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Dienstag, 6. August 2019

Willkommen an Bord der "Liberator" – S03/E04: "Dawn of the Gods"

Ein Blake's 7 - Rewatch

Ich liebe Dawn of the Gods. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen, doch der vielleicht wichtigste ist, dass Blake's 7 mit dieser Episode endlich einmal wieder einen Ausflug in wirklich groteske, beinah schon surreal anmutende Gefilde unternimmt. So etwas hatte es in der Vergangenheit schon ein paar Mal gegeben, aber in der dritten Staffel werden wir dererlei vermehrt begegnen, auch wenn solche Szenarien nie die Mehrheit bilden werden. Der Grund für diese Veränderung scheint mir im Ausscheiden Blakes zu liegen, nach dessen Verschwinden die politischen Motive der Serie fürs erste deutlich in den Hintergrund treten.

Auch wenn Blake nie mein Favorit war, ist das natürlich schon etwas bedauerlich. Anlass genug, noch einmal kurz meine Ansichten über die politische Dimension der ersten beiden Staffeln von Blake's 7 darzulegen.  

Nach wie vor sehe ich in der Figur des fanatischen und charismatischen Freiheitskämpfers auch einen kritischen Kommentar auf die Romantisierung des Guerillero in den linken Kreisen der 60er/70er Jahre. Zugegebenermaßen habe ich keine handfesten Belege dafür, dass dies das bewusste Anliegen Terry Nations gewesen wäre. Als er seine Idee für eine neue Show dem für TV-Serien verantwortlichen BBC-Oberen Ronnie Marsh schmackhaft zu machen versuchte, charakterisierte er sie vielmehr als "cracking Boy's Own/ kidult sci-fi. A space Western adventure. A modern swashbuckler." Später umschrieb er sie als "The Dirty Dozen in space", auch wenn die Ähnlichkeiten zu Robert Aldrichs Klassiker wirklich minimal sind. Aber Chris Boucher, dessen Einfluss auf die weitere Entwicklung von Blake's 7 ja nicht unterschätzt werden darf, hat offenbar einmal erklärt, er habe sich bei seiner Charakterisierung der Liberator - Crew vom Vorbild lateinamerikanischer Revolutionäre inspirieren lassen, vor allem von Emiliano Zapata, dem großen Bauernführer aus der Mexikanischen Revolution {und von Marlon Brando verkörpertem Helden eines Films von Elia Kazan}. Völlig abwegig ist meine Theorie also vielleicht doch nicht.

Unter den in den 60er/70er Jahren Radikalisierten herrschte oft eine große Faszination für den Guerilla-Kampf, der ihnen als die reinste Verkörperung der Revolution erschien. Dazu trug zum einen der starke Einfluss bei, den der Maoismus auf viele von ihnen ausübte, zum anderen das Vorbild des heroischen Kampfes der NLF (Nationalen Befreiungsfront / "Viet Cong") gegen den US-Imperialismus. Aber auch die zahlreichen südamerikanischen Guerillabewegungen, die dem Beispiel der Kubanischen Revolution von 1959 nachzueifern versuchten, weckten die Begeisterung der radikalen Linken jener Ära. Das gilt sowohl für deren klassische bäuerliche Varianten als auch für die terroristischen "Stadt-Guerillas". Man denke z.B. an Costa-Gavras' Film État de Siège / Der unsichtbare Aufstand (1972), den ich trotz seiner ziemlich unkritischen Darstellung der Tupamaros durchaus schätze. Vor allem aber war dies die Blütezeit des Che Guevara - Kultes. Niemand anderer verkörperte das romantische Flair, das den Guerillero umgab, besser als der Spross einer argentinischen Mittelklassefamilie, der an der Seite von Fidel Castro in der Sierra Maestra gekämpft und den Umsturz gegen das Batista-Regime angeführt hatte, um sein tragisches Ende schließlich im Dschungel Boliviens zu finden.
Die Verherrlichung bäuerlicher Guerilla-Bewegungen war letztenendes Ausdruck der demoralisierten Weltsicht der "Neuen Linken". Ihre Vordenker wie Herbert Marcuse glaubten, dass die Arbeiterklasse in den westlichen Metropolen durch die Entwicklung der "Wohlstands- und Konsumgesellschaft" ruhiggestellt und in das von ihnen als totalitär wahrgenommene Herrschaftssystem des Spätkapitalismus integriert worden sei.  Die einzige Hoffnung auf den Sturz der herrschenden Ordnung bestehe deshalb in einer Rebellion der "Verdammten dieser Erde", d.h. der verelendeten Massen in der sog. "Dritten Welt". Deren elementare Ausdrucksform aber sei der Guerilla-Kampf. Wie Marcuse in seinem 1966 verfassten "Politischen Vorwort" zu Eros and Civilization geschrieben hatte:
The body against the machine: men, women, and children fighting, with the most primitive tools, the most brutal and destructive machine of all times and keeping it in check — does guerilla warfare define the revolution of our time?
Aber ich nehme mal an, keiner meiner Leserinnen & Leser hat Lust, einem langen Vortrag zu lauschen, in dem ich die "Neue Linke" und den Guerilla-Kampf einer marxistischen Kritik unterziehe oder die katastrophalen Folgen dieser Fehlorientierung darlege. Schon gar nicht in einem Blogpost über eine Episode von Blake's 7. Lassen wir's also dabei bewenden.
Doch es waren nicht allein ideologische Beweggründe, die die Faszination des Guerilla-Kampfes ausmachten. Hinzu kam die romantische Aura, die diese Bewegungen zu umgeben schien. Der Typus des Guerillero, von Marcuse zur Verkörperung der "still partly unconquered, primitive, elemental forces" verklärt, wurde mit Attributen wie Unabhänigkeit, Leidenschaftlichkeit, persönlichem Heroismus und Draufgängertum verknüpft. Das blutige Getümmel des "bewaffneten Kampfes" erschien so viel aufregender und "rrrevolutionärer" als die mühselige Arbeit zum Aufbau einer politisch bewussten Massenbewegung. Man werfe nur einmal einen Blick in den abschließenden Paragraphen von Che Guevaras Motorcycle Diaries:    
[I]n dem Moment, da der große Spiritus rector den gewaltigen Schnitt macht, der die gesamte Menschheit in nur zwei antagonistische Parteien teilt, werde ich mit dem Volk sein, und ich weiß, weil ich es in der Nacht eingeschrieben sehe, ich, der eklektische Sezierer von Doktrinen und Psychoanalytiker von Dogmen, werde mit dem Geheul eines Besessenen die Barrikaden oder Schützengräben stürmen, meine Waffe in Blut tauchen und, rasend vor Wut, jeden Besiegten, der mir in die Hände fällt, niedermetzeln. Und ich sehe, als hätte eine unendliche Müdigkeit meine eben noch tobende Erregung überwältigt, wie ich, hingeopfert der jeden Willen gleichmachenden, echten Revolution, mit den beispielgebenden Worten mea culpa auf den Lippen falle. Schon spüre ich, wie sich meine Nüstern blähen und den bitteren Geruch von Pulver und Blut, von feindlichem Tod einsaugen; schon spannt sich mein Leib, bereit zu dieser Schlacht, und ich mache mein Sein zu einem Tempel, damit in ihm mit neuen Erschütterungen und neuen Hoffnungen das Wolfsgeheul des siegreichen Proletariats widerhallt.*
Dieser pathetische Erguss, in dem sich das schlechte Gewissen des privilegierten Bürgersohns mit blutiger Revolutionsromantik und einer an Nietzsche erinnerenden Egomanie verbindet, scheint mir viel darüber auszusagen, worin für die radikalisierten Intellektuellen und Jugendlichen die Faszination des Guerilla-Kampfes bestand.

Er scheint mir aber auch geeignet, um den Bogen zurück zu Blake's 7 zu spannen.
Wie wir im Laufe unseres Rewatches immer wieder gesehen haben, lässt Blakes revolutionärer Idealismus mitunter deutlich egomanische Züge erkennen.  Er betrachtet den Kampf für die Freiheit als eine Art persönliches Ringen zwischen ihm selbst und dem Regime. Es erstaunt darum auch nicht, dass alle anderen Revolutionärinnen und Revolutionäre, denen die Liberator - Crew im Laufe ihrer Abenteuer begegnet (Avalon, Kasabi, Cauder, Ralli & Vetnor), sehr viel kompetenter wirken, wenn es um den Aufbau wirklicher Widerstandsbewegungen geht. Blake, der ja selbst aus privilegierten Kreisen stammt, scheint kein wirkliches Vertrauen in die Fähigkeit der einfachen Bevölkerung zu besitzen, sich selbst zu befreien. Seine Vorstellung von revolutionärem Kampf besteht hauptsächlich in spektakulären Kommandoaktionen wie dem Überfall auf Servalans Hauptquartier. Den schließlichen Umsturz kann er sich nur als eine apokalyptische Katastrophe vorstellen, die ihm als dem großen "Befreier" die Bühne bereiten werde. Dem entspricht auch sein Hang zu autoritärem Verhalten.
Ich sehe da eine Menge Parallelen zum Typus des Guerillero. Und einer der großen Pluspunkte von Blake's 7 ist, dass trotz dieser kritischen Darstellung die Notwendigkeit und Richtigkeit des revolutionären Kampfes selbst nie in Frage gestellt wird. Wir bekommen an keiner Stelle Predigten über die Tugenden des friedlichen Reformismus gehalten. Wenn wir scheinbar reformwillige Mitglieder des Establishments kennenlernen, entpuppen sich diese entweder als hoffnungslos naiv oder als politische Intriganten, die selbst nach der absoluten Herrschaft streben.

Auch wenn das Thema Revolution in der vierten Staffel erneut an Bedeutung gewinnen wird, hat die Serie mit Blake doch die Figur verloren, anhand derer die Guerilla-Romantik kritisch beleuchtet werden konnte. Dieses spezifische Motiv verschwindet deshalb weitgehend mit dem Ausscheiden von Gareth Thomas. Als Ersatz bekommen wir allerdings so wunderbar bizarre Episoden wie James Folletts Dawn of the Gods serviert.

Im kultivierten Star Trek - Universum ist Dreidimensionales Schach bekanntlich das bevorzugte Brettspiel. Cally, Dayna, Avon, Vila und Supercomputer Orac amüsieren sich lieber mit einer Art Space-Monopoly. Der Spaß wird allerdings rüde unterbrochen, als die Liberator immer stärker von ihrem vorprogrammierten Kurs abzuweichen beginnt. Bordcomputer Zen kann keine Erklärung dafür liefern und der ja ohnehin selten besonders kooperative Orac zeigt sich wenig hilfreich: "I have already made perfectly clear that the ship is behaving normally. It is obeying Newton's First Law of Motion and will continue to obey it. Further discussion of the subject is now closed." Tarrant, der sich inzwischen einen selbstbewussten Kommandoton angewöhnt zu haben scheint, nimmt sofort an, dass das Schiff mit einem Tractor-Beam angegriffen wird. Avon erklärt dies für unmöglich, worauf der Ex-Offizier zurückgibt: "Just because you don't know how to build a high-energy traction beam doesn't mean that no one else knows how to build one." Da sich die Liberator eigentlich in der Nähe von Auron befinden müsste, verdächtigen Tarrant und Dayna sofort Callys Volk und bedrängen ihre Mannschaftskameradin mit aggressiven Fragen:
Tarrant: How close were we going to Auron, Cally? 
Cally: Well, you know how close.
Tarrant: It's just that if the Aurons are responsible for this, I wonder what it is you did to upset them before you left. 
Cally: I'll tell you sometime. Anyway, Tarrant, this is not the doing of my people. For one thing they're not hostile and for another they haven't developed the traction beam. 
Dayna: Do they all have your telepathic powers, Cally?
Cally: Some, to a degree, but our powers are limited. I've never made any secret about --
Dayna: What about telekinetic powers, the ability to exert a force at a distance? Maybe that's a secret you've kept.
Trotz der so familiär wirkenden Eröffnungsszene herrscht unter der "neuen" Crew offensichtlich noch längst keine wirklich vertrauensvolle Atmosphäre.
Das bessert sich auch nicht, als klar wird, dass sich die Liberator im Sog eines Schwarzen Loches befindet. Zumal es sich zeigt, dass Orac für diese Katastrophe direkt verantwortlich ist. Der wissbegierige Supercomputer wollte das "faszinierende Phänomen" unbedingt einmal näher in Augenschein nehmen. Als die Liberator von den Gravitationskräften der Singularität zerrissen zu werden droht, versucht Avon, seine eigene Haut zu retten und aus dem Schiff zu flüchten, was Tarrant unbedingt zu verhindern sucht. Nachdem die Liberator den Sturz in das Schwarze Loch auf unerklärliche Weise überstanden und die Lage an Bord sich wieder etwas stabilisert hat, erklärt er wütend: "One day, Avon, I may have to kill you." Worauf dieser ironisch lächelnd antwortet: "It has been tried." Schwer vorstellbar, dass diese beiden einmal echte Freunde werden.
Während Orac in Begeisterung über die Forschungsmöglichkeiten schwelgt, die sich ihm nun eröffnt haben, versucht der Rest der Crew herauszubekommen, wo sie sich eigentlich befinden. Die Sterne scheinen verschwunden zu sein, der Teleschirm zeigt nichts außer undurchdringlicher Finsternis. Die stets zu impulsiver Gewalt neigende Dayna feuert ein paar Torpedos hinaus in das Nichts, doch die Wirkung ist wenig erhellend. Derweil scheint Cally telepathische Nachrichten von einer Entität zu erhalten, die sich "The Tharrn" nennt und sie zu sich ruft, was sie jedoch vorerst als Halluzinationen abtut, ist dies doch der Name einer mythischen Gestalt, die für sie ungefähr so real ist, wie Einhörner und Drachen für Erdbewohner. Schließlich entscheidet Avon, das einzig vernünftige sei es, wenn einer von ihnen aussteigen und in einem Raumanzug die Umgebung erkunden würde. Selbst übernehmen tut er diese Aufgabe natürlich nicht, das bleibt dem gar nicht begeisterten Vila vorbehalten.
Wie sich zeigt, befindet sich die Liberator weder im Weltall noch in einem Paralleluniversum aus Antimaterie, sondern in einer Art riesigem Gewölbe. Vila entdeckt Wrackteile eines anderen Raumschiffs. Doch als plötzlich eine Gruppe hypnotischer Lichter in der Finsternis aufflammen, endet die unwillige Expedition unseres sympathischen Langfingers beinah in seinem Tod. Nur der Umstand, dass der mysteriöse Ort eine atembare Atmosphäre besitzt, rettet ihn.
Bis zu diesem Punkt ist das Szenario durchaus spannend und unheimlich. Doch wenn wenig später ein ulkiges Gefährt mit einem aufgemalten Monstermaul aus der Dunkelheit herangerollt kommt und eine Gestalt im Kostüm eines Varieté-Magiers mit riesigem Zylinderhut die Bühne betritt, gewinnt die Episode augenblicklich einen wunderbar überdrehten Charakter.
Wie es sich zeigt, ist die Liberator - Crew tatsächlich in die Hände des "Tharrn" gefallen, eines exilierten Gottes, der unter extremer Einsamkeit leidet und von der Herrschaft über das Universum träumt. Während Avon und Tarrant auf Anordnung des "Caliph" (Sam Dastor) und unter Aufsicht des buchhalterischen Groff (Terry Scully) irgendwelche mathematischen Gleichungen bearbeiten müssen, erhält die gute Cally auf einem Eisbärfell liegend psychedelische Visionen, mit denen Aurons Luzifer die Telepathin zu verführen sucht, da er sich ganz fürchterlich nach einer Gefährtin sehnt.

Dawn of the Gods ist nicht ohne signifikante Schwächen. Wenn der "Caliph" seinen ersten Auftritt hat, sind bereits dreißig Minuten der Episode verflossen. Entsprechend überhastet wirken die folgenden Ereignisse, die immerhin das Schmieden von Fluchtplänen, Oracs Verteidigung der Liberator und Callys Konfrontation mit dem "Tharrn" sowie die finale Enthüllung des greisen Gottes und die Zerstörung seiner künstlichen Welt umfassen. Dass aufgrund der Zeitknappheit vor allem Dayna in eine gänzlich passive Rolle gedrängt wird, kommt erschwerend hinzu.
Dennoch kann ich nicht anders, als diese Episode zu lieben. Ihr grotesker Charakter ist einfach zu charmant und erfüllt mich mit Vorfreude auf all die Verrücktheiten, die uns noch erwarten.               

  

* Ernesto Che Guevara: The Motorcycle Diaries. Latinoamericana. Tagebuch einer Motorradreise 1951/52. S. 155.

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