recht drastisch – in Szene gesetzt. Leider jedoch gelingt es dem Streifen nicht wirklich, die der Story eigene Atmosphäre einzufangen. Seinem Irrgarten fehlt ein wenig die nötige Aura des Geheimnisvollen uind Düsteren. Auch sind beinahe alle Bezüge auf den gnostischen Symbolismus verschwunden. Was mitunter sicher auch auf das fehlende Budget zurückgeführt werden kann. Es dürfte kaum möglich gewesen sein, ein so kunstvolles und detailreiches Objekt wie die "Himmelskugel" aus Montys Story für ein sechzehn Minuten langes "Schulfilmchen" anfertigen zu lassen.
One feature seemed familiar; a winged serpent Draco encircled it about the place which, on a terrestrial globe, is occupied by the equator: but on the other hand, a good part of the upper hemisphere was covered by the outspread wings of a large figure whose head was concealed by a ring at the pole or summit of the whole. Around the place of the head the words princeps tenebrarum could be deciphered. In the lower hemisphere there was a space hatched all over with cross-lines and marked as umbra mortis . Near it was a range of mountains, and among them a valley with flames rising from it. This was lettered (will you be surprised to learn it?) vallis filiorum Hinnom . Above and below Draco were outlined various figures not unlike the pictures of the ordinary constellations, but not the same. Thus, a nude man with a raised club was described, not as Hercules but as Cain . Another, plunged up to his middle in earth and stretching out despairing arms, was Chore , not Ophiuchus , and a third, hung by his hair to a snaky tree, was Absolon . Near the last, a man in long robes and high cap, standing in a circle and addressing two shaggy demons who hovered outside, was described as Hostanes magus (a character unfamiliar to Humphreys). The scheme of the whole, indeed, seemed to be an assemblage of the patriarchs of evil, perhaps not uninfluenced by a study of Dante.   
Doch ohne Details wie diese geht viel von dem verloren, was den besonderen Reiz der Geschichte ausmacht.
Trotzdem ist der Film kein völliger Misserfolg. Geoffrey Russel als ein – deutlich älterer – Mr. Humphreys und Peter Wheeler als sein Verwalter Cooper sind durchaus überzeugend, und Wilbys Musik – ob der Story nun wirklich angemessen oder nicht – verleiht dem Streifen eine interessante zusätzliche Dimension. Betrachtet und beurteilt man ihn als die etwas bizarre Kuriosität, die er unter den Mr James - Verfilmungen in der Tat darstellt, so ist er durchaus einen Kurzbesuch wert.



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