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Donnerstag, 18. Juli 2024

Allerlei magische Schwerter und ein Fantasy-Heist

Als ich mich vor drei Wochen in einer Lage befand, in der keine andere Lektüre greifbar war, entschied ich mich spontan dazu, in ein altes, zerfleddertes Exemplar von Fred Saberhagens Buch der Schwerter reinzuschmökern, das eigentlich auf seine Übersiedelung in einen öffentlichen Bücherschrank wartete. Und was soll ich sagen? Ich hab' den gut 800 Seiten starken Wälzer inzwischen tatsächlich ganz durchgelesen, und er hat nun doch einen Platz in meiner "Bibliothek" erhalten.
 
Ich hatte die Trilogie in meinen Teens schon einmal gelesen, aber erhalten hatten sich davon nur ein-zwei vage Erinnerungen: Ein unterirdischer Komplex in Gestalt eines gewaltigen, sich langsam drehenden Rades. Ein tanzender Shiva vor den Mauern einer belagerten Stadt. Viel mehr war nicht hängengeblieben.
 
Allerdings wusste ich inzwischen, dass das Buch der Schwerter (1983/84) ein Sequel zu Saberhagens erstem Fantasyepos Empire of the East / Reich des Ostens (1968-73) ist, was mir bei meiner ersten Lektüre nicht bewusst gewesen war. Über dessen Inhalt weiß ich freilich nicht viel mehr als das, was den drei Artikeln von Fletcher Vredenburgh zu entnehmen ist, die 2018 auf Black Gate erschienen sind.

Warum ist Saberhagens Trilogie eigentlich nie verfilmt worden? Das Cover der britischen Omnibusausgabe von 1984 schaut doch schon aus wie das Poster für einen grandios epischen B-Movie. (Künstler anscheinend unbekannt)

Die Vermischung von SciFi- und Fantasyelementen war in der Genreliteratur der 60er und 70er Jahre keine Seltenheit. Man denke etwa an Klassiker wie Tanith Lees Birthgrave oder C.J. Cherryhs Gates of Ivrel. Und selbst in Fritz Leibers Swords of Lankhmar taucht ja der Welten- und Zeitreisende Karl Treuherz auf, der Monster für Hagenbecks Zeitgarten jagt. Auch die Idee, eine Fantasygeschichte in einem postapokalyptischen Setting anzusiedeln, war nicht wirklich neu, als 1968 Saberhagens The Broken Lands erschien. Ich verweise bloß auf Nelson S. Bonds Magic City, die im Feburar 1941 in Astounding erschienen war. 
Vor allem postapokalyptische Sword & Sorcery war eine Zeit lang recht beliebt. Da gab es z.B. den Gold Key Comic Mighty Samson (1964-69/1972-76) oder die Zeichentrickserie Thundarr the Barbarian (1980/81). Selbst Gardner F. Fox' Clonan Kothar erlebt seine Abenteuer "offiziell" in einer postapokalyptischen Welt, und noch in Jessica Amanda Salmonsons Amazons II besuchen wir in Lee Killoughs The Soul Slayer / Der Seelenräuber die Ruinen von New York. Aber natürlich ist mit Terry Brooks' Shannara auch eines der kommerziell erfolgreichsten High Fantasy - Franchises der 80er Jahre nach einem Atomkrieg angesiedelt. Auch wenn das in den Geschichten (soweit sie mir bekannt sind) selten so offensichtlich wird wie in der MTV-Adaption der Elfstones von 2017.
Dennoch scheint Saberhagens Empire of the East in seiner "pure pulp insanity" (Vredenburghs Worte) eine Klasse für sich zu sein.*
   
Wie schaut es damit im Buch der Schwerter aus? Die Handlung spielt 2000 Jahre nach dem Vorgänger. Die Überbleibsel der "Alten Welt" sind sehr viel spärlicher geworden. Panzer rollen hier nicht mehr durch die Gegend. Bloß eine erstaunlich große Anzahl elektrischer Lampen (mit anscheinend unerschöpflichen Batterien) hat sich immer noch erhalten. Doch davon einmal abgesehen präsentiert sich uns das Setting der zweiten Trilogie als eine relativ typische Fantasywelt mit Rittern, Burgen, Drachen, Magiern und Dämonen. Allerdings ohne Elfen oder Zwerge. Die werden nur einmal kurz augenzwinkernd als Gestalten aus Sage und Legende erwähnt. Dafür tummeln sich auf dieser Welt allerlei merkwürdige Hybridwesen (Mutationen? Produkte gentechnischer Manipulation?) wie etwa der "Mönchsvogel", der eigentlich gar kein Vogel, sondern ein geflügeltes Säugetier ist, eine Art Mischung aus Affe und Fledermaus. Auch spricht Saberhagen in einer hübschen stilistischen Wendung stets nur von "Reittieren", "Lasttieren", "Wolltieren" und "Milchtieren". Das könnten zwar einfach bloß Pferde, Esel, Schafe und Kühe sein, aber vielleicht eben auch nicht. Mir gefällt dieser leichte "Verfremdungseffekt".

Wie bei einer Fantasywelt dieser Couleur üblich, haben wir es auch im Buch der Schwerter mit einer faux-feudalistischen Gesellschaft zu tun. Allerdings ist ihrer Schilderung ein etwas höheres Maß an "Realismus" eigen als man das in der High Fantasy gemeinhin vielleicht gewöhnt ist. Nicht dass Saberhagen zur Grim & Gritty neigen würde, aber er lässt doch keinen Zweifel dran, dass es sich um eine krasse Klassengesellschaft handelt, in der die einfachen Leute aus gutem Grund Angst vor den meisten Aristokraten und ihren Schergen haben, und in der die Perspektive, aus der heraus eine Person die Welt sieht, stark davon geprägt ist, welchem Stand sie angehört. Zwischen der Welt der Mächtigen und der der allermeisten Menschen klafft ein tiefer Abgrund.

Omnibusausgabe von 1987 mit einem Cover von Dino Marsan.

Jetzt habe ich High Fantasy gesagt, aber eigentlich würde ich die Trilogie eher als eine eigenartige Mischform charakterisieren, die zwischen High und Low Fantasy hin- und herpendelt.
 
Freilich beginnt der erste Band mit dem archetypischen jugendlichen "Auserwählten" aus einem Hinterwäldlerdorf. Auch wenn es vorerst unklar bleibt, wozu der junge Mark "berufen" ist. (Und um ehrlich zu sein, war mir das selbst am Ende der Trilogie nicht so 100%ig klar). Sein besonderer Status zeigt sich fürs erste bloß in seiner ungewöhnlichen Herkunft.
Aufgewachsen ist er als Sohn des ehemaligen Schmiedes Jord. Der hatte vor vierzehn Jahren zu einer Gruppe von sieben Männern gehört, die von dem Gott Vulkan gezwungen wurden, ihm beim Schmieden von zwölf magischen Schwertern zu helfen. Als einziger hat er das überlebt. Denn der Gott war der Überzeugung, dass es zur Vollendung seines Werkes "Menschenschweiß", "Menschenschmerz", "Menschenangst" und "Menschenblut" brauche. Jord hatte insofern "Glück", als ihm "bloß" der rechte Arm abgeschlagen wurde. Auch erhielt er als "Lohn" eine der zwölf Klingen. Diese Hintergundsgeschichte verrät uns zweierlei: Die Götter dieser Welt sind (scheinbar zumindest) die des griechisch-römischen Pantheons. Und sie sind alles andere als nett.
Marks wirklicher (biologischer) Vater ist allerdings gar nicht Jord, sondern ein mysteriöser maskierter Fremdling (und Edelmann?), dessen wahre Identität erst viel später enthüllt wird und von dessen Existenz unser Held lange Zeit nichts ahnt.
 
Der Beginn seiner Heldenlaufbahn ist ähnlich archetypisch, wenn er nach einem Überfall auf sein Heimatdorf mit dem magischen Schwert die Flucht ergreifen muss. Gehetzt von den Schergen des fiesen Herzogs Fraktin, der die Wunderklinge unbedingt in die Finger bekommen will, stolpert er über den professionellen Drachenjäger Nestor und seine Begleiter Ben und Barbara. Das Trio, das von Jahrmarkt zu Jahrmarkt zieht, nimmt sich seiner an und gemeinsam macht man sich auf den Weg zur Domäne des Guten Sir Andrew. Doch bevor die Gruppe diese erreicht, kommt es zu einem erneuten Scharmützel, in das diesmal auch leibhaftige Drachen verstrickt sind. In dessen Verlauf gehen sowohl Nestor als auch das magische Schwert verloren.
 
Der Drachenjäger ist ein ganz gutes Beispiel dafür, wie Saberhagen mit seinen Figuren umgeht. Wenn auch nur skizzenhaft gezeichnet, soll er doch wohl den Archetyp des vagabundierenden Haudegens verkörpern. Im Verlauf des ersten Bandes macht er eine recht beeindruckende Entwicklung durch und erscheint zentral für die Handlung. Er wird von Drachen entführt und von dem gottähnlichen "Herr der Tiere" Draffut in die "epischen" Gesamtzusammenhänge eingeweiht: Die Götter haben die Schwerter geschaffen und unter die Menschen verteilt, um ein großes "Spiel" zu spielen. Was letztlich darauf hinausläuft, dass alle möglichen Potentaten die Klingen iu ihren Besitz zu bringen versuchen, was alsbald zu einem Krieg aller gegen alle führen wird. Angesichts dieser Bedrohung wandelt sich Nestor nach einigem Zögern in einen selbstlosen Heroen, der am Ende die Burg des Guten Sir Andrew mit dem magischen Schwert "Townsaver" gegen eine gewaltige feindliche Übermacht verteidigt und dabei den Heldentod findet. Dass dieser off-screen stattfindet, ist bezeiuchnend. Denn bei all dem bleibt die Charakterisierung des Drachenjägers insgesamt sehr rudimentär. 
Und im Grunde gilt das für alle Figuren des Zyklus. Saberhagen interessiert sich nicht wirklich für ihr Innenleben oder ihre Beziehungen und Konflikte. Da beschränkt er sich aufs nötigste. Die Figuren dienen ihm als Aufhänger für die Geschichte und diese dreht sich nicht wirklich um sie. 
Was auch die recht häufigen Perspektivwechsel erklärt. Diese sollen nicht das Gefühl einer "komplexen Welt" hervorrufen, sondern dienen in erster Linie dazu, die Schilderung aller möglichen "Szenen" zu ermöglichen. Und wenn es Saberhagen trotz allem nicht gelingt, eine seiner "Hauptfiguren" an den dafür benötigten Schauplatz zu rücken, kann er sogar mal auf eine auktoriale Sicht zurückgreifen. Oder er führt einen Perspektivträger ein, der ausschließlich dafür existiert, Zeuge einer bestimmten "Szene" zu werden, um anschließend auf Nimmerwiedersehn zu verschwinden.    
Das mag etwas ungelenk klingen, hat mich aber nicht groß gestört. Nur ab und an führte ein besonders krasses Beispiel dieser Erzähltechnik zu einer gehobenen Augenbraue. Wenn z.B. am Anfang des dritten Bandes innerhalb einer Szene von der personalen zur auktorialen Sichtweise gewechselt wird. Oder gegen Ende des Zyklus rasch die Figur eines Kriegsflüchtlings (inklusive Name und Familie) eingeführt wird, die ganz offensichtlich nur existiert, weil sonst niemand eine epische Prügelei zwischen zwei "Göttern" beobachten könnte.
Insgesamt konnte ich mit Saberhagens eher den Pulp-Traditionen verhafteten Erzählweise jedoch sehr gut leben. Was interessiert mich Nestors Gefühlsleben, wenn ich dafür die hübsch grauslichen "Larven" präsentiert bekomme -- aus Sumpfschlamm geformte "Golems" mit Haken und Klingen anstelle von Händen? Oder den zotteligen Titanen Draffut kennenlernen darf? Letzterer stammt übrigens aus Empire of the East. Und obwohl viele ihn für einen Gott halten, weist er eine solche Bezeichnung energisch von sich. Tatsächlich mehren sich im weiteren Verlauf des Zyklus die Anzeichen dafür, dass es sich bei dem "Herrn der Tiere" in Wirklichkeit um eine Art mutierten Hund handelt! Weshalb er, als "men's best friend", auch unfähig ist, Menschen ein Leid zuzufügen.
 
Der Gute Sir Andrew ist übrigens so gut, dass eine seiner Lieblingsbeschäftigungen darin besteht, gefangenen Verbrechern in seinem Kerker aus der "Bibel" vorzulesen, um sie auf den Weg von Reue und Umkehr zu führen. Dabei scheint diese "Heilige Schrift" hauptsächlich eine mythifizierte Version der Ereignisse von Empire of the East zu enthalten. Unter den Edelleuten dieser Welt stellt er wohl so etwas wie die Ausnahme dar, welche die Regel bestätigt (vorerst zumindest). Dennoch eignet er sich nicht wirklich für die Rolle des aristokratischen Retters und Anführers der "Mächte des Guten". Grund dafür ist nicht nur die gutmütig-karrikierte Figurenzeichnung, sondern auch der klare Mangel an den dafür nötigen Ressourcen. Als bloßer Ritter steht er ziemlich weit unten in der Adelshierarchie.
 
Dennoch hinterlässt der erste Band des Buchs der Schwerter alles in allem den Eindruck eines recht typischen Auftaktkapitels für ein High Fantasy - Epos. Es wird eine schier übermächtige Bedrohung aufgebaut, wobei der anfangs als Hauptantagonist eingeführte Herzog Fraktin recht kümmerlich wirkt, sobald die Silberne Königin Yambu auf ihrer riesigen Kriegskatze an der Spitze ihrer Armeen auftaucht. Und im Hintergrund dräut gar noch die Gestalt des "Dunklen Königs". Parallel dazu scheint mit Mark, Ben und Barbara zumindest der Kern einer archetypschen Heldengruppe geschaffen.
 
Aber der Beginn des zweiten Bandes bildet einen krassen Sprung, der dieses Bild weitestgehend demontiert. Sieben Jahre später. Die Gruppe ist zerfallen. Ben hat sich als Söldner bei den Blauen Templern verdingt, einer Mischung aus Bankunternehmen und Kult, der die Geldgier zu einer religiösen Tugend erhoben hat. Barbara ist zu den Jahrmaktsschaustellern zurückgekehrt. Nur Mark hat noch eine Zeit lang bei Sir Andrews kleinem Häuflein von Widerstandskämpfern ausgeharrt, um sich dann auch desillusioniert von dannen zu machen. Zu einem apokalyptischen Zusammenprall zwischen den Mächten von Licht und Finsternis ist es nicht gekommen, dafür ist die Welt in einen Zustand permanenter Kämpfe zwischen den mächtigsten Potentaten versunken, Warlords und Marodeure verheeren das Land, und die einfache Bevölkerung ist ihrem brutalen Treiben weitgehend schutzlos ausgeliefert. Mit anderen Worten: Das High Fantasy - Feeling hat einem Sword & Sorcery - Vibe Platz gemacht. Und es kommt noch besser: Im Grunde handelt es sich bei dem Band nämlich um eine Fantasy-Heist-Story mit eingebautem Dungeoncrawl. Was will man mehr?

Ganz zufällig wird Ben der geheime Standort der größten Schatzkammmer des Blauen Tempels bekannt. Und anders als von seinen Vorgesetzten geplant, entkommt er lebendig mit diesem Wissen. Schon während seiner Flucht beginnt er Pläne für einen Einbruch in dieses Fantasy-Äquivalent von Fort Knox zu schmieden. Doch zuerst einmal kommt es zur Wiedervereinigung des Trios. Außerdem gibt es da noch jemand anderen, der vom Hort der Blauen Templer träumt. Einem Don Quijote der Goldgier ähnelnd zieht der verarmte Baron Doon monomanisch durch die Lande und sammelt, geleitet vom magischen Schwert "Wayfinder", all die Leute ein, die er für dieses Unternehmen braucht. Wozu u.a. ein alter Magier und ein Tierbändiger nebst zahmem "Mönchsvogel" gehören. Es dauert nicht lange und die beiden Gruppen stoßen aufeinander. Schließlich kommt man überein, den Raubzug gemeinsam anzugehen. Doch das Schwert (also der Autor) entscheidet, dass Barbara nicht Teil des Teams sein soll. Was mich denn doch ganz schön verärgert hat. Im Nachhinein habe ich Saberhagens Gründe dafür zwar etwas besser verstehen können, aber wirklich ausreichend sind sie mir auch dann nicht erschienen. Wenigstens wird die Gruppe auf dem Weg nach Norden noch um Ariane ergänzt, eine illegtime Tochter der Silbernen Königin, die man allerdings erst einmal aus einer Festung der Roten Templer befreien muss. Diese frommen Herren haben sich auf das Leiten von Bordellen, Spielhallen, besonders wilden Tavernen und einer hübsch widerlichen Form von "Opiumhöllen" (den "Wurmgruben") spezialisiert. Sehr nett.
Wie es sich für eine ordentliche Heist-Geschichte gehört, besteht unser Team von Underdogs mehr oder weniger aus einer Reihe von "Spezialisten", die für die unterschiedlichen Etappen des Einbruchs (das "Brechen der Sechs Siegel") gebraucht werden. Auch wenn das noch etwas feiner ausgearbeitet hätte sein können. Die Schatzhallen selbst entpuppen sich als ein veritables Dungeon mit unterschiedlichen "Ebenen", zu denen u.a. der schon erwähnte gigantische Radmechanismus (ein Relikt der "Alten Welt"), ein magisch-illusionärer Urwald, eine bizarre unterirdische Garnison halb-untoter Soldaten (die dennoch gerne Zechorgien feiern, solange der Boss nichts davon mitkriegt), sowie das Habitat eines ausgewachsenen Dämons gehören. 
 
Es wird vermutlich niemanden hier wundern, dass der zweite Band des Buchs der Schwerter mein absoluter Favorit war. Trotz einiger kleiner Schwächen hie und da (sowie dem Barbara-Ärgernis) ist das wirklich ein großer Spaß -- wenn auch für die meisten der Beteiligtene ein tödlicher. Denn wie uns schon das Beispiel Nestors gezeigt hat, hegt Saberhagen keinerlei Skrupel, einige seiner Figuren über die Klinge springen zu lassen.
Das High Fantasy - Element schleicht sich erst ganz am Ende wieder so richtig in die Geschichte ein, wenn es zum Auftritt eines Gottes kommt und wir auf recht drastische Art und Weise demonstriert bekommen, dass sich die Unsterblichen mit ihrem "Spiel" und den magischen Schwertern bös verrechnet haben könnten.
 
Mit dem dritten Band springt das Buch der Schwerter dann allerdings mit verdoppelter Kraft zurück in den High Fantasy - Modus. Was einer der Gründe dafür war, warum mich dieser am wenigsten angesprochen hat. Freilich verleiht Saberhagen seiner Geschichte auch hier noch den einen oder anderen eigenwilligen Akzent. 
So bekommen wir mit dem "Dunklen König" Vilkata zwar nun tatsächlich eine Art Dark Lord - Figur präsentiert, aber eine mythische Gestalt à la Sauron ist auch er nicht. Vielmehr handelt es sich bei ihm "bloß" um einen besonders mächtigen Schwarzmagier und Dämonenbeschwörer. Weniger unheimlich macht ihn das allerdings nicht. Eher im Gegenteil. Besonders wirkungsvoll fand ich die Idee, dass der blinde Vilkata Dienerdämonen als Ersatz für seinen verlorenen Gesichtssinn einsetzt und diesen dabei befohlen hat, alles "auszublenden" oder ""herauszufiltern", was bloß eine unnötige Ablenkung darstellen würde. Was in erster Linie bedeutet, dass der Warlord nie eines der Opfer seiner Handlungen wahrnimmt, Denn was würde es schon nützen, all diese Leichen und Leidenden zu "sehen"? Und auch wenn er sich mit seinen Konkubinen und Sklavinnen "vergnügt", sorgt der "Dämonenblick" für eine entsprechende Entmenschlichung, indem er die Körper der Frauen ganz auf ihre Sexualmerkmale reduziert.
Weit weniger gelungen fand ich Saberhagens Versuch, vermehrt "romantische" Subplots in seine Geschichte einzubauen. Ich glaube, ich bin noch nie einer absurderen Form von "Liebe auf den ersten Blick" begegnet wie der zwischen Mark und Prinzessin Kristin. Auch wenn ich es nett fand, dass auch der Hofstaat eines vermeintlich "guten" Königreiches wenig begeistert darauf reagiert, dass die Thronerbin mit einem dahergelaufenen Söldner und Fremdling angebandelt hat. Und dies Mark auf ausgesprochen "höfliche" (aber um nichts weniger eindeutige und herabsetztende) Art spüren lässt. Die implizierten Eheprobleme von Ben und Barbara fand ich dann allerdings völlig überflüssig. Nicht zuletzt deswegen, weil diese Figuren einfach viel zu oberflächlich gezeichnet sind, um Interesse für ihre emotionalen Verwirrungen wecken zu können. Wollte Saberhagen seine Charaktere nun doch plötzlich "vielschichtiger" machen und ihnen ein stärkeres psychologisches Eigenleben verleihen? Wenn das seine Absicht gewesen sein sollte, dann war das meines Erachtens keine gute Idee und zahlt sich nicht aus. Auch spricht das Ende der Saga eigentlich gegen eine solche Annahme. Denn keiner der "persönlichen" Handlungsstränge wird zu einem befriedigenden Abschluss gebracht und auf den letzten zwanzig Seiten oder so tauchen unsere "Haupthelden" nicht einmal mehr auf. Der Band endet vielmehr mit dem "Tod der Götter" und dem angenehm erbärmlichen Ende des "Dunklen Königs", wofür keiner der Protagonisten unmittelbar verantwortlich ist. Mir ist natürlich bewusst, dass es noch eine erkleckliche Anzahl von Folgebänden gibt. Dennoch etwas eigenartig.
 
Wirklich beeindruckend ist allerdings das Ende des Guten Sir Andrew. Für Jahre hat sich der Ritter mit ein paar Hundert Getreuen in den Sümpfen verschanzt und einen hoffnungslosen Guerillakrieg gegen die wirklich Mächtigen geführt. Als ihm die Silberne Königin anbietet, eine Allianz gegen den "Dunklen König" zu schließen, scheint sich das Blatt endlich zu wenden. Doch wenig später stößt Andrews Truppe mit der Vorhut von Viltakas Heer zusammen. Und der trägt inzwischen "Skulltwister", das "Sinnschwert", das alle in seiner Reichweite in fanatische Hörige seines Besitzers verwandelt. Andrew seinerseits führt "Shieldbreaker". Zwar schützt ihn das vor der magischen Beeinflussung, doch wie jedes der Zwölf, das tatsächlich für den Kampf geschaffen wurde, übernimmt auch diese Klinge die völlige Kontrolle über ihren Träger, sobald das erste Blut vergossen wird. Und so ist der Gute Ritter gezwungen, seine eigenen (ehemaligen) Gefolgsleute und schließlich sogar seine Hofzauberin abzumetzeln, die wohl eigentlich die Liebe seines Lebens war.** Danach fehlt auch ihm der Wille, noch länger auf dieser Welt auszuharren. Ein besonders krasses Beispiel für die ziemlich zweischneidige (hö-hö!) Macht der magischen Schwerter.
 
Mein Fazit? Ich hab' den Wälzer in zwei Wochen durchgelesen, und das will bei mir schon was heißen. Tiefgründige Literatur ist das selbstverständlich nicht, aber dafür nette und flüssig geschriebene Pulp-Unterhaltung, die nie zäh oder langweilig wird. Und dabei immer mal wieder die eine oder andere originelle und coole Szene oder Idee enthält, Als Sword & Sorcery - Liebhaber hat mir der zweite Band naturgemäß am besten gefallen. Aber inzwischen habe ich mir auch die zweibändige deutschsprachige Ausgabe von Empire of the East (Das gespaltene Land & Die schwarzen Berge) besorgt, und auch wenn's da wohl eher durchgängig "episch" zugeht, hab' ich erneut viel Spaß mit Saberhagens Pulp-Irrsinn.  
  
 
 
* Dying Earth - Geschichten halte ich trotz gewisser Ähnlichkeiten für ein deutlich anderes Sub-Sub-Genre. Ich verweise auf meine Besprechung von M. John Harrisons The Pastel City.   

** Die Beziehung zwischen den beiden war für mich der anrührendste "romantische" Subplot der Trilogie. Vielleicht gerade, weil die beiden (aus unterschiedlichen, nur angedeuteten, aber irgendwie nachvollziehbaren Gründen) nicht fähig sind, sich ihre wechselseitigen Gefühle zu gestehen.

1 Kommentar:

  1. Ulkiger Zufall, hab's auch Anfang des Jahres gebraucht in die Hände bekommen und verschlungen. Finde es eine sehr anziehende Mischung aus dreckiger Unterhaltungsliteratur und "höherem".

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