Vor über einem Jahr habe ich mich in diesem Blogpost relativ ausführlich mit der Inkarnation Red Sonjas beschäftigt, die Gail Simone zwischen 2013 und 2015 in einer achtzehnteiligen Serie für Dynamite entwickelte. Ich schrieb damals unter anderem: "Zumindest für mich ist ihre Sonja das, was diese Sword & Sorcery - Heldin eigentlich schon immer hätte sein sollen". Leider jedoch war dieser Version der Figur kein langes Fortleben beschieden. Was nicht heißen soll, dass ich nicht auch einigen der neueren Varianten des She-Devils durchaus etwas abgewinnen könnte. So habe ich vor, hier bald einmal meine Gedanken zu Mark Russells letztjährigem Run und einigen seiner Spin-offs darzulegen. Dennoch bleibt meine Sympathie für Simones Sonja ungebrochen. Und so finde ich es schon etwas schade, dass sie außerhalb der ursprünglichen drei Stories Queen of the Plagues, Art of Blood and Fire und The Forgiving of Monsters nur wenige weitere Auftritte hatte. Die Autorin selbst schrieb noch zusammen mit Jim Zub eine vierteilige Conan / Red Sonja - Miniserie (2015), die mich jedoch nicht recht zu begeistern vermochte, und initiierte außerdem den sehr sympathischen Sammelband Legends of Red Sonja (2013/14), in dem sie die Talente von Künstlerinnen wie Leah Moore, Carla Speed McNeil, Meljean Brook, Tamora Pierce, Nancy A. Collins, Devin K. Grayson, Cassandra James, Tula Lotay, Nicola Scott und Rhianna Pratchett bündelte. Doch darüber hinaus scheint ihre Version der ikonischen Sword & Sorcery - Heldin nicht sehr lange fortexistiert zu haben. So weit ich das erkennen kann, gibt es da nur noch Red Sonja: Berserker (2014) von Nancy Collins & Fritz Casas. Und natürlich den unmittelbaren Nachfolger von Gail Simones Run in der "Hauptserie", der zwar offiziell als "Volume 3" bezeichnet wird, aber bloß aus sechs im Jahre 2016 erschienen Heften besteht: The Falcon Throne von Marguerite Bennett und Aneke* {mit einem kleineren Beitrag von Diego Galindo}. Diesem wollen wir uns heute etwas eingehender widmen.
Schon einige der Episoden von Art of Blood and Fire enthielten eine ziemlich unverhüllt politische Komponente. The Falcon Throne geht in dieser Hinsicht noch einmal ein gutes Stück weiter. Was mein Vergnügen an der Story leider etwas geschmälert hat. Dabei ist mir die Message selbst voll und ganz sympathisch. Doch spätestens dann, wenn eine Autorin sich nicht damit begnügt, ihre Geschichte zur Trägerin einer bestimmten Botschaft zu machen, sondern ihre Figuren dieselbe auch noch offen aussprechen lässt, ist für mich die Grenze zur didaktischen Literatur oder zum Agitprop überschritten, und mit denen hab' ich halt so meine Probleme. Was jetzt nicht als ein allgemeines Verdammungsurteil missverstanden werden soll.
Ich habe keine Ahnung, wie die Arbeitsabläufe bei einem großen Comic-Verlag wie Dynamite aussehen. Dementsprechend habe ich auch keine Vorstellung davon, wann genau The Falcon Throne geschrieben und gezeichnet wurde. Aber es scheint mir ziemlich offensichtlich, dass Marguerite Bennetts Story eine Reaktion auf Donald Trumps Wahlkampagnen von 2015/16, seinen "America First" - Nationalismus und sein gezieltes Schüren von Rassismus, nationalem Chauvinismus und Xenophobie darstellt.
Die Geschichte beginnt mit dem Tod des alten Königs von Hyrkania. Obwohl sie eigentlich wenig für Monarchen und Edelleute übrig hat, versucht Sonja, das Leben des greisen Herrschers zu retten, indem sie ihm das Herz des monströsen Thunder Bull bringt. Doch die Wundermedizin schlägt nicht an. Irgendwann lassen sich Alter und Tod nicht länger betrügen. Auf seinem Sterbebett bittet der König unsere Heldin, seine Nachfolge anzutreten und das Volk von Hyrkania gegen seine zahlreichen Feinde zu verteidigen. Aber Sonja lehnt ab, da sie sich nur zu genau vorstellen kann, was für eine Königin sie sein würde: Rauschende Orgien bis ans Ende ihrer Tage ... Stattdessen verlässt sie ihre Heimat, um erneut auf der Suche nach Abenteuern die Welt zu durchstreifen.
Als sie Jahre später zurückkehrt, hat sich Hyrkania unter der Herrschaft eines neuen Königs stark verändert. Aus dem lockeren Bündnis von Stämmen und Klans ist eine geeinte Nation geworden. Dörfer haben sich zu kleinen Städten entwickelt. Die Wirtschaft floriert. Überall scheinen Friede und Ordnung zu herrschen. Die Bevölkerung wirkt glücklich und zufrieden. Sonja allerdings ist schon bald frustriert und gelangweilt. Es gibt keine Monster mehr, die man bekämpfen, keine bedrohten Jungfrauen, die man befreien könnte. Ja selbst für eine zünftige Kneipenschlägerei scheint kein Platz mehr im neuen Hyrkania zu sein.
Doch natürlich zeigt sich alsbald, dass die Dinge keineswegs so rosig sind, wie es den Anschein macht. Als Sonja Zeugin davon wird, wie eine Familie, die über die Grenze zu fliehen versucht, um sich dem Militärdienst zu entziehen, von einem Trupp Bewaffneter – den "Black Talons" der Generälin Taerga – überfallen wird, zögert sie nicht lange. Kein noch so pathetischer Appell an ihren "Patriotismus" – "You are a true daughter of Hyrkania" – kann sie davon abhalten, wehrlose Leute gegen "swine in hobnailed boots" zu verteidigen.
Die Geschichte beginnt mit dem Tod des alten Königs von Hyrkania. Obwohl sie eigentlich wenig für Monarchen und Edelleute übrig hat, versucht Sonja, das Leben des greisen Herrschers zu retten, indem sie ihm das Herz des monströsen Thunder Bull bringt. Doch die Wundermedizin schlägt nicht an. Irgendwann lassen sich Alter und Tod nicht länger betrügen. Auf seinem Sterbebett bittet der König unsere Heldin, seine Nachfolge anzutreten und das Volk von Hyrkania gegen seine zahlreichen Feinde zu verteidigen. Aber Sonja lehnt ab, da sie sich nur zu genau vorstellen kann, was für eine Königin sie sein würde: Rauschende Orgien bis ans Ende ihrer Tage ... Stattdessen verlässt sie ihre Heimat, um erneut auf der Suche nach Abenteuern die Welt zu durchstreifen.
Als sie Jahre später zurückkehrt, hat sich Hyrkania unter der Herrschaft eines neuen Königs stark verändert. Aus dem lockeren Bündnis von Stämmen und Klans ist eine geeinte Nation geworden. Dörfer haben sich zu kleinen Städten entwickelt. Die Wirtschaft floriert. Überall scheinen Friede und Ordnung zu herrschen. Die Bevölkerung wirkt glücklich und zufrieden. Sonja allerdings ist schon bald frustriert und gelangweilt. Es gibt keine Monster mehr, die man bekämpfen, keine bedrohten Jungfrauen, die man befreien könnte. Ja selbst für eine zünftige Kneipenschlägerei scheint kein Platz mehr im neuen Hyrkania zu sein.
Doch natürlich zeigt sich alsbald, dass die Dinge keineswegs so rosig sind, wie es den Anschein macht. Als Sonja Zeugin davon wird, wie eine Familie, die über die Grenze zu fliehen versucht, um sich dem Militärdienst zu entziehen, von einem Trupp Bewaffneter – den "Black Talons" der Generälin Taerga – überfallen wird, zögert sie nicht lange. Kein noch so pathetischer Appell an ihren "Patriotismus" – "You are a true daughter of Hyrkania" – kann sie davon abhalten, wehrlose Leute gegen "swine in hobnailed boots" zu verteidigen.
Unter der Herrschaft des Königs auf dem Falkenthron ist Hyrkania zu einer imperialistischen Autokratie geworden. Wer ein Wort der Opposition äußert, findet sich sehr schnell im Kerker oder einem Strafbataillon wieder. Derweil wird in den Theatern und Tavernen des Landes Stimmung gegen alle "Fremden" gemacht, werden rassistische Vorurteile geschürt und die Nachbarvölker lächerlich gemacht und mit Schmutz beworfen. Denn das endlich zu seiner wahren Größe gekommene Hyrkania sei dazu berufen, die Welt zu beherrschen.
Man sieht schon, besonders subtil wird hier nicht vorgegangen.
Natürlich könnte man argumentieren, dass es Themen gibt, die so wichtig sind, dass man ruhig auch mal den Holzhammer schwingen darf. Und ich würde gar nicht einmal behaupten, dass dem nicht tatsächlich so wäre. Aber selbst dann gibt es für mich noch einen feinen Unterschied zwischen Direktheit und Plakativität.
So gefällt mir das anfängliche Gespräch zwischen Midyan und dem Prinzipal Leshko eigentlich ganz gut. Sie ist empört über den Dreck, den sie auf der Bühne deklamieren soll, doch er verweist darauf, dass die Obrigkeiten ihr Theater jederzeit dichtmachen könnten. Leshko ist wie Midyan selbst ein "Ausländer", aber um seinen Laden am Laufen zu halten, ist er zu jedem Kompromiss bereit, auch wenn es ihm selbst nicht gefällt. Und schließlich bringt er das ebenso alte wie dumme Totschlagargument: "We need to do what sells. Give the people what they want."
Etwas anders sieht es aus, wenn Midyan plötzlich von der Bühne herab zu deklamieren beginnt: "Is this who we are? As a people? As a nation? Cruel an arrogant? Have you no compassion ..." Da ist für mich jene feine Linie überschritten und die Wirkung ist nicht länger die von der Autorin beabsichtigte. Obwohl ich die zum Ausdruck gebrachten Überzeugungen voll und ganz teile.
Da The Falcon Throne seine politischen Inhalte so unverhohlen zur Schau trägt, halte ich es zudem für legitim, die Geschichte von einem ebenso unverhüllt politischen Standpunkt aus zu kritisieren.
Ich finde es bemerkenswert, dass Savas' Herrschaft als eine Ära des wirtschaftlichen Aufschwungs dargestellt wird, an dem die Mehrheit der Bevölkerung offenbar partiziperen konnte. Materiell gesehen scheint es ihnen im "neuen" Hyrkania tatsächlich besser zu gehen. Hand in Hand damit geht die Tendenz, die Masse der einfachen Leute als einen leicht zu manipulierenden Pöbel darzustellen, der nur gar zu schnell bereit ist, auf den Schwächeren herumzutrampeln. Mir scheint sich darin etwas von den Schwachpunkten der Ideologie wiederzuspiegeln, die heutzutage nicht nur unter Amerikas "Linken" und Liberalen vorherrscht.
Rechtsextreme Bewegungen und Regime dienen im Kern der Verteidigung der im Kapitalismus herrschenden sozialen Ungleichheit. Zwar sind gesellschaftlich marginalisierte Gruppen für gewöhnlich ihre ersten Opfer, weil sie am wehrlosesten sind und sehr leicht als Sündenböcke benutzt werden können. Rassismus ist eine wichtige Komponente rechter Politik, aber sie erschöpft sich nicht in ihm. Denn in letzter Konsequenz richtet sich die Gewalt dieser Bewegungen und Regime gegen die gesamte Arbeiterklasse und hat zum Ziel, deren Ausbeutung noch zu verschärfen und jeden Widerstand dagegen zu brechen. Unter der Herrschaft rechtsautoritärer Regierungen geht es der arbeitenden Bevölkerung deshalb keineswegs materiell besser, sondern schlechter.
Doch vielen heutigen "Linken" ist eine solche materialistische Betrachtungsweise völlig fremd. Sie sehen in rechtsextremen Bewegungen in erster Linie einen simplen Ausdruck der Bigotterie und Intoleranz ihrer Anhänger. Dementsprechend erscheint ihnen Trumps Regime einfach als eine Inkarnation des Rassismus und der Rückständigkeit breiter Schichten der weißen Bevölkerung der USA.
Ganz abgesehen davon, dass sich dahinter nicht selten eine extrem herablassende Sicht auf die Arbeiterklasse verbirgt, führt eine solche Interpretation auch dazu, dass man den Kampf gegen die Rechten mit ausschließlich moralischen Argumenten zu führen versucht. Statt hervorzuheben, dass deren Politik im diametralen Gegensatz zu den elementarsten materiellen Interessen der überwältigenden Mehrheit steht, begnügt man sich mit Appellen an die "better angels of our nature", um Lincolns Formulierung zu verwenden.
Und ganz genauso spielt es sich auch in The Falcon Throne ab. Die Revolution gegen Savas, die am Ende ausbricht, besitzt ihren Ursprung ausdrücklich darin, dass das Volk von Hyrkania sich auf seine wahren Tugenden zurückbesonnen hat.
Doch lassen wir's für den Moment gut sein mit solch politisch-ideologischen Streitfragen und wenden wir uns lieber der nicht uninteressanten Figur des Despoten Savas zu.
Der ehemalige Händler hat es offenbar nie verwunden, dass Sonja ihn einst nach einer halbjährigen Beziehung verlassen hat. Natürlich ist es Bullshit, wenn er behauptet, seine Liebe zu ihr habe ihn dazu getrieben, ein eroberungslüsterner Despot zu werden. Aber man kann sich schon vorstellen, dass sein angeknackstes männliches Selbstbewusstsein eine psychologische Rolle bei seinem politischen Aufstieg gespielt hat. Auch wenn er das lieber so ausdrückt, dass er "ihrer würdig" habe werden wollen. Jedenfalls kann kein Zweifel daran bestehen, dass er über die Jahre einen ausgewachsenen Red Sonja - Fetisch entwickelt hat. So hat er seine drei Elite-Kriegerinnen zu bizarr-gruseligen Kopien seines Bildes der Abenteurerin geformt. Einschließlich rotgefärbter Haare.
Anders als die echte Sonja tragen die drei Killerinnen den klassischen Chainmail-Bikini. Was wohl als ein Kommentar auf die sexuelle Fetischisierung der Figur verstanden werden darf, die ohne Frage in der langen Geschichte Red Sonjas immer mitgeschwungen ist.
Doch daneben gibt es auch hier eine deutlicher politische Komponente. Savas will Red Sonja zu einer Symbolfigur für sein "neues" Hyrkania machen. Und er ist ehrlich überrascht, als sie nicht bereit ist, in diese Rolle zu schlüpfen.
Am Ende geht es darum, wofür die überlebensgroße Figur Red Sonja eigentlich steht: Für arrogante Gewalt und Rücksichtslosigkeit oder für Individualismus und Menschlichkeit?
Als die von Savas besonders fanatischem "Sonja-Klon" Kanara gefangene Midyan versucht, sich das Vertrauen des Königs zu erschleichen, schlägt sie vor, er solle dem Volk einfach seine Elite-Killerin als die "echte" Sonja präsentieren und sie anschließend heiraten. Sie selbst werde zu diesem Anlass ein Theaterstück über die Großtaten der hyrkanischen Nationalheldin schreiben. Doch da Midyan in ihrem Werk die tatsächlichen Abenteuer Sonjas auf die Bühne bringt, wobei Marguerite Bennett und Aneke direkt auf Gail Simones Comics anspielen, hat dessen Aufführung ganz und gar nicht die von Savas erhoffte Wirkung. Im Gegenteil – das Stück wird zum Auslöser eines allgemeinen Aufstands, denn es führt dem Volk von Hyrkania vor Augen, worin seine wahren Werte eigentlich bestehen.
Derweil hat sich Sonja selbst im Gebirge einen Phönix-Roc eingefangen, um auf diesem Symbol der Wiedergeburt in die finale Schlacht zu reiten.
Auch wenn ich wie gesehen so einiges an The Falcon Throne zu kritisieren habe, ist mir die Miniserie im Ganzen doch sehr sympathisch. Und ich finde es schade, dass Bennett und Aneke nur sechs Hefte zur Verfügung standen, um ihre Geschichte zu erzählen. Das führt vor allem im letzten Band zu einer arg überhasteten Erzählweise, die es den beiden nicht erlaubt, einige wichtige Wendungen und Momente der Handlung in angemessener Ruhe und Ausführlichkeit darzustellen. Dennoch würde ich allen Freundinnen & Freunden der rothaarigen Kriegerin durchaus empfehlen, bei Gelegenheit einmal in diesen Sechsteiler reinzublättern.
Schon bald findet Sonja ihre erste Verbündete in Gestalt der Schauspielerin Midyan, die endgültig genug davon hat, auf höheren Geheiß ihre Komödien mit rassistischen Witzen und ähnlichem Müll anreichern zu müssen. Doch bevor man sich daran machen kann, zusammen mit Sonjas Ex-Geliebter, der Oratorin Lyna, eine ordentliche Widerstandsbewegung auf die Beine zu stellen, wartet auf unsere Heldin erst mal ein gehöriger Schock: Der neue König entpuppt sich nämlich gleichfalls als ein ehemaliger Liebhaber der Abenteurerin. Und Savas behauptet sogar, ihr Vorbild habe ihn bei seinem Aufstieg zur absoluten Macht inspiriert.Like flocks the nations of the world wing and flap and fly ♫♫
In terror from a ringing shriek – the true king of the sky!
There comes a bird of fearsome grace hunting far above
To shadow Khitai's golden crane and Pathenia's dove
To rend Cimmeria's raven and Zamora's mocking jay
To shred Stygia's ibis in its bright and piercing gaze!
The falcon flies, the falcon drops deadly as a stone –
To save our land, to serve our king we hail the Falcon Throne! ♫♫
Man sieht schon, besonders subtil wird hier nicht vorgegangen.
Natürlich könnte man argumentieren, dass es Themen gibt, die so wichtig sind, dass man ruhig auch mal den Holzhammer schwingen darf. Und ich würde gar nicht einmal behaupten, dass dem nicht tatsächlich so wäre. Aber selbst dann gibt es für mich noch einen feinen Unterschied zwischen Direktheit und Plakativität.
So gefällt mir das anfängliche Gespräch zwischen Midyan und dem Prinzipal Leshko eigentlich ganz gut. Sie ist empört über den Dreck, den sie auf der Bühne deklamieren soll, doch er verweist darauf, dass die Obrigkeiten ihr Theater jederzeit dichtmachen könnten. Leshko ist wie Midyan selbst ein "Ausländer", aber um seinen Laden am Laufen zu halten, ist er zu jedem Kompromiss bereit, auch wenn es ihm selbst nicht gefällt. Und schließlich bringt er das ebenso alte wie dumme Totschlagargument: "We need to do what sells. Give the people what they want."
Etwas anders sieht es aus, wenn Midyan plötzlich von der Bühne herab zu deklamieren beginnt: "Is this who we are? As a people? As a nation? Cruel an arrogant? Have you no compassion ..." Da ist für mich jene feine Linie überschritten und die Wirkung ist nicht länger die von der Autorin beabsichtigte. Obwohl ich die zum Ausdruck gebrachten Überzeugungen voll und ganz teile.
Da The Falcon Throne seine politischen Inhalte so unverhohlen zur Schau trägt, halte ich es zudem für legitim, die Geschichte von einem ebenso unverhüllt politischen Standpunkt aus zu kritisieren.
Ich finde es bemerkenswert, dass Savas' Herrschaft als eine Ära des wirtschaftlichen Aufschwungs dargestellt wird, an dem die Mehrheit der Bevölkerung offenbar partiziperen konnte. Materiell gesehen scheint es ihnen im "neuen" Hyrkania tatsächlich besser zu gehen. Hand in Hand damit geht die Tendenz, die Masse der einfachen Leute als einen leicht zu manipulierenden Pöbel darzustellen, der nur gar zu schnell bereit ist, auf den Schwächeren herumzutrampeln. Mir scheint sich darin etwas von den Schwachpunkten der Ideologie wiederzuspiegeln, die heutzutage nicht nur unter Amerikas "Linken" und Liberalen vorherrscht.
Rechtsextreme Bewegungen und Regime dienen im Kern der Verteidigung der im Kapitalismus herrschenden sozialen Ungleichheit. Zwar sind gesellschaftlich marginalisierte Gruppen für gewöhnlich ihre ersten Opfer, weil sie am wehrlosesten sind und sehr leicht als Sündenböcke benutzt werden können. Rassismus ist eine wichtige Komponente rechter Politik, aber sie erschöpft sich nicht in ihm. Denn in letzter Konsequenz richtet sich die Gewalt dieser Bewegungen und Regime gegen die gesamte Arbeiterklasse und hat zum Ziel, deren Ausbeutung noch zu verschärfen und jeden Widerstand dagegen zu brechen. Unter der Herrschaft rechtsautoritärer Regierungen geht es der arbeitenden Bevölkerung deshalb keineswegs materiell besser, sondern schlechter.
Doch vielen heutigen "Linken" ist eine solche materialistische Betrachtungsweise völlig fremd. Sie sehen in rechtsextremen Bewegungen in erster Linie einen simplen Ausdruck der Bigotterie und Intoleranz ihrer Anhänger. Dementsprechend erscheint ihnen Trumps Regime einfach als eine Inkarnation des Rassismus und der Rückständigkeit breiter Schichten der weißen Bevölkerung der USA.
Ganz abgesehen davon, dass sich dahinter nicht selten eine extrem herablassende Sicht auf die Arbeiterklasse verbirgt, führt eine solche Interpretation auch dazu, dass man den Kampf gegen die Rechten mit ausschließlich moralischen Argumenten zu führen versucht. Statt hervorzuheben, dass deren Politik im diametralen Gegensatz zu den elementarsten materiellen Interessen der überwältigenden Mehrheit steht, begnügt man sich mit Appellen an die "better angels of our nature", um Lincolns Formulierung zu verwenden.
Und ganz genauso spielt es sich auch in The Falcon Throne ab. Die Revolution gegen Savas, die am Ende ausbricht, besitzt ihren Ursprung ausdrücklich darin, dass das Volk von Hyrkania sich auf seine wahren Tugenden zurückbesonnen hat.
Doch lassen wir's für den Moment gut sein mit solch politisch-ideologischen Streitfragen und wenden wir uns lieber der nicht uninteressanten Figur des Despoten Savas zu.
Der ehemalige Händler hat es offenbar nie verwunden, dass Sonja ihn einst nach einer halbjährigen Beziehung verlassen hat. Natürlich ist es Bullshit, wenn er behauptet, seine Liebe zu ihr habe ihn dazu getrieben, ein eroberungslüsterner Despot zu werden. Aber man kann sich schon vorstellen, dass sein angeknackstes männliches Selbstbewusstsein eine psychologische Rolle bei seinem politischen Aufstieg gespielt hat. Auch wenn er das lieber so ausdrückt, dass er "ihrer würdig" habe werden wollen. Jedenfalls kann kein Zweifel daran bestehen, dass er über die Jahre einen ausgewachsenen Red Sonja - Fetisch entwickelt hat. So hat er seine drei Elite-Kriegerinnen zu bizarr-gruseligen Kopien seines Bildes der Abenteurerin geformt. Einschließlich rotgefärbter Haare.
Anders als die echte Sonja tragen die drei Killerinnen den klassischen Chainmail-Bikini. Was wohl als ein Kommentar auf die sexuelle Fetischisierung der Figur verstanden werden darf, die ohne Frage in der langen Geschichte Red Sonjas immer mitgeschwungen ist.
Doch daneben gibt es auch hier eine deutlicher politische Komponente. Savas will Red Sonja zu einer Symbolfigur für sein "neues" Hyrkania machen. Und er ist ehrlich überrascht, als sie nicht bereit ist, in diese Rolle zu schlüpfen.
Am Ende geht es darum, wofür die überlebensgroße Figur Red Sonja eigentlich steht: Für arrogante Gewalt und Rücksichtslosigkeit oder für Individualismus und Menschlichkeit?
Als die von Savas besonders fanatischem "Sonja-Klon" Kanara gefangene Midyan versucht, sich das Vertrauen des Königs zu erschleichen, schlägt sie vor, er solle dem Volk einfach seine Elite-Killerin als die "echte" Sonja präsentieren und sie anschließend heiraten. Sie selbst werde zu diesem Anlass ein Theaterstück über die Großtaten der hyrkanischen Nationalheldin schreiben. Doch da Midyan in ihrem Werk die tatsächlichen Abenteuer Sonjas auf die Bühne bringt, wobei Marguerite Bennett und Aneke direkt auf Gail Simones Comics anspielen, hat dessen Aufführung ganz und gar nicht die von Savas erhoffte Wirkung. Im Gegenteil – das Stück wird zum Auslöser eines allgemeinen Aufstands, denn es führt dem Volk von Hyrkania vor Augen, worin seine wahren Werte eigentlich bestehen.
Derweil hat sich Sonja selbst im Gebirge einen Phönix-Roc eingefangen, um auf diesem Symbol der Wiedergeburt in die finale Schlacht zu reiten.
Auch wenn ich wie gesehen so einiges an The Falcon Throne zu kritisieren habe, ist mir die Miniserie im Ganzen doch sehr sympathisch. Und ich finde es schade, dass Bennett und Aneke nur sechs Hefte zur Verfügung standen, um ihre Geschichte zu erzählen. Das führt vor allem im letzten Band zu einer arg überhasteten Erzählweise, die es den beiden nicht erlaubt, einige wichtige Wendungen und Momente der Handlung in angemessener Ruhe und Ausführlichkeit darzustellen. Dennoch würde ich allen Freundinnen & Freunden der rothaarigen Kriegerin durchaus empfehlen, bei Gelegenheit einmal in diesen Sechsteiler reinzublättern.
* Die übrigens auch die fünfteilige Valeria - Miniserie für Marvels Age of Conan gezeichnet hat.