"Außerdem studierte er abstruse Bücher, die aus chaldäischen Bibliotheken
gestohlen worden waren, wenn Fafhrd auch aus langer Erfahrung wusste,
dass der Mausling selten über das Vorwort hinauskaum (obwohl er oft die
letzten Kapitel aufrollte und neugierig hineinschaute und beißende Kritik
äußerte)."

Fritz Leiber, Das Spiel des Adepten


Mittwoch, 21. Oktober 2015

"Then at a Deadly Pace / It Came From Outer Space" (II)

It Came From Outer Space aus dem Jahre 1953 ist ein Film vieler Premieren: Universals Einstieg in die Fifties - SciFi und der erste 3D - Film des Studios. Der Beginn von Jack Arnolds Karriere als Auteur der 50er Jahre - Film - Phantastik und zugleich seine erste Kooperation mit Produzent William Alland. Ray Bradburys erster Versuch, für Hollywood zu schreiben. Doch von all dem einmal abgesehen, ist der Film vor allem eins: Ein verdammt guter kleiner Science Fiction - Flick.


It Came From Outer Space ist in vielerlei Hinsicht das genaue Gegenteil von Earth vs The Flying Saucers. Kein globales Szenario mit UFO-Flotten und Armee-Batallionen, Topwissenschaftlern und 5-Sterne-Generälen. Alles bleibt beschränkt auf eine Kleinstadt in der Wüste von Arizona mit ihren ganz normalen Bewohnern – einem Hobbyastronomen, einer Lehrerin, dem örtlichen Sheriff, zwei Leitungsmonteuren. Statt auf grandiose Spezialeffekte setzt der Film auf eine intensive Atmosphäre und ein intelligentes Drehbuch. Dabei wirkt er zugleich wie eine subversive Antwort auf William Cameron Menzies' einen Monat zuvor in die Kinos gelangte Invaders from Mars {die ich hier besprochen habe}.

Der Plot ist relativ einfach. Sterngucker John Putnam (Richard Carlson) und seine Freundin Ellen Fields (Barbara Rush) beobachten eines Nachts einen spektakulären Meteoriteneinschlag. Als sie den dabei entstandenen Krater in Augenschein nehmen, entdeckt Putnam ein abgestürztes Raumschiff. Doch unglücklicherweise wird das außerirdische Gefährt wenig später durch einen Steinschlag verschüttet, und selbstverständlich glaubt niemand dem ohnehin als Exzentriker geltenden Hobbyastronomen seine Geschichte. Selbst Ellen ist zu Beginn skeptisch, und Sheriff Matt Warren (Charles Drake), der glaubt, den Beschützer der jungen Lehrerin spielen zu müssen, macht Putnam unmissverständlich klar, dass er ihn für einen Spinner hält, der besser seine Finger von der Tochter seines ehemaligen Chefs lassen sollte. Bald jedoch kommt es zu einer Reihe merkwürdiger Ereignisse. Irgendetwas oder irgendjemand treibt sich offenbar in der Wüste herum und hinterlässt dabei eine silbrig funkelnde "Schleimspur" im Sand. Dann verschwinden auf mysteriöse Weise die beiden Leitungsmonteure George (Russell Johnson) und Frank (Joe Sawyer), nur um weniger später eigenartig verändert zurückzukehren. Sollte doch etwas an Putnams wilder Story dran sein? Und haben die Aliens bereits begonnen, die Bewohner von Sand Rock in willenlose Zombies zu verwandeln oder gegen Simulakra auszutauschen? Alles scheint auf die alte Mine in der Nähe des Einschlagkraters als Zentrum der beunruhigenden Geschehnisse hinzudeuten. Matt zögert nicht länger, sondern organisiert einen Lynchmob, um die Außerirdischen auf "gut amerikanische Art" auszuräuchern, doch Putnam glaubt zu wissen, dass diese keineswegs feindselige Absichten verfolgen – selbst dann noch, als auch Ellen entführt wird.

It Came From Outer Space ist das Produkt des glücklichen Zusammentreffens einiger außergewöhnlicher Talente. 
William Alland hatte seine Karriere in den 30er Jahren als Schauspieler in Orson Welles' Mercury Theatre begonnen. Er hatte u.a. bei der legendären Radio-Adaption von War of the Worlds (1938) mitgewirkt, um später Parts in Citizen Kane (1941), The Lady from Shanghai (1947) und Macbeth (1948) zu übernehmen. Am bekanntesten dürfte er für die Rolle des Reporters Thompson in Welles' furiosem Debütfilm sein. Gegen Ende der 40er Jahre beendete er seine kurze Schauspielkarriere und begann als Produzent zu arbeiten, erst fürs Radio, ab 1951/52 für Universal. Während der 1947 einsetzenden antikommunistischen Hexenjagd des HUAC (House Un-American Activities Commitee) war Alland zum willigen Denunzianten geworden und hatte die Karrieren einer ganzen Reihe von Kollegen, u.a. die des in unserem letzten Post erwähnten Bernard Gordon, zerstört. Man darf annehmen, dass diese schrankenlose Kapitulation vor den Mächten des Establishment nicht ohne Folgen für Alland als Mensch und Künstler geblieben war. So könnte man den Umstand, dass er sich als Produzent schon bald auf den Science Fiction - Film zu konzentrieren begann, als ein mehr oder weniger bewusstes Ausweichen vor einer gar zu direkten Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Realität – und damit auch der Bedeutung seines eigenen Verrats – interpretieren. Doch solche Spekulationen einmal beiseite gelassen, Allands Bedeutung für den phantastischen Film der 50er kann nicht in Zweifel gezogen werden. Die Liste der von ihm produzierten Filme enthält neben It Came From Outer Space (1953) The Creature from the Black Lagoon (1954), Revenge of the Creature (1955), This Island Earth (1955), Tarantula (1955), The Mole People (1956), The Creature Walks Among Us (1956), The Deadly Mantis (1957; vgl. hier), The Land Unknown (1957), The Space Children (1958) und The Colossus of New York (1958). Die Qualität ist sicher schwankend, aber schon allein die Tatsache, dass Alland mitverantwortlich dafür war, dass Jack Arnold Universals Mann fürs Phantastische wurde, beweist, dass er ein gutes künstlerisches Gespür gehabt haben muss.
Als Arnold die Regie von It Came From Outer Space übernahm, hatte er noch nicht all zu viele Gelegenheiten gehabt, sein Talent unter Beweis zu stellen. Von Girls in the Night (1953) abgesehen bestand sein bisheriges Oeuvre ausschließlich aus Dokus und "Propaganda" - Streifen. {U.a. With These Hands [1950]  für die International Ladies Garment Workers Union ein Film, der scheinbar auch eine Dramatisierung des "Triangle Fire" von 1911 enthält, was mich denn doch etwas neugierig gemacht hat}. Doch da er bereits in jungen Jahren ein begeisterter Leser von SciFi-Stories gewesen war, schien er geradezu prädestiniert dazu, in diesem Genre zu glänzen. Und tatsächlich zeigt schon sein erster phantastischer Streifen sehr deutlich Arnolds große Stärken: Die Fähigkeit, mit filmischen Mitteln eine sehr intensive, beunruhigende Atmosphäre zu schaffen, sowie eine straffe und ökonomische Erzählweise.
In meinen Augen darf Jack Arnold als ein echter Auteur des phantastischen Films gelten. Die von ihm geschaffenen Streifen sind allesamt Ausdruck eines distinktiven persönlichen Stils. Doch wenn ich gefragt würde, welche davon ich für seine besten halte, meine Antwort wäre: It Came From Outer Space und The Incredible Shrinking Man (1957). Und was diese beiden über den Rest hinaushebt haben wir wohl weniger dem Regisseur als vielmehr den Ideenliferanten & Drehbuchautoren zu verdanken: Ray Bradbury und Richard Matheson.
Von den beiden war Bradbury ohne Zweifel der um Klassen bedeutendere. In welchem Umfang der Film seinem ursprünglichen Scriptentwurf "The Meteor" folgt, kann ich nicht beurteilen. Glaubt man dem, was der Schriftsteller selbst darüber gesagt hat, so beschränkte sich die finale Überarbeitung auf einige kosmetische Veränderungen.:
They got, in essence, an entire screenplay for the grand sum of three thousand dollars, which was my final salary for the four or five weeks I had stayed on at the studio. With the treatment in hand, they fired me and hired Harry Essex to do the final screenplay (which, he told me later, was simply putting frosting on the cake). Why had I made it so easy for him, he asked when I met him later. Because, I replied, I was a fool, and I was in love with an idea a good combination for writing but a bad one when you find yourself back out on the street supporting a family.
Ray Bradburys erste Erfahrung als Drehbuchschreiber war also nicht unbedingt die glücklichste, was ihn allerdings nicht davon abhielt, drei Jahre später am Script für John Hustons Adaption von Moby Dick mitzuarbeiten. Doch auch wenn er sich wohl etwas über den Tisch gezogen fühlte, war er andererseits erfreut, dass sich die Leute bei Universal dafür entschieden hatten, die von ihm bevorzugte Version seiner Story {er hatte mehrere Fassungen eingereicht} zu verwenden. Die nämlich, in der die Aliens keine Bedrohung darstellen. Weniger glücklich war er, dass man in Arnolds Film die Außerirdischen in ihrer natürlichen Form zu sehen bekommt. In der Tat das vielleicht größte Manko des Streifens, doch ein "Creature Feature" ohne "Creature" wäre den Studiobossen {und vielleicht auch dem Regisseur} wohl etwas zu "experimentell" gewesen.

Was genau macht nun die besondere Qualität von It Came From Outer Space aus?
Da wäre zuerst einmal die typisch "arnoldeske" beunruhigende Atmosphäre. Zu ihrem Heraufbeschwören verwendet der Regisseur einerseits auf sehr effektvolle Weise die menschenleere Wüstenlandschaft, die in ihrer Weite, Ödnis und Stille zu einer quasi-außerirdischen, geheimnisvollen und potentiell bedrohlichen Welt wird. Wie es einer der Leitungsmonteure ausdrückt: "You can see lakes and rivers that aren't there and sometimes you think the wind gets into the wires and sings to itself". Ein Setting, dessen unheimliches Potential Arnold u.a. in Tarantula erneut ausnutzen würde. Hinzu kommt, dass eine ganze Reihe von Szenen aus der Perspektive der mysteriösen Aliens gedreht sind. Wir schauen auf sehr wörtliche Weise "durch ihr Auge", beobachten und verfolgen die Menschen.
Doch so wichtig dieses atmosphärische Element für die Wirkung des Filmes auch ist, es sind seine Ideen, die ihn zu einem wirklich außergewöhnlichen Beitrag zum SciFi-Kino der 50er Jahre machen.
Das kleinstädtische Setting bildet zwar wie gesagt einen deutlichen Gegensatz zum "globalen" Panorama eines Flicks wie Earth vs. The Flying Saucers, ist im phantastischen B-Movie der Zeit aber ziemlich verbreitet. Doch während die Kleinstadt in Filmen wie Invaders from Mars als ein Ort der Unschuld, als Verkörperung des "gesunden", unverfälschten, kleinbürgerlichen amerikanischen Idylls erscheint, das von den bösartigen Außerirdischen bedroht wird, ist seine symbolische Bedeutung in It Came From Outer Space eine ganz andere. Unser Held John Putnam lebt aus gutem Grund nicht in Sand Rock selbst, sondern in einem Haus draußen in der Wüste. Abgestoßen von der Kleingeistigkeit der Gesellschaft hat er sich in dieses Semi-Eremitentum zurückgezogen. Er ist zwar kein Zyniker oder Misanthrop, aber ganz offensichtlich fühlt er sich in der konformistischen Welt der 50er Jahre nicht heimisch, deren beispielhafter Vertreter Sheriff Matt Warren ist. Hierin liegt der ideelle Kern des Films.
Wenn die Außerirdischen beginnen, einige der Bewohner von Sand Rock gegen seelenlos wirkende Simulakra auszutauschen, dann spielt der Film mit Motiven, die in der literarischen und spätestens seit Invaders from Mars auch in der filmischen – Science Fiction der Zeit weit verbreitet waren {und für viele Jahre verbreitet bleiben würden}. Ich sage bloß: The Puppet Masters und Invasion of the Body Snatchers. Doch letztlich handelt es sich dabei um eine Art Red Herring. Was wie der Beginn einer stillen Invasion aussieht, stellt sich am Ende als eine durch die Umstände aufgezwungene Taktik der Aliens heraus, die verzweifelt versuchen, ihr Raumschiff wieder flugtüchtig zu machen, bevor ihre Anwesenheit entdeckt wird. Dass sie dazu die Gestalt von Menschen annehmen, die sie zuvor entführt haben, hat einen einfachen Grund: Sie fürchten, ihre wahre Gestalt müsse auf Menschen so grotesk und abstoßend wirken, dass diese mit Gewalt darauf reagieren würden. Und tatsächlich sehen sie sich am Ende ja mit einem von Matt – dem Vertreter der offiziellen Autorität – angeführten Lynchmob konfrontiert.
It Came From Outer Space ist offenbar verschiedentlich als "a metaphorical refutation of the supposedly xenophobic attitudes and ideology of the Cold War" interpretiert worden. Doch das greift meines Erachtens zu kurz. Mit dem Kalten Krieg hat der Flick in meinen Augen überhaupt nichts zu tun. Und auch mit Fremdenfeindlichkeit nur indirekt. Die Aliens sind die archetypischen "Anderen". Sie stehen für alle, die – aus welchem Grund auch immer in den Augen der "Allgemeinheit" fremd, grotesk oder abstoßend wirken. Kurz gesagt – für alle, die nicht der Norm entsprechen. Der Film richtet sich nicht allein gegen die spezifische, von der antisowjetischen Hysterie angeheizte Fremdenfeindlichkeit der 50er Jahre, sondern ganz allgemein gegen Intoleranz, Kleingeistigkeit und Konformismus, die nur gar zu schnell zu Gewalt gegen all diejenigen führen können, die "anders" sind als "wir". Was It Came From Outer Space zu einem {leider} immer noch sehr aktuellen Film macht.

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