Als ich mich 2022 etwas intensiver mit Richard L. Tierney und seinen Simon of Gitta - Geschichten beschäftigte (1 * 2 * 3), besorgte ich mir in diesem Zusammenhang auch gleich die sechs Red Sonja - Romane, die dieser Anfang der 80er Jahre zusammen mit seinem Kumpel David C. Smith geschrieben hatte. In einem Anlauf durchgelesen habe ich sie freilich nicht. Nur den (nicht wirklich einladenden) Auftakt The Ring of Ikribu (Der Ring von Ikribu) und Band 2 Demon Night (Die Nacht der Dämonen) habe ich mir damals unmittelbar vorgenommen. Ein Jahr später griff ich dann spontan zu When Hell Laughs (Die Hölle lacht) und war angenehm überrascht von der Lektüre. Dieser Eindruck wurde durch Band 4 Endithor's Daughter (Endithors Tochter) noch weiter verstärkt. Der Anfang von Against the Prince of Hell (Der Prinz der Hölle) war dann allerdings ziemlich ernüchternd (milde ausgedrückt) und ich muss gestehen, dass ich das Buch bis heute nicht fertiggelesen habe. Stattdessen nun also Star of Doom (Der Stern des Untergangs).
Bei den Heyne-Ausgaben sind die Coverillustrationen von Boris Vallejo aus irgendwelchen Gründen etwas durcheinander geraten. Bei den Ace-Büchern gehörte die hier zu Against the Prince of Hell. |
Um's gleich vorweg zu sagen, das Buch hat mich mit gemischten Gefühlen zurückgelassen.
Die Herangehensweise an die Figur Red Sonja lässt sich grob in zwei Hauptarten unterteilen. Auf der einen Seite steht die eher erdige Variante der umherstreifenden Glücksritterin, die sich ab und an als Söldnerin verdingt, aber eben so gerne in wüsten Schenken Männer unter den Tisch trinkt, um tagsdarauf in irgendwelche Paläste oder Tempel einzusteigen und Könige und Priester um ihre Schätze zu erleichtern. Auf der anderen die eher "mythische", in der Sonja als irgendwie "Auserwählte" erscheint, die sich mit Göttern und Halbgöttern wie dem (leider oft furchtbar langweiligen) "Ersatz - Thulsa Doom / Thoth Amon" Kulan Gath herumschlägt (so vor allem in einem Gutteil der älteren Dynamite - Comics).
Nicht selten findet man natürlich auch Mischformen aus beidem. In den Romanen überwiegt oft die eine oder andere Seite. Und vermutlich wird es niemanden wundern, dass meine klaren Favoriten (Die Hölle lacht und Endithors Tochter) eher der erdigen Variante zuneigen. Auch vermute ich, dass in diesem speziellen Fall die beiden Formen mit den jeweiligen Vorlieben der beiden Autoren parallel gingen. Dabei würde ich David C. Smith eher mit der ersteren identifizieren, hat er in einem Interview mit DMR Books, aus dem ich immer wieder gerne zitiere, "seine" Sonja doch einmal als eine Art Working Class - Heldin beschrieben:
What I am proudest about, regarding the Sonjas, is that I was very aware that we were writing stories about a strong woman character, and I loved that idea. I like strong women; I like intelligent women; those are the types of women who raised me and whom I grew up around, basically country people and working class people, regular folks. They’d been raised during the Great Depression and lived through World War II. My dad and his brothers had fought overseas in wartime. They all knew what the world was made of. This is how I grew up. So I considered Sonja to be the kind of good-looking redhead country woman who could walk into a truck stop, put down as many beers as any guy, beat him at arm wrestling, and kick the ass of any trucker who tried to go too far with her.Richard L. Tierney seinerseits scheint mir ganz gerne Elemente seiner "düsteren Kosmologie" mit ihren halb cthulhuid, halb gnostisch angehauchten Zügen in die Romane eingeflochten zu haben, wenn auch sicher nie so explizit wie in seinen ureigensten Geschichten um Simon of Gitta oder den Zeitreisenden John Taggart. Dabei wird dann natürlich auch Sonja zu einem "wahren Geist" mit einer besonderen "Bestimmung".
Der Stern des Untergangs beginnt mit einer etwas längeren Vorgeschichte. Irgendwo in den Weiten der Steppe östlich von Brythunien erhebt sich seit Urzeiten eine geheimnisvolle Zikkurat. Als eines Nachts im benachbarten Gebirge ein Meteorit einschlägt, begibt sich eine Gruppe von Zauberern, die in dem gewaltigen Bauwerk leben, unter der Führung ihres Meisters Thotas auf die Suche nach dem "gefallenen Stern". Was sie damit erreichen wollen, bleibt vorerst unklar, aber Bo-ugan, der Hetmann eines der benachbarten Dörfer, hat das deutliche Gefühl, dass hier Böses im Gange ist. Und um das Übel gleich im Keim zu ersticken, organisiert er einen Angriff auf die Zikkurat. Die Attacke wird zwar zurückgeschlagen, doch das Gefecht bildet nur den Auftakt für einen jahrelangen blutigen Konflikt.
Ich fand es recht cool, wie Smith & Tierney beschreiben, wie die zehnjährige Belagerung der Zikkurat das Umland und das Leben der dort ansässigen Menschen von Grund auf verändert. Eine völlig neue Infrastruktur entsteht: Brücken werden geschlagen, ein Ring aus Forts und Außenposten errichtet, Bo-ugans Dorf wächst zu einer kleinen Stadt heran, als immer mehr Krieger und Söldner aus aller Herren Länder herbeiströmen, um die Belagerungsstreitmacht zu verstärken. Die Kämpfe selbst lassen leichte Assoziation zum Grabenkrieg von 1914-18 aufkommen. Unzählige Menschen sterben beim Kampf um ein paar Meter Boden. Ein Ende scheint nicht abzusehen. Was derweil in der Zikkurat geschieht, bleibt nebulös.
In dieses Szenario wird nun Red Sonja gestellt. Und gerade dieser Anfangspart hat mir recht gut gefallen, bewegen wir uns dabei doch noch ganz auf "erdigem" Niveau, trotz der offensichtlich überirdischen Bedrohung, die von Thotas und dem "Stern" ausgeht. Aus der Sicht der Söldnerin lernen wir die Routinen von Belagerung und Lagerleben kennen, sehen dabei, wie Sonja sich in dieses Umfeld einfügt, dabei als Frau zwar ohne Zweifel eine Ausnahmeerscheinung ist, von den allermeisten ihrer Kameraden aber dennoch mit Respekt behandelt wird. (Auf den pflichtgemäßen Auftritt einiger typischer herumpöbelnder chauvinistischer Arschlöcher wird zwar nicht verzichtet, doch werden diese eindeutig als unangenehme Ausnahmen dargestellt und wenig später auch schon aus dem Lager geworfen).
Vor allem aber wird die Figur von Sonjas Kumpel Iatos eingeführt. Als Homosexueller ist der schon etwas ältere Krieger ein vielleicht noch größerer Außenseiter in der Macho-Männer-Gesellschaft der Söldnerhaufen. Er wird als "unabhängiger Geist" beschrieben, "der gleichermaßen Schwertkämpfer und Gelehrter, Tatmensch und Denker" ist. Die Beziehung, die zwischen ihm und Sonja besteht, hat mich an Kapitän Tio aus Die Hölle lacht erinnert, auch wenn sie sicher tiefer geht. Die beiden begegnen sich auf Augenhöhe und pflegen einen angenehm unverkrampften und humorvollen Umgang. Man bekommt sehr schnell das Gefühl, dass sie sich wirklich mögen und sich Gedanken umeinander machen. Leider ähnelt das Schicksal des lebensweisen und zum Philosophieren neigenden Söldners dem des guten Captains, und er verschwindet bereits recht früh aus der Handlung. Wenn auch auf weniger drastische Weise. Ich hätte ihn sehr gerne für das gesamte Abenteuer mit dabei gehabt.
Denn unglücklicherweise verbleibt die Geschichte nur für gut fünfzig Seiten in dieser Umgebung, um dann in eine ziemlich klassische Queste überzugehen. Und damit sind wir wohl gezwungen, uns der Figur des Daron zuzuwenden.
Der in der Vorgeschichte noch als reichlich impulsiv und hitzköpfig geschilderte Bo-ugan hat sich in den Jahren der Belagerung offenbar zu einem ebenso fähigen wie umsichtigen und auf seine Art bescheidenen Anführer gewandelt. Als er von der Anwesenheit Sonjas in seiner Truppe erfährt, lässt er sie deshalb umgehend zu sich rufen. Völlig unprätenziös und ohne irgendwelche "Generalsallüren" bittet er die erfahrene Kriegerin um ihren Rat. Tief frustriert davon, immer mehr Soldaten in einen scheinbar sinnlosen Tod zu schicken, sucht er nach einer Möglichkeit, den Krieg mit einem entscheidenden Manöver endlich siegreich beenden zu können. Doch auch Sonja fällt auf die Schnelle keine erfolgversprechende neue Taktik ein. Dafür meldet sich ihr Begleiter Daron zu Wort: Er hätte vielleicht eine Idee, wie dies zu bewerkstelligen wäre. Den genauen Inhalt seines Planes will er jedoch nicht offenlegen. Stattdessen bittet er darum, sich zusammen mit Sonja (und einem weiteren Begleiter) für einige Zeit von der Truppe entfernen zu dürfen, um die mysteriöse "Unterstützung", die ihm vorschwebt, zu organisieren. Bo-ugan willigt ein. Alsbald beginnt damit der Questen-Teil des Romans.
Anfangs erfahren wir wenig genaueres über Daron. Der junge Mann hat sich schon vor einiger Zeit mit Sonja zusammengetan und die beiden verbindet offensichtlich ein freundschaftliches Band. Auch scheint es sich bei ihm um einen zu finsteren Grübeleien neigenden Charakter zu handeln. Der Grund dafür wird schnell ersichtlich, nachdem man sich auf die gemeinsame Suche begeben hat. Daron ist der Sohn eines "nicht ganz menschlichen" Magiers, dem er in seinem bewussten Leben jedoch nie begegnet ist. In ihm schlummert deshalb ein magisches Erbe, das er selbst nicht wirklich versteht und das ihn beunruhigt. Sein (ehrlich gesagt ziemlich schwammiger) Plan ist es, nunmehr seinen -- nach allem, was er weiß -- äußerst mächtigen Vater zu suchen. Ob es ihm dabei tatsächlich darum geht, Hilfe für Bo-ugan und die Belagerer zu organisieren, oder ihn eher persönliche Motive antreiben bleibt zweideutig.
Bei allem abenteuerlichen Drumherum bildet die Beziehung zwischen Sonja und Daron doch das Herzstück des Romans. Und reden wir nicht lange drum herum: natürlich entwickeln die beiden sehr schnell romantische Gefühle füreinander. Aber keine Angst, es gibt immer noch genug gruselige Sumpfmonster, böse Hexen, dämonische Zauberer, herumwankende Zombies und epische Schlachten. Und wenn ich ehrlich sein soll, so ist dies hier von allem mir bekannten "romantischen Subplots" um Red Sonja aus der Ära vor Gail Simones "Befreiung" der Figur die angenehmste. Oder doch zumindest die am wenigsten unangenehme oder nervige.
Grund dafür ist vor allem, dass Smith & Tierney für diesen ihren letzten Roman das ganze Ding mit dem "Keuschheitsgelübde" ("Ich gebe mich nur dem Mann hin, der mich im Kampf besiegt hat") kommentarlos über Bord geworfen haben. Was schon recht erstaunlich ist, sollten die Bücher doch ohne Zweifel an die Popularität der 70er Jahre - Comics von Roy Thomas, Clair/Clara Noto & Frank Thorne anknüpfen. Aber Ace Books hatte ihnen ziemliche große Freiheiten im Umgang mit der Figur eingeräumt. Schon in Die Hölle lacht war dabei der Chainmail Bikini (beinah wortwörtlich) über Bord gegangen. Den trug Sonja in den frühen 80ern freilich auch in den Comics wenn überhaupt nur noch selten. Dieser zweite massive Eingriff in die "Lore" ist da schon sehr viel radikaler, und es wundert mich ehrlich gesagt, dass die Autoren damit durchgekommen sind. Meines Wissens nach sind sie damit die einzigen, die etwas derartiges vor Gail Simone gewagt hätten. Wie dem auch sei, auf jeden Fall kommt es dank dessen nicht zur Wiederholung solcher Cringe-Szenen wie des Zweikampfs zwischen Sonja und Olin in Der Ring des Ikribu.
Natürlich ist das Ganze trotzdem eine alles andere als unkomplizierte Beziehung, die nicht mit einem "Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage" abschließt. Zum einen ist da Darons Zauberererbe und sein (vor allem anfangs) mitunter etwas fragwürdiges Benehmen, die es Sonja nicht gerade einfach machen, ihm ganz zu vertrauen und sich ihm zu öffnen. Doch zudem ist die Kriegerin auch in dieser abgewandelten Variante eine Person, die vor gar zu intimen Beziehungen erst einmal zurückschreckt. Dies wird allerdings nicht mit irgendeinem "Eid" begründet, sondern rein psychologisch mit den grausamen Erfahrungen erklärt, die sie in ihrer Vergangenheit machen musste. In diesem Zusammenhang wird zwar auch in Stern des Untergangs ihre Vergewaltigung erwähnt (diesen Teil der "traditionellen" Origin Story sind Smith & Tierney also nicht losgeworden), doch wenigstens erscheint sie dabei nicht als das alles definierende Ereignis von Sonjas Leben, das aus der "unschuldigen" jungen Frau die "starke" Kämpferin gemacht habe, wie dies unglücklicherweise vor gar nicht so langer Zeit noch einmal in The Ballad of the Red Goddess von Roy Thomas und Esteban Maroto geschehen ist.* Die Art, in der die Vergewaltigung erwähnt wird (und sie wird in der Tat nur erwähnt), macht sie vielmehr zu einem Teil all der Gewalt und Grausamkeit, die den Blick unserer Heldin auf die Welt geprägt haben. Die Gefahr, die daraus erwächst, charakterisiert Iatos am Anfang der Geschichte in einem Gespräch mit seiner Freundin so:
Was ist, wenn du Schläge erwartest und statt dessen als nächstes Musik hörst? Wenn du Schläge erwartest, reagierst du auf Musik vielleicht so wie auf einen Schlag. Wessen Schuld ist das? Wenn du unter Feinden aufgewachsen bist, hältst du jeden für einen Feind. Wenn du daran gewöhnt bist, ein Messer zum Töten zu verwenden, wie kannst du dir dann beibringen, dass es auch zum Brotschneiden verwendet werden kann -- oder um ein wundervolles Kunstwerk aus einem Stück Holz zu schnitzen?Sonjas Einzelgängerinnentum, die Schwierigkeiten, die sie damit hat, sich anderen Menschen zu öffnen und Bindungen einzugehen, erhält damit zumindest eine psychologisch plausible Begründung. Und wir sollen Stern des Untergangs wohl auch als eine Erzählung darüber lesen, wie es ihr unter viel Mühen erstmals gelingt, diese Isolation aufzubrechen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich diese Geschichte in dieser Form gebraucht hätte, aber das ist mehr eine persönliche Geschmacksfrage.
Allerdings finden sich die anfang beschriebenen zwei Herangehensweisen auch in der Darstellung der Beziehung zwischen Sonja und Daron. Die beiden sind nicht einfach bloß zwei Menschen, die sich ineinander verlieben, sondern zwei "wahre Seelen", die über Äonen miteinander verbunden sind und sich im Ablauf unzähliger Wiedergeburten immer wieder finden und verlieren. Für diese Offenbarung ist der alte Magier Ban-Itos verantwortlich, den sie im Laufe ihrer Queste befreien und der sich ihnen im Kampf gegen Thotas anschließt. Diese mystische Überhöhung einer zwischenmenschlichen Beziehung trägt recht deutlich die Handschrift von Richard L. Tierney. Ganz genauso verfährt er in seinen Simon of Gitta - Geschichten. Dort hatte mich das nicht groß gestört, aber hier wirkt es auf mich irgendwie so, als werde damit der Beziehung etwas von ihrer Menschlichkeit entzogen.
Je länger die Geschichte dauert, desto mehr überwiegt jene Sichtweise, die in Sonja nicht einfach eine Abenteurerin, sondern eine "Heldin mit Bestimmung" sieht. Zu diesem Zweck wird sogar die mysteriöse "Göttererscheinung" ("Mann-Frau-Wesen-Gott-Göttin-Geschick") aus Roy Thomas' ursprünglicher "Origin Story" The Day of the Sword erneut heraufbeschworen. Deren wahre Natur war in den alten Comics meines Wissens nach nie hundertprozentig geklärt worden. Hier nun wird sie von Ban-Itos als eine Manifestation von Sonjas eigenem "wahren/metaphysischen Ich" interpretiert. Das finde ich zwar minimal befriedigender als den Göttinnenschmus, der zu Beginn der Dynamite - Ära eine Zeit lang populär werden sollte, aber ich hätte auf diese Art mystischer Zutaten auch gut verzichten können.
Ebenfalls auf Tierney zurückgehen dürfte die wahre Natur des "Sterns", die einmal mehr von Ban-Itos enthüllt wird. Der vermeintliche Meteorit ist in Wirklichkeit ein Ajar-Alazwat, "eine der Kreaturen der Alten Götter, die die Kraft aller leidenden Lebewesen anziehen und sie ihren Herren weiterleiten". Das ist ein direkter Bezug auf Tierneys "düstere Kosmologie", wie sie besonders ausführlich in der Simon of Gitta - Geschichte The Throne of Achamoth beschrieben wird, in der der Held während einer Astralreise die unterschiedlichen Planetensphären durchwandert und dabei die in den Himmelskörpern hausenden "Archonten" beobachtet, böse "Untergötter", deren Aufgabe es ist, die durch Leid und Schmerz freigesetzten Energien der Erdbewohner aufzufangen und an die "Primal Gods" (die "Lords of Pain") weiterzuleiten, die sich von ihnen ernähren. Dieser kosmologische Hintergrund spielt in Der Stern des Untergangs freilich keine zentrale Rolle. Der Ajar-Alazwat erscheint hier im Grunde als eine Art cthulhuider Großer Alter, den Thotas in seiner Hybris an sich zu ketten versucht hat, um seine Macht auszunutzen. Mit verheerenden Folgen für alle Beteiligten (und potenziell die gesamte Welt).
Wie inzwischen wohl deutlich erkennbar sein sollte, besteht Ban-Itos' Aufgabe vor allem darin, den Experten fürs Mystische und Infodumper Extraordinaire zu geben. Natürlich sorgt er während des finalen Sturms auf die Zikkurat außerdem für zusätzliche magische Firepower. Doch zwischendurch (und vor allem am Ende) schlüpft er darüberhinaus in die Rolle eines väterlichen Freundes für Sonja. Es hätte mir deutlich besser gefallen, wenn die entsprechenden Gespräche (mit der nötigen Anpassung) zwischen Sonja und Iatos stattgefunden hätten. Nicht nur weil ich den schwulen Söldner mag, sondern mehr noch weil deren Beziehung stärker freundschaftlich-ebenbürtig auf mich gewirkt hat. Es gibt zwar ein paar Szenen, die das Gravitätische der Ban-Itos - Figur etwas auflockern, aber irgendwie bleibt er halt doch der archetypische "alte Weise".
Nicht unerwähnt bleiben darf außerdem die etwas problematische Gestalt des Urrim. Der junge Soldat ist aufgrund einer schweren Kopfverletzung "schwachsinnig" geworden. Warum Daron ihn unbedingt auf die Queste mitschleppen will, ist Sonja anfangs nicht klar, doch entwickelt sie schon bald starke Beschützerinneninstinkte gegenüber ihrem oft hilflosen und furchterfüllten Reisegefährten. Doch als man die Wohnstatt der Sumpfhexe Osylla, einer alten Bekannten von Darons Vater, erreicht, wird der äußerst makabre Grund für Urrims Anwesenheit sehr schnell klar. Daron ahnte schon im Voraus, dass es zur Vollendung der Queste möglicherweise ein Menschenopfer brauchen werde. Und Urrims Leben sei doch in seinem jetzigen Zustand ohnehin "wertlos", seine Ermordung geradezu ein "Akt der Erlösung"! An der Stelle musste ich denn doch heftig schlucken, ist das doch gruselig nah an Euthanasie und dem Gerede von "nicht lebenswertem Leben"!
Nun ist Sonja zwar angemessen entsetzt von diesem Vorhaben und würde eher die Klinge mit ihrem Gefährten kreuzen als diese Opferung zuzulassen. Auch ist Osylla eindeutig als "böse" gekennzeichnet und Daron befindet sich zu diesem Zeitpunkt möglicherweise noch unter dem Einfluss seines semi-dämonischen "Zauberererbes". Nichts spricht dafür, dass es sich bei der Ermordung Urrims um etwas anderes als eine finstere Tat handelt. Dennoch lässt unsere Heldin das grausige Ritual schließlich geschehen, nachdem sie eine Art "göttliche Vision" erhalten hat. Und an einer späteren Stelle in der Erzählung wird ziemlich klar angedeutet, dass Urrims Seele tatsächlich Befreiung erlangt hat.
Alles in allem ein etwas unangenehmes Storyelement. Oder doch zumindest eines, das man meiner Ansicht nach etwas anders hätte handhaben müssen. Man hätte vielleicht etwas interessantes daraus machen können, doch nur, wenn die aus pragmatischen Motiven vollbrachte Bluttat andere Konsequenzen für unsere Protagonist*innen nach sich gezogen hätte. Zumindest auf psychologischer Ebene.
Wie also lautet mein Fazit zu Der Stern des Untergangs? Meine persönlichen Favoriten bleiben ganz ohne Frage Die Hölle lacht und Endithors Tochter, daran hat sich nichts geändert. Ich mag Red Sonja halt vor allem als die Glücksritterin mit dem rebellischen Geist. Und die bekommen wir hier höchstens am Anfang kurz zu sehen. Dennoch enthält der Roman sicher die eine oder andere packende Szene oder interessante Idee. Und ich denke, man wird Smith & Tierney zugute halten müssen, dass der Romance-Teil zumindest nicht unangenehm oder cringe-worthy ist. Würde ich das Buch noch einmal lesen? Vermutlich nicht. Aber die kleine Saga um den She-Devil hätte auch einen sehr viel schlechteren Abschluss finden können.
BTW: In nicht ganz zwei Wochen wird nach Jahrzehnten tatsächlich ein neuer Red Sonja - Roman erscheinen. Von niemand anderem geschrieben als von Gail Simone, die damit (so weit ich weiß) ihr Roman-Debüt ablegt! Auch wenn ich sehr gespannt darauf bin, steht allerdings noch nicht fest, ob ich mir die Hardcover-Version von Red Sonja: Consumed besorgen oder doch lieber auf das Softcover warten werde.
* Ich halte Rape-Revenge-Stories zwar nicht für grundsätzlich inakzeptabel, aber gerade in der Heroic Fantasy ist dieser Trope inflationär oft verwendet worden. Und wie Jessica Amanda Salmonson schon 1979 in ihrer bahnbrechenden Anthologie Amazons! geschrieben hat: "Ich persönlich finde den Gedanken, dass man Frauen erst einmal vergewaltigen muss, damit sie die Wandlung vom 'Opfer' zur 'Kämpferin' vollziehen können, nicht gerade einnehmend."