Die Ende der 70er / Anfang der 80er Jahre von der BBC produzierte SciFi-Serie Blake's 7 gehört zu meinen absoluten Favoriten unter den televisionären Space Operas. Die Aufnahme in die allerhöchsten Ränge meines Pantheons – an die Seite von Farscape und Babylon 5 – muss ich ihr zwar verweigern, und meine Beziehung zu ihr ist bei weitem nicht so intensiv und persönlich wie zu Star Trek, aber dennoch mischt sie für mich ganz oben mit.
Ich habe keine Ahnung, wie bekannt oder unbekannt Blake's 7 hierzulande ist. Ich selbst habe die Serie erst im Herbst 2012 kennengelernt. Und da sie nie im deutschen Fernsehen gezeigt wurde, denke ich, dass eine kurzgefasste allgemeine Einführung angebracht sein dürfte.
Die von Terry Nation – dem Vater der Daleks aus Doctor Who – und Chris Boucher kreierte Serie erzählt von den Abenteuern einer kleinen, bunt zusammengewürfelten Gruppe von Rebellen, Exsträflingen und Underdogs, die sich mit dem Raumschiff Liberator* ständig auf der Flucht vor oder im Kampf gegen die totalitäre Terranische Föderation und ihre machthungrige Diktatorin Servalan (Jacqueline Pearce) befinden. In den ersten zwei der insgesamt vier Staffeln werden unsere Helden und Heldinnen dabei von dem ebenso idealistischen wie egomanischen Freiheitskämpfer Blake (Gareth Thomas) angeführt. Danach wird der sarkastische und zynische, aber hochintelligente Avon (Paul Darrow), der bisher so etwas wie den moralischen Gegenpol zu Blakes Idealismus verkörperte, zur dominierenden Figur der Serie {wenn auch nicht zum unbestrittenen Anführer der Gruppe}.
Das dystopische Szenario, die moralisch ambivalenten Charaktere und die immer wieder aufflammenden Konflikte innerhalb der Gruppe heben Blake's 7 sehr deutlich vom naiven Optimismus à la Star Trek ab. In mancherlei Hinsicht darf die Serie als eine direkte Vorfahrin von Farcsape und Firefly gelten. Und wer immer noch glaubt, Joss Whedon sei der erste gewesen, der es "gewagt" hätte, Hauptfiguren einer TV-Serie sterben zu lassen, wird hier auf sehr eindringliche Weise eines Besseren belehrt. Vor allem das kompromisslos pessimistische Finale wirkt selbst heute noch leicht schockierend.
Eine kleine Warnung muss ich allerdings vorausschicken: Wer über primtive Trickeffekte und "eigenwillige" Kostüme nicht mit einem amüsierten Lächeln hinwegsehen und sich stattdessen auf Story, Charaktere und Dialog konzentrieren kann, sollte einen großen Bogen um Blake's 7 machen. Er oder sie würde bloß eine Entäuschung erleben. Die Serie verfügte nur über ein relativ kleines Budget, und das sieht man ihr auch an. Eine Wiederholung des bei Space 1999 (1975-77) betriebenen technischen Aufwands war nicht vorgesehen.
Eine ausführlichere Besprechung der gesamten Serie muss leider noch etwas auf sich warten lassen, ist aber angepeilt. Für den Moment muss es genügen, zu sagen, dass sie mit dem Ausscheiden von Gareth Thomas am Ende der zweiten Staffel viel von dem politischen Element verliert, das bis dahin einen Gutteil ihres besonderen Reizes ausgemacht hatte. Zwar nimmt die Gruppe spätestens in Staffel 4 den direkten revolutionären Kampf gegen die Föderation wieder auf, aber mit Blake fehlt die Figur, an der die kritische Auseinandersetzung mit dem romantischen Ideal des Guerilleros festgemacht worden war. Über weite Strecken wirkt Blake's 7 in der zweiten Hälfte deshalb eher wie eine typische klassische TV - Space Opera. Dank interessanter Charaktere und einiger ziemlich bizarrer Ideen bleibt die Serie jedoch auch dann immer noch sehr unterhaltsam.
Bei meinem kürzlichen Rewatch fielen mir dabei zwei Episoden besonders auf: Sarcophagus (S3 E9) und Sand (S4 E9). Nicht, weil sie die besten wären, sondern weil sie sich auf ihre je eigene Art sehr deutlich vom Rest der "Weltraumabenteuer" - Folgen abheben. Dabei fällt es auf den ersten Blick gar nicht so leicht, genau festzumachen, worin das Besondere der beiden eigentlich besteht. Es ist jedenfalls nicht allein die Bizarrerie des Erzählten. Schließlich begegnen unsere Heldinnen und Helden allein in der dritten Staffel u.a. auch einem verbannten "Gott", dessen Majordomus wie ein Varieté-Magier gekleidet ist (Dawn of the Gods), sowie einem künstlichen Planeten, in dessen Kern sich ein riesiges Gehirn mit einem Heißhunger auf Informationen und menschliche Hirnmasse verbirgt (Ultraworld). Was Sarcophagus und Sand vom Rest der Serie abhebt, ist meines Erachtens nach vor allem in der Atmosphäre der beiden Geschichten zu suchen. Naturgemäß etwas, was nur schwer konkret zu fassen ist und bei dessen Beurteilung subjektive Eindrücke eine besonders große Rolle spielen.
Interessanterweise wurden die Drehbücher für beide Episoden von ein- und derselben Person verfasst: Der bekannten britischen SF- und Fantasyautorin Tanith Lee.
Nun kann ich nicht behaupten, mit deren Werk besonders gut vertraut zu sein. Das Gegenteil ist der Fall. Doch zum Glück gibt es ja das Forum der wunderbaren Bibliotheka Phantastika und den guten Gerd Rottenecker, der stets bereit ist, sein enzyklopädisches Wissen in Sachen SF&F-Literatur mit uns weniger bewanderten zu teilen. {Danke, Gerd.} Auf meine Frage, wie Tanith Lees Oeuvre der 70er und 80er Jahre in stilistischer Hinsicht charakterisiert werden könnte, antwortete er : "[I]hre beiden SF-Romane aus den 70ern (Don't Bite the Sun ('76) und Drinking Sapphire Wine ('77)), in denen es um ein Utopia geht, das eigentlich ein Dystopia ist, [sind] schon irgendwie ... hm ... "schräg". Ein bisschen anders schräg ist auch The Silver Metal Lover von '81, und die Tales of the Flat Earth [...] sind schon vom Ansatz her sehr merkwürdig. [...] Auffällig ist in so ziemlich allen Romanen, die ich von ihr kenne, eine unterschwellig eigentlich immer vorhandene, manchmal auch sehr vordergründig ausgespielte erotische Komponente. [...] [E]ine Art "Schwüle", ein Getränktsein von mal deutlicher, mal weniger deutlich dargestelltem Verlangen und Begehren, als wenn alles mit einer erotischen Komponente aufgeladen wäre."
Ob diese Charakterisierung auch auf ihre beiden Blake's 7 - Drehbücher zutrifft? Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, doch glaube ich einige verwandte Elemente in den beiden Episoden entdeckt zu haben.
"Schräg" trifft es jedenfalls auch für Sarcophagus ziemlich gut:
Die Episode beginnt mit einer minutenlangen, verwirrend und surreal anmutenden Szene, in der eine Gruppe Frauen in schwarzen und roten Gewändern und mit silbernen Gesichtern eine eigenartige Zeremonie durchführt, in deren Verlauf sie eine Reihe maskierter Gestalten (u.a. einen Hofnarren, einen Musiker und einen Krieger?) heraufbeschwören und wieder bannen. Zum Abschluss streift die Hohepriesterin (?) einen Ring auf die goldene Hand eines verhüllten Leichnams (?). Die vielen Fragezeichen mögen verdeutlichen, wie undurchsichtig das Ganze auf den Betrachter wirken muss.
Die eigentliche Geschichte, die folgt, ist gleichfalls recht eigentümlich. Die Liberator stößt auf ein durchs All treibendes Schiff unbekannter außerirdischer Herkunft ohne Besatzung. Die telepathisch begabte Cally (Jan Chappell) empfängt ein verschwommenes Signal, verschweigt dies jedoch gegenüber ihren Kameraden. Obwohl Avon entschieden davon abrät, beschließt die Mannschaft, dem fremden Schiff einen Besuch abzustatten. Dieses entpuppt sich als eine Art fliegendes Mausoleum. Cally fühlt sich auf eigenartige Weise beobachtet und bedroht, dennoch bringt sie gemeinsam mit Avon und Vila (Michael Keating) ein fremdartiges Artefakt auf die Liberator, wobei es zu unerklärlichen Fehlfunktionen des Transporters kommt. Beinah im selben Augenblick zerstört sich das fremde Schiff selbst. Unglücklicherweise ist mit dem Artefakt auch ein geisterhaftes Wesen auf die Liberator gelangt, das alsbald beginnt, Callys Psyche zu übernehmen und sich einen neuen Körper nach ihrem Vorbild zu erschaffen. Die übrigen Besatzungsmitglieder sollen die Rollen der anfangs in der Zeremonie gezeigten Mitglieder des Hofstaats der "Wiederauferstandenen" übernehmen. (Vila als Hofnarr, Dayna [Josette Simon] als Musikerin und Tarrant [Steven Pacey] als Leibwächter)
Die Handlung wird immer wieder von eigenartigen Visionen und Halluzinationen unterbrochen – an einer Stelle wird dabei sogar ein Lied vorgetragen –, was ihr in der Tat einen ziemlich "schrägen", leicht psychedelischen Charakter verleiht. Das wirklich Interessante ist jedoch, dass die gesamte Episode von dem Leitmotiv Einsamkeit und Verlorenheit durchtränkt zu scheint.
Sand ist nicht weniger "schräg" als Sarcophagus, und das Leitmotiv scheint ein ähnliches zu sein. Die Atmosphäre der Episode ist allerdings weniger "psychedelisch" oder "surreal", als vielmehr unheimlich und bedrückend.
Erneut verleiht bereits die Eröffnungssszene der Folge einen ganz eigenen Ton. Wir sehen das Panorama einer toten Fels- und Wüstenlandschaft in unwirklichen Grüntönen. Dazu hören wir die anfangs in resigniert und ruhig wirkendem Tonfall vorgetragene letzte Botschaft des dem Tode geweihten Wissenschaftlers Keller an seine Vorgesetzten. Sie beginnt mit den ebenso poetisch wie gespenstisch anmutenden Sätzen: "I know a land beyond the heart of time. The sun never comes there. No moon ever shines. And man, a grain of sand, nameless and lost, blows with the dust."
Vor fünf Jahren sind Keller und seine Crew auf dem "grünen Planeten" Virn einer unbekannten Seuche zum Opfer gefallen. Zuvor jedoch konnten sie noch an das Hauptquartier der Föderation weitergeben, dass der Planet irgendeine außergewöhnliche, nicht genauer zu definierende Qualität besitzen muss. Den Instrumenten zufolge beherbergt er Leben, doch wirkt er völlig ausgestorben. Kellers kryptischer Bericht dient Exdiktatorin Servalan {seit ihrem offiziellen Tod unter dem Namen "Commissioner Sleer" agierend} als Anlass, gemeinsam mit Investigator Reeve {offenbar einem hochrangigen Offizier der Föderation} zu dem "grünen Planeten" zu fliegen. Wie wir am Ende der Folge erfahren, ist der eigentliche Grunde jedoch, dass Keller vor langer Zeit einmal Servalans Geliebter war. Das Schiff der beiden stürzt aus mysteriösen Gründen auf dem Planeten ab und sie müssen sich zu Fuß auf den Weg zu Kellers Station machen. Doch sie sind nicht die einzigen, die sich für Virn interessieren. Dank ihres Supercomputers Orac haben Avon & Co. gleichfalls Kellers letzte Botschaft kennengelernt und zugleich erfahren, dass die Föderation eine Expedition auf den "Grünen Planeten" geschickt hat. Grund genug sich auch einmal dort umzuschauen.
Die Virn-Kulissen sehen so billig aus, wie man das von einer Blake's 7 - Episode erwarten darf. Dennoch beschwören sie zusammen mit dem unablässigen Säuseln des Windes, Dudley Simpsons Musik und einer recht geschickten Cinematographie eine ziemlich intensive und bedrückende Atmosphäre herauf. Das so offensichtlich Künstliche der Landschaft wirkt in diesem Kontext sogar eher als ein verstärkendes Moment.
Es dauert nicht lange, und Servalan und Tarrent sind die einzigen Überlebenden. Die Kommunikation zu ihren jeweiligen Schiffen ist abgebrochen, und sie sehen sich gezwungen, fürs Erste zusammenzuarbeiten. Gemeinsam erkunden sie Kellers Station und finden die erstaunlich frisch wirkende Leiche des Wissenschaftlers, werden zugleich jedoch von einem mächtigen Sandrutsch in dem Gebäude eingeschlossen. Und wie sie bald darauf erkennen müssen, ist es eben dieser Sand, der die wahre Bedrohung auf Virn darstellt. Eine fremdartige Form von Leben, die sich von der Lebensenergie anderer Wesen {Menschen!} ernährt wie eine Art Vampir ...
Wie gesagt scheint mir auch in Sand das eigentliche Leitmotiv Einsamkeit zu sein, doch ist es hier mit einer sehr viel stärker "erotischen" Komponente verbunden.
Beide Geschichten – Sarcophagus wie Sand – scheinen sich mir im Spannungsfeld zwischen den Polen "Einsamkeit/Verlorenheit" und "Erotische Anziehung/Liebe" zu bewegen. Die Akzente sind dabei jeweils etwas anders gesetzt. Zu beurteilen, inwieweit dies Tanith Lees Handschrift ist, überlasse ich denen, die die Autorin und ihr Werk besser kennen als ich.
PS: Wer sich die beiden Drehbücher {oder zumindest die Dialog-Scripte} einmal durchlesen will, kann dies hier tun.
* Staffel 3, die ursprünglich die letzte der Serie sein sollte, endet mit der Zerstörung der Liberator. In den ersten Episoden der letzten Staffel fällt der Gruppe dann der technisch aufgerüstete Frachter Scorpio in die Hände.
Ich habe keine Ahnung, wie bekannt oder unbekannt Blake's 7 hierzulande ist. Ich selbst habe die Serie erst im Herbst 2012 kennengelernt. Und da sie nie im deutschen Fernsehen gezeigt wurde, denke ich, dass eine kurzgefasste allgemeine Einführung angebracht sein dürfte.
Die von Terry Nation – dem Vater der Daleks aus Doctor Who – und Chris Boucher kreierte Serie erzählt von den Abenteuern einer kleinen, bunt zusammengewürfelten Gruppe von Rebellen, Exsträflingen und Underdogs, die sich mit dem Raumschiff Liberator* ständig auf der Flucht vor oder im Kampf gegen die totalitäre Terranische Föderation und ihre machthungrige Diktatorin Servalan (Jacqueline Pearce) befinden. In den ersten zwei der insgesamt vier Staffeln werden unsere Helden und Heldinnen dabei von dem ebenso idealistischen wie egomanischen Freiheitskämpfer Blake (Gareth Thomas) angeführt. Danach wird der sarkastische und zynische, aber hochintelligente Avon (Paul Darrow), der bisher so etwas wie den moralischen Gegenpol zu Blakes Idealismus verkörperte, zur dominierenden Figur der Serie {wenn auch nicht zum unbestrittenen Anführer der Gruppe}.
Das dystopische Szenario, die moralisch ambivalenten Charaktere und die immer wieder aufflammenden Konflikte innerhalb der Gruppe heben Blake's 7 sehr deutlich vom naiven Optimismus à la Star Trek ab. In mancherlei Hinsicht darf die Serie als eine direkte Vorfahrin von Farcsape und Firefly gelten. Und wer immer noch glaubt, Joss Whedon sei der erste gewesen, der es "gewagt" hätte, Hauptfiguren einer TV-Serie sterben zu lassen, wird hier auf sehr eindringliche Weise eines Besseren belehrt. Vor allem das kompromisslos pessimistische Finale wirkt selbst heute noch leicht schockierend.
Eine kleine Warnung muss ich allerdings vorausschicken: Wer über primtive Trickeffekte und "eigenwillige" Kostüme nicht mit einem amüsierten Lächeln hinwegsehen und sich stattdessen auf Story, Charaktere und Dialog konzentrieren kann, sollte einen großen Bogen um Blake's 7 machen. Er oder sie würde bloß eine Entäuschung erleben. Die Serie verfügte nur über ein relativ kleines Budget, und das sieht man ihr auch an. Eine Wiederholung des bei Space 1999 (1975-77) betriebenen technischen Aufwands war nicht vorgesehen.
Eine ausführlichere Besprechung der gesamten Serie muss leider noch etwas auf sich warten lassen, ist aber angepeilt. Für den Moment muss es genügen, zu sagen, dass sie mit dem Ausscheiden von Gareth Thomas am Ende der zweiten Staffel viel von dem politischen Element verliert, das bis dahin einen Gutteil ihres besonderen Reizes ausgemacht hatte. Zwar nimmt die Gruppe spätestens in Staffel 4 den direkten revolutionären Kampf gegen die Föderation wieder auf, aber mit Blake fehlt die Figur, an der die kritische Auseinandersetzung mit dem romantischen Ideal des Guerilleros festgemacht worden war. Über weite Strecken wirkt Blake's 7 in der zweiten Hälfte deshalb eher wie eine typische klassische TV - Space Opera. Dank interessanter Charaktere und einiger ziemlich bizarrer Ideen bleibt die Serie jedoch auch dann immer noch sehr unterhaltsam.
Bei meinem kürzlichen Rewatch fielen mir dabei zwei Episoden besonders auf: Sarcophagus (S3 E9) und Sand (S4 E9). Nicht, weil sie die besten wären, sondern weil sie sich auf ihre je eigene Art sehr deutlich vom Rest der "Weltraumabenteuer" - Folgen abheben. Dabei fällt es auf den ersten Blick gar nicht so leicht, genau festzumachen, worin das Besondere der beiden eigentlich besteht. Es ist jedenfalls nicht allein die Bizarrerie des Erzählten. Schließlich begegnen unsere Heldinnen und Helden allein in der dritten Staffel u.a. auch einem verbannten "Gott", dessen Majordomus wie ein Varieté-Magier gekleidet ist (Dawn of the Gods), sowie einem künstlichen Planeten, in dessen Kern sich ein riesiges Gehirn mit einem Heißhunger auf Informationen und menschliche Hirnmasse verbirgt (Ultraworld). Was Sarcophagus und Sand vom Rest der Serie abhebt, ist meines Erachtens nach vor allem in der Atmosphäre der beiden Geschichten zu suchen. Naturgemäß etwas, was nur schwer konkret zu fassen ist und bei dessen Beurteilung subjektive Eindrücke eine besonders große Rolle spielen.
Interessanterweise wurden die Drehbücher für beide Episoden von ein- und derselben Person verfasst: Der bekannten britischen SF- und Fantasyautorin Tanith Lee.
Nun kann ich nicht behaupten, mit deren Werk besonders gut vertraut zu sein. Das Gegenteil ist der Fall. Doch zum Glück gibt es ja das Forum der wunderbaren Bibliotheka Phantastika und den guten Gerd Rottenecker, der stets bereit ist, sein enzyklopädisches Wissen in Sachen SF&F-Literatur mit uns weniger bewanderten zu teilen. {Danke, Gerd.} Auf meine Frage, wie Tanith Lees Oeuvre der 70er und 80er Jahre in stilistischer Hinsicht charakterisiert werden könnte, antwortete er : "[I]hre beiden SF-Romane aus den 70ern (Don't Bite the Sun ('76) und Drinking Sapphire Wine ('77)), in denen es um ein Utopia geht, das eigentlich ein Dystopia ist, [sind] schon irgendwie ... hm ... "schräg". Ein bisschen anders schräg ist auch The Silver Metal Lover von '81, und die Tales of the Flat Earth [...] sind schon vom Ansatz her sehr merkwürdig. [...] Auffällig ist in so ziemlich allen Romanen, die ich von ihr kenne, eine unterschwellig eigentlich immer vorhandene, manchmal auch sehr vordergründig ausgespielte erotische Komponente. [...] [E]ine Art "Schwüle", ein Getränktsein von mal deutlicher, mal weniger deutlich dargestelltem Verlangen und Begehren, als wenn alles mit einer erotischen Komponente aufgeladen wäre."
Ob diese Charakterisierung auch auf ihre beiden Blake's 7 - Drehbücher zutrifft? Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, doch glaube ich einige verwandte Elemente in den beiden Episoden entdeckt zu haben.
"Schräg" trifft es jedenfalls auch für Sarcophagus ziemlich gut:
Die Episode beginnt mit einer minutenlangen, verwirrend und surreal anmutenden Szene, in der eine Gruppe Frauen in schwarzen und roten Gewändern und mit silbernen Gesichtern eine eigenartige Zeremonie durchführt, in deren Verlauf sie eine Reihe maskierter Gestalten (u.a. einen Hofnarren, einen Musiker und einen Krieger?) heraufbeschwören und wieder bannen. Zum Abschluss streift die Hohepriesterin (?) einen Ring auf die goldene Hand eines verhüllten Leichnams (?). Die vielen Fragezeichen mögen verdeutlichen, wie undurchsichtig das Ganze auf den Betrachter wirken muss.
Die eigentliche Geschichte, die folgt, ist gleichfalls recht eigentümlich. Die Liberator stößt auf ein durchs All treibendes Schiff unbekannter außerirdischer Herkunft ohne Besatzung. Die telepathisch begabte Cally (Jan Chappell) empfängt ein verschwommenes Signal, verschweigt dies jedoch gegenüber ihren Kameraden. Obwohl Avon entschieden davon abrät, beschließt die Mannschaft, dem fremden Schiff einen Besuch abzustatten. Dieses entpuppt sich als eine Art fliegendes Mausoleum. Cally fühlt sich auf eigenartige Weise beobachtet und bedroht, dennoch bringt sie gemeinsam mit Avon und Vila (Michael Keating) ein fremdartiges Artefakt auf die Liberator, wobei es zu unerklärlichen Fehlfunktionen des Transporters kommt. Beinah im selben Augenblick zerstört sich das fremde Schiff selbst. Unglücklicherweise ist mit dem Artefakt auch ein geisterhaftes Wesen auf die Liberator gelangt, das alsbald beginnt, Callys Psyche zu übernehmen und sich einen neuen Körper nach ihrem Vorbild zu erschaffen. Die übrigen Besatzungsmitglieder sollen die Rollen der anfangs in der Zeremonie gezeigten Mitglieder des Hofstaats der "Wiederauferstandenen" übernehmen. (Vila als Hofnarr, Dayna [Josette Simon] als Musikerin und Tarrant [Steven Pacey] als Leibwächter)
Die Handlung wird immer wieder von eigenartigen Visionen und Halluzinationen unterbrochen – an einer Stelle wird dabei sogar ein Lied vorgetragen –, was ihr in der Tat einen ziemlich "schrägen", leicht psychedelischen Charakter verleiht. Das wirklich Interessante ist jedoch, dass die gesamte Episode von dem Leitmotiv Einsamkeit und Verlorenheit durchtränkt zu scheint.
- Cally hängt melancholischen Gedanken an ihre verlorene Heimat nach und sehnt sich möglicherweise sogar nach Kontakt mit dem geisterhaften Wesen als einer vermeintlich "verwandten Seele", dem sie scheinbar keinerlei ernsthaften Widerstand entgegegensetzt.
- Vila hat Angst, alleine auf dem Kommandodeck zurückgelassen zu werden.
- Ein heftiger Wortwechsel zwischen Avon und Tarrant zeigt, wie groß die Spannungen innerhalb der Gruppe sind und dass die Mannschaft der Liberator nur sehr bedingt als eine Gemeinschaft gelten kann, deren Mitglieder sich sicher und geborgen fühlen könnten.
- All das kulminiert in der Gestalt der "Wiederauferstandenen" und ihrer panischen Furcht davor, erneut in den limboartigen Zustand verbannt zu werden, in dem sie die letzten Jahrhunderte gefangen war: "How can you imagine how it must like to be dead ... To exist in nothingness ... In nowhere ... Blind, deaf, dumb, and yet to be sentient, aware, waiting ... centuries of waiting ... I have to find my world again, my people, my home ..." Dasselbe Gefühl wird auch in dem schon erwähnten Lied zum Ausdruck gebracht: "I left my world to wander in this endless midnight sky. For space is just a starry night where no suns ever rise."
Sand ist nicht weniger "schräg" als Sarcophagus, und das Leitmotiv scheint ein ähnliches zu sein. Die Atmosphäre der Episode ist allerdings weniger "psychedelisch" oder "surreal", als vielmehr unheimlich und bedrückend.
Erneut verleiht bereits die Eröffnungssszene der Folge einen ganz eigenen Ton. Wir sehen das Panorama einer toten Fels- und Wüstenlandschaft in unwirklichen Grüntönen. Dazu hören wir die anfangs in resigniert und ruhig wirkendem Tonfall vorgetragene letzte Botschaft des dem Tode geweihten Wissenschaftlers Keller an seine Vorgesetzten. Sie beginnt mit den ebenso poetisch wie gespenstisch anmutenden Sätzen: "I know a land beyond the heart of time. The sun never comes there. No moon ever shines. And man, a grain of sand, nameless and lost, blows with the dust."
Vor fünf Jahren sind Keller und seine Crew auf dem "grünen Planeten" Virn einer unbekannten Seuche zum Opfer gefallen. Zuvor jedoch konnten sie noch an das Hauptquartier der Föderation weitergeben, dass der Planet irgendeine außergewöhnliche, nicht genauer zu definierende Qualität besitzen muss. Den Instrumenten zufolge beherbergt er Leben, doch wirkt er völlig ausgestorben. Kellers kryptischer Bericht dient Exdiktatorin Servalan {seit ihrem offiziellen Tod unter dem Namen "Commissioner Sleer" agierend} als Anlass, gemeinsam mit Investigator Reeve {offenbar einem hochrangigen Offizier der Föderation} zu dem "grünen Planeten" zu fliegen. Wie wir am Ende der Folge erfahren, ist der eigentliche Grunde jedoch, dass Keller vor langer Zeit einmal Servalans Geliebter war. Das Schiff der beiden stürzt aus mysteriösen Gründen auf dem Planeten ab und sie müssen sich zu Fuß auf den Weg zu Kellers Station machen. Doch sie sind nicht die einzigen, die sich für Virn interessieren. Dank ihres Supercomputers Orac haben Avon & Co. gleichfalls Kellers letzte Botschaft kennengelernt und zugleich erfahren, dass die Föderation eine Expedition auf den "Grünen Planeten" geschickt hat. Grund genug sich auch einmal dort umzuschauen.
Die Virn-Kulissen sehen so billig aus, wie man das von einer Blake's 7 - Episode erwarten darf. Dennoch beschwören sie zusammen mit dem unablässigen Säuseln des Windes, Dudley Simpsons Musik und einer recht geschickten Cinematographie eine ziemlich intensive und bedrückende Atmosphäre herauf. Das so offensichtlich Künstliche der Landschaft wirkt in diesem Kontext sogar eher als ein verstärkendes Moment.
Es dauert nicht lange, und Servalan und Tarrent sind die einzigen Überlebenden. Die Kommunikation zu ihren jeweiligen Schiffen ist abgebrochen, und sie sehen sich gezwungen, fürs Erste zusammenzuarbeiten. Gemeinsam erkunden sie Kellers Station und finden die erstaunlich frisch wirkende Leiche des Wissenschaftlers, werden zugleich jedoch von einem mächtigen Sandrutsch in dem Gebäude eingeschlossen. Und wie sie bald darauf erkennen müssen, ist es eben dieser Sand, der die wahre Bedrohung auf Virn darstellt. Eine fremdartige Form von Leben, die sich von der Lebensenergie anderer Wesen {Menschen!} ernährt wie eine Art Vampir ...
Wie gesagt scheint mir auch in Sand das eigentliche Leitmotiv Einsamkeit zu sein, doch ist es hier mit einer sehr viel stärker "erotischen" Komponente verbunden.
- Investigator Reeve bezeichnet Servalan nicht nur ausdrücklich als "einsam", sondern macht auch einige sehr plumpe Annäherungsversuche gegenüber der ehemaligen Präsidentin.
- Diese hat sich auf den Planeten begeben, in der Hoffnung ihren ehemaligen Geliebten zu finden. Sie spricht das zwar nie offen aus, aber ihre Reaktion beim Auffinden von Kellers Leiche ist eindeutig.
- Zwischen Servalan und Tarrant herrscht die ganze Zeit über eine erotisch aufgeladene Atmosphäre, und schließlich schlafen sie sogar miteinander. {Was natürlich nur angedeutet wird und der Exdiktatorin erfreulicherweise nichts von ihrer Kaltblütigkeit raubt.}
- Selbst die durch den Einfluss von Virn gestörten Computer beginnen plötzlich auf wirre Weise von Liebe zu faseln.
- Und letztenendes verfolgt sogar der vampirische Sand auf perverse Weise ein "erotisches" Ziel: Er ist bereit von seinen Opfern einen Mann und sämtliche Frauen am Leben zu erhalten, im Glauben, das diese künftige Nahrung für ihn heranzüchten werden.
Beide Geschichten – Sarcophagus wie Sand – scheinen sich mir im Spannungsfeld zwischen den Polen "Einsamkeit/Verlorenheit" und "Erotische Anziehung/Liebe" zu bewegen. Die Akzente sind dabei jeweils etwas anders gesetzt. Zu beurteilen, inwieweit dies Tanith Lees Handschrift ist, überlasse ich denen, die die Autorin und ihr Werk besser kennen als ich.
PS: Wer sich die beiden Drehbücher {oder zumindest die Dialog-Scripte} einmal durchlesen will, kann dies hier tun.
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